LVwG Tirol LVwG-2018/42/0035-2

LVwG TirolLVwG-2018/42/0035-220.8.2018

ROG Tir 2011 §31 Abs5
ROG Tir 2011 §55 Abs2
BauO Tir 2011 §33 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.42.0035.2

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Mag. Schaber über die Beschwerde des 1. AA und der 2. BB, beide vertreten durch CC mit Sitz in Z, Adresse 1, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Y vom 17.11.2017, Zl ****, betreffend die Erteilung der Baubewilligung für den Neubau von zwei Wohnhäusern mit insgesamt drei Wohneinheiten auf Gst **1/1, KG Y,

 

zu Recht erkannt:

 

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

2. Die ordentliche Revision ist gem Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I. Verfahrensgang:

 

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Y vom 17.11.2017, Zl ****, wurde über Antrag der DD mit Sitz in Y die baurechtliche Genehmigung zum Neubau von zwei Wohnhäusern mit insgesamt drei Wohneinheiten samt gemeinsamer Tiefgarage auf Gst **1/1, KG X, unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen sowie unter Erklärung der Einreichunterlagen zu einem integrierenden Bestandteil des Bewilligungsbescheides, erteilt.

Zur Begründung ihrer (bewilligenden) Entscheidung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass entsprechend den im Zuge des Ermittlungsverfahrens eingeholten Fachstellungnahmen das gegenständlich beantragte Bauvorhaben in öffentlich-rechtlicher Hinsicht zulässig sei.

Gegen diesen Baugenehmigungsbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Y richtet sich die vorliegende Beschwerde der Nachbarn AA und BB, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Baubewilligungsbescheides und die Versagung der angestrebten Baugenehmigung beantragt wurden.

In eventu wurde begehrt, den bekämpften Bescheid zu beheben und die Rechtssache an die belangte Behörde zur Verfahrensergänzung und zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen.

 

Zur Begründung ihres Rechtsmittels führen die Beschwerdeführer kurz zusammengefasst aus, dass die Beschwerdeführer jeweils Eigentümer eines unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes und damit berechtigt seien, das Fehlen eines Bebauungsplanes einzuwenden. Ein Bebauungsplan fehle, sei aber gemäß § 55 Abs 1 TROG 2016 bei Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden mit Ausnahme von Nebengebäuden zwingend erforderlich. Soweit eine raumordnungsfachliche Stellungnahme eingeholt wurde, finde sich darin keine Fachexpertise zum konkreten Sachverhalt. Insgesamt sei nicht ersichtlich, auf welcher Sachverhalts- und Rechtsgrundlage die belangte Behörde die Baubewilligung erteilt habe. Erhobene Einwendungen seien unzulässigerweise zurückgewiesen worden, dies betreffe die Unvereinbarkeit des Bauvorhabens mit den Zielen der örtlichen Raumordnung, die Situierung des Neubaus auf dem Grundstück, die Grünflächenausstattung, die Gebäudehöhen und die Gebäudedimensionen und die Baumassendichte, welche mit dem örtlichen Entwicklungskonzept unvereinbar sei. Der bekämpfte Bescheid lasse eine Auseinandersetzung mit diesen Einwänden vermissen.

 

 

II. Sachverhalt:

 

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Neubau von zwei Wohnhäusern mit insgesamt drei Wohneinheiten samt gemeinsamer Tiefgarage auf Gst **1/1, KG X, welches Bauvorhaben mit dem angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Y vom 17.11.2017 baurechtlich genehmigt worden ist.

 

Der Bauplatz befindet sich in der Flächenwidmungskategorie „Bauland-Wohngebiet“ gemäß § 38 TROG 2016, für den Bauplatz besteht kein Bebauungsplan.

 

Die 1. Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes der Stadtgemeinde Y ist am 15.07.2015 in Kraft getreten. Die Erlassung eines Bebauungsplanes für das Siedlungsgebiet „EE“, in welches das Baugrundstück fällt, ist darin nicht normiert. Der höchste Punkt der geplanten Gebäude liegt weniger als 20m über dem anschließenden Gelände.

