VwGH 2012/06/0209

VwGH2012/06/020921.2.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. des F B und 2. der G B, beide in V, beide vertreten durch die Piccolruaz & Müller Anwaltspartnerschaft in 6700 Bludenz, Bahnhofstraße 8, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 2. Oktober 2012, Zl. BHBL-I-4102.29-2012/0004, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. A D, 2. R D, beide in V, 3. Gemeinde V), zu Recht erkannt:

Normen

BauG Vlbg 2001 §5;
BauG Vlbg 2001 §6;
BauG Vlbg 2001 §7 Abs1 litb;
BauG Vlbg 2001 §7 Abs1;
BauRallg;
BauG Vlbg 2001 §5;
BauG Vlbg 2001 §6;
BauG Vlbg 2001 §7 Abs1 litb;
BauG Vlbg 2001 §7 Abs1;
BauRallg;

 

Spruch:

1. Der angefochtene Bescheid wird auf Grund der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat der belangten Behörde Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der drittmitbeteiligten Gemeinde vom 6. Juli 2011 wurde den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien (bauwerbenden Parteien) die Baubewilligung für die Erneuerung der Dachkonstruktion und der Dacheindeckung bei ihrer Haushälfte auf Grundstück Nr. 1872/1 in der drittmitbeteiligten Gemeinde erteilt.

Der Erstbeschwerdeführer ist alleiniger Eigentümer des unmittelbar an das Haus der bauwerbenden Parteien angebauten Wohnhauses. Die beschwerdeführenden Parteien hatten sich bereits während der mündlichen Verhandlung gegen die geplante Ausführung der Dachsanierung mit einer Eindeckung mit Dachziegeln gewandt, die eine Erhöhung des Daches der bauwerbenden Parteien bewirkt hätte. Daher wurde seitens der bauwerbenden Parteien während der mündlichen Verhandlung überlegt, das Dach statt mit Dachziegeln nunmehr mit Bitumenschindeln oder Blechbahnen einzudecken, weil dadurch eine Erhöhung vermieden werden könne.

In einem weiteren Schreiben, das am 15. Juni 2011 bei der Baubehörde erster Instanz einlangte, betonten die beschwerdeführenden Parteien nochmals, ihr Einverständnis zu verweigern, wenn die bauwerbenden Parteien nicht den ursprünglich gleich hohen Zustand des Daches, sondern vielmehr eine Erhöhung gegenüber dem Dach ihres Hauses planten. Einer Abstandsnachsicht werde jedenfalls nicht zugestimmt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der drittmitbeteiligten Gemeinde vom 6. Juli 2011 wurde den bauwerbenden Parteien die Bewilligung zur Sanierung des Daches und Eindeckung mit Aluminiumschindeln erteilt.

In ihrer Berufung vom 14. Juli 2011 führten die beschwerdeführenden Parteien aus, es sei zwar richtig, dass das Dach mit seiner gesamten Höhe jenes der beschwerdeführenden Parteien nicht mehr überrage, die Frage der Dacheindeckung sei bei einer Sanierungsmaßnahme jedoch zweitranging, weil die neue Dachkonstruktion mit Eterniteindeckung die ursprüngliche Höhe überrage. Daher sei auch für die neue Dacheindeckung mit Aluminiumschindeln ihre Zustimmung notwendig und sie hätten sich veranlasst gesehen, klarzustellen, dass sie eine solche nicht erteilt hätten.

Mit Bescheid der Gemeindevertretung der drittmitbeteiligten Gemeinde vom 27. Februar 2012 wurde der Berufung der beschwerdeführenden Parteien keine Folge gegeben. Begründend führte die Berufungsbehörde aus, die auf Grund altersbedingter Setzung erforderlich gewordene geplante Sanierung des Daches stelle laut Ansicht des Amtssachverständigen für Raumplanung und Baurecht jedenfalls eine sogenannte "zweckmäßige Bebauung" im Sinn des Baugesetzes und somit die einzig sinnvolle und mögliche Variante dar. Daher könne auf den vorliegenden Sacherhalt jedenfalls die Bestimmung des § 7 Abs. 1 lit. b BauG angewendet werden und eine Ausnahme von den Vorschriften des § 5 Abs. 1 bis 6 sowie des § 6 Abs. 1 bis 3 (Abstandsnachsicht) erteilt werden, weil die Interessen der Sicherheit, der Gesundheit sowie die Schutzes des Orts- und Landschaftsbildes nicht beeinträchtigt würden und überdies ohne Abstandsnachsicht eine "zweckmäßige Bebauung" nicht möglich wäre. Durch die beabsichtigte Sanierung werde das Dach der bauwerbenden Parteien auf dem Niveau des Gebäudes der beschwerdeführenden Parteien angeglichen und damit der ursprüngliche Zustand, der vor dem Jahr 2001 bestanden habe, annähernd wieder hergestellt. Es könne nicht festgestellt werden, woraus den beschwerdeführenden Parteien durch die geplante Bauführung ein Nachteil erwachsen sollte bzw. welche Interessen gefährdet wären.

In ihrer Vorstellung vom 28. Februar 2012 wandten die beschwerdeführenden Parteien ein, dass eine Sanierung des Daches auch ohne Erhöhung möglich gewesen wäre. Kosteneinsparungsgründe würden im Gesetz ebenso wenig als Grund für eine Abstandsnachsicht genannt wie bereits gesetzten Maßnahmen, die zu höheren Kosten bei einer allfälligen Sanierung führten. Es sei niemals behauptet worden, dass die Sanierung anders nicht möglich gewesen wäre, sondern nur, dass dies zu höheren Kosten geführt hätte. Es sei unerheblich, ob die beschwerdeführenden Parteien einen Nachteil aus dieser Abstandsnachsicht hätten, wenn die Bewilligung dem Grunde nach ungesetzlich sei. Die vorliegende Bewilligung ziele darauf ab, dass die Dachhöhe mit der derzeitigen Bedeckung die Höhe des Hauses der beschwerdeführenden Parteien nicht übersteige. Es sei jedoch nicht gesagt, dass die Bedeckung für immer dieselbe bleiben müsse. Wenn diese geändert werde, könne die Dachhöhe wieder überschritten werden, weshalb die Abstandsnachsicht durchaus Gewicht habe.

Die belangte Behörde holte sodann die Stellungnahme des Amtssachverständigen für Raumplanung und Baurecht vom 3. September 2012 ein, in der dieser ausführte, die Baumaßnahme sei auf Grund der durch die altersbedingten Setzung undicht gewordenen Dachhälfte nötig geworden. Im Zuge des Wiederaufbaues sei nicht nur die vorhandene Setzung gegenüber der Mittelwand ausgeglichen, sondern durch Aufdoppelung der Pfetten die Dachgleiche zum vergleichbar anschließenden benachbarten Dach hergestellt worden. Ein Ausgleich der Setzung des Daches durch Anhebung und Unterschiftung der noch vorhandenen unteren Pfetten wäre technisch möglich, aber unzweckmäßig gewesen, weil damit ein Abbruch der direkt unter den vorhandenen Pfetten befestigten Untersicht verbunden gewesen wäre. Auch in diesem Fall hätte aus statischen Gründen auf eine zweite Pfettenlage nicht verzichtet werden können. Insgesamt stelle die Wiederherstellung der Dachgleiche insbesondere im Interesse des Ortsbildschutzes eine zweckmäßige Form der Bebauung dar.

Dazu führten die beschwerdeführenden Parteien in ihrer Stellungnahme vom 17. September 2012 aus, sie hätten sich nicht dagegen gewehrt, dass die Firsthöhe dem Dach ihres Wohnhauses angeglichen werde, sondern, dass dessen Höhe überschritten werde. Weder die bauwerbenden Parteien noch der Bauamtsleiter hätten bestritten, dass die Sanierung auch möglich gewesen wäre, ohne die Höhe ihres Daches um 15 cm zu überschreiten. Die Erhöhung des Daches sei nur erfolgt, weil anderenfalls die Decke des Dachgeschosses, die am Altbestand des Dachgebälks festgemacht worden sei, hätte neu gemacht werden müssen. Durch die Erhöhung des Daches hätten die bauwerbenden Parteien 15 cm Raumhöhe "gewonnen". Die Zweckmäßigkeit der Bauführung sei vom Amtssachverständigen vornehmlich im Sinn der Ersparnis an Kosten und Aufwand für die bauwerdenden Parteien beurteilt worden. Die Sanierungskosten seien aber nur deshalb höher, weil die bauwerbenden Parteien zuvor nicht bewilligte Baumaßnahmen gesetzt hätten, deren Entfernung nun eben die Erhöhung an Aufwand und Kosten zur Folge habe. Wenn der Amtssachverständige behaupte, dass die Angleichung des Firstes an das Niveau des Nachbargebäudes naheliegend sei, sei diese Aussage widersprüchlich, weil der Dachstuhl um l5 cm höher geworden sei, die Dachhöhe nur deshalb nicht überschritten worden sei, weil eine andere, flachere Dacheindeckung gewählt worden sei. Bei einer zweckmäßigen Verbauung dürften subjektive finanzielle Interessen der bauwerbenden Parteien nicht zum Tragen kommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid (vom 2. Oktober 2010) wies die belangte Behörde die Vorstellung der beschwerdeführenden Parteien als unbegründet ab. Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes führte die belangte Behörde zu § 7 Abs. 1 BauG aus, die bauwerbenden Parteien hätten durch die Erneuerung des Daches ihres Wohnhauses dieses um ca. 30 cm gegenüber dem Altbestand auf das Niveau des Daches der beschwerdeführenden Parteien erhöht. Diese Maßnahme sei gemäß § 18 Abs. 1 BauG genehmigungspflichtig. Da das Wohnhaus der bauwerbenden Parteien und jenes der beschwerdeführenden Parteien direkt aneinander grenzten, würden die Mindestabstände nicht eingehalten. Da der Erstbeschwerdeführer seine Zustimmung zur Erteilung einer Abstandsnachsicht nicht erteilt habe, hätte eine solche jedenfalls nicht auf § 7 Abs. 1 lit. a BauG gestützt werden können. Bei der Beurteilung der "zweckmäßigen Bebauung" im Sinn des § 7 Abs. 1 lit. b BauG seien die objektiven, baugesetzlich zu wahrenden Interessen (z.B. Sicherheit, Schutz des Orts- und Landschaftsbildes, haushälterischer Umgang mit Grund und Boden) sowie auch die Interessen der Nachbarn zu berücksichtigen. Dabei spielten auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/06/0194). Für einen bewilligungspflichtigen Umbau sei die Erteilung einer Abstandsnachsicht aus Gründen einer "zweckmäßigen Bebauung" auch dann gerechtfertigt, wenn sie der Weiterverwendung eines seit langem bestehenden und als konsentiert geltenden Gebäudes diene, der Abstand gegenüber den beschwerdeführenden Parteien nicht weiter verringert werde und das Alternativvorhaben beträchtliche Mehrkosten zur Folge hätte (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/06/0064, und vom 18. September 2003, Zl. 2000/06/0021). Bei den von den bauwerbenden Parteien in den Dachräumen durchgeführten Baumaßnahmen (Verkleidung mit Wand- und Deckentäfer sowie Wärmedämmung) handle es sich um freie Bauvorhaben im Sinn des § 20 BauG, sodass diese bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit nicht unberücksichtigt zu bleiben hätten. Die Berufungsbehörde habe daher bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit des Bauvorhabens neben der Wirtschaftlichkeit auch Überlegungen zur Erhaltung der vorgefundenen Bausubstanz prüfen dürfen.

Entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Parteien sei das Gutachten des Amtssachverständigen nicht widersprüchlich, weil ein Angleichen an das Höhenniveau des Daches der beschwerdeführenden Parteien auf Grund der eingetretenen Setzungen nur durch eine entsprechende Erhöhung des Daches der beschwerdeführenden Parteien möglich gewesen sei. Dies ergebe sich aus der Klarstellung des Amtssachverständigen, dass die durchgeführten Baumaßnahmen der Wiederherstellung des vor der Setzung des Daches bestehenden Gebäudezustandes und in der Folge der Angleichung an das Höhenniveau des bereits sanierten Daches der beschwerdeführenden Parteien gedient habe. Eine Sanierung durch Anhebung und Unterschiftung der noch vorhandenen unteren Pfetten hätte den Abbruch des direkt an den vorhandenen Pfetten befestigten Untersicht bedeutet, was vom Amtssachverständigen als unzweckmäßig beurteilt worden sei. Diese subjektiven, im Interesse der bauwerbenden Parteien liegenden wirtschaftlichen Gesichtspunkte dürften in die Beurteilung der Zweckmäßigkeit des Bauvorhabens einfließen, weil sie der Erhaltung der bestehenden, konsentierten Bausubstanz dienten.

Die Vorschriften über die Bauabstände dienten der Wahrung des Interesses der Nachbarn an einem Höchstmaß an Lichteinfall, Besonnung und Luftzugang. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit durch die Erneuerung des Daches der bauwerbenden Parteien eine Beeinträchtigung der genannten gesetzlich geschützten Interessen der beschwerdeführenden Parteien eintreten könnte, zumal der Abstand der beiden Doppelhaushälften durch die Dacherneuerung nicht verringert werde.

Eine (künftige) Veränderung der Dacheindeckung wäre allenfalls von der Baubehörde neu zu beurteilen. Das BauG räume den Nachbarn kein Mitspracherecht an der Art der Dacheindeckung ein. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abstandsnachsicht gemäß § 7 Abs. 1 lit. b BauG seien gegeben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die mitbeteiligten Parteien gaben eine Stellungnahme zu der Beschwerde ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Im Beschwerdefall ist das Vorarlberger Baugesetz (BauG), LBGl. Nr. 52/2001, idF LGBl. Nr. 29/2011, anzuwenden. Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 2

Begriffe

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

  1. a) ...
  2. k) Nachbar: der Eigentümer eines fremden Grundstückes, das zu einem Baugrundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis steht, dass mit Auswirkungen des geplanten Bauwerkes, der geplanten sonstigen Anlage oder deren vorgesehener Benützung, gegen welche die Bestimmungen dieses Gesetzes einen Schutz gewähren, zu rechnen ist; dem Eigentümer ist der Bauberechtigte gleichgestellt;

    i) ...

    § 7

    Abstandsnachsicht

(1) Die Behörde kann Ausnahmen von den Vorschriften des § 5 Abs. 1 bis 6 sowie des § 6 Abs. 1 bis 3 zulassen (Abstandsnachsicht), wenn die Interessen der Sicherheit, der Gesundheit sowie des Schutzes des Orts- und Landschaftsbildes nicht beeinträchtigt werden und überdies

a) der betroffene Nachbar zustimmt; die Zustimmung ist ab ihrem Einlangen bei der Behörde unwiderruflich; oder

b) ohne Abstandsnachsicht eine zweckmäßige Bebauung, z.B. wegen der besonderen Lage oder Form des Baugrundstückes, nicht möglich wäre; oder

c) bei einer Änderung eines nach den baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehenden Bauwerkes oder bei seinem Wiederaufbau innerhalb von sieben Jahren die Schattenpunkte nicht tiefer in das Nachbargrundstück hineinragen als bisher und die bisherigen Abstände nicht unterschritten werden; oder

d) dies für eine Sanierung durch die nachträgliche Anbringung einer Außenwärmedämmung bis zu 0,25 m notwendig ist; oder

e) bei der Errichtung oder Änderung von Nebengebäuden oder Nebenanlagen bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück die Nachbarn nicht stärker beeinträchtigt werden, als dies bei Errichtung einer Einfriedung oder einer sonstigen Wand bis zur selben Höhe der Fall wäre; oder

f) bei der Änderung der Verwendung eines Gebäudes der Nachbar nicht stärker beeinträchtigt wird als bisher oder anzunehmen ist, dass bei Neuerrichtung des Gebäudes mit einer solchen Verwendung die Abstandsnachsicht erteilt werden könnte.

§ 18

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

(1) Einer Baubewilligung bedürfen

a) die Errichtung oder wesentliche Änderung von Gebäuden; ausgenommen sind jene kleinen Gebäude, die nach § 19 lit. a bis c nur anzeigepflichtig sind, weiters Gebäude, soweit es die Verwendung für den Betrieb eines Gastgartens betrifft und die insofern nach § 19 lit. d nur anzeigepflichtig sind;

b) die wesentliche Änderung der Verwendung von Gebäuden, ausgenommen ist die Verwendung für den Betrieb eines Gastgartens, die nach § 19 lit. d nur anzeigepflichtig ist;

c) die Errichtung oder wesentliche Änderung von Bauwerken, die keine Gebäude sind, sofern durch diese Bauwerke Gefahren für die Sicherheit oder die Gesundheit einer großen Anzahl von Menschen entstehen können, z.B. Tribünen, offene Parkdecks u.dgl.;

d) die Errichtung oder wesentliche Änderung von Feuerstätten, deren Verbrennungsgase über eine Abgasanlage oder direkt ins Freie abgeleitet werden, und von Einrichtungen zur Ableitung dieser Gase; ausgenommen sind jene Feuerstätten und Einrichtungen zur Ableitung der Gase, die durch gewerberechtlich befugte Fachleute ausgeführt werden oder die sich außerhalb von Gebäuden befinden;

e) die Aufstellung oder wesentliche Änderung von ortsfesten Maschinen oder sonstigen ortsfesten technischen Einrichtungen, sofern durch sie die Sicherheit oder Gesundheit von Menschen gefährdet oder Nachbarn belästigt werden können;

f) andere Bauvorhaben, wenn für sie eine Abstandsnachsicht erforderlich ist.

§ 26

Nachbarrechte, Übereinkommen

(1) Der Nachbar hat im Verfahren über den Bauantrag das Recht, durch Einwendungen die Einhaltung der folgenden Vorschriften geltend zu machen:

a) § 4 Abs. 3, soweit mit Auswirkungen auf sein Grundstück zu rechnen ist;

  1. b) §§ 5 bis 7, soweit sie dem Schutz des Nachbarn dienen;
  2. c) § 8, soweit mit Immissionen auf seinem Grundstück zu rechnen ist;

    d) die Festlegungen des Bebauungsplanes über die Baugrenze, die Baulinie und die Höhe des Bauwerks, soweit das Bauwerk nicht mehr als 20 Meter vom unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Nachbargrundstück entfernt ist.

(2) Einwendungen des Nachbarn, mit denen die Verletzung anderer als im Abs. 1 genannter öffentlich-rechtlicher Vorschriften behauptet wird, sind als unzulässig zurückzuweisen.

(3) ..."

1. Zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides:

Die Beschwerde wendet sich gegen die Erteilung einer Abstandsnachsicht gemäß § 7 Abs. 1 lit. b BauG. Diese Bestimmung sei vom Gesetzgeber nur für ganz besondere Ausnahmesituationen geschaffen worden, wenn es im Hinblick auf objektive, baugesetzlich zu wahrende Interessen z.B. der Sicherheit und des Schutzes des Orts- und Landschaftsbildes, nicht aber im Hinblick auf subjektive Interessen der bauwerbenden Parteien als zweckmäßig erscheine. Ohne Zustimmung des Nachbarn solle eine Abstandsnachsicht nur dann erteilt werden, wenn eine zweckmäßige Bebauung auf Grund der besonderen Beschaffenheit nicht anders möglich sei. Die belangte Behörde habe in zweckwidriger Weise diese Ausnahmebestimmung dazu herangezogen, um einen gesetzwidrigen Zustand und eine vom Bauwerber kurz zuvor selbst geschaffene ungünstige bauliche Situation zu sanieren. Es lägen weder objektive, baugesetzlich zu wahrende Interessen noch besondere Umstände in Bezug auf die besondere Beschaffenheit des Bauobjektes vor. Auch der wirtschaftliche Gesichtspunkt stelle bei der Frage der zweckmäßigen Bebauung nur eine Ausnahmebestimmung dar und dürfe keinesfalls zu Lasten des Nachbarn ausgelegt werden (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/06/0194). Im gegenständlichen Fall wäre nach Aussage des Amtssachverständigen eine Sanierung des Daches durch Anhebung und Unterschiftung der noch vorhandenen unteren Pfetten technisch möglich gewesen. Dies wäre jedoch im Nachhinein an den Abbruch der direkt an den vorhandenen Pfetten befestigten Untersicht bedingt gewesen. Allerdings nur, weil diese Variante im Vorfeld von den bauwerbenden Parteien nicht berücksichtigt und zudem vor Baubeginn keine Baugenehmigung eingeholt worden sei. Diese nachträgliche Vorgehensweise sei vom Sachverständigen als unzweckmäßig beurteilt worden. Diese wahrscheinlich ohnehin nur unerheblichen wirtschaftlichen Gesichtspunkte seien von den bauwerbenden Parteien selbst geschaffen worden. Der Amtssachverständige habe die Alternative eines Austausches der bestehenden Pfetten auch nicht konkretisiert, diese aber als technisch möglich erachtet. Es sei somit offenkundig, dass eine alternative, wenngleich unter Umständen (eher geringfügig) kostenintensivere Möglichkeit des Umbaus des Dachbereiches möglich gewesen wäre. Diese Möglichkeit sei deshalb nie in Betracht gezogen worden, weil die Bauverhandlung erst abgehalten worden sei, als die Zimmerarbeiten am Dachstuhl bereits abgeschlossen worden seien. Es sei zwar richtig, dass die Erteilung einer Abstandsnachsicht aus Gründen einer zweckmäßigen Bebauung für die Weiterverwendung eines seit langem bestehenden und als konsentiert geltenden Gebäudeteiles im Zuge eines bewilligungspflichtigen Umbaus gerechtfertigt sei, wenn der Abstand gegenüber dem Nachbarn nicht verringert werde und das Alternativvorhaben beträchtliche Mehrkosten zur Folge hätte. Im gegenständlichen Fall seien zu den Mehrkosten des Alternativvorhabens aber weder von den Behörden noch vom Amtssachverständigen Ausführungen getätigt worden. Es sei somit nicht nachvollziehbar begründet worden, dass eine zweckmäßige Bebauung im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ohne Abstandsnachsicht nicht möglich gewesen wäre.

Dieses Vorbringen ist berechtigt.

§ 7 Abs. 1 BauG ermöglicht es der Baubehörde, Ausnahmen von den Abstandsflächen (§ 5 Abs. 1 bis 6 BauG) bzw. Mindestabständen (§ 6 Abs. 1 bis 3 leg. cit.) zuzulassen. Ausnahmen sind jedoch grundsätzlich restriktiv zu interpretieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 2011, Zl. 2011/06/0020, zur insofern vergleichbaren Kärntner Bauordnung).

Die belangte Behörde ging zunächst zutreffend davon aus, dass die Erteilung einer Abstandsnachsicht gemäß § 7 Abs. 1 lit. b BauG zu dem Zweck, einen seit langem bestehenden und als konsentiert geltenden Gebäudeteil im Zuge eines bewilligungspflichtigen Umbaus weiter verwenden zu können, den Kriterien einer zweckmäßigen Bebauung entspricht, sofern dadurch der Abstand nicht weiter verringert wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. April 2010, Zl. 2006/06/0152, mwN). Sie wies weiter darauf hin, dass bei der Frage der zweckmäßigen Bebauung auch wirtschaftliche Gesichtspunkte - etwa beträchtliche Mehrkosten des Alternativvorhabens - eine Rolle spielten, und verwies dazu unter anderem auf das hg. Erkenntnis vom 18. September 2003. Sie unterließ es jedoch, die Aussagen dieses Erkenntnisses vollständig auf den vorliegenden Fall anzuwenden.

Der Amtssachverständige führte in seiner Stellungnahme vom 3. September 2012 aus, dass ein Ausgleich der Setzung des Daches der bauwerbenden Parteien durch Anhebung und Unterschiftung der noch vorhandenen unteren Pfetten möglich wäre, was jedoch mit einem zusätzlichen technischen Aufwand verbunden wäre; auch in diesem Fall könnte auf eine zweite Pfettenlage aus statischen Gründen nicht verzichtet werden und die neuen Sparren und Pfetten müssten stärkere Abmessungen aufweisen. Dieser zusätzliche Aufwand erweise sich - aus Sicht des Amtssachverständigen - als eher unzweckmäßig.

Diesen Ausführungen des Amtssachverständigen ist nicht zu entnehmen, ob bei Verwirklichung dieser Alternativvariante auch eine Anhebung des Daches der bauwerbenden Parteien gegenüber der bewilligten Höhe - bedingt durch die infolge altersbedingter Setzung notwendig gewordene Sanierung - erforderlich wäre und wenn ja, in welchem Ausmaß. Wenn die belangte Behörde mit Berufung auf die Stellungnahme des Amtssachverständigen ausführt, "ein Angleichen an das Höhenniveau des Daches der Vorstellungswerber (war) auf Grund der eingetretenen Senkungen nur durch eine entsprechende Erhöhung des Daches der Bauwerber möglich", entfernt sie sich von dessen Aussagen. Eine Schlussfolgerung - wie von der belangten Behörde offenbar intendiert -, dass es in Wahrheit keine Alternative zu der Anhebung des Daches der bauwerbenden Parteien auf das Niveau jenes der beschwerdeführenden Parteien gibt, lässt sich aus den Aussagen des Amtssachverständigen nicht ohne weiteres ableiten. Aus dessen Sicht sei der zusätzliche Aufwand bei Verwirklichung der Alternative zwar unzweckmäßig, aus welchen Gründen er zu dieser Auffassung gelangte, ist seiner Stellungnahme jedoch nicht zu entnehmen.

Darüber hinaus trafen die Behörden des Verwaltungsverfahrens auch keine Feststellungen zu den durch das alternative Bauvorhaben verursachten Mehrkosten. Darüber geben auch die Verwaltungsakten keinen Aufschluss.

Dadurch, dass die belangte Behörde diese Feststellungsmängel nicht aufgriff, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

2. Zur Zurückweisung der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin:

Einem Auszug des Grundbuches zufolge ist Eigentümer des an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes ausschließlich der Erstbeschwerdeführer. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. k iVm § 26 BauG kommt der Zweitbeschwerdeführerin somit keine Parteistellung im gegenständlichen Bauverfahren zu. Ihre Beschwerde war daher mangels Parteistellung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014). Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand enthalten ist.

Wien, am 21. Februar 2014

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