LVwG Tirol LVwG-2022/35/0997-4

LVwG TirolLVwG-2022/35/0997-431.8.2022

UIG §2
UIG §4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.35.0997.4

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Christ über die Beschwerde von Herrn AA, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 22.3.2022, Zl. ***, betreffend den Antrag auf Herausgabe bestimmter Daten nach dem Umweltinformationsgesetz,

 

zu Recht:

 

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Zum angefochtenen Bescheid vom 22.3.2022, Zl. ***:

Mit E-Mail vom 26.1.2022, gerichtet an die Abteilung BB des Amtes der Tiroler Landesregierung, hat AA unter Berufung auf § 4 Umweltinformationsgesetz (UIG) folgendes Informationsbegehren gestellt:

 

„(…) nach meinem Wissensstand wird im Auftrag des Landes Tirol im Zulauf zu 43 Kläranlagen eine Erhebung der Konzentration von SARS-CoV-Genen durchgeführt. Diese Daten, in Zusammenhang mit Kläranlagen-Nebenparametern (Bevölkerungsindikatoren), die von jeder Kläranlage erhoben werden, geben Auskunft über die Häufigkeit der in der Umwelt kursierenden SARS-CoV-Viren. Im Sinne des § 4 des Umweltinformationsgesetzes begehre ich folgende Auskunft.

 

1. Die Daten der zweimal-wöchentlich gemessenen Konzentrationen des N1-Gens von SARS-CoV-2 im Zulauf zu den 43 untersuchten Tiroler Kläranlagen (soweit vorhanden) vom 1. September 2020 bis 31. Jänner 2022. Sind die Daten nicht zweimal wöchentlich vorhanden, dann ersuche ich um Übermittlung der wöchentlichen oder vierzehntägigen Werte.

 

2. Parallel zu den Konzentrationen des SARS-CoV-Gens werden von den Kläranlagen Bevölkerungsindikatoren wie Ammonium, Gesamt-Stickstoff oder CSB gemessenen. Ich ersuche um Übermittlung auch dieser Parameter für jeden unter Punkt 1 genannten Messzeitpunkt.“

 

Nach Durchführung des im angefochtenen Bescheid näher dargestellten Ermittlungsverfahrens, insbesondere nach Einholung einer Stellungnahme der Abt. BB beim Amt der Tiroler Landesregierung zur Umweltrelevanz der angeforderten Daten und Bevölkerungsindikatoren entschied die belangte Behörde mit dem im vorliegenden Fall angefochtenen Bescheid über den genannten Antrag wie folgt:

 

„I.

Informationsbegehren nach dem Umweltinformationsgesetz

Über das mit E-Mail vom 26.01.2022 gestellte Informationsbegehren entscheidet der Landeshauptmann von Tirol als informationspflichtige Stelle gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 iVm § 8 Abs. 1 Umweltinformationsgesetz (UIG, BGBl. Nr. 495/1993, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 74/2018) wie folgt:

 

Es wird festgestellt, dass die mit E-Mail vom 26.01.2022 von AA begehrten Daten und Bevölkerungsindikatoren keine Umweltinformationen iSv § 2 UIG darstellen und somit nicht dem Anwendungsbereich des UIG unterliegen.

 

Vor diesem Hintergrund kommt AA ein Recht auf Mitteilung der mit E-Mail vom 26.01.2022 begehrten Daten und Bevölkerungsindikatoren auf Basis des UIG nicht zu.

 

II.

Kosten

Verwaltungsabgabe

Gemäß § 16 UIG unterliegen Begehren auf Mitteilung und Mitteilungen von Umweltinformationen nach diesem Bundesgesetz nicht der Pflicht zur Entrichtung von Bundesverwaltungsabgaben.“

 

Begründend wurde nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften zunächst ausgeführt, dass das gegenständlich betroffene abwasserepidemiologische Monitoring bzw. die daraus gewonnenen Daten und Bevölkerungsindikatoren ohne Zweifel der Pandemiebekämpfung dienen würden und deshalb dem Kompetenztatbestand „Gesundheitswesen“ (Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG), der in Gesetzgebung Sache des Bundes sei, zuzuordnen seien, weshalb für die Behandlung der vorliegenden Anfrage das UIG des Bundes als rechtliche Grundlage heranzuziehen sei.

 

Sodann wird näher dargelegt, weshalb die im gegenständlichen Fall begehrten Daten und Bevölkerungsindikatoren keine Umweltinformationen im Sinn des § 2 UIG darstellen würden, und dies zunächst damit begründet, dass schon begrifflich die Z 2 bis 5 des § 2 UIG als Grundlage nicht in Betracht kämen und dass auch keine Umweltinformationen iSv § 2 Z 1 (als Daten über den Umweltbestandteil Wasser) und Z 6 (Gesundheitsdaten) begehrt würden.

 

Zu letzteren Punkten wird wörtlich wie folgt ausgeführt:

 

„2.3.2. Umweltzustandsdaten (§ 2 Z 1 UIG)

Auf Basis von § 2 Z 1 UIG sind unter anderem Informationen über den Zustand des Umweltbestandteils ‚Wasser‘ als Umweltinformationen anzusehen. Der Begriff Zustand erstreckt sich vorrangig auf die gegenwärtige Beschaffenheit dieses Umweltbestandteils (Raschauer N., Der Anspruch auf Umweltinformation, in: Hauer [Hrsg.], Umweltinformation zwischen Anspruch und Wirklichkeit [2010] 47 [58]). Es handelt sich um Immissionsdaten, die aufgrund ihrer Diffusion nicht mehr auf einen bestimmten einzelnen Emittenten zurückgeführt werden können, wie beispielsweise – in Bezug auf den Umweltbestandteil ‚Luft‘ – Messdaten über die Luftgüte und Schadstoffbelastung oder – gegenständlich relevant – Daten über die Wassergüte (Ennöckl/Maitz, Umweltinformationsgesetz § 2 Rz 5).

 

Die gegenständlich angefragten, im Zuge eines abwasserepidemiologischen Monitorings erhobenen Daten und Bevölkerungsindikatoren enthalten keine Angaben zur Beschaffenheit des Umweltbestandteils Wasser bzw. zur Wassergüte. Vielmehr geben sie – in der Zusammenschau – Auskunft über eine bestimmte Virenlast im Abwasser. Aus einem dabei ermittelten hohen oder niedrigen Wert lassen sich jedoch keine Rückschlüsse auf die Wassergüte treffen bzw. wird diese durch eine bestimmte Virenlast auch nicht beeinflusst.

 

Die gegenständlich angefragten Daten und Bevölkerungsindikatoren sind somit nicht als solche iSv § 2 Z 1 UIG anzusehen.

 

2.3.3. Informationen über den Zustand der menschlichen Gesundheit (§ 2 Z 6 UIG)

Gemäß § 2 Z 6 UIG handelt es sich bei Informationen über den Zustand der menschlichen Gesundheit in dem Maße um Umweltinformationen, in dem sie vom Zustand der in Z 1 genannten Umweltbestandteile oder – durch diese Bestandteile – von den in den Z 2 und 3 aufgeführten Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten betroffen sind oder betroffen sein können.

 

§ 2 Z 6 fand mit der Novelle BGBl I 6/2005 (‚UIG-Novelle 2004‘) Eingang in das UIG. Den Hintergrund dieser Novelle bildete insbesondere die Anpassung des UIG an die Erfordernisse der neuen ‚Umweltinformationsrichtlinie‘ (RL 2003/4/EG ; ABl L 2003/41, S. 26-32), welche die bisherige RL 90/313/EWG (ABl L 1990/158, S. 56-58) abgelöst hatte.

 

Unter anderem wurde im Zuge der Novellierung der Begriff der ‚Umweltinformation‘ in § 2 UIG gegenüber dem bis dahin verwendeten Begriff der ‚Umweltdaten‘ ausgeweitet bzw. präzisiert. Dies erfolgte durch eine nahezu wortgleiche Übernahme des Umweltinformationsbegriffs aus der RL, was auch zur Schaffung des Tatbestands ‚Zustand der menschlichen Gesundheit‘ als Umweltinformation in Z 6 geführt hat.

 

Laut Erläuterungen zur UIG-Novelle 2004 (ErlRV 641 BlgNR XXII. GP , S. 3) bildete den Hintergrund dieser Neuerung der Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat und das Europäische Parlament vom 29.06.2000 über die Erfahrungen aus der Anwendung der Richtlinie 90/313/EWG (KOM [2000] 400 endg.), aus welchem hervorging, ‚dass in einigen Mitgliedstaaten eine enge Auslegung des Begriffs ‚Informationen über die Umwelt‘ dazu geführt habe, dass die Bereitstellung von Informationen, die vermeintlich nicht unter die Begriffsbestimmung fielen, verweigert worden sei. Dabei soll es sich um Informationen über die Auswirkung des Umweltzustandes auf die öffentliche Gesundheit [Hervorhebung durch die bescheiderlassende Behörde], über Strahlungsbelastung und nukleare Sicherheit oder über Finanz- oder Bedarfsanalysen zur Unterstützung von Projekten, die sich voraussichtlich auf die Umwelt auswirkten, gehandelt haben‘ (vgl. Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 29.06.2000 über die Erfahrungen aus der Anwendung der Richtlinie 90/313/EWG vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, KOM (2000) 400 endg. (29.06.2000), S. 4, sowie die Erläuterungen zur Stammfassung des Tiroler Umweltinformationsgesetzes, LGBl 89/2005, GZ 306/5, S. 17 f.).

 

Zudem wird diesbezüglich in den Erläuterungen der UIG-Novelle 2004 auf die Erläuterungen zu dem der RL 2003/4/EG vorangegangenen Richtlinienvorschlag (KOM [2000] 402 endg.; ABl C 2000/337 E, S. 156-162) verwiesen. Darin wird wie folgt ausgeführt:

 

‚Die Richtlinie 90/313/EWG enthielt zwar bereits eine weit gefasste Definition des Begriffs ‚Informationen über die Umwelt‘, doch scheint aufgrund der gewonnenen Erfahrungen eine umfassendere und ausdrücklichere Begriffsbestimmung zweckmäßig, um bestimmte Kategorien umweltbezogener Informationen zu erfassen, die infolge einer engen Auslegung vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen wurden. […] Die Begriffsbestimmung wurde auch klarer gefasst, um ausdrücklich auf die menschliche Gesundheit und Sicherheit Bezug zu nehmen, soweit diese durch den Zustand der Umwelt beeinflusst werden oder beeinflusst werden können [Hervorhebung durch die bescheiderlassende Behörde]. Nach Artikel 174 EG-Vertrag gehört der Schutz der menschlichen Gesundheit zu den Zielen der gemeinschaftlichen Umweltpolitik. Es scheint daher angebracht, dieses wichtige Element der Gemeinschaftspolitik anläßlich der Überarbeitung dieser Richtlinie in die Definition des Begriffs ‚Umweltinformationen‘ zu integrieren.‘

 

Ebenso in diesem Zusammenhang von Interesse ist der 10. Erwägungsgrund der RL 2003/4/EG : ‚Die Bestimmung des Begriffs ‚Umweltinformationen‘ sollte dahin gehend präzisiert werden, dass Informationen jeder Form zu folgenden Bereichen erfasst werden: Zustand der Umwelt; Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten, die Auswirkungen auf die Umwelt haben oder haben können oder die dem Schutz der Umwelt dienen; Kosten/Nutzen-Analysen und wirtschaftliche Analysen im Rahmen solcher Maßnahmen oder Tätigkeiten; außerdem Informationen über den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit einschließlich der Kontamination der Lebensmittelkette, Lebensbedingungen der Menschen, Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie von einem der genannten Aspekte betroffen sind oder betroffen sein können [Hervorhebungen durch die bescheiderlassende Behörde].‘

 

Unmittelbar zur Z 6 wird in den Erläuterungen der UIG-Novelle 2004 ausgeführt, dass der Zustand der menschlichen Gesundheit in dem Maße erfasst ist, in dem er ‚vom Zustand der unter Z 1 genannten Umweltbestandteile oder – dadurch sekundär bedingt – von den unter Z 2 und 3 genannten Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten betroffen [ist] oder sein [kann]‘ (ErlRV 641 BlgNR XXII. GP , S. 4).

 

Vor diesen Hintergründen ist zur Frage, ob die gegenständliche angefragten Informationen solche iSv § 2 Z 6 UIG sein könnten, festzuhalten, dass der Zustand der menschlichen Gesundheit (Z 6) nur insoweit eine Umweltinformation iSv § 2 UIG darstellt, als er vom Zustand der in Z 1 genannten Umweltbestandteile oder von Umweltfaktoren (Z 2), die sich auf die Umweltbestandteile (wahrscheinlich) auswirken, oder von Umweltmaßnahmen (Z 3), die sich auf die Umweltbestandteile und -faktoren (wahrscheinlich) auswirken, betroffen ist oder betroffen sein kann.

 

Der Zweck der umfassenden Informationspflicht des UIG liegt darin, dem Bürger die Möglichkeit zu eröffnen, umweltrelevante Entscheidungsprozesse nachzuvollziehen und auf ihre Richtigkeit überprüfen zu können (Klein, Umweltinformation im Völker- und Europarecht [2011] 301 ff; zitiert nach dem Erkenntnis des LVwG Burgenland vom 22.08.2016, E 044/02/2016.001/013). Dies zeigt sich anhand einer Entscheidung des LVwG Burgenland, wo ausgeführt wird, dass unter den weiten Begriff der Umweltinformation auch wirtschaftliche Aspekte sowie gesundheits- und sicherheitstechnische Aspekte (vgl. § 2 Z 5 und 6 UIG) fallen können, allerdings nur, wenn diese Informationen etwa im Rahmen eines Verfahrens zur Entscheidung über Umweltmaßnahmen zu berücksichtigen sind oder die Entscheidung faktisch beeinflussen könnten (LVwG Burgenland vom 22.08.2016, E 044/02/2016.001/013; mit Verweis auf Klein, Umweltinformation 303 ff).

 

Insofern ist zusammenfassend festzuhalten, dass von § 2 Z 6 UIG nicht generell Gesundheitsinformationen bzw. -daten erfasst sind, sondern diese Informationen vielmehr in einem Zusammenhang mit einem Umweltzustand bzw. umweltrelevanten Faktoren oder Maßnahmen stehen müssen (vgl. auch Fonk, Europäische Luftqualitätsziele und nationale Erfüllungsverantwortung [2009] 38). In einfacheren Worten: Es muss somit ein gewisser umweltrelevanter Zusammenhang insoweit gegeben sein, als Auswirkungen des Zustandes der Umwelt auf die öffentliche Gesundheit den Gegenstand einer Anfrage bilden. Dies geht aus den Erwägungsgründen der RL 2003/4/EG und deren Entstehungsgeschichte sowie aus den Erläuterungen zur UIG-Novelle 2004 klar hervor.

 

Ein derartiger umweltrelevanter Zusammenhang ist bei den angefragten Daten und Bevölkerungsindikatoren aus dem abwasserepidemiologischen Monitoring, auf deren Basis Rückschlüsse zur Verbreitung von COVID-19 bzw. zur Risikoeinstufung gezogen werden können, nicht zu erkennen. Es handelt sich bei den angefragten Daten iVm den Bevölkerungsindikatoren vielmehr um allgemeine Informationen zur Verbreitung von COVID-19, die jedoch keinerlei Umweltrelevanz aufweisen und somit nicht als Umweltinformationen iSv § 2 Z 6 UIG anzusehen sind.“

 

Laut dem gegenständlichen Verwaltungsakt wurde der im vorliegenden Fall angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer am 28.3.2022 zugestellt.

 

3. Beschwerde:

 

Gegen den unter Z 1 genannten Bescheid erhob Herr AA Beschwerde, welche am 31.3.2022 per Email an die belangte Behörde übermittelt und die wie folgt begründet wurde:

 

„Im ablehnenden Bescheid wird mitgeteilt, dass die im Zuge eines abwasserepidemiologischen Monitorings erhobenen Daten ‚keine Angaben zur Beschaffenheit des Umweltbestandteils Wasser bzw. zur Wassergüte enthalten. Vielmehr geben sie Auskunft über eine bestimmte Virenlast im Abwasser. Aus einem dabei ermittelten hohen oder niedrigen Wert lassen sich jedoch keine Rückschlüsse auf die Wassergüte treffen bzw. wird diese durch eine bestimmte Virenlast auch nicht beeinflusst. Beim abwasserepidemiologischen Monitoring handelt es sich um ein Instrument zur Pandemiebekämpfung‘. Die Wassergüte war auch nicht Gegenstand und Grund des Informationsbegehrens. Die gemessene Virenlast (genau: Genkopien des Virus) im Abwasser ermöglicht hingegen Aussagen über die allgemeine Belastung der Bevölkerung durch das Virus, und insbesondere dessen Verbreitung in Luft und Atmosphäre, was eben genau das Wesen der Abwasserepidemiologie ist.

 

Die gegenständlich ebenfalls angefragten Bevölkerungsindikatoren dienen der Umrechnung der Konzentrationen des SARS-CoV-Gens im Abwasser auf den Bevölkerungsanteil und sind somit wesentlicher Informationsbestandteil. Damit können die erhobenen SARS-CoV-Genkopienzahlen besser quantifiziert, und Messergebnisse aus Proben verschiedener Kläranlagen und von verschiedenen Zeitpunkten besser verglichen werden. Dies ist für eine qualitätvolle Lagebeurteilung unerlässlich.

 

Unten nehme ich noch auf spezifische Punkte aus dem Umweltinformationsgesetz Bezug:

 

§ 2 definiert Umweltinformationen und nennt insbesondere

 

1. den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Berggebiete, Feuchtgebiete, Küsten und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich genetisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen;

 

Die Abundanz (die Anzahl) von SARS-CoV-Viren in Luft, Atmosphäre und Wasser sagt jedenfalls etwas aus über deren Zustand (inhärentes Infektionsrisiko) aus und das SARS-CoV-Virus ist jedenfalls Bestandteil der ‚Artenvielfalt‘.

 

2. Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung oder Abfall einschließlich radioaktiven Abfalls, Emissionen, Ableitungen oder sonstiges Freisetzen von Stoffen oder Organismen in die Umwelt, die sich auf die in Z 1 genannten Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken;

 

Die Abundanz von SARS-CoV-Virenbestandteilen im Zulauf zu Kläranlagen ist jedenfalls ein Indikator für das Vorhandensein der Viren in Luft, Atmosphäre und Wasser und indiziert davon ausgehende Gefährdungen.

 

4. Maßnahmen (einschließlich Verwaltungsmaßnahmen), wie zB Politiken, Gesetze, Pläne und Programme, Verwaltungsakte, Umweltvereinbarungen und Tätigkeiten, die sich auf die in den Z 1 und 2 genannten Umweltbestandteile und -faktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken, sowie Maßnahmen oder Tätigkeiten zu deren Schutz;

5.

Die Vielzahl an nichtpharmazeutischen Maßnahmen, die in den beiden vergangenen Jahren der Pandemie als Politiken und Gesetze Eingang in unsere Gesellschaft gefunden haben wirken sich jedenfalls auf die Abundanz der SARS-CoV-Virenfragmente im Abwasser, die als Indikator für die Gesundheitsgefährdung durch Luft und Atmosphäre dienen, aus. SARS-CoV-Partikel im Abwasser sind daher ein geeigneter Summenparameter, der die Auswirkungen oben angeführter Politiken/Maßnahmen quantifizieren kann. Dies bestätigt auch ein Kommentar von offizieller Tiroler Seite in der Zeitschrift CC, Health officials and scientists in the state of Tyrol were among the first to monitor levels of the pandemic coronavirus in sewage—and base health policy decisions on them. … officials were eager to know whether the virus was truly on the decline so they could lift key restrictions. They also wanted to catch the earliest possible signals that it might be coming back. Wastewater analysis, which picks up fragments of virus shed in feces, was invaluable, says Stefan Wildt, a wastewater expert at the state’s department of water management.‘

 

6. den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit einschließlich – soweit diesbezüglich von Bedeutung – Kontamination der Lebensmittelkette, Bedingungen für menschliches Leben sowie Kulturstätten und Bauwerke in dem Maße, in dem sie vom Zustand der in Z 1 genannten Umweltbestandteile oder – durch diese Bestandteile – von den in den Z 2 und 3 aufgeführten Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten betroffen sind oder sein können.

 

Im Bescheid ist zusammengefasst, ‚Ein derartiger umweltrelevanter Zusammenhang ist bei den angefragten Daten und Bevölkerungsindikatoren aus dem abwasserepidemiologischen Monitoring, auf deren Basis Rückschlüsse zur Verbreitung von COVID-19 bzw. zur Risikoeinstufung gezogen werden können, nicht zu erkennen‘. Doch genau das ist der Fall. So wie schädliche Gase oder Stäube in der Luft die menschliche Gesundheit beeinflussen, so ist das auch der Fall bei Organismen (insbesondere Mikroorganismen wie Pilzsporen, Bakterien oder Viren). Die behördlichen Maßnahmen zielen genau darauf ab, die Aufnahme dieser schädlichen Viren in den Körper herabzusetzen, sei es durch Maskenpflicht, Ausgangssperren oder Isolierung gefährdeter Personengruppen (siehe Z. 3). Die Abwasserdaten sind ein direkter Indikator für diese Luftgetragen Belastung, die zu vermehrter Erkrankung der Bevölkerung führen kann.

 

§ 4 des Umweltinformationsgesetzes regelt das Recht auf freien Zugang zu Umweltinformationen

 

(2) Dem freien Zugang unterliegen jedenfalls Informationen über

 

1. den Zustand von Umweltbestandteilen wie Wasser, Luft und Atmosphäre, Boden, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile einschließlich genetisch veränderter Organismen und natürliche Lebensräume, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen; …

 

Die quantitativen Zahlen von SARS-CoV-Genkopien im Abwasser geben Auskunft über die Abundanz (Verbreitung) von SARS-CoV in der menschlichen Umgebung und somit über den Zustand von Luft und Atmosphäre. Zudem erlaubt das Vorhandensein von SARS-CoV-Genkopien Information über die Artenvielfalt und eines ihrer Bestandteile, nämlich das SARS-CoV-Virus in Wasser, Luft und Atmosphäre. Ein klarer Zusammenhang von der Anzahl der SARS-CoV-Genkopien im Abwasser mit gesundheitsgefährdender Belastung von Luft und Atmosphäre durch SARS-CoV ist damit gegeben.

 

Die Bescheidbegründung fußt Meiner Meinung nach auf an den Haaren herbeigezogenen Argumenten (cui bono?). Unter Einem verweise ich auch auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 6.7.2021, Ra 2020/07/0065). Zudem erschließt sich mir nicht, wem da Hintanhalten der SARS-CoV-Daten nützen kann. Schädlich für die Gesellschaft ist es allemal, da dadurch die Interpretation der Daten in der emergierenden Wissenschaft der Abwasserepidemiologie durch die intelligente ‚Crowd‘ in der Bevölkerung/Scientific community verhindert wird. Dadurch wird der Pandemiebekämpfung und damit der ganzen Gesellschaft unnötigerweise Schaden zuteil.“

 

3. Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol:

 

Vom Landesverwaltungsgericht wurde eine gutachterliche Stellungnahme zur Plausibilität des Beschwerdevorbringens aus wasserwirtschaftlicher Sicht sowie insbesondere zur Beantwortung der Frage angefordert, inwieweit die vom Beschwerdeführer begehrten Informationen Aufschluss über den Zustand des Umweltbestandteiles Wasser geben bzw Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben können.

 

Aus dem daraufhin erstatteten Gutachten vom 3.8.2022 geht Folgendes hervor:

 

„1. zur Plausibilität des Beschwerdevorbringens (Schreiben AA v. 31.3.2022):

Zu den wesentlichen Passagen wird Stellung genommen wie folgt:

 

1.1 zum folgenden Teil des Beschwerdevorbringen AA v. 31.3.2022 (do. S. 2, oben, erster Absatz):

 

 

Die in den Zuläufen zu den beobachteten Kläranlagen gemessenen Anzahlen an Genkopien lassen keinen nachvollziehbaren Rückschluss auf die Verbreitung des Virus in Luft und Atmosphäre zu. Sie geben vielmehr – für die Pandemiebekämpfung sehr hilfreiche – Hinweise darauf, wieviele Menschen im Einzugsgebiet der beobachteten Kläranlagen Viren ausscheiden.

 

Eine nachvollziehbare Aussage über die Verbreitung des Virus in Luft und Atmosphäre ist damit nicht möglich: weder gelangt nennenswerte Virenlast aus Luft und Atmosphäre in den Kläranlagenzulauf (sondern eben über Ausscheidungen), noch existieren wissenschaftliche Nachweise, dass ein Infektionsrisiko in Richtung Luft und Atmosphäre vom Kläranlagenzulauf (oder von nachfolgenden Teilen der Abwasserreinigungsanlagen) ausgehen würde.

 

Obige Aussage im Beschwerdevorbringen ist somit aus wasserwirtschaftlicher Sicht nicht plausibel.

 

1.2 zum folgenden Teil des Beschwerdevorbringen AA v. 31.3.2022 (do. S. 2, oben, zweiter Absatz):

 

 

Nachdem die Behörde festgestellt hat, dass bereits die Daten betreffend Genkopien im Abwasser keine Umweltinformationen iSv § 2 UIG darstellen, erübrigt sich aus wasserwirtschaftlicher Sicht auch das Begehren nach Bevölkerungsindikatoren zur Umrechnung eben dieser (Nicht-UIG-)Daten betreffend Genkopien im Abwasser.

 

2. Inwieweit geben die begehrten Informationen Aufschluss über den Zustand des Umweltbestandteiles Wasser bzw. können sie Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben?

 

Im Beschwerdevorbringen AA werden auf do. S. 2 nach den unter obigem Pkt. 1 behandelten Passagen diverse Zitate aus § 2 UIG wiedergegeben und kommentiert.

 

Wie oben angesprochen stellen die (im Kläranlagenzulauf) gemessenen Anzahlen von Genkopien keine Informationen über den Zustand des Umweltbestandteiles Wasser dar, sondern geben für die Pandemiebekämpfung wichtige Hinweise darauf, wieviele Menschen im Einzugsgebiet der beobachteten Kläranlagen Viren ausscheiden. Die Daten beschreiben also medizinisch relevante Gegebenheiten.

 

Aus wasserwirtschaftlicher Sicht ist das Anknüpfen an die Z. 1, 2 oder 3 des § 2 UIG im Beschwerdevorbringen AA somit nicht geeignet, die Feststellungen im Bescheid des LH vom 22.3.2022 nachvollziehbar zu widerlegen: die begehrten Daten (Anzahlen von Genkopien im Kläranlagenzulauf) beschreiben eben

 

- keinen Zustand von Umweltbestandteilen (vgl. Z. 1 des § 2 UIG),

- keine Faktoren, die sich auf die in Z. 1 genannten Umweltbestandteile auswirken (vgl. Z. 2 des § 2 UIG), und

- keine Maßnahmen, die sich auf die in den Z. 1 und 2 genannten Umweltbestandteile und –faktoren auswirken und auch keine Maßnahmen zu deren Schutz (vgl. Z. 1 des § 2 UIG).

 

In Konsequenz aus dem zuletzt Gesagten ist auch das Anknüpfen an Z. 6 des § 2 UIG im Beschwerdevorbringen AA, do. S. 3, oben, aus wasserwirtschaftlicher Sicht nicht geeignet, die Feststellungen im Bescheid des LH vom 22.3.2022 nachvollziehbar zu widerlegen:

 

Schädliche Gase oder Stäube ebenso Mikroorganismen, Pilzsporen, Bakterien oder Viren in der Luft beeinflussen wohl die menschliche Gesundheit. Die Anzahl der im Kläranlagenzulauf analytisch ermittelten Genkopien hingegen beeinflusst die menschliche Gesundheit nicht (sh. auch obigen Pkt. 1.1: es existieren keine wissenschaftlichen Nachweise, dass ein Infektionsrisiko in Richtung Luft und Atmosphäre vom Kläranlagenzulauf (oder von nachfolgenden Teilen der Abwasserreinigungsanlagen) ausgehen würde).

 

Außerdem schränkt § 2 Z. 6 Informationen über den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit insofern ein, als Umweltinformationen nur gegeben sind „… in dem Maße, in dem sie vom Zustand der in Z 1 genannten Umweltbestandteile oder – durch diese Bestandteile – von den in den Z 2 und 3 aufgeführten Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten betroffen sind oder sein können.“ Diese Kriterien treffen – wie zuvor betreffend Z. 1, 2 oder 3 des § 2 UIG ausgeführt – nicht zu.

 

Im Bescheid des LH vom 22.3.2022, Zl. ***, do. S. 9, vorletzter Absatz vor do. Pkt. 2.3.4, legt die Behörde dar, wie „umweltrelevant“ zu verstehen ist (Auswirkungen des Zustandes der Umwelt auf die öffentliche Gesundheit müssten den Gegenstand der Anfrage bilden). Wie in der vorliegenden Stellungnahme bereits mehrfach betont, liefert das Abwasser-Monitoring zwar Hinweise darauf, wieviele Menschen im Einzugsgebiet der beobachteten Kläranlagen Viren ausscheiden, und unterstützt damit das Pandemiemanagement mit hilfreichen Zusatzinformationen. Umgekehrt aber gehen von der Anzahl der Genkopien im Kläranlagenzulauf keine Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit aus.

 

Aus wasserwirtschaftlicher Sicht ist die zuvor angesprochene Argumentation der Behörde also nachvollziehbar und schlüssig, somit auch aus wasserwirtschaftlicher Sicht kein umweltrelevanter Zusammenhang bei den vom Beschwerdeführer angefragten Daten gegeben.

 

Schließlich ist auch das Anknüpfen an § 4 Abs. 2 Z. 1 UIG auf S. 3 des Beschwerdevorbringens AA aus wasserwirtschaftlicher Sicht nicht geeignet, die Feststellungen im Bescheid des LH vom 22.3.2022 nachvollziehbar zu widerlegen: die wasserwirtschaftlichen Gegenargumente zum Beschwerdevorbringen AA entsprechen im Wesentlichen den oben bereits vorgebrachten wasserwirtschaftlichen Argumenten betreffend Anknüpfen an § 2 Z. 1 (analoge Formulierungen in beiden Passagen des UIG). Die Anzahl der Genkopien im Kläranlagenzulauf (als Hinweis auf die Anzahl an Menschen im Einzugsgebiet der beobachteten Kläranlagen, die Viren ausscheiden) erlaubt keinen Rückschluss auf das Ausmaß einer allfälligen gesundheitsgefährdenden Belastung von Luft und Atmosphäre durch SARS‑CoV‑2.

 

Nochmals darf abschließend zu Pkt. 2 auf obigen Pkt. 1 der vorliegenden Stellungnahme verwiesen werden.

 

Zusammenfassend wird somit festgestellt:

 

Das Beschwerdevorbringen AA enthält aus wasserwirtschaftlicher Sicht keine plausiblen Argumente, welche ein Abgehen von der Entscheidung lt. Bescheid des LH vom 22.3.2022, Zl. ***, begründen würden.“

 

Dieses Gutachten wurde vom Landesverwaltungsgericht in weiterer Folge zum Parteiengehör versandt.

 

Vom Beschwerdeführer wurde daraufhin mit Schreiben vom 21.8.2022 unter Bezugnahme auf VwGH 6.7.2021, Ra 2020/07/0065, ausgeführt, dass das österreichische Umweltinformationsgesetz den EU-Vorgaben widerspreche. Außerdem müsse der Zugang zu Umweltinformationen der Regelfall sein und seien davon jedenfalls auch Messergebnisse von Abwässern erfasst.

 

Sodann wurde noch auf einzelne Punkte des Gutachtens wie folgt eingegangen:

 

„Ad 1.1. ‚Die in den Zuläufen zu den beobachteten Kläranlagen gemessenen Anzahlen an Genkopien lassen keinen nachvollziehbaren Rückschluss auf die Verbreitung des Virus in Luft und Atmosphäre zu‘. Genau das tun sie: die Ansteckung mit SARS-CoV geschieht in der Regel über Aerosole (Mischungen von festen oder flüssigen Partikeln (‚Schwebeteilchen‘) in einem Gas oder Gasgemisch (z. B. Luft), die fäkale Ausscheidung ist eine Folge davon. Dabei stellt die Methode der SARS-CoV-Analytik im Abwasser eine indirekte Methode dar, um die Belastung der Luft (Aerosole  Gesundheitsgefährdung) zu quantifizieren (SARS-CoV im Abwasser dient daher, wie in den Umweltwissenschaften üblich, als Proxy-Indikator (die Messung im Zulauf von Kläranlagen gibt Auskunft über die Belastungssituation in der Luft). Ähnlich wird zum Beispiel die Konzentration von Escherichia coli (E. coli) - Bakterien für Fäkalbelastungen herangezogen, obwohl E. coli per se nicht als Pathogen gilt. Nachdem aus den Abwasserproben sogar die Reproduktionszahl R des Virus (analog zum R-Wert aus Individualtests) errechnet werden kann (Amann et al., Nature Biotechnology, 2022, https://www.nature.com/articles/s41587-022-01387-y ) ist ein weiterer Bezug der Relevanz der Messwerte aus dem Abwasser zum Zustand von Luft und Atmosphäre, und in der Folge der Gesundheit des Menschen, gegeben.

 

Ad 1.2. siehe oben

 

Ad 2. Nachdem die Abwasserdaten keine Rückschlüsse auf Individuen zulassen, handelt es sich nicht um medizinische Daten, sehr wohl aber um Daten mit medizinischer Relevanz (wie der Gutachter richtig bemerkt). Der Gutachter führt aus ‚Schädliche Gase oder Stäube oder Mikroorganismen, Pilzsporen, Bakterien oder Viren in der Luft beeinflussen wohl die menschliche Gesundheit. Die Anzahl der im Kläranlagenzulauf ermittelten Genkopien hingegen beeinflusst die menschliche Gesundheit nicht …‘. Wie schon wiederholt dargelegt, geht es nicht um die Gefährdung aus dem Kläranlagenzulauf, sondern um einen Proxy-Parameter der im Abwasser gemessen wird. Die Argumentation des Gutachters, dass der Virennachweis im Abwasser kein Infektionsrisiko in Richtung Luft darstelle, geht an der Fragestellung vorbei. Die Messung im Abwasser-Zulauf ist aber geeignet, die Belastung in der Luft (s.o.).

 

Dem Schlusssatz in 2. ‚ …erlaubt daher keinen Rückschluss auf das Ausmaß einer allfälligen gesundheitsgefährdenden Belastung von Luft … durch SARS-CoV‘ ist daher zurückzuweisen, würde das ja insgesamt die Errungenschaften der abwasserbasierten Epidemiologie konterkarieren (s.a. https://en.wikipedia.org/wiki/Wastewater_surveillance , ‚Wastewater surveillance was demonstrated to be one technique to detect SARS-CoV-2 variants and to monitor their spread in regions‘). Es geht ja nicht, wie bereits oben ausgeführt um die Luft aus dem Abwasser, sondern um einen einfach zu messenden mit dem Infektionsgeschehen korrelierenden Proxyparameter, der kausal mit der luft- bzw. atmosphärenbürtigen Virenbelastung zusammenhängt.“

 

Von der belangten Behörde wurde mit Schreiben vom 18.8.2022 im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

 

„Seitens des Landeshauptmannes von Tirol wird weiterhin die Ansicht vertreten, dass im gegenständlichen Fall auf Basis des UIG kein Recht auf Informationserteilung zukommt, da die von AA begehrten Daten keine Umweltinformationen darstellen und somit nicht dem Anwendungsbereich des UIG, auf das sich das Begehren ausschließlich und ausdrücklich bezieht, unterliegen.

 

Zum einen enthalten die gegenständlich angefragten Daten im Kläranlagenzulauf keine Angaben zur Beschaffenheit des Umweltbestandteils Wasser bzw. zur Wassergüte (§ 2 Z 1 UIG) und unterscheiden sich insofern von klassischen Anwendungsfällen des Umweltinformationsrechts, wie etwa im Erkenntnis VwGH 06.07.2021, Ra 2020/07/0065, das die Einleitung von Abwässern aus einer Abwasserreinigungsanlage in einen Fluss zum Gegenstand hat. Zum anderen wurden mangels eines umweltrelevanten Zusammenhangs keine Informationen über den Zustand der menschlichen Gesundheit iSv § 2 Z 6 UIG angefragt. Die Heranziehung der weiteren Tatbestände von § 2 UIG kommt aus Sicht des Landeshauptmannes von Tirol ebenfalls nicht in Betracht (Z 3 etwa mangels Auswirkung der Maßnahme auf Umweltbestandteile und -faktoren). Es darf auf die diesbezüglichen Ausführungen im Bescheid vom 22.03.2022, Zl. ***, verwiesen werden.

 

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der Hinweis nach dem Gebührengesetz in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 22.03.2022, Zl. ***, insofern fehlerhaft ist, als gemäß § 14 TP 6 Abs. 5 Z 23 Gebührengesetz 1957 iVm § 1 Abs. 1 der BuLVwG-Eingabengebührverordnung Anträge auf Bekanntgabe von Umweltdaten nach dem UIG auch im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht nicht der Eingabegebühr unterliegen.“

 

 

II. Rechtliche Erwägungen:

 

1. Zur Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Tirol:

 

Die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Tirol, in der vorliegenden Rechtssache zu entscheiden, gründet in der Bestimmung des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG, wonach über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit die Verwaltungsgerichte erkennen.

 

Das Landesverwaltungsgericht ist in der gegenständlichen Angelegenheit gem Art 131 Abs 1 B-VG zuständig, zumal sich aus den Abs 2 und 3 dieser Bestimmung keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts des Bundes ergibt.

 

2. Zur Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde:

 

Die Beschwerde wurde innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist nach § 7 Abs 4 VwGVG eingebracht und ist insofern rechtzeitig.

 

Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist die vorliegende Beschwerde auch zulässig.

 

3. Zur Sache:

 

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Umweltinformationsgesetzes (UIG) (§§ 1, 2 und 4) lauten auszugsweise wie folgt:

 

„Ziel des Gesetzes

§ 1. Ziel dieses Bundesgesetzes ist die Information der Öffentlichkeit über die Umwelt, insbesondere durch

1. Gewährleistung des Rechts auf Zugang zu den bei den informationspflichtigen Stellen vorhandenen oder für diese bereitgehaltenen Umweltinformationen;

2. Förderung der systematischen und umfassenden Verfügbarkeit und Verbreitung von Umweltinformationen. Zu diesem Zweck werden, nach Maßgabe vorhandener Mittel, bevorzugt elektronische Kommunikationsmittel eingesetzt.“

„Umweltinformationen

§ 2. Umweltinformationen sind sämtliche Informationen in schriftlicher, visueller, akustischer, elektronischer oder sonstiger materieller Form über

1. den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Berggebiete, Feuchtgebiete, Küsten und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich genetisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen;

2. Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung oder Abfall einschließlich radioaktiven Abfalls, Emissionen, Ableitungen oder sonstiges Freisetzen von Stoffen oder Organismen in die Umwelt, die sich auf die in Z 1 genannten Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken;

3. Maßnahmen (einschließlich Verwaltungsmaßnahmen), wie zB Politiken, Gesetze, Pläne und Programme, Verwaltungsakte, Umweltvereinbarungen und Tätigkeiten, die sich auf die in den Z 1 und 2 genannten Umweltbestandteile und -faktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken, sowie Maßnahmen oder Tätigkeiten zu deren Schutz;

4. Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts;

5. Kosten/Nutzen-Analysen und sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die im Rahmen der in Z 3 genannten Maßnahmen und Tätigkeiten verwendet werden;

6. den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit einschließlich – soweit diesbezüglich von Bedeutung – Kontamination der Lebensmittelkette, Bedingungen für menschliches Leben sowie Kulturstätten und Bauwerke in dem Maße, in dem sie vom Zustand der in Z 1 genannten Umweltbestandteile oder – durch diese Bestandteile – von den in den Z 2 und 3 aufgeführten Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten betroffen sind oder sein können.“

„Freier Zugang zu Umweltinformationen

§ 4. (1) Das Recht auf freien Zugang zu Umweltinformationen, die bei den informationspflichtigen Stellen vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden, wird jeder natürlichen oder juristischen Person ohne Nachweis eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gewährleistet. Umweltinformationen sind vorhanden, wenn sie sich im Besitz der informationspflichtigen Stelle befinden und von ihr erstellt wurden oder bei ihr eingegangen sind. Umweltinformationen werden bereitgehalten, wenn eine natürliche oder juristische Person, die selbst nicht informationspflichtige Stelle ist, Umweltinformationen für eine informationspflichtige Stelle aufbewahrt und diese Stelle darauf einen Übermittlungsanspruch hat.

(2) Dem freien Zugang unterliegen jedenfalls Informationen über

1. den Zustand von Umweltbestandteilen wie Wasser, Luft und Atmosphäre, Boden, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile einschließlich genetisch veränderter Organismen und natürliche Lebensräume, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen;

2. die Lärmbelastung oder Belastung durch Strahlen einschließlich der durch radioaktiven Abfall verursachten;

3. Emissionen gemäß § 2 Z 2 in die Umwelt in zeitlich aggregierter oder statistisch dargestellter Form;

4. eine Überschreitung von Emissionsgrenzwerten;

5. den Verbrauch der natürlichen Ressourcen Wasser, Luft oder Boden in aggregierter oder statistisch dargestellter Form.“

 

Zunächst ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der Prüfumfang des Landesverwaltungsgerichtes nach § 27 VwGVG darauf beschränkt ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen, wobei die Beschwerde nach § 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, und das Begehren zu enthalten hat.

 

Entsprechend dem Beschwerdevorbringen war im gegenständlichen Fall vom Landesverwaltungsgericht zu prüfen, ob die begehrten Daten und Bevölkerungsindikatoren tatsächlich, wie vom Beschwerdeführer behauptet und entgegen der Auffassung der belangten Behörde, Umweltinformationen im Sinn des § 2 UIG darstellen und insofern dem Recht auf Zugang nach dem UIG unterliegen.

 

Laut Ennöckl/Maitz, UIG2 (2010) § 5, Seite 48, sind die Gründe für eine Verweigerung der begehrten Information, 1. dass es sich dabei um keine Umweltinformation handelt, 2. die informationspflichtige Stelle hierüber nicht verfügt und eine Weiterleitung nicht möglich ist, oder 3. dass dem Begehren Mitteilungsschranken oder Ablehnungsgründe nach § 6 entgegenstehen.

 

Bei der Beurteilung der Frage, ob die belangte Behörde zu Recht unter Bezugnahme auf die dargelegte Z 1 die begehrte Information verweigert hat, sind etwa folgende, aus VwGH 29.5.2008, 2006/07/0083, abgeleitete Rechtssätze maßgeblich:

 

„Im UIG 1993 und im UmweltinformationsG Tir 2005 wurde die Richtlinie 2003/4/EG umgesetzt (vgl § 19 UIG 1993 bzw § 13 Abs 1 UmweltinformationsG Tir 2005), sodass die Bestimmungen dieser Gesetze richtlinienkonform auszulegen sind. In den Erwägungsgründen dieser Richtlinie heißt es (ua), dass es notwendig sei, Umweltinformationen so umfassend wie möglich öffentlich zugänglich zu machen und zu verbreiten (Erwägungsgrund Nr 9), dass Umweltinformationen, die materiell von anderen Stellen für Behörden bereitgehalten würden, ebenfalls in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen sollten (Erwägungsgrund Nr 12) und dass das Recht auf Information beinhalte, dass die Bekanntgabe von Informationen die allgemeine Regel sein sollte, Behörden befugt sein sollten, Anträge auf Zugang zu Umweltinformationen in bestimmten, genau festgelegten Fällen abzulehnen und die Gründe für die Verweigerung der Bekanntgabe eng ausgelegt werden sollten (Erwägungsgrund Nr 16). Dieselbe Zielsetzung, nämlich dass die Schranken und Ablehnungsgründe für die Mitteilung von Umweltinformationen eng auszulegen seien, ergibt sich auch aus § 6 Abs 4 UIG 1993 bzw § 6 Abs 4 UmweltinformationsG Tir 2005 wie auch etwa den Materialien zum UIG 1993 (ErläutRV 645 BlgNR 18 GP 17) und zur UIG-Novelle 2004 (ErläutRV 641 BlgNR 22 GP 9). In den Materialen zu § 2 UIG 1993 (in der Stammfassung) ist ausgeführt, dass sich Umweltinformationen ua aus Umweltdaten zusammensetzen, worunter nicht nur naturwissenschaftliche Messgrößen, sondern insbesondere auch (ua) Gutachten, Stellungnahmen, Meinungsäußerungen oder Programme fallen.“

 

„Mit der UIG-Novelle 2004 wurde das UIG 1993 und mit dem UmweltinformationsG Tir 2005 (mit dessen Inkrafttreten das Tiroler Umweltinformationsgesetz, LGBl Nr 3/1996 idF LGBl Nr 35/2000 außer Kraft getreten ist) das Tiroler Landesrecht an die Forderungen der Richtlinie 2003/4/EG angepasst. So führen dazu etwa die ErläutRV zur UIG-Novelle 2004 (ErläutRV 641 BlgNR 22 GP 1) aus: ‚Der erweiterte Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen und die Verbreitung dieser Informationen tragen dazu bei, das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksame Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und letztendlich so den Umweltschutz zu verbessern.‘ Weiters heißt es in diesen ErläutRV (ErläutRV 641 BlgNR 22 GP 3 f): ‚Aus dem Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 29.06.2000 über die Erfahrungen aus der Anwendung der Richtlinie 90/313/EWG (...) geht hervor, dass in einigen Mitgliedstaaten eine enge Auslegung des Begriffs 'Informationen über die Umwelt' dazu geführt habe, dass die Bereitstellung von Informationen, die vermeintlich nicht unter die Begriffsbestimmung fielen, verweigert worden sei. Dabei soll es sich um Informationen über die Auswirkung des Umweltzustandes auf die öffentliche Gesundheit (...) oder über Finanz- oder Bedarfsanalysen zur Unterstützung von Projekten, die sich voraussichtlich auf die Umwelt auswirkten, gehandelt haben. 'Die Richtlinie 90/313/EWG enthielt zwar bereits eine weit gefasste Definition des Begriffs 'Informationen über die Umwelt', doch scheint auf Grund der gewonnen Erfahrungen eine umfassendere und ausdrücklichere Begriffsbestimmung zweckmäßig, um bestimmte Kategorien umweltbezogener Informationen zu erfassen, die infolge einer engen Auslegung von Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen wurden.' (...) Während der Begriff 'Umweltinformationen' der Richtlinie 2003/4/EG um einiges umfassender als der korrespondierende Begriff der Richtlinie 90/313/EWG erscheint, halten sich die inhaltlichen Änderungen gegenüber dem mit dem UIG, BGBl Nr 495/1993, umgesetzten Begriff 'Umweltdaten' in Grenzen. Dies liegt daran, dass die demonstrative Anführung der wichtigsten Arten von Tätigkeiten ebenso wie der explizite Bezug auf 'Vorhaben oder Tätigkeiten, die Gefahren für den Menschen hervorrufen oder hervorrufen können' in § 2 UIG, BGBl Nr 495/1993, über die - vergleichsweise allgemeinere - Richtlinie 90/313/EWG in ihrer Genauigkeit hinausgeht und damit schon bisher von einem weiteren Umweltbegriff ausgegangen ist. Mit einer nahezu wörtlichen Übernahme des Umweltinformationsbegriffs der Richtlinie 2003/4/EG soll auch gewährleistet werden, dass nicht nur die Umweltdaten iS UIG, BGBl 495/1993, sondern darüber hinaus auch sämtliche von der Richtlinie vorgegebenen Umweltinformationen der Zugangsverpflichtung unterliegen. Weiters soll sichergestellt werden, dass die Definition der Aarhus-Konvention, die ihrerseits von dieser Richtlinie in Artikel 2 Z 1 zum Großteil wortgetreu übernommen wurde, mit ihren Zielen Eingang in diese Novelle findet. (...) Durch die in (§ 2) Z 5 genannten 'Kosten/Nutzen-Analysen und sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen sollen Unsicherheiten ausgeräumt werden, die bei der Überprüfung im Hinblick auf die Gültigkeit der derzeitigen Begriffsbestimmung (der alten Richtlinie) für Wirtschafts- und Finanzdaten ermittelt wurden.' (...)‘ Die Richtlinie 2003/4/EG beinhaltet demnach ein weites Verständnis hinsichtlich des Begriffes ‚Umweltinformationen‘.“

 

Aufgrund der obigen Ausführungen zeigt sich zunächst, dass der Begriff Umweltinformation grundsätzlich sehr weit auszulegen ist.

 

Auch das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte VwGH-Erkenntnis vom 6.7.2021, Ra 2020/07/0065, legt eine solche weite Begriffsauslegung nahe, ohne allerdings weitere konkrete Aussagen zu der Eigenschaft der im vorliegenden Fall begehrten Daten und Bevölkerungsindikatoren zu treffen. Dieses Erkenntnis ist auch – wie noch weiter unten dargelegt wird - nicht geeignet, die Annahme der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall keine Umweltinformationen begehrt werden, zu widerlegen.

 

Was zunächst die Z 1 des § 2 UIG betrifft, ist maßgeblich, ob – wie vom Beschwerdeführer behauptet - die Abundanz (die Anzahl) von SARS-CoV-Viren in Luft, Atmosphäre und Wasser etwas über deren Zustand (inhärentes Infektionsrisiko) aussagt.

 

Diesbezüglich ergibt sich aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes aus dem Gutachten der Abt. BB vom 3.8.2022 eindeutig, dass die im Kläranlagenzulauf gemessenen Anzahlen von Genkopien keine Informationen über den Zustand des Umweltbestandteiles Wasser darstellen, zumal die Wassergüte durch die Anzahl der genannten Viren nicht beeinflusst wird. Außerdem wird auch schlüssig und nachvollziehbar klargestellt, dass die in den Zuläufen zu den beobachteten Kläranlagen gemessenen Anzahlen an Genkopien zwar Rückschlüsse darauf zulassen, wie viele Menschen im Einzugsgebiet der beobachteten Kläranlagen Viren ausscheiden, dass aber keine nachvollziehbaren Rückschlüsse auf die Verbreitung des Virus in Luft und Atmosphäre möglich sind. Auch wenn, wie vom Beschwerdeführer zu Recht behauptet wird, die Ansteckung mit SARS-CoV in der Regel über Aerosole (Mischungen von festen oder flüssigen Partikeln [Schwebeteilchen] in einem Gas oder Gasgemisch [zB Luft]) erfolgt, so lässt die Zahl der im Abwasser befindlichen Viren aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes doch keine allgemeinen Rückschlüsse auf den Zustand des Umweltbestandteiles Luft zu. Wie bereits erwähnt mag es zwar möglich sein, aus den begehrten Daten Rückschlüsse auf die Zahl virusausscheidender Personen zu ziehen; da allerdings nicht eindeutig klar ist, welche Virenbelastung in der Luft für eine Ansteckung notwendig ist, und daher umso weniger, welche Virenbelastung in der Luft zu den durch das Abwassermonitoring ermittelten Infektionen im Einzugsgebiet der Kläranlagen geführt hat, lassen sich keine stichhaltigen Annahmen zur Virenbelastung in der Luft und damit auch nicht zum Zustand des Umweltbestandteiles Luft machen. Zudem erfolgen Ansteckungen immer nur kleinräumig und nicht aufgrund der Luftqualität, gemessen an der darin enthaltenen Virusbelastung, in einem größeren Gebiet. Selbst dann, wenn die notwendige Virenbelastung in der Luft für eine Ansteckung klar und damit die Luftqualität in Bezug auf Viren auf das gesamte, vom Einzugsgebiet der Kläranlagen umfasste Gebiet hochgerechnet werden könnte, würde die Viruslast im Abwasser keine aussagekräftige Beschreibung des Zustandes der Luft liefern, da eine gleichmäßige Virusverteilung in der Luft über ein größeres Gebiet unrealistisch ist. Der gegenständliche Fall ist somit nicht mit VwGH 6.7.2021, Ra 2020/07/0065, vergleichbar, bei dem es um die Beschaffenheit eingeleiteter Abwässer und insofern klar um den Zustand eines im § 2 Z 1 UIG genannten Umweltbestandteiles ging.

 

Im Hinblick auf die Zielbestimmung des § 1 UIG und die oben wiedergegebene höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach der erweiterte Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen und die Verbreitung dieser Informationen dazu beitragen soll, das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksame Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und letztendlich so den Umweltschutz zu verbessern, besteht für das Landesverwaltungsgericht kein Zweifel, dass die im vorliegenden Fall begehrten Informationen nichts über den Zustand der in der Z 1 des § 2 UIG genannten Umweltbestandteile aussagen, da die Viruslast entsprechend dem schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten nichts über die Wasser- oder Luftgüte aussagt und den begehrten Informationen daher der notwendige Umweltbezug fehlt, um als Umweltinformation qualifiziert werden zu können. Dies ungeachtet ihrer unbestrittenen Aussagekraft zu medizinisch relevanten Themen, nämlich zur Anzahl der Menschen, die im Einzugsgebiet der beobachteten Kläranlagen Viren ausscheiden.

 

Die begehrten Informationen sind etwa auch nicht für die Entscheidungsfindung in Umweltverfahren maßgeblich, sondern für die Entscheidungsfindung in Angelegenheiten der Pandemiebekämpfung.

 

Aus denselben Erwägungen liegt auch keine Umweltinformation im Sinn der Z 2 des § 2 UIG vor. Was diese Z 2 betrifft, ist etwa auch auf folgenden, aus VwGH 30.3.2017, Ro 2017/07/0004, abgeleiteten Rechtssatz zu verweisen:

 

„Anerkennungsbescheide gemäß § 19 Abs. 7 UVPG 2000 sind als ‚Verwaltungsmaßnahmen‘ anhand der Begriffsbestimmung des § 2 Z. 3 UIG 1993 (in Umsetzung von Art. 2 Z. 1 lit. c der Richtlinie 2003/4/EG ) zu beurteilen, sodass für ihre mögliche Qualifikation als Umweltinformationen entscheidend ist, ob sich diese Verwaltungsakte auf die in § 2 Z. 1 UIG 1993 genannten Umweltbestandteile oder die in § 2 Z. 2 UIG 1993 genannten Umweltfaktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder dem Schutz dieser Umweltbestandteile und Umweltfaktoren dienen. Allerdings stellen Anerkennungsbescheide gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 tatsächlich keine Verwaltungsmaßnahmen dar, welche sich auf die maßgeblichen Umweltgüter iSd § 2 Z. 1 und 2 UIG 1993 beeinträchtigend auswirken können, vermitteln diese Anerkennungsbescheide doch lediglich einer Umweltorganisation - mit konstitutiver Wirkung - die Stellung als Formalpartei in Genehmigungsverfahren nach dem UVPG 2000, wobei dies von der UVP-Behörde mit Blick auf die Voraussetzungen für eine Umweltorganisation gemäß § 19 Abs. 6 UVPG 2000 zu begründen ist.“

 

So, wie die Verwaltungsmaßnahmen laut der Z 3 des § 2 UIG nur dann unter den Begriff Umweltinformationen fallen, wenn sich die begehrten Maßnahmen auf die in Z 1 genannten Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken, so gilt diese Einschränkung auch für die Faktoren nach der Z 2 des § 2 UIG.

 

Ein solche Auswirkung ist bei den im vorliegenden Fall begehrten Informationen allerdings nicht anzunehmen, da, wie bereits oben dargelegt, die Viruslast keine Auswirkungen auf die Wassergüte und insofern auch keine Umweltrelevanz hat.

 

Eine Information über bestimmte Maßnahmen im Sinn der Z 3 des § 2 UIG, etwa die vom Beschwerdeführer angesprochene „Vielzahl an nichtpharmazeutischen Maßnahmen, die in den beiden vergangenen Jahren der Pandemie als Politiken und Gesetze Eingang in unsere Gesellschaft gefunden haben“, wird vom Beschwerdeführer nicht verlangt, und kann eine Stattgabe der gegenständlichen Beschwerde daher von vorneherein nicht auf diese Bestimmung gestützt werden. Selbst wenn, würden allerdings die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung nicht unter den Begriff Umweltinformationen fallen, da die Abundanz der SARS-CoV-Virenfragmente im Abwasser zwar entsprechend dem Vorbringen des Beschwerdeführers ein geeigneter Summenparameter sein mag, der die Auswirkungen oben angeführter Politiken/Maßnahmen quantifizieren kann, allerdings keine Maßnahmen mit Auswirkungen auf die Wassergüte und somit den umweltrelevanten Zustand des Umweltbestandteiles Wassers darstellen.

 

Was schließlich die Z 6 des § 2 UIG betrifft, hat die belangte Behörde schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass im vorliegenden Fall auch keine Informationen über den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit begehrt werden, da diese Informationen nur dann als Umweltinformationen gelten, wenn diese im Zusammenhang mit Umweltbestandteilen, konkret den Umweltbestandteilen Wasser oder Luft, stehen. Unter Bezugnahme auf die Erläuterungen zur UIG-Novelle 2004 (ErlRV 641 BlgNR XXII. GP , S. 3) wurde dargelegt, dass es bei der Z 6 um Informationen über die tatsächlichen oder potentiellen Auswirkungen des Umweltzustandes auf die öffentliche Gesundheit geht, dass solche Auswirkungen allerdings zu verneinen seien.

 

Der Auffassung der belangten Behörde, dass bei den angefragten Daten und Bevölkerungsindikatoren aus dem abwasserepidemiologischen Monitoring, auf deren Basis Rückschlüsse zur Verbreitung von COVID-19 bzw. zur Risikoeinstufung gezogen werden können, kein umweltrelevanter Zusammenhang zu erkennen ist, wird vom Beschwerdeführer insofern entgegengetreten, als – ebenso wie schädliche Gase oder Stäube in der Luft - auch Organismen (insbesondere Mikroorganismen wie Pilzsporen, Bakterien oder Viren) die menschliche Gesundheit beeinflussen könnten.

 

Diesbezüglich ist wiederum darauf zu verweisen, dass entsprechend dem Gutachten der Abt. BB die in den Zuläufen zu den beobachteten Kläranlagen gemessenen Anzahlen an Genkopien keinen nachvollziehbaren Rückschluss auf die Verbreitung des Virus in Luft und Atmosphäre zulassen, und dass keine wissenschaftlichen Nachweise existieren, wonach ein Infektionsrisiko in Richtung Luft und Atmosphäre vom Kläranlagenzulauf (oder von nachfolgenden Teilen der Abwasserreinigungsanlagen) ausgehen würde, sodass sich aus den angefragten Daten insofern keine Auswirkungen auf die Luft und Atmosphäre und in weiterer Folge auf die Gesundheit ableiten lassen. In der Luft befindliche schädliche Gase oder Stäube würden zwar ebenso wie Mikroorganismen, Pilzsporen, Bakterien oder Viren die menschliche Gesundheit beeinflussen; dafür, dass ein Infektionsrisiko in Richtung Luft und Atmosphäre vom Kläranlagenzulauf (oder von nachfolgenden Teilen der Abwasserreinigungsanlagen) ausgehen würde, gäbe es aber keine wissenschaftlichen Nachweise.

 

Im gegenständlichen Fall hat die begehrte Information über die Viruslast laut den eingeholten sachverständigen Ausführungen keine Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, sondern lässt nur Rückschlüsse auf diese Gesundheit zu.

 

Damit sind aber die Kriterien der Z 6 nicht erfüllt.

 

Zusammengefasst teilt das Landesverwaltungsgericht die Auffassung der belangten Behörde, dass vom Beschwerdeführer im vorliegenden Fall keine Umweltinformationen im Sinn des § 2 UIG begehrt wurden, weshalb dem entsprechenden Informationsbegehren zu Recht nicht stattgegeben wurde.

 

Die gegenständliche Beschwerde erweist sich insofern als unbegründet und war diese daher spruchgemäß abzuweisen.

 

4. Zum Entfall der öffentlichen mündlichen Verhandlung:

 

Die vorliegende Entscheidung konnte im Sinn des § 24 VwGVG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Nach dem Abs 1 dieser Bestimmung hat das Verwaltungsgericht nämlich nur auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

 

Im vorliegenden Fall haben weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde die Durchführung einer Verhandlung beantragt.

 

Aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichts war aber auch keine Verhandlung erforderlich, da die maßgeblichen Sachverhaltsfragen durch die Gewährung von ausreichendem Parteiengehör auf schriftlichem Weg und anhand der vorliegenden Akten hinreichend geklärt werden konnte und darüber hinaus nur rechtliche Fragen zu klären waren. Die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts konnte insofern aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen getroffenen werden und hätte eine mündliche Verhandlung zu keiner weiteren Klärung der Rechtssache beitragen können.

 

In diesem Zusammenhang betont der VwGH in ständiger Rechtsprechung (siehe etwa VwGH 27.9.2013, 2012/05/0212, oder VwGH 29.1.2014, 2013/03/0004) außerdem, dass die staatlichen Behörden auch auf Aspekte der Effizienz und Verfahrensökonomie Rücksicht und auf das Gebot der angemessenen Verfahrensdauer Bedacht nehmen können.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Mitteilung von Umweltinformationen besteht, wurde in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des VwGH bzw unmittelbar aufgrund der anwendbaren Rechtsvorschriften gelöst. Im Übrigen kommt der vorliegenden Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Sie liegt insbesondere nicht auch im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen, auf zusätzlichen Argumenten gestützten Rechtsprechung. Die Entscheidung betrifft keine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage des materiellen oder des formellen Rechts (vgl. etwa VwGH 26.9.1991, 91/09/0144 zum vormaligen § 33a VwGG).

 

 

B e l e h r u n g

 

 

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Sofern gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

 

 

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Christ

(Richter)

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