 

Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer des Grundstückes **2/4, KG X, welches unmittelbar an den Bauplatz angrenzt.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

Beweiswürdigend ist in der vorliegenden Rechtssache festzuhalten, dass sich der vorstehend festgestellte Sachverhalt aus den gegebenen Aktenunterlagen ergibt.

So ergeben sich die Feststellungen zur Widmung des Bauplatzes sowie zum Nichtbestehen eines Bebauungsplanes für diesen und schließlich zur Lage des Nachbargrundstückes **2/4, KG X, im Miteigentum der Beschwerdeführer zum Bauplatz aus den Aktenunterlagen der belangten Behörde. Diese Umstände sind vorliegend auch gar nicht strittig.

 

Dass für das Siedlungsgebiet „EE“, in welchem das Baugrundstück zu liegen kommt, die Erlassung eines Bebauungsplanes nicht zwingend vorgesehen ist, ergibt sich aus der im Akt einliegenden 1. Fortschreibung des Raumordnungskonzeptes für Y. Dass die 1. Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes mit 15.07.2015 in Kraft getreten ist, ergibt sich wiederum aus dem im Akt befindlichen Kundmachungsvermerk an der Amtstafel der Stadtgemeinde Y.

 

Die Akten lassen bereits erkennen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Es waren keine Fragen der Beweiswürdigung sondern ausschließlich Rechtsfragen zu klären, sodass einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstanden. Es konnte daher nach § 24 Abs 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden.

 

 

IV. Rechtslage:

 

Im vorliegenden Beschwerdefall wurde über Antrag der DD ein Baubewilligungsverfahren auf der Grundlage der Tiroler Bauordnung 2011 durchgeführt.

Mit LGBl Nr 28/2018 wurde die Tiroler Bauordnung wiederverlautbart, wobei die wiederverlautbarte Rechtsvorschrift seit 01.03.2018 als Tiroler Bauordnung 2018 zu bezeichnen ist.

 

Die Frage, welchen Personen in einem Baubewilligungsverfahren Parteistellung zukommt, wird in § 33 TBO 2018 geregelt. Diese Gesetzesbestimmung lautet wie folgt:

 

„§ 33

Parteien

 

(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.

 

(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,

a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und

b) deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.

Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.

 

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,

b) der Bestimmungen über den Brandschutz,

c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,

d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,

e) der Abstandsbestimmungen des § 6,

f) das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.

 

(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs. 3 lit. a und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.

 

(5) Nachbarn nach Abs. 2, die Eigentümer eines bereits bebauten, betrieblich genutzten Grundstückes sind, sind weiters berechtigt, die Zulässigkeit jener Immissionen geltend zu machen, die von diesem Grundstück aus rechtmäßig auf den Bauplatz einwirken. Abs. 2 zweiter Satz ist anzuwenden.

 

(6) Nachbarn sind überdies die Inhaber von Seveso-Betrieben. Sie sind, auch wenn sie nicht Nachbarn nach Abs. 2 sind, berechtigt, bei Bauvorhaben im Gefährdungsbereich solcher Betriebe das Risiko eines schweren Unfalles oder, soweit ein solches Risiko bereits besteht, dessen Vergrößerung oder die Verschlimmerung der Folgen eines solchen Unfalles geltend zu machen.

 

(7) Der Straßenverwalter ist, soweit dadurch die Schutzinteressen der Straße betroffen sind, berechtigt,

a) das Fehlen einer dem vorgesehenen Verwendungszweck der betreffenden baulichen Anlagen entsprechenden, rechtlich gesicherten Verbindung des Bauplatzes mit einer öffentlichen Verkehrsfläche nach § 3 Abs. 1 und

b) die Nichteinhaltung der Abstandsbestimmungen des § 5, soweit dadurch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden,

geltend zu machen.

 

(8) …“

 

Weiters sind folgende Rechtsvorschriften entscheidungsrelevant:

 

Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 - TROG 2016, LGBl.Nr. 101/2016 (WV):

 

„Örtliches Raumordnungskonzept

§ 31

Inhalt

 

(…)

 

(5) Im örtlichen Raumordnungskonzept sind weiters jene Gebiete und Grundflächen festzulegen, für die Bebauungspläne zu erlassen sind (§ 54 Abs. 2 und 3). Die Verpflichtung zur Erlassung von Bebauungsplänen ist jedenfalls für größere, im Wesentlichen noch unbebaute Gebiete und Grundflächen sowie für sonstige Gebiete und Grundflächen vorzusehen, bei denen dies im Hinblick auf die bestehende Grundstücksordnung oder den Stand der Erschließung oder Bebauung zur Gewährleistung einer (weiteren) geordneten verkehrsmäßigen Erschließung oder einer (weiteren) geordneten und Boden sparenden Bebauung erforderlich ist. Dies gilt nicht, wenn die Erlassung von Bebauungsplänen aufgrund der Größe der Gemeinde, der Siedlungs- und der Grundstücksstrukturen oder der aktuellen und der in absehbarer Zeit zu erwartenden Bautätigkeit zur Gewährleistung dieser Zielsetzungen nicht erforderlich ist. Die Verpflichtung zur Erlassung von Bebauungsplänen kann auch hinsichtlich jener Gebiete und Grundflächen vorgesehen werden, bei denen dies zur Gewährleistung einer (weiteren) geordneten verkehrsmäßigen Erschließung oder einer (weiteren) geordneten und Boden sparenden Bebauung, insbesondere zur Verwirklichung verdichteter Bauformen einschließlich der nachträglichen Verdichtung bestehender Bauformen, zweckmäßig ist.

 

(…)

 

§ 54

Bebauungspläne

(…)

(2) Bebauungspläne sind für die nach § 31 Abs. 5 erster Satz im örtlichen Raumordnungskonzept festgelegten Gebiete und Grundflächen zu erlassen, sobald

  1. a) diese Gebiete bzw. Grundflächen als Bauland, als Sonderflächen oder als Vorbehaltsflächen gewidmet sind und
  2. b) die Gemeinde finanziell in der Lage ist, die verkehrsmäßige Erschließung und die Erschließung dieser Gebiete bzw. Grundflächen mit Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung vorzunehmen.

(…)

(4) Die Verpflichtung zur Erlassung von Bebauungsplänen nach Abs. 2 besteht nicht für bereits bebaute Grundstücke, sofern die verkehrsmäßige Erschließung und die Erschließung dieser Grundstücke mit Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung bereits besteht und die Erlassung von Bebauungsplänen zur Gewährleistung einer geordneten weiteren Bebauung derselben nicht erforderlich ist.

(5) Bebauungspläne sind unter der Voraussetzung nach Abs. 2 lit. b weiters für jene Grundflächen zu erlassen, die als Sonderflächen für Beherbergungsgroßbetriebe, Sonderflächen für Handelsbetriebe oder Sonderflächen für Einkaufszentren gewidmet sind oder auf denen Gebäude, deren höchster Punkt mehr als 20 m über dem anschließenden Gelände liegt, errichtet werden sollen. Wurde das Gelände durch die Bauführung oder im Hinblick auf die beabsichtigte Bauführung verändert, so ist vom Geländeniveau nach dieser Veränderung auszugehen.

(…)

 

§ 55

Bebauungsregeln

 

(…)

 

(2) Im Übrigen darf auf Grundstücken, für die ein Bebauungsplan nicht besteht, die Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden mit Ausnahme von Nebengebäuden nur erteilt werden, wenn der Neubau

a) einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde im Sinn der Ziele der örtlichen Raumordnung, insbesondere im Hinblick auf die Größenverhältnisse der Gebäude zueinander und den Schutz des Orts- und Straßenbildes, nicht zuwiderläuft,

b) eine zweckmäßige und Boden sparende Bebauung des betreffenden Grundstückes gewährleistet und

c) einer zweckmäßigen verkehrsmäßigen Erschließung und Erschließung des betreffenden Gebietes mit Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse einer geordneten Gesamterschließung des Gemeindegebietes nicht entgegensteht.“

 

 

Plangrundlagen- und Planzeichenverordnung 2016, LGBl Nr 74/2013 in der hier maßgeblichen Fassung LGBl Nr 112/2016:

 

 

Anlage 3

(…)

 

„Bild im PDF ersichtlich“

 

(…)

 

 

 

V. Erwägungen:

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt:

Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl dazu etwa die VwGH-Erkenntnisse vom 25.02.2010, Zl 2009/06/0234, und vom 20.09.2012, Zl 2012/06/0073).

 

Die Parteistellung der Beschwerdeführer gründet auf ihrem Miteigentum am Grundstück **2/4, KG X, welches – wie bereits aufgezeigt – direkt an den Bauplatz **1/1, KG X, angrenzt.

 

Demzufolge sind die Rechtsmittelwerber berechtigt, als „Nachbarn“ gemäß § 33 Abs 3 TBO 2018 die dort genannten Berechtigungen im gegenständlichen Baugenehmigungsverfahren anzusprechen, also die Nichteinhaltung der in § 33 Abs 3 lit a bis lit f TBO 2018 näher genannten bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.

Die Beschwerdeführer haben schließlich im Gegenstandsfall die Berechtigungen

- eines Eigentümers eines bereits bebauten und betrieblich genutzten Grundstückes und

- des Inhabers eines Seveso-Betriebes

nicht geltend gemacht (vgl § 33 Abs 5 sowie Abs 6 TBO 2018).

 

Die belangte Behörde, mithin der Bürgermeister der Stadtgemeinde Y hat im vorliegenden Fall die beantragte Baugenehmigung für die streitverfangenen Wohngebäude rechtskonform erteilt, da die von den Beschwerdeführern angenommenen Rechtsverletzungen in ihren Nachbarrechten nicht gegeben sind.

 

Die angefochtene Baubewilligung war demgemäß vom erkennenden Verwaltungsgericht zu bestätigen und die dagegen erhobene Nachbarschaftsbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

Die gegen die Baugenehmigung vorgetragenen Beschwerdeargumente sind nicht geeignet, die vorliegende Beschwerde zum Erfolg zu führen und ein anderes Verfahrensergebnis herbeizuführen, wozu im Einzelnen – soweit darauf nicht ohnehin schon eingegangen wurde – Folgendes auszuführen ist:

 

Was die vom Beschwerdeführer bemängelte Abstandnahme von der Erlassung eines Bebauungsplanes für den gegenständlichen Bauplatz anbetrifft, ist wie folgt festzuhalten:

Gemäß § 33 Abs 3 lit f TBO 2018 kommt den Beschwerdeführen das Recht zu, das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, geltend zu machen, insoweit dies ihrem Schutz dient.

Hinsichtlich der anzuwenden Rechtslage ergibt sich aus der Übergangsbestimmung des § 116 Abs 3 TROG 2016, dass bis zum Inkrafttreten der Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes mit den Festlegungen nach § 31 Abs 5 sowie auf in diesem Zeitpunkt anhängige Bauverfahren § 54 Abs 5 und § 55 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2006 in der Fassung http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Lgbl&Lgblnummer=27/2006&Bundesland=Tirol&BundeslandDefault=Tirol&FassungVom=&SkipToDocumentPage=True mit der Maßgabe weiter anzuwenden sind, dass an die Stelle des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes der Bebauungsplan tritt.

 

Das Raumordnungskonzept der Stadtgemeinde Y wurde fortgeschrieben und wurde diesem mit Bescheid vom 09.07.2015, Zl **** die aufsichtsbehördliche Genehmigung erteilt. Es ist mit dem Ablauf des Tages des Anschlages an der Amtstafel der Stadtgemeinde Y, dem 16.07.2015, in Kraft getreten.

 

Die Fortschreibung des Örtlichen Raumordnungskonzeptes enthält auch Festlegungen nach § 31 Abs 5 TROG 2016 und kommt sohin im gegenständlichen Fall nicht mehr das in § 116 Abs 3 leg cit normierte Übergangsrecht zur Anwendung.

 

Nach der nunmehr geltenden Rechtslage sind gemäß § 31 Abs 5 TROG 2016 im örtlichen Raumordnungskonzept ua auch jene Gebiete und Grundflächen festzulegen, für die Bebauungspläne zu erlassen sind (§ 54 Abs 2 und 3 leg cit). Diese Bereiche sind, wie sich aus der Anlage 3 der Plangrundlagen- und Planzeichenverordnung ergibt, mit dem Zeichen „B!“ in der jeweiligen Stempelbeschreibung zu kennzeichