LVwG Tirol LVwG-2021/43/0358-46

LVwG TirolLVwG-2021/43/0358-4619.4.2022

BauO Tir 2018 §33 Abs3 lita
ROG Tir 2016 §40 Abs2 Satz2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.43.0358.46

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Schmalzl über die Beschwerde der AA und des BB, vertreten durch RAe CC, Adresse 1,**** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 29.12.2020, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

 

zu Recht:

 

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass das bewilligte Bauvorhaben – abweichend von bzw in Ergänzung zum Verfahrensgegenstand des behördlichen Verfahrens –folgendermaßen definiert ist:

 

 Ausführung gemäß dem Plan „Multifunktionelle Gewerbehalle; Lageplan/EG/OG/Schnitt A-A/Ansichten“ der DD GmbH vom 16.12.2021

 Baubeschreibung „Ergänzung/Verbesserung zur Einreichung“ vom 16.04.2021

 Plan der lüftungstechnischen Anlage vom 02.07.2021 samt technischer Beschreibung vom 02.07.2021 (Konvolut), EE GmbH

 ergänzende schalltechnische Angaben vom 25.08.2021

 Konvolut technische Datenblätter der in der Wäscherein zum Einsatz kommenden Maschinen, vorgelegt am 25.08.2021

 Energieausweis „Planung P **** - Multifunktionelle Gewerbehalle“ des FF vom 13.05.2019

 „Planung P **** U-Wert Nachweis - Multifunktionelle Gewerbehalle“ des FF vom 13.05.2019

 „Schnellbau-Dämmpaneel Typ M“, vorgelegt am 25.08.2021

 Situierung der Austrittsöffnung der Mangelabluft in einer Höhe von 3 m über dem Dachniveau des Betriebsgebäudes situiert (entsprechende Verlängerung der im Plan dargestellten Anlage)

 Konvolut „Schalldämpfer Berechnung“ der EE GmbH vom 05.11.2021

 Die südseitigen Fenster der Wäscherei werden während der Betriebszeiten nicht geöffnet.

 Konvolut „Transporter 6.1 Kastenwagen“, vorgelegt am 25.01.2022

 Konvolut „Maschinenliste Fa GG“, vorgelegt am 25.01.2022

 Schreiben JJ (KK) betreffend An- und Ablieferung der Wäsche, vorgelegt am 25.01.2022

 

Die erwähnten Unterlagen bilden einen integrierenden Bestandteil dieses Erkenntnisses.

 

2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I. Verfahrensgang, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

 

1. Ablauf des Behördenverfahrens

 

Zur Vorgeschichte wird auf den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts vom 11.02.2020, Zl ***, verwiesen.

 

Mit Eingabe vom 12.05.2020 suchte die LL GmbH (im Folgenden: die Bauwerberin) bei der Bezirkshauptmannschaft Z (im Folgenden: die Baubehörde) um Erteilung der Baubewilligung für den „Neubau einer multifunktionellen Gewerbehalle mit Betriebswohnung“ an. Mit Eingabe vom 27.07.2020, eingelangt am 31.07.2020 wurden überarbeitete Projektunterlagen vorgelegt.

 

In dieser Sache wurde am 14.07.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die betreffende Kundmachung vom 25.06.2020, Zl ***, wurde den nunmehrigen Beschwerdeführern, AA und BB (im Folgenden: die Beschwerdeführer) am 01.07.2020 nachweislich zugestellt. Sie enthält folgende Rechtsbelehrung: „Einwendungen gegen das Vorhaben müssen spätestens am Tag vor der Verhandlung bei der Bezirkshauptmannschaft Z oder während der Verhandlung beim Verhandlungsleiter vorgebracht werden, widrigenfalls sie keine Berücksichtigung finden können und die Person ihre Stellung als Partei verliert (vlg § 42 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 58/2018/.“]

 

An der mündlichen Verhandlung am 14.07.2020 nahm der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführer teil und brachte Einwendungen vor bzw verwies auf seine Stellungnahme vom 13.07.2020, welche von der Verhandlungsleiterin zum Protokoll genommen wurde. Zudem äußerten sich die Beschwerdeführer mit Stellungnahmen vom 14.08.2020 und vom 07.12.2020.

 

Im behördlichen Verfahren wurden folgende Gutachten eingeholt:

 Landesstelle für MM vom 14.07.2020, Zl ***

 Hochbau vom 08.07.2020

 Hochbau vom 13.07.2020

 Hochbau vom 09.09.2020

 Landesstelle für MM 24.08.2020

 

Mit Bescheid vom 29.12.2020. Zl ***, wurde der Bauwerberin die Baubewilligung für die Errichtung eines Neubaus „Betriebsanlage LL GmbH“ auf Gst Nr **1, KG Y, erteilt. Dies unter Verweis auf die mit einem Genehmigungsvermerk versehenen Plänen und unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen. Die Einwendungen der AA und des BB, der nunmehrigen Beschwerdeführer, wurden als unzulässig zurückgewiesen, eine von ihnen als „unzulässig abgewiesen“.

 

Mit Eingabe vom 29.01.2021 erhoben AA und BB (im Folgenden: die Beschwerdeführer) rechtzeitig Beschwerde.

 

Die Bauwerberin replizierte mit Eingabe vom 24.02.2021 und legte das raumordnungsfachliche Gutachten der NN GmbH vom 16.01.2017 vor.

 

2. Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht

 

Auf Aufforderung des Verwaltungsgerichts legte die Bauwerberin überarbeitete und ergänzende Unterlagen vor (siehe Spruch). Seitens des Verwaltungsgerichts wurden Gutachten aus den Bereichen Hochbautechnik und Immissionsschutz eingeholt sowie eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die Beschwerdeführer äußerten sich zudem mehrfach schriftlich.

 

3. Örtliche Gegebenheiten/planungsrechtliche Vorgaben

 

Der Bauplatz Gst Nr **1, KG Y, ist im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Y als Sonderfläche für Widmung mit Teilfestlegungen, nämlich im westlichen Bereich gemäß § 39 Abs 2 TROG 2016 als Gewerbe- und Industriegebiet mit Einschränkungen und in dem an das Grundstück der Beschwerdeführer anschließenden östlichen Bereich gemäß § 40 Abs 2 und 6 leg cit als Allgemeines Mischgebiet mit Einschränkungen, weiters eingeschränkt auf Wohnungen gemäß § 40 Abs 6 leg cit, folgendermaßen ausgewiesen:

 

„G-10 § 39(2) Gewerbe und Industriegebiet, eingeschränkt

Zähler 10: Einschränkung auf Betriebe, die keine wesentlichen zusätzlichen Emissionen von PM 10 verursachen (<1% des Langzeitgrenzwertes)

nicht zulässig sind:

1. Betriebe, die das Areal ausschließlich für Lager-und Abstellzwecke verwenden

2. Speditionen und Frächtereibetriebe, sofern sie nach der gewerberechtlichen Vorschriften Lkw-Abstellplätze benötigen

3. Betriebe im Bereich der Altmetall-, Schotter- oder Asphaltsaufbereitung

4. Betriebe, in denen ausschließlich Lebensmittel oder überwiegend Lebensmittel und in geringem Ausmaß auch andere Waren zur täglichen Versorgung der Bevölkerung größtenteils in Packungs- oder Gebindegrößen angeboten werden, die vom Kunden ohne Verwendung eines Kraftfahrzeugs abtransportiert werden können

Mb-3 § 40(2), (6) allgemeines Mischgebiet eingeschränkt auf Wohnungen gemäß § 40(6)

Zähler 3: Einschränkung auf Betriebe, die keine wesentlichen zusätzlichen Emissionen von PM 10 verursachen (<1% des Langzeitgrenzwertes)

nicht zulässig sind:

5. Betriebe, die das Areal ausschließlich für Lager-und Abstellzwecke verwenden

6. Speditionen und Frächtereibetriebe, sofern sie nach der gewerberechtlichen Vorschriften Lkw-Abstellplätze benötigen

7. Betriebe im Bereich der Altmetall-, Schotter- oder Asphaltsaufbereitung

8. Betriebe, in denen ausschließlich Lebensmittel oder überwiegend Lebensmittel und in geringem Ausmaß auch andere Waren zur täglichen Versorgung der Bevölkerung größtenteils in Packungs- oder Gebindegrößen angeboten werden, die vom Kunden ohne Verwendung eines Kraftfahrzeugs abtransportiert werden können“

 

„Bild im Original als pdf ersichtlich“

 

Die entsprechende Änderung des Flächenwidmungsplans erfolgte mit Beschluss des Gemeinderats vom 16.03.2017, die aufsichtsbehördliche Genehmigung erging mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 11.05.2017, Zl ***, die Auflage fand vom 16.05.2017 bis zum 31.05.2017 statt. Im Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplans wurde ein raumordnungsfachliches Gutachten der NN GmbH, datiert vom 16.01.2017, eingeholt. Diese stellte im Rahmen einer Interessenabwägung fest, dass durch die nunmehr vorliegende Widmung des Bauplatzes „zu den benachbarten Nutzungen (Gewerbe, Wohnen, Landwirtschaft) keine Nutzungskonflikte zu erwarten“ seien und die Interessen der Nachbarn durch das Interesse des Widmungswerbers nicht unzumutbar beeinträchtigt würden. Die Aufsichtsbehörde holte ihrerseits ein Gutachten des raumordnungsfachlichen Amtssachverständigen (Zl *** vom 09.05.2017) ein, in welchem ausdrücklich ausgeführt wird, dass die vorliegende Widmung dem Raumordnungskonzept entspreche, in raumordnungsfachlicher Sicht keine Bedenken gegen diese bestünden und die Stellungnahme des Ortsplaners als verständlich und nachvollziehbar beurteilt wird. Das örtliche Raumordnungskonzept der Gemeinde Y wurde im Jahr 2015 fortgeschrieben und sieht für den Bereich des Bauplatzes den Stempel *** vor.

 

Für den Bauplatz besteht der Bebauungsplan ***.

 

Das im Eigentum der Beschwerdeführer stehende Gst Nr **2, KG Y, liegt südlich des Bauplatzes und grenzt an diesen unmittelbar an. Das Grundstück ist als Wohngebiet gewidmet. Im seinerzeitigen Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplans der Gemeinde Y machte die Aufsichtsbehörde mit Schreiben vom 28.09.1989 Bedenken wegen allfälliger Nutzungskonflikte geltend. Sie forderte die Erlassung eines Grundsatzbeschlusses durch den Gemeinderat der Gemeinde Y insbesondere dahingehend, dass nördlich anschließend an das Grundstück Nr **2 der Beschwerdeführer (und somit auf dem jetzigen Bauplatz) ein 30 m breiter Streifen Freiland verbleiben müsse. Ein solcher Grundsatzbeschluss wurde jedoch nie gefasst – in seiner Sitzung vom 20.12.1989 wurde durch den Gemeinderat lediglich „beschlossen“: „Die an die Gp. **2, KG Y, nördlich angrenzende Grundfläche Gp. **1 ist derzeit als Freiland im Flächenwidmungsplan eingetragen und wird auch derzeit überwiegend als Freiland genutzt. Der 30 m breite Freilandstreifen, wie er im zitierten Schreiben gefordert wird, ist somit gegeben. […]“

 

Das geplante Bauvorhaben weist einen Abstand von der gemeinsamen Grundgrenze des Bauplatzes mit dem Grundstück der Beschwerdeführer von weniger als 50 m auf.

 

4. Bauvorhaben

 

Gegenstand des Verfahrens ist das mit dem angefochtenen Bescheid bewilligte, durch die verbesserte Baubeschreibung (vom 19.04.2021 – Datum der Signatur) sowie die verbesserten Planunterlagen ergänzte bzw geänderte Bauvorhaben.

 

a. Abstand zur gemeinsamen Grundgrenze mit den beschwerdeführenden Parteien

 

An der zum Grundstück der Beschwerdeführer hin orientierten Südseite des geplanten Gebäudes ist die Errichtung eines Balkons sowie einer auskragenden Dachkonstruktion vorgesehen. Bei letzterer handelt es sich um ein Schutzdach, da es nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der geplanten Dachkonstruktion – Flachdach – steht.

 

Die Gesamtfassadenlänge beträgt 12 m. Der Balkon weist eine Länge von 11,94 m, die Dachkonstruktion eine Länge von 12 m auf. Beide ragen 1,50 m vor die südseitige Außenwand des Gebäudes. Der Flächenanteile des Balkons sowie der Dachkonstruktion erreichen jeweils in Bezug auf die Gesamtfläche der Südfassade bei weitem nicht 50 %.

 

b. Luftschadstoffimmissionen

 

Die Immissionsbelastungen für Geruch und Luftschadstoffe sind entweder irrelevant bzw werden die Grenzwerte nach IG-L beim Nachbargrundstück Bergmeister deutlich unterschritten und eingehalten, sodass ex-lege (siehe IG-L § 1(1) Ziff. 1 sowie § 3 (1)) der Schutz der menschlichen Gesundheit gewahrt ist. Durch die deutliche Unterschreitung der Immissionsgrenzwerte nach IG-L ist aus fachlicher Sicht keine wesentliche Beeinträchtigung der Wohnqualität im betreffenden Gebiet gegeben.

 

c. Lärm

 

Durch die mit dem verfassungsgerichtlichen Projekt einhergehenden Lärmimmissionen kommt es – unter Berücksichtigung jedes denkbaren Umgebungslärmpegels – entweder zu keiner Überschreitung des für die Flächenwidmungskategorie allgemeines Mischgebiet vorgesehenen Widmungswerts nach § 37 Abs 4 TROG 2018 oder zu keiner Anhebung um mehr als 1 dB. Dies gilt für alle 3 Beurteilungszeiträume (Tag, Arbeit, Nacht).

 

 

II. Beweiswürdigung:

 

Der oben festgestellte Sachverhalt ergibt sich zunächst aus dem vorgelegten Akt der Behörde.

 

Die planungstechnischen Vorgaben betreffend den Bauplatz sowie das Grundstück der Beschwerdeführer konnten dem TIRIS bzw den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen entnommen werden. Die Feststellungen hinsichtlich der raumordnungsrechtlichen Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplans der Gemeinde Y konnten aufgrund der oben zitierten, von belangten Behörde und der Aufsichtsbehörde vorgelegten Unterlagen, getroffen werden.

 

Die Situierung des Bauvorhabens in Bezug auf die gemeinsame Grundstücksgrenze mit den Beschwerdeführern ist den mit einem Genehmigungsvermerk der belangten Behörde versehenen Planunterlagen (insbes dem Lageplan) der DD GmbH, zu entnehmen.

 

1. Abstand

 

Die Feststellungen über die Ausführung des an der südlichen Fassade des geplanten Gebäudes situierten Balkons samt Schutzdach traf der vom Landesverwaltungsgericht beigezogene Hochbau technische Amtssachverständige in der mündlichen Verhandlung am 26.11.2021 und in seinem nach Änderung des Projekts erstellten schriftlichen Gutachten vom 09.02.2022. Seine schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen wurden von den beschwerdeführenden Parteien nicht mehr infrage gestellt. Die Verhältnisse der Flächenanteile von Balkon, Dachkonstruktion und Gesamtfassade sind der in den Planunterlagen enthaltenen Ansicht mit freiem Auge zu entnehmen. Das Vorragen der beiden Bauteile ist ebenso aus den entsprechend bemaßten Planunterlagen ersichtlich.

 

2. Immissionen

 

a. Luftschadstoffe

 

Die Begutachtung der vorliegenden Angelegenheit im Hinblick auf die zu erwartenden Luftschadstoffimmissionen erfolgte durch den vom Landesverwaltungsgericht beigezogenen emissionstechnischen Amtssachverständigen.

 

Dieser führte aus, dass es sich in Bezug auf die zu erwartenden Geruchsimmissionen ergeben habe, dass an der gemeinsamen Grundgrenze des Bauplatzes mit dem Grundstück der beschwerdeführenden Parteien die Relevanzschwelle für Geruch eingehalten sei. Die Geruchsimmissionen seien daher nach den einschlägigen Regelwerken als nicht relevant und somit als nicht wesentlich beeinträchtigend einzustufen. Ebenso lägen die zu prognostizieren Benzol-Immissionen unterhalb der in Betracht kommenden Relevanzschwellen. Sie seien daher ebenso wie die Emissionen durch weitere freigesetzte Kohlenwasserstoffe als nicht relevant und nicht wesentlich beeinträchtigend einzustufen. Durch die Nähe des unbefestigten Parkplatzes zur Grundgrenze ergebe sich für Feinstaub PM 10 eine Überschreitung der Relevanzschwelle. Unter Berücksichtigung der Vorbelastung sei jedoch der Grenzwert nach IG-L deutlich unterschritten, ebenso wie aufgrund des geringen Jahresmittelwert der Gesamtbelastung die Anforderungen des IG-L in Hinblick auf das Tagesmittelwertkriterium für Feinstaub PM 10 eingehalten sein. Hinsichtlich Feinstaub PM 2,5 seien keine relevanten Immissionen in Bezug auf das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien festzustellen.

 

Die schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des emissionstechnischen Amtssachverständigen wurden durch die beschwerdeführenden Parteien durch keinerlei fachspezifische Ausführungen infrage gestellt. Allerdings verlangten die beschwerdeführenden Parteien, dass die Berechnungen des emissionstechnischen Amtssachverständigen anhand eines weiteren Windmodells erneut berechnet werden müssten. Die Frage des für die Beurteilung der vorliegenden Angelegenheit heranzuziehenden Windmodells wurde in der mündlichen Verhandlung am 22.03.2022 durch den emissionstechnischen Amtssachverständigen ausführlich erläutert. Demnach stünden für den gegenständlichen Raum (X bis Y) Windmessdaten aus dem Raum X zu Verfügung. Diese seien für den gegenständlichen Raum repräsentativ; es seien nicht nur die räumliche Nähe, sondern auch eine Vergleichbarkeit der orografischen Verhältnisse gegeben. Demgegenüber handele es sich beim Windkataster für Tirol um in einem Raster von 100 × 100 m berechnete Winddaten auf Basis eines prognostischen Windfeldmodells und sämtlicher zur Verfügung stehender Windmessdaten. Aus fachlicher Sicht wiesen die Daten der Windmessstelle X für die Beurteilung des vorliegenden Falls die bessere Qualität auf. Diese Ausführungen sind dem Verwaltungsgericht insbesondere in Hinblick auf die oben dargestellten Zusammenhänge nachvollziehbar; die fachliche Kompetenz des Amtssachverständigen, die Eignung der zur Verfügung stehenden Daten zu beurteilen, steht für das Verwaltungsgericht außer Frage. Dem durch keinerlei fachkundige Ausführungen unterlegten Begehren der beschwerdeführenden Parteien, es möge nach einem anderen, vom Amtssachverständigen als weniger geeignet erkannten Windmodell eine weitere Berechnung durchgeführt werden, war hingegen nicht zu folgen.

 

b. Lärm

 

Das umfassende Gutachten des vom Landesverwaltungsgericht beigezogenen emissionstechnischen Amtssachverständigen legte schlüssig und nachvollziehbar die im Hinblick auf den Befund maßgeblichen Gegebenheiten dar. Ebenso führt der Amtssachverständige aus, welche Normen und Regelwerke bei der Beurteilung heranzuziehen waren und zu welchem Ergebnis er hinsichtlich der zu erwartenden Lärmimmissionen kam.

 

Die beschwerdeführenden Parteien brachten in Hinblick auf die Details des Gutachtens mehrere Kritikpunkte vor. Hierbei handelte es sich durchwegs um laienhafte Äußerungen, welche durch keinerlei fachkundige Ausführungen untermauert waren und vom Amtssachverständigen entkräftet werden konnten. So konnte er aufklären, dass sich der Anwendungsbereich der RVS 04.11.02 aus ebendieser selbst ergibt und nicht, wie von den beschwerdeführenden Parteien offenbar angenommen, aus der ÖNORM S5021 6.2. (welche sich ihrerseits auf die Ermittlung von Emissionen im Bereich des fließenden Verkehrs mit einer Geschwindigkeit von größer gleich 30 km/h bezieht). Demnach findet die RVS im gegenständlichen Fall keine Anwendung. Die bayrische Parkplatzlärmstudie wiederum sei zwar für die Berechnung des entstehenden Lärms heranzuziehen, enthalte jedoch keine Werte für die Stellplatzwechselfrequenz bei Kundenparkplätzen für Spenglereien und Wäschereien. In Bezug auf den Vorwurf der beschwerdeführenden Parteien, dass der Umgebungslärm nicht gemessen worden sei, konnte der Amtssachverständige auf die von ihm in einer Tabelle dargestellten Berechnungen verweisen, wonach unter Berücksichtigung des vom gegenständlichen Vorhaben ausgehenden Lärms kein Umgebungslärmpegel vorherrschen könne, der dazu führt, dass Festlegungen nach § 38 Abs 5 a oder b TROG 2016 nicht eingehalten sind. Schließlich ist es auch nach laienhaftem Verständnis nachvollziehbar, dass dann, wenn für jeden der insgesamt 16 geplanten Parkplätze 4 Bewegungen pro Tag angenommen werden, damit in Anbetracht der Tatsache, dass insgesamt nur 10 Mitarbeiter beschäftigt werden sollen und bei einer Wäscherei und einer Spenglerei kaum Kundenverkehr zu erwarten sein wird, sowohl der Mitarbeiter- als auch der Kundenverkehr ausreichend abgedeckt ist.

 

Insofern, als die beschwerdeführenden Parteien der Ansicht sind, im Hinblick auf die zu erwartenden Lärmemissionen müsste eine weitere Berechnung bezogen auf eine Höhe von 4 m durchgeführt werden, war dem nicht zu folgen. Dies, da der emissionstechnische Amtssachverständige OO in der mündlichen Verhandlung am 23.03.2022 dartat, warum er in seinem Gutachten diesbezüglich auf eine Höhe von 1,50 m abgestellt hatte. Demnach seien im konkreten Fall die für die Wohnung zu errichtenden Parkplätze die maßgebliche Lärmquelle. Diese Lärmquelle liege auf eine Höhe von 0,5 m über Gelände, weshalb der zu erwartende Lärm in einer Höhe von 1,50 m jedenfalls höher ausfallen werde, als auf einer Höhe von 4 m. Diese Ausführungen sind für das erkennende Gericht sowohl schlüssig als auch nachvollziehbar, insbesondere im Hinblick darauf, dass die betreffenden Parkplätze im unmittelbaren Anschluss an die gemeinsame Grundgrenze des Bauplatzes mit dem Grundstück der Beschwerde führenden Parteien situiert sind. Die von den beschwerdeführenden Parteien geäußerten Bedenken, welche durch keinerlei fachkundige Ausführungen untermauert wurden, sind hingegen nicht geeignet, Zweifel hinsichtlich der Qualität und Richtigkeit des Gutachtens des Amtssachverständigen hervorzurufen.

 

 

III. Rechtslage:

 

Die hier relevanten Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018), LGBl Nr 28/2018 (WV), idF, lauten wie folgt:

 

„§ 2

Begriffsbestimmungen

 

[…]

(17) Untergeordnete Bauteile sind:

a) Dachkapfer, Fänge, Windfänge, offene Balkone, Markisen und dergleichen, Schutzdächer und an baulichen Anlagen angebrachte Werbeeinrichtungen; dies jedoch nur, wenn sie im Hinblick auf ihre Abmessungen im Verhältnis zur Fläche und zur Länge der betroffenen Fassaden bzw Dächer untergeordnet sind;

b) Freitreppen, Sonnenschutzlamellen und dergleichen, fassadengestaltende Bauteile, wie Gesimse, Lisenen, Rahmen und dergleichen, weiters Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen, sofern sie in die Außenhaut von baulichen Anlagen integriert sind oder einen Parallelabstand von höchstens 30 cm zur Dach- bzw Wandhaut aufweisen, sowie Liftüberfahrten; dies jedoch nur, wenn sie im Hinblick auf ihre Abmessungen im Verhältnis zur Fläche der betreffenden Fassaden bzw Dächer untergeordnet sind;

c) Vordächer, wenn sie im Hinblick auf ihre Abmessungen im Verhältnis zur Gesamtfläche der betreffenden Dächer untergeordnet sind. Als Gesamtfläche der betreffenden Dächer gelten jene Flächen, die im unmittelbaren baulichen Zusammenhang mit den jeweiligen Vordächern stehen sowie die Vordachflächen selbst.

[…]

 

§ 6

Abstände baulicher Anlagen von den übrigen Grundstücksgrenzen

und von anderen baulichen Anlagen

 

[…]

(3) Bei der Berechnung der Mindestabstände nach Abs 1 bleiben außer Betracht und dürfen innerhalb der entsprechenden Mindestabstandsflächen errichtet werden:

a) untergeordnete Bauteile, sofern sie nicht mehr als 1,50 m in die Mindestabstandsflächen ragen und ein ausreichender Brandschutz zum angrenzenden Grundstück gewährleistet ist;

b) Fänge sowie Dachkapfer bis zu einer Länge von insgesamt 33 v. H. der Wandlänge auf der betreffenden Gebäudeseite und bis zu einer Höhe von 1,40 m, wobei vom lotrechten Abstand zwischen dem untersten Schnittpunkt des Dachkapfers mit der Dachhaut und dem höchsten Punkt des Dachkapfers auszugehen ist;

c) Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen, sofern sie in die Außenhaut von baulichen Anlagen integriert sind oder einen Parallelabstand von höchstens 30 cm zur Dach- bzw Wandhaut aufweisen sowie Fassadenbegrünungen, sofern sie einen Parallelabstand von höchstens 30 cm zur Wandhaut aufweisen.

[…]

 

§ 33

Parteien

 

(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.

(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,

a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und

b) deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.

Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,

b) der Bestimmungen über den Brandschutz,

c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,

d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31b Abs 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,

e) der Abstandsbestimmungen des § 6,

f) das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.

[…]“

 

Die hier relevante Bestimmung des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 (TROG 2016), LGBl Nr 101/2016 (WV), lautet wie folgt:

 

„§ 37

Bauland

 

[…]

(4) Die Eignung von Grundflächen als Bauland ist in Bezug auf Beeinträchtigungen durch Lärm jedenfalls gegeben, wenn der nach dem Stand der Technik ermittelte Beurteilungspegel an den jeweiligen Grundstücksgrenzen in den Zeitabschnitten Tag, Abend und Nacht abhängig von der Widmung folgende dB-Werte nicht übersteigt:

 

Grundflächen, hinsichtlich deren die Einhaltung der maßgebenden dB-Werte nicht gewährleistet werden kann, deren Eignung als Bauland aber unter der Voraussetzung einer bestimmten Anordnung oder baulichen Beschaffenheit von Gebäuden oder sonstiger baulicher Vorkehrungen in deren Bereich oder bestimmter organisatorischer Vorkehrungen gegeben ist, dürfen als Bauland gewidmet werden, wenn die erforderlichen Maßnahmen ergänzend zur Widmung als Bauland textlich festgelegt werden.

[…]“

 

Die hier relevante Bestimmung des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 (TROG 2016), LGBl Nr 101/2016, idF LGBl Nr 164/2021, lautet wie folgt:

 

„§ 38

Wohngebiet

 

(1) Im Wohngebiet dürfen errichtet werden:

a) Wohngebäude einschließlich der hierfür vorgesehenen Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge samt den dazugehörigen Rampen und Zufahrten, wenn deren Anzahl 10 v.H. der nach § 8 Abs 1 der Tiroler Bauordnung 2018 erforderlichen Abstellmöglichkeiten nicht übersteigt,

b) Gebäude, die der Privatzimmervermietung oder der Unterbringung von nach § 13 Abs 1 lit. d zulässigen Ferienwohnungen dienen,

c) Gebäude, die neben Wohnzwecken im untergeordneten Ausmaß auch der Unterbringung von Büros, Kanzleien, Ordinationen und dergleichen dienen,

d) Gebäude für Betriebe und Einrichtungen, die der Versorgung der Bevölkerung des betreffenden Wohngebietes mit Gütern des täglichen Bedarfs oder der Befriedigung ihrer sozialen und kulturellen Bedürfnisse dienen und die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität in diesem Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich beeinträchtigen.

(2) Im Wohngebiet können Grundflächen als gemischtes Wohngebiet gewidmet werden. Im gemischten Wohngebiet dürfen neben den im Abs 1 genannten Gebäuden auch öffentliche Gebäude, Geschäfts- und Verwaltungsgebäude, Gebäude für Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen mit höchstens 40 Betten und Gebäude für sonstige Kleinbetriebe errichtet werden, die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich beeinträchtigen.

[…]

(5) Die Wohnqualität gilt in Bezug auf Lärm durch ein Bauvorhaben jedenfalls dann nicht als wesentlich beeinträchtigt, wenn der nach dem Stand der Technik ermittelte Beurteilungspegel an den jeweiligen Grundstücksgrenzen in den Zeitabschnitten Tag, Abend und Nacht

a) die nach § 37 Abs 4 entsprechend der Widmung maßgebenden dB-Werte nicht übersteigt oder

b) unter Zugrundelegung der örtlichen Gegebenheiten um nicht mehr als 1 dB angehoben wird.“

 

Die hier relevanten Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 (TROG 2016), LGBl Nr 101/2016, idF LGBl Nr 164/2021, lauten wie folgt:

 

„§ 39

Gewerbe- und Industriegebiet

 

(1) Im Gewerbe- und Industriegebiet dürfen errichtet werden:

a) Gebäude für Gewerbebetriebe mit Ausnahme von Gastgewerbebetrieben zur Beherbergung von Gästen,

b) Gebäude für Industriebetriebe,

c) betriebstechnisch notwendige Wohnungen,

d) Gebäude für Veranstaltungs- und Vergnügungsstätten, wie Theater, Kinos und dergleichen,

e) Gebäude für Einrichtungen, die der Versorgung oder den sozialen Bedürfnissen der Personen, die sich im Gewerbe- und Industriegebiet aufhalten, dienen.

(2) Für das Gewerbe- und Industriegebiet oder für Teile davon kann festgelegt werden, dass nur bestimmte Arten von Betrieben zulässig oder bestimmte Arten von Betrieben nicht zulässig sind, soweit dies erforderlich ist, um

a) Gefahren für das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere durch Lärm, Luftverunreinigungen, Geruch oder Erschütterungen, hintanzuhalten,

b) Nutzungskonflikte oder wechselseitige Beeinträchtigungen im Verhältnis zu anderweitig gewidmeten Gebieten oder zwischen betrieblichen Tätigkeiten innerhalb des betreffenden Gebietes hintanzuhalten,

c) eine den örtlichen Verhältnissen und den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechende sparsame und zweckmäßige Nutzung des Gewerbe- und Industriegebietes zu gewährleisten,

d) schwerwiegende Belastungen der Bevölkerung durch den Verkehr oder eine Überlastung oder im Hinblick auf die sonstigen Verkehrserfordernisse unverhältnismäßige Belastung von Verkehrsflächen durch Betriebe mit erheblichem Verkehrsaufkommen hintanzuhalten,

e) eine Überlastung oder im Hinblick auf die sonstigen Erschließungserfordernisse unverhältnismäßige Belastung von Einrichtungen zur Wasserversorgung, Energieversorgung oder Abwasserbeseitigung durch Betriebe mit erheblichem Wasser- oder Energieverbrauch oder Abwasseranfall hintanzuhalten.

(3) Im Gewerbe- und Industriegebiet dürfen Gebäude für Anlagen von Seveso-Betrieben nur errichtet werden, wenn dies durch eine entsprechende Festlegung im Flächenwidmungsplan für zulässig erklärt worden ist. Solche Festlegungen dürfen nur im Einklang mit den im Abs 2 genannten Interessen und nur bei Vorliegen der Voraussetzung des § 37 Abs 2 dritter und vierter Satz getroffen werden.

(4) Bestehen im Gewerbe- und Industriegebiet

a) auf Grundflächen, für die eine Festlegung nach Abs 2 getroffen wurde, rechtmäßig bereits Gebäude für andere als nach dieser Festlegung zulässige Betriebe oder

b) auf Grundflächen, für die eine Festlegung nach Abs 3 nicht getroffen wurde, rechtmäßig bereits Gebäude für Anlagen von Seveso-Betrieben,

so dürfen auf diesen Grundflächen auch Gebäude für diese Betriebe bzw Anlagen von Betrieben errichtet werden, wenn dadurch die Baumasse mit Ausnahme jener von Nebengebäuden um insgesamt nicht mehr als 20 v. H., höchstens jedoch um 400 m³, vergrößert wird und die betriebliche Tätigkeit höchstens geringfügig erweitert wird. Dabei ist im Fall der lit. a von den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Erlassung der betreffenden Festlegung auszugehen. Im Fall der lit. b ist von den Gegebenheiten am 30. September 2001 bzw, wenn der Betrieb die Eigenschaft als Seveso-Betrieb mit 1. Juni 2015 erlangt hat, von den Gegebenheiten am 31. Mai 2015 auszugehen. Liegen im Fall der lit. b angemessene Sicherheitsabstände nicht vor, so genügt es weiters, dass die bestehenden Sicherheitsabstände gewahrt bleiben.

(5) Bestehen auf Grundflächen im Gewerbe- und Industriegebiet rechtmäßig bereits Wohnungen, die nicht unter Abs 1 lit. c fallen, so sind auch Bauvorhaben zulässig, durch die die Baumasse der zu Wohnzwecken genutzten Gebäude oder Gebäudeteile um insgesamt nicht mehr als 20 v. H., höchstens jedoch um 300 m³, vergrößert wird.

(6) Im Gewerbe- und Industriegebiet dürfen unter den gleichen Voraussetzungen wie für Gebäude auch Nebengebäude und Nebenanlagen errichtet und sonstige Bauvorhaben, die einem in diesem Gebiet zulässigen Verwendungszweck dienen, ausgeführt werden. Jedenfalls zulässig ist die Anbringung von Photovoltaikanlagen, sofern sie in Dach- oder Wandflächen integriert sind oder der Parallelabstand zur Dach- bzw Wandhaut an keinem Punkt 30 cm übersteigt. Weiters ist die Anbringung von Photovoltaikanlagen auf Flachdächern zulässig, sofern ihre Neigung höchstens 15° beträgt; dabei hat bei Flachdächern ohne Attika der jeweilige Abstand zum Dachrand hin zumindest der Aufbauhöhe der Photovoltaikanlage zu entsprechen.

 

§ 40

Mischgebiete

 

(1) Mischgebiete sind das allgemeine Mischgebiet, das Kerngebiet, das Tourismusgebiet und das landwirtschaftliche Mischgebiet. In den Mischgebieten dürfen die im § 38 Abs 1 lit. a, b und c genannten Gebäude sowie nach Maßgabe der Abs 2 bis 5 sonstige Gebäude errichtet werden, die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, nicht wesentlich beeinträchtigen. Gebäude für Anlagen von Seveso-Betrieben dürfen in Mischgebieten nicht errichtet werden.

(2) Im allgemeinen Mischgebiet dürfen die im gemischten Wohngebiet zulässigen Gebäude und Gebäude für Betriebe errichtet werden. Für das allgemeine Mischgebiet oder für Teile davon kann aus den im § 39 Abs 2 lit. b bis e genannten Gründen festgelegt werden, dass außer den im gemischten Wohngebiet zulässigen Arten von Betrieben nur bestimmte weitere Arten von Betrieben zulässig oder bestimmte weitere Arten von Betrieben nicht zulässig sind.

(3) Im Kerngebiet dürfen die im gemischten Wohngebiet zulässigen Gebäude und Gebäude für Gastgewerbebetriebe, für Veranstaltungs- und Vergnügungsstätten, wie Theater, Kinos und dergleichen, sowie für sonstige Betriebe und Einrichtungen, die der Befriedigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung dienen, errichtet werden.

(4) Im Tourismusgebiet dürfen die im gemischten Wohngebiet zulässigen Gebäude und Gebäude für dem Tourismus dienende Betriebe und Einrichtungen errichtet werden.

(5) Im landwirtschaftlichen Mischgebiet dürfen die im gemischten Wohngebiet zulässigen Gebäude und Gebäude für land- oder forstwirtschaftliche Betriebe und sonstige der landwirtschaftlichen Tierhaltung mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Intensivtierhaltung (§ 45 Abs 1) dienende Gebäude sowie Gebäude für gewerbliche Klein- und Mittelbetriebe mit Ausnahme von Gebäuden für Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen mit mehr als 40 Betten errichtet werden. Abs 2 zweiter Satz gilt sinngemäß.

(6) Für Mischgebiete kann festgelegt werden, dass als Wohnungen nur betriebstechnisch notwendige Wohnungen und Wohnungen für den Betriebsinhaber und das Aufsichts- und Wartungspersonal errichtet werden dürfen, insbesondere wenn diese Gebiete für eine uneingeschränkte Wohnnutzung nicht geeignet sind oder eine solche Einschränkung erforderlich ist, um Nutzungskonflikte oder wechselseitige Beeinträchtigungen zwischen betrieblichen Tätigkeiten und Wohnnutzungen hintanzuhalten.

(7) Für Grundstücke oder Teile von Grundstücken im landwirtschaftlichen Mischgebiet, die unmittelbar im Bereich einer Hofstelle liegen und die Bestandteil desselben Grundbuchskörpers wie die Hofstelle sind, kann festgelegt werden, dass nur Gebäude für land- oder forstwirtschaftliche Betriebe und sonstige der landwirtschaftlichen Tierhaltung mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Intensivtierhaltung dienende Gebäude errichtet werden dürfen, soweit dies erforderlich ist, um Nutzungskonflikte oder wechselseitige Beeinträchtigungen zwischen der Hofbewirtschaftung einerseits und Wohnnutzungen oder betrieblichen oder sonstigen Tätigkeiten andererseits hintanzuhalten.

(8) Bestehen auf Grundflächen, die als ein Mischgebiet gewidmet sind oder für die eine Festlegung nach Abs 2 zweiter Satz oder Abs 5 zweiter Satz getroffen wurde, rechtmäßig bereits Gebäude für andere als nach den Abs 1 bis 5 und 7 zulässige Betriebe oder Einrichtungen, so dürfen darauf auch Gebäude für diese Betriebe oder Einrichtungen errichtet werden, wenn dadurch

a) gegenüber dem Baubestand im Zeitpunkt der Widmung als Mischgebiet bzw der Erlassung der betreffenden Festlegung die Baumasse mit Ausnahme jener von Nebengebäuden um insgesamt nicht mehr als 20 v. H., höchstens jedoch um 400 m³, vergrößert wird und die betriebliche oder sonstige Tätigkeit gegenüber diesem Zeitpunkt höchstens geringfügig erweitert wird und

b) die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, nicht wesentlich oder, sofern vom betreffenden Betrieb bzw von der betreffenden Einrichtung eine solche Beeinträchtigung bereits ausgeht, nicht mehr als bisher beeinträchtigt wird.

Bestehen auf solchen Grundflächen rechtmäßig bereits Gebäude für Anlagen von Seveso-Betrieben, so gilt insoweit auch § 39 Abs 4 sinngemäß. Bestehen auf Grundflächen im Mischgebiet, für die eine Festlegung nach Abs 6 oder 7 gilt, rechtmäßig bereits andere als nach diesen Bestimmungen zulässige Wohnungen, so sind auch Bauvorhaben zulässig, durch die die Baumasse der zu Wohnzwecken genutzten Gebäude oder Gebäudeteile um insgesamt nicht mehr als 20 v. H., höchstens jedoch um 300 m³, vergrößert wird.

(9) In Mischgebieten dürfen unter den gleichen Voraussetzungen wie für Gebäude auch Nebengebäude und Nebenanlagen errichtet werden. Jedenfalls zulässig ist die Anbringung von Photovoltaikanlagen, sofern sie in Dach- oder Wandflächen integriert sind oder der Parallelabstand zur Dach- bzw Wandhaut an keinem Punkt 30 cm übersteigt. Weiters ist die Anbringung von Photovoltaikanlagen auf Flachdächern zulässig, sofern ihre Neigung höchstens 15° beträgt; dabei hat bei Flachdächern ohne Attika der jeweilige Abstand zum Dachrand hin zumindest der Aufbauhöhe der Photovoltaikanlage zu entsprechen. Weiters dürfen sonstige Bauvorhaben, die einem im jeweiligen Gebiet zulässigen Verwendungszweck dienen und die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, nicht wesentlich beeinträchtigen, ausgeführt werden.

(10) § 38 Abs 5 ist anzuwenden.“

 

 

IV. Erwägungen:

 

1. Abspruch über die Einwendungen der Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid

 

In Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids hat die belangte Behörde über die von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen zu den lit a bis h im Einzelnen abgesprochen und sie als unzulässig zurückgewiesen (lit a, b und d-h) bzw „unzulässig abgewiesen“ (lit c).

 

Diesbezüglich ist zunächst auf § 59 Abs 1 AVG hinzuweisen, wonach mit Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrags Einwendungen als miterledigt gelten. Trotzdem ist es zulässig und der Behörde überlassen, über die Einwendungen förmlich abzusprechen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 RZ 8 (Stand 1.7.2005, rdb.at)). In Hinblick darauf, dass die belangte Behörde einige der Einwendungen ab-, andere zurückwies, ist festzuhalten, dass gemäß § 28 VwGVG das Landesverwaltungsgericht grundsätzlich in der Sache zu entscheiden hat. „Sache" der belangten Behörde war die inhaltliche Entscheidung über den Antrag des Bauwerbers, dem verfahrensgegenständlichen Objekt die baubehördliche Bewilligung zu erteilen. Zur Sache gehören auch die im behördlichen Verfahren erhobenen Einwendungen, selbst wenn die belangte Behörde über diese nicht entschieden haben sollte (vgl VwGH 95/06/0064 vom 25.04.1996; in Hinblick auf die Frage, was „Sache“ des Verfahrens ist, ist die Regelung des § 64 AVG mit § 28 VwGVG vergleichbar, siehe auch Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG §28 VwGVG RZ 35 (Stand 15.2.2017, rdb.at), wonach dieses „Verständnis […] unverändert geblieben“ sei).

 

Unter Bedachtnahme auf die obigen Ausführungen steht unzweifelhaft fest, dass die von den Beschwerdeführern weiterhin aufrecht erhaltenen Einwendungen vom Landesverwaltungsgericht zu behandeln waren, unabhängig davon, ob die belangte Behörde sie ab- oder zurückgewiesen hat (siehe dazu im Folgenden). Überlegungen dazu, ob die in Spruchpunkt II. lit c behandelte Einwendung als „unzulässig“ zurückgewiesen, oder als unbegründet „abgewiesen“ wurde, erübrigen sich daher.

 

2. Zur Rechtsstellung der Nachbarn im Bauverfahren

 

Wie oben zu Punkt I.3. festgehalten werden konnte, grenzen die Grundstücke, welche im Miteigentum der beschwerdeführenden Parteien stehen, unmittelbar an den Bauplatz an und weist das Bauvorhaben einen geringeren Abstand als 50 m zur gemeinsamen Grundgrenze auf. Somit sind die beschwerdeführenden Parteien in Bezug das vorliegende Bauvorhaben als Nachbarn iSd § 33 Abs 2 TBO 2018 zu qualifizieren.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitig Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (VwGH 2006/06/0015 vom 27.06.2006, 2006/06/0062 vom 27.11.2003, ua).

 

a. Nachbarrechte nach § 33 Abs 3 TBO 2018

 

Die den unmittelbaren Nachbarn im Baubewilligungsverfahren – so sie auch ihrem Schutz dienen – zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechte sind in § 33 Abs 3 TBO 2018 abschließend aufgezählt. Es handelt sich demnach um solche, die sich auf folgende Bereiche beziehen:

 Einhaltung „der Festlegungen des Flächenwidmungsplans, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist“ (lit a)

 Brandschutz (lit b),

 im Bebauungsplan festgelegte Baufluchtlinien, Baugrenzlinien, der Bauweise Bauhöhen (lit c),

 „Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31b Abs 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen“ (lit d),

 Abstandsbestimmungen nach § 6 leg cit (lit e),

 „Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes“ (lit f).

 

Darüber hinaus gehende baurechtliche Regelungen, die rein öffentliche Interessen betreffen, stellen hingegen keine individuellen, im Verfahren verfolgbaren Ansprüche der Nachbarn dar (objektiv-öffentliche Rechte).

 

Ebenso weit wie die materiellen Rechte der Nachbarn geht auch deren Anspruch auf Einhaltung des Verfahrensrechts. Somit können die Nachbarn nur solche verfahrensrechtlichen Mängel im Beschwerdeverfahren wirksam geltend machen, durch welche sie an der zweckmäßigen Verfolgung der ihnen nach § 33 Abs 3 TBO 2018 zukommenden Nachbarrechte gehindert wurden bzw werden.

 

b. Präklusion nach § 42 Abs 1 AVG

 

Gemäß § 42 Abs 1 AVG tritt hinsichtlich der von den Nachbarn nicht rechtzeitig geltend gemachten Nachbarrechte Präklusion ein. Wird demnach von der Behörde eine mündliche Verhandlung durchgeführt und der Betroffene zu dieser ordnungsgemäß geladen und über die Präklusionsfolgen belehrt, kann er die einzelnen Nachbarrechte gemäß § 33 Abs 3 TBO 2018 in einer späteren Beschwerde nur dann geltend machen, wenn er bereits in der mündlichen Verhandlung (oder spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde) entsprechende Einwendungen erhoben hat.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind die Einwendungen der Parteien „nicht nur ihrem Wortlaut nach, sondern auch nach ihrem Sinn zu beurteilen“, wobei es letztlich auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Es muss jedenfalls erkennbar sein, „aus welchen Gründen sich der Nachbar gegen das Vorhaben wendet“ (Ra 2018/05/0043 vom 27.02.2019). Aus der Einwendung muss jedenfalls erkennbar sein, in welchem konkreten subjektiv-öffentlichen Recht sich der Betroffene verletzt erachtet. Das Recht muss nicht notwendiger Weise ausdrücklich bezeichnet sein und es muss auch nicht die betreffende Gesetzesstelle angegeben werden. Eine Begründung ist nicht erforderlich (VwGH 2009/05/0116 vom 12.10.2010). Bei einer behaupteten Beeinträchtigung durch Immissionen muss sich aus dem Vorbringen ergeben, von welcher Art die befürchtete Immissionsbelastung – zB Lärm, Staub, Geruch – ist (zB Ra 2018/05/0043 vom 27.02.2019, 2013/05/0190 vom 19.05.2015). Dies mit der Folge, dass hinsichtlich weiterer möglicher Arten von Immissionen Präklusion eintritt und diese später nicht mehr wirksam eingewendet werden können.

 

In Bezug auf die Anforderungen an die Rechtsbelehrung nach § 42 Abs 1 AVG vertritt der Verwaltungsgerichtshof eine strenge Linie. So ist ein Abweichen vom Gesetzestext grundsätzlich problematisch und den rechtlichen Erfordernissen mit einer Anführung der Paragraphenbezeichnung keineswegs Genüge getan (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 42 (Stand 1.7.2005, rdb.at) und die dort zitierte Judikatur). Insbesondere muss aus der Belehrung hervorgehen, dass bei rechtzeitiger Erhebung zulässiger Einwendungen die Parteistellung nicht insgesamt erhalten bleibt, sondern nur hinsichtlich der jeweils erhoben Einwendungen (arg „soweit“ lt § 42 Abs 1 idF BGBl I Nr 5/2008; diese Rechtslage gilt seit 01.08.2008), „sodass eine teilweise präkludierte Partei nachträglich nicht neue zusätzliche Einwendung erheben kann“. Anders lautete noch § 42 Abs 1 idF BGBl I Nr 10/2004, demzufolge die Parteistellung insgesamt und somit bezogen auf sämtliche nachbarlichen Einwendungen erhalten blieb „wenn“ auch nur ein Nachbarrecht rechtzeitig geltend gemacht wurde (vgl VwGH 2009/04/0267 vom 28.02.2012).

 

Im vorliegenden Verfahren wurde durch die belangte Behörde am 14.07.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Wie oben zu Punkt I. festgestellt werden konnte, wurden die Beschwerdeführer zu dieser nachweislich und in Anbetracht der Vorlaufzeit von 14 Tagen auch rechtzeitig geladen. Die Rechtsbelehrung lautete: „Einwendungen gegen das Vorhaben müssen spätestens am Tag vor der Verhandlung bei der Bezirkshauptmannschaft Z oder während der Verhandlung beim Verhandlungsleiter vorgebracht werden, widrigenfalls sie keine Berücksichtigung finden können und die Person ihre Stellung als Partei verliert (vlg § 42 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 58/2018.“ Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ist zu dieser Rechtsbelehrung festzuhalten, dass sie keine der beiden Konjunktionen „wenn“ bzw „soweit“ enthält. Stattdessen verwendet die belangte Behörde das Adverb „widrigenfalls“, um auf die Rechtsfolgen des Unterbleibens rechtzeitiger Einwendungen hinzuweisen; „Einwendungen müssen [rechtzeitig] vorgebracht werden, widrigenfalls […] die Person ihre Stellung als Partei verliert.“ Dem Adverb widrigenfalls kommt laut Duden die Bedeutung „wenn dies nicht geschieht, andernfalls“ zu (vgl duden.de, Stand 12.04.2021), was auch dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht. So ist die gegenständliche Rechtsbelehrung dahingehend zu verstehen, dass die Parteistellung verloren geht, wenn keine Einwendungen erhoben werden. Keinesfalls lässt das Adverb „widrigenfalls“ eine differenzierende Bedeutung iSd Konjunktion „soweit“ dahingehend erkennen, dass nur hinsichtlich der nicht fristgerecht erhobenen Einwendungen die Parteistellung verloren ginge.

 

Es ergibt sich somit, dass die in der Kundmachung enthaltene Rechtsbelehrung über die Präklusionsfolgen nicht dem oben zitierten § 42 Abs 1 AVG entsprach, weshalb die Parteistellung der nunmehrigen Beschwerdeführer (entgegen der Ansicht der Bauwerberin in deren Stellungnahme vom 24.02.2021), erhalten blieb. Somit steht es ihnen zu, aus Anlass der Beschwerde sämtliche ihnen zustehenden Nachbarrechte einzuwenden (vgl VwGH 2010/06/0257 vom 07.12.2011). Weitere Überlegungen zum Umfang und zur Bestimmtheit ihres seinerzeitigen Vorbringens sowie zu allfälligen Änderungen im Projekt nach der mündlichen Verhandlung – die genehmigten Planunterlagen stammen vom 27.07.2020 – erübrigen sich daher.

 

3. Einwendung nach § 33 Abs 3 lit a TBO 2018 – Immissionsschutz

 

a. Beschwerdevorbringen

 

Die Beschwerdeführer verweisen darauf, dass mit der Widmung allgemeines Mischgebiet nach § 40 Abs 1 und 2 TROG 2001 ein Immissionsschutz verbunden sei, was die belangte Behörde völlig negiere. Die Summe des Istmaßes und des Prognosemaßes dürfe daher das Widmungsmaß nicht überschreiten. Liege das Istmaß bereits über dem Widmungsmaß, sei dessen weitere Erhöhung nicht mehr zulässig (dies unter Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs VwGH 2013/06/0111). Bereits durch die Abteilung PP sei festgestellt worden (Schreiben vom 28.09.1989), dass das Grundstück der Beschwerdeführer durch Immissionen besonders gefährdet sei und daher ein Immissionsschutzstreifen von 30 m freibleiben müsse.

 

Was generell die künftig von der verfahrensgegenständlichen Anlage ausgehenden Immissionen angehe, könnten diese aufgrund der fehlenden Angaben zur konkreten Nutzung derzeit nicht ermittelt werden. Die Projektunterlagen seien diesbezüglich mangelhaft, sodass den Beschwerdeführern die Verfolgung ihrer nachbarlichen Rechte verunmöglicht würde.

 

Die Beschwerdeführer bringen in Bezug auf die an der Grundgrenze zu errichtenden Stellplätze vor, dass diese eine unzulässige Überschreitung des Widmungsmaßes mit sich brächten. Dies habe die belangte Behörde jedoch nicht geprüft, sondern erklärt, dass die Anzahl der erforderlichen Abstellplätze erst im Rahmen der Entscheidung über die „Spezialgenehmigung“ festgelegt würde.

 

Auch seien die derzeit 15 „angenommenen“ Stellplätze anhand von Kategorien (Industrie- und Gewerbegebiet, Lagerhalle, Wohnnutzfläche) ermittelt worden, die in der Garagen- und Stellplatzverordnung der Gemeinde Y nicht enthalten seien. „Bereits jetzt“ würden die zulässigen Stellplätze erheblich überschritten und damit die zulässigen Immissionen nicht eingehalten.

 

Nachdem die Bauwerberin mit Eingabe vom 21.04.2021 Baubeschreibung und Pläne insbesondere im Hinblick auf die geplante Nutzung des verfahrensgegenständlichen Gebäudes verbessert hatte, ergänzten die Beschwerdeführer ihr Vorbringen dahingehend, dass durch die zu erwartenden Schallemissionen „die Überschreitung des bestehenden Flächenwidmungsmaßes bereits aufgrund der vorgesehenen Betriebstype zu erwarten“ sei. Es sei bislang noch nicht festgestellt worden, ob die geplante Anzahl an Stellplätzen jene der Pflichtstellplätze nach der Stellplatzverordnung abbilden würde. Werde die Anzahl der Pflichtstellplätze überschritten, seien die Immissionen auch ohne Hinzutreten besonderer Umstände jedenfalls zu prüfen [VwGH 2012/05/0177]. Selbst wenn es sich um Pflichtstellplätze handele, müsste bei Vorliegen besonderer Umstände (die Beschwerdeführer verweisen lediglich darauf, dass die Errichtung von Stellplätzen unmittelbar an der Grundstücksgrenze geplant sei) eine Immissionsprüfung durchgeführt werden.

 

Der mündlichen Verhandlung am 23.03.2022 brachten die Beschwerde führenden Parteien weiters vor, dass nach den Detailfestlegungen des Flächenwidmungsplans lediglich Betriebe errichtet werden durften, die keine wesentlichen zusätzlichen Emissionen von P 10 verursachen (kleiner ein Prozent des Langzeitgrenzwerts). Dieser Immissionsschutz müsse auch Ihnen als Nachbarn zugutekommen, weshalb das Bauvorhaben bereits aus diesem Umstand unzulässig sei.

 

b. Immissionsschutz entsprechend den Festlegungen des Flächenwidmungsplans

 

In Bezug auf das oben dargestellte Beschwerdevorbringen ist in rechtlicher Hinsicht zunächst festzuhalten, dass auf Grundlage des § 33 Abs 3 lit. a TBO 2018 Festlegungen des Flächenwidmungsplans nur insoweit geltend gemacht werden können, als mit ihnen ein Immissionsschutz verbunden ist. Weder kommt dem Nachbarn im Bauverfahren ein generelles Recht auf Übereinstimmung mit dem Flächenwidmungsplan zu, noch ein umfassender Schutz vor Immissionen (vgl Heißl in Weber/Rath-Kathrein (Hrsg), TBO2 (2019) zu § 33 TBO 2018). Dementsprechend scheiden die Widmungskategorien Gewerbe- und Industriegebiet, Freiland, Sonderflächen und Vorbehaltsflächen von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 33 Abs 3 lit. a TBO 2018 aus (siehe Schwaighofer, Tiroler Baurecht Praxiskommentar zu § 25 TBO 2001). Hingegen wird der für bestimmte Widmungskategorien vom Gesetzgeber intendierte Immissionsschutz bereits aus der Formulierung der betreffenden Bestimmungen ersichtlich – demnach ist eine wesentliche Beeinträchtigung der „Wohnqualität in diesem Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen“ unzulässig (vgl § 38 Abs 1 lit. d TROG 2016 betreffend Wohngebiet, § 40 Abs 1 leg cit betreffend Mischgebiet).

 

Im vorliegenden Fall liegt für den Bauplatz eine Widmung als Sonderfläche mit Teilfestlegungen vor. So ist dessen westlicher Bereich als Gewerbe- und Industriegebiet mit Einschränkungen gemäß § 39 Abs 2 TROG 2016, dessen östlicher, an das Grundstück der Beschwerde führenden Parteien anschließende Teil als Allgemeines Mischgebiet mit Einschränkungen, weiters eingeschränkt auf Wohnungen, gemäß § 40 Abs 2 und 6 leg cit ausgewiesen.

 

§ 39 Abs 2 TROG 2016 ermöglicht es festzulegen, „dass für das Gewerbe- und Industriegebiet bestimmte Arten von Betrieben zulässig oder bestimmte Arten von Betrieben nicht zulässig sind“. Dies insoweit, als es erforderlich ist um

a) „Gefahren für das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere durch Lärm, Luftverunreinigungen, Geruch oder Erschütterungen, hintanzuhalten,

b) Nutzungskonflikte oder wechselseitige Beeinträchtigungen im Verhältnis zu anderweitig gewidmeten Gebieten oder zwischen betrieblichen Tätigkeiten innerhalb des betreffenden Gebietes hintanzuhalten,

c) eine den örtlichen Verhältnissen und den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechende sparsame und zweckmäßige Nutzung des Gewerbe- und Industriegebietes zu gewährleisten,

d) schwerwiegende Belastungen der Bevölkerung durch den Verkehr oder eine Überlastung oder im Hinblick auf die sonstigen Verkehrserfordernisse unverhältnismäßige Belastung von Verkehrsflächen durch Betriebe mit erheblichem Verkehrsaufkommen hintanzuhalten,

e) eine Überlastung oder im Hinblick auf die sonstigen Erschließungserfordernisse unverhältnismäßige Belastung von Einrichtungen zur Wasserversorgung, Energieversorgung oder Abwasserbeseitigung durch Betriebe mit erheblichem Wasser- oder Energieverbrauch oder Abwasseranfall hintanzuhalten.“

 

Gemäß § 40 Abs 2 TROG 2016 kann im Rahmen der Widmung allgemeines Mischgebiet „aus den im § 39 Abs 2 lit. b bis e genannten Gründen festgelegt werden, dass außer den im gemischten Wohngebiet zulässigen Arten von Betrieben nur bestimmte weitere Arten von Betrieben zulässig oder bestimmte weitere Arten von Betrieben nicht zulässig sind“.

 

In den erläuternden Bemerkungen zu Landesgesetzblatt Nummer 4/1996 (Novelle des TROG 1994) wird unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ausgeführt, dass der mit solchen Festlegungen einhergehende Grundrechtseingriff in Form einer Einschränkung der Freiheit der Erwerbsbetätigung auf derartigen Flächen (nur) durch öffentliche Interessen gerechtfertigt werden könne. Es handle sich bei den Gründen, bei deren Vorliegen betriebsartenspezifische Festlegungen im Gewerbe- und Industriegebiet und im Mischgebiet zulässig seien, „durchwegs um nähere Ausformungen der im gegebenen Zusammenhang in Betracht kommenden örtlichen Raumordnungsziele“. So werde sichergestellt, dass entsprechende Einschränkungen jedenfalls nur aus einem vom Verfassungsgerichtshof anerkannten öffentlichen Interesse heraus möglich seien. Schon aus diesen Erläuterungen erhellt sich, dass der Gesetzgeber mit der Möglichkeit, innerhalb der Widmungskategorien Gewerbe- und Industriegebiet bzw Mischgebiet die Zulässigkeit von Betrieben weiter einzuschränken, keineswegs einen Immissionsschutz für Einzelne (hier: die Nachbarn) bezweckte, sondern bewusst und aus verfassungsrechtlicher Notwendigkeit lediglich öffentliche Interessen als derart gewichtig anerkannte, dass sie einen solchen Grundrechtseingriff rechtfertigen könnten. Es ist sohin nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung der Bestimmungen des § 39 Abs 2 bzw § 40 Abs 2 Satz 2 (des heutigen) TROG 2016 die Statuierung eines Nachbarrechts im Sinne des § 33 Abs 3 lit. a TBO 2018 bezweckte, zumal er von der ansonsten ein individuelles Nachbarrecht indizierenden Formulierung – Bezugnahme auf die „Wohnqualität“ und das „betreffende Gebiet“ nicht Gebrauch machte (siehe hierzu auch das Erkenntnis des Tiroler Landesverwaltungsgerichts vom 10.12.2021, LVwG-2021/31/1497).

 

Es ergibt sich somit, dass die Beschwerde führenden Parteien als Nachbarn im Rahmen des § 33 Abs 3 lit. a TBO 2018 zwar eine allfällige wesentliche Beeinträchtigung der Wohnqualität iSd § 40 Abs 1 Satz 2 TROG 2016 geltend machen, die Einhaltung zusätzlicher Festlegungen nach § 40 Abs 2 Satz 2 leg cit jedoch nicht durchsetzen können. Ob in diesem Zusammenhang allenfalls eine Nichtigkeit nach § 66 TBO 2018 vorliegen könnte, wäre durch die Oberbehörde zu beurteilen.

 

c. Anwendung des § 38 Abs 5 TROG 2018

 

Die Beurteilung der Zulässigkeit von Lärmimmissionen hat seit der Novelle LGBl Nr 93/2016 zum Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 grundsätzlich anhand absoluter Werte zu erfolgen. So ist entsprechend dem oben zitierten § 38 Abs 5 TROG 2016 (auf welchen § 4 Abs 10 leg cit in Bezug auf Mischgebiete ausdrücklich verweist) die Wohnqualität durch ein Bauvorhaben jedenfalls dann nicht wesentlich beeinträchtigt, wenn die für die jeweilige Widmungskategorie in der Tabelle des § 37 Abs 4 leg cit festgelegten Werte an den Grundstücksgrenzen eingehalten sind (lit a leg cit). Dasselbe gilt, wenn zwar die Werte der Tabelle überschritten, der Beurteilungspegel an den Grundstücksgrenzen jedoch unter Zugrundelegung der örtlichen Gegebenheiten um nicht mehr als 1 dB angehoben wird (lit b leg cit).

 

§§ 38 Abs 5 und 37 Abs 4 TROG 2016 ermöglichen eine objektivierte Betrachtung der von einem Bauvorhaben ausgehenden Lärmimmissionen. So kann anhand des „Beurteilungspegels“ iSd § 38 Abs 5 erster Halbsatz leg cit die Zulässigkeit eines Bauvorhabens nach lit a leg cit aus der Tabelle des § 37 Abs 4 leg cit abgelesen werden oder sich gemäß lit b aufgrund einer lediglich geringfügigen Anhebung des Lärmniveaus (max 1 dB) ergeben.

 

Die oben wiedergegebene Rechtsmeinung der Beschwerde führenden Parteien, dass die Summe des Istmaßes und des Prognosemaßes das Widmungsmaß nicht überschreiten dürften, erweist sich somit im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage als verfehlt. Das von ihnen herangezogene Judikat des Verwaltungsgerichtshofs VwGH 2013/06/0111 bezieht sich auf die mit der gegenständlich maßgeblichen Rechtslage nicht vergleichbare Steiermärkische Bauordnung. Diese stellt(e) in absoluter Weise darauf ab, dass „keine dem Wohngebiet widersprechende Belästigungen“ verursacht werden dürften. Demgegenüber gesteht der Kraft des Verweises in § 40 Abs 10 TROG 2016 anwendbare § 38 Abs 5 lit b leg cit zu, dass der Beurteilungspegel an der Grundgrenze jedenfalls um bis zu 1 dB angehoben werden darf (siehe oben). Das von den beschwerdeführenden Parteien ins Treffen geführt Judikat hat daher für den vorliegenden Fall keine Relevanz.

 

Ebenso wenig stichhaltig ist für die auf die aktuellen Gegebenheiten abstellende rechtliche Beurteilung der Angelegenheit eine Einschätzung der Schutzwürdigkeit des Grundstücks der beschwerdeführenden Parteien aus dem Jahr 1989.

 

d. Pflichtabstellplätze

 

Im Hinblick darauf, dass das gegenständliche Bauvorhaben hinsichtlich sämtlicher geplanter Abstellplätze einer immissionstechnischen Beurteilung unterzogen wurde (siehe oben zu Punkt I.), erübrigen sich weitere Überlegungen dazu, ob deren Anzahl mit der Stellplatzverordnung der Gemeinde Y übereinstimmt.

 

e. Immissionstechnische Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Projekts

 

Es ergibt sich somit, dass ein Immissionsschutz für die Beschwerde führenden Parteien im vorliegenden Fall lediglich aus § 40 Abs 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs 1 TROG 2016 abgeleitet werden kann. Es war daher zu überprüfen, ob die geplante Nutzung des Bauplatzes „unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen“ wesentlich beeinträchtigt. Dabei war hinsichtlich des zu erwartenden Lärms auf § 38 Abs 5 TROG 2016 abzustellen.

 

Diese Frage konnte nach Beiziehung zweier immissionstechnischer Amtssachverständiger verneint werden (siehe oben zu den Punkten I. und II.). Eine Unvereinbarkeit des gegenständlichen Vorhabens mit den Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, welche durch die beschwerdeführenden Parteien im Rahmen des § 33 Abs 3 lit. a TBO 2018 geltend gemacht werden könnte, liegt daher nicht vor.

 

Dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien wurde insofern gefolgt, als eine immissionstechnische Beurteilung erst nach entsprechend den Vorgaben der beigezogenen Amtssachverständigen vorgenommenen Projektsergänzungen erfolgte.

 

4. Einwendung nach § 33 Abs 3 lit e TBO 2018 – Abstandsbestimmungen

 

Die Beschwerdeführer monieren, dass hinsichtlich der Qualifizierung als untergeordneter Bauteil in die Betrachtung des projektgegenständlichen Balkons auch seine Überdachung einzubeziehen sei. Es ergebe sich sodann, dass diesem keine „untergeordnete Bedeutung“ zukomme.

 

Wie oben zu Punkt I. festgestellt, besteht für den Bauplatz ein Bebauungsplan. Demnach gilt in Bezug auf das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien die offene Bauweise. In Hinblick auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien war zu klären, ob es sich bei dem an der Südseite des geplanten Gebäudes vorgesehenen Balkon bzw dem oberhalb situierten Schutzdach um untergeordnete Bauteile iSd § 2 Abs 17 lit a TBO 2018 handelt. Nur als solche bleiben sie gemäß § 6 Abs 3 leg cit bei der Berechnung der Mindestabstände außer Betracht und dürfen sie innerhalb der Mindestabstandfläche errichtet werden.

 

Offene Balkone und Schutzdächer können gemäß § 2 Abs 17 lit. a TBO 2018 nur dann als untergeordnete Bauteile qualifiziert werden, wenn sie „im Hinblick auf ihre Abmessungen im Verhältnis zur Fläche und zur Länge der betroffenen Fassaden“ untergeordnet sind.

 

Im vorliegenden Fall wurde aufgrund der Erstbegutachtung durch den hochbautechnischen Amtssachverständigen eine veränderte Planung (Verkürzung des Schutzdaches) vorgelegt. In Hinblick auf diese ergibt sich – wie oben zu Punkt I.a. festgestellt – dass die Länge der beiden Bauteile jeweils die Hälfte der Gesamtfassadenlänge beträgt; es ist daher von einem Verhältnis der Unterordnung auszugehen. Das gleiche gilt für die jeweiligen Flächenanteile. Als untergeordnete Bauteile dürfen somit sowohl Balkon als auch Schutzdach in die Mindestabstandsfläche ragen – das weitere Kriterium des § 6 Abs 3 lit. a TBO 2018, wonach dies mit 1,50 m beschränkt ist, ist ebenfalls erfüllt.

 

5. Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit des Flächenwidmungsplans

 

Das Beschwerdevorbringen stützt sich weiters darauf, dass bei Änderung des Flächenwidmungsplans in Bezug auf den gegenständlichen Bauplatz Gst Nr **1, KG Y, ein bereits im Schreiben der Abteilung PP vom 28.09.1989 thematisierter Nutzungskonflikt im Rahmen der Grundlagenforschung bzw Interessensabwägung unberücksichtigt geblieben sei. Seinerzeit habe die Abteilung PP im Verfahren betreffend die Widmung des Grundstücks der Beschwerdeführer mitgeteilt, dass aufgrund der „zutreffenden Bedenken der Fachabteilung“ eine Genehmigung nur dann erteilt werden könne, wenn seitens des Gemeinderats der Gemeinde Y ein Grundsatzbeschluss dahingehend gefasst würde, dass nördlich anschließend an das Gst Nr **2 ein 30 m breiter Streifen Freiland bleibe „und ein allenfalls nördlich davon noch zu widmendes mögliches Industriegebiet mit der Einschränkung versehen wird, dass dort nur Betriebsanlage errichtet werden dürfen, die auch im Mischgebiet (§ 14 Abs 1 TROG 1984) zulässig sind.“ [in der Stellungnahme vom 13.07.2020 hätten sie laut Bescheid ausgeführt, die verordnungserlassende Behörde habe zuletzt einen „Puffer“ zwischen dem Wohn- und dem Gewerbegebiet festgelegt und verweisen dazu auf das Sitzungsprotokoll Nr 38 vom 12.07.2001, LfNr 5.] Nach Ansicht der Beschwerdeführer diene die gewählte Widmung lediglich der Vermeidung der Ausweisung eines angemessenen Sicherheitsabstands zu den bestehenden Seveso-Betrieben. „Dabei“ sie der Plandarstellung jedoch nicht zu entnehmen, woran sich die Widmungsgrenzen orientieren (dies unter Verweis auf das Erkenntnis das Verfassungsgerichtshofs VfSlg 19.890/2014). Es möge daher das Landesverwaltungsgericht beim VfGH die Aufhebung des Flächenwidmungsplans betreffend den Bauplatz wegen „Gesetz-Verfassungswidrigkeit“ beantragen. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 17.05.2021 führten die Beschwerdeführer außerdem aus, dass die Flächenwidmung des Bauplatzes den Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzepts (in der Fassung der Fortschreibung 2015) widerspreche, da diesem zufolge nur emissionsarme Betriebe angesiedelt werden dürften.

 

Insofern, als die Beschwerdeführer die Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit des der Baubewilligung zugrundeliegenden Flächenwidmungsplans in Frage stellen, ist dazu in Hinblick auf die obigen Ausführungen zu den Nachbarrechten im Baubewilligungsverfahren folgendes auszuführen: Dieses Vorbringen steht mit dem in § 33 Abs 3 lit a TBO 2018 gewährleisteten Recht, die Festlegungen des Flächenwidmungsplans geltend zu machen, im Zusammenhang. So hätte das Verwaltungsgericht dann, wenn es zum Schluss kommt, dass ein Flächenwidmungsplan mit derartigen Mängeln behaftet ist, bei Präjudizialität einen Normprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Sieht sich das Verwaltungsgericht jedoch nicht veranlasst, die Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit des betreffenden Flächenwidmungsplans in Frage zu stellen, hat es die entsprechenden Festlegungen des Flächenwidmungsplans seiner Beurteilung zugrunde zu legen.

 

Was die Vereinbarkeit der Festlegungen des Flächenplans für den Bauplatz mit dem örtlichen Raumordnungskonzept der Gemeinde Y betrifft, bestätigte diese sowohl das raumordnungsfachliche Gutachten vom 16.01.2017, das dem seinerzeitigen Erlassungsbeschluss zu Grunde lag, als auch der von der Aufsichtsbehörde Amtssachverständige in seinem Gutachten vom 09.05.2017.

 

In Bezug auf die von Beschwerdeführern geltend gemachten Nutzungskonflikte ist grundsätzlich auszuführen, dass die Aufgaben und Ziele der Raumordnung mannigfaltig sind (vgl insbes §§ 1 und 27 TROG 2016) und die Vermeidung von Nutzungskonflikten nur einer von vielen Aspekten darstellt, die im Rahmen der Raumordnung zu berücksichtigen sind. In Anbetracht der knappen Ressource Raum und der zuweilen diametral gegenüberstehenden berechtigten Interessen an deren Nutzung beruht eine Raumordnungsentscheidung immer auf einer individuellen Gewichtung der jeweils betroffenen Interessen. Hierbei kommt der Raumordnungsbehörde Ermessen zu. Wie oben zu Punkt I. festgehalten werden konnte, holte der Gemeinderat der Gemeinde Y im Verfahren zur hier maßgeblichen Änderung des Flächenwidmungsplans im Bereich des Bauplatzes ein raumordnungsfachliches Gutachten ein. Der Raumplaner setzte sich im Rahmen einer Interessenabwägung mit allfälligen Nutzungskonflikten auseinander und kam zum Schluss, dass die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt würden. Der raumordnungsfachliche Amtssachverständige der Aufsichtsbehörde bestätigte die fachliche Einschätzung des von der Gemeinde beigezogenen Raumplaners. Dass allenfalls diese Interessenabwägung im Jahr 1989 anders ausgefallen wäre (seinerzeit stand nicht die Widmung des Bauplatzes, sondern die an das bestehende Gewerbegebiet „heranrückende“ Widmung des Grundstücks der Beschwerdeführer zu Diskussion), kann im Hinblick darauf, dass die Umwidmung des Bauplatzes im Jahr 2017 erfolgte, nicht maßgeblich sein. Der Gemeinderat hatte sich am 16.03.2017 an den raumplanerischen Gegebenheiten im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung zu orientieren. Hierbei stützte er sich auf das unbedenkliche raumordnungsfachliche Gutachten vom 16.01.2017, welches auf einem aktuellen Befund aufbaut und die zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Erfordernisse an die Raumplanung im Bereich der Gemeinde Y berücksichtigt. In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, dass ein Grundsatzbeschluss, welcher die nunmehrige Widmung des Bauplatzes behindern hätte können, nicht gefasst wurde. Aus den oben dargelegten Gründen kann auch dadurch, dass der Gemeinderat bei Erlassung des Örtlichen Raumordnungskonzepts im Jahr 2001 zum Schluss kam, dass zwischen dem damals schon bestehenden Gewerbegebiet „***“ und dem bestehenden Wohngebiet ein „Puffer“ zu verbleiben hatte, für die Beschwerdeführer nichts gewonnen werden. Zwischenzeitlich erfolgte eine Neubewertung der Angelegenheit in Gestalt der Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzepts im Jahr 2015, sodass nunmehr im Bereich des Bauplatzes der Stempel „***“ verordnet ist („Gewerbeflächen; mögliche Erweiterungsflächen im Osten und Süden; nur Betriebe mit geringen aus PM 10 -Emissionen zulässig; in Hinblick auf das angrenzende Wohngebiet dürfen nur emissionsarme Betriebe angesiedelt werden“).

 

Während die Beschwerdeführer weiters monieren, dass der Plandarstellung nicht zu entnehmen sei, woran sich die Widmungsgrenzen orientieren, kann das erkennende Gericht eine Rechts- bzw Verfassungswidrigkeit des gegenständlichen Flächenwidmungsplans nicht erkennen. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass der zugehörige Plan einen Maßstab von 1 zu 1.000 sowie eine keineswegs übertriebene Strichstärke aufweist, sodass ihm in Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen der Rechtsunterworfenen ein adäquater Determinierungsgrad zu attestieren ist (vgl dazu insbesondere die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs V81-82/2018 vom 14.06.2019).

 

In Anbetracht der oben dargestellten Überlegungen sieht das erkennende Gericht keinerlei Veranlassung, die Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit des gegenständlich maßgeblichen Flächenwidmungsplans in Frage zu stellen. Das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführer geht ins Leere.

 

6. Verfahrensmängel

 

Hinsichtlich der im Zuge der oben erfassten Einwendungen nach § 33 Abs 3 lit a TBO 2018 monierten Kritikpunkte machen die Beschwerdeführer zudem umfassende Verfahrensmängel geltend.

 

Diesbezüglich wird auf das vom Verwaltungsgericht ergänzte Ermittlungsverfahren samt Einbeziehung der beschwerdeführenden Parteien verwiesen.

 

 

V. Ergebnis

 

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass das gegenständliche Vorhaben die beschwerdeführenden Parteien in ihren nachbarlichen Rechte nach § 33 Abs 3 TBO 2018 nicht beeinträchtigt. Insoweit, als die beschwerdeführenden Parteien die Einhaltung der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes geltend machen können, liegt eine Unvereinbarkeit nicht vor. Dies, da die Ermittlungen gezeigt haben, dass deren Wohnqualität im Sinne des § 40 Abs 1 Satz 2 TROG 2016 nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Des geplanten Schutzdaches wurde eine Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit § 6 Abs 3 lit. a TBO 2018 hergestellt.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

 

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

 

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

 

 

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Schmalzl

(Richterin)

 

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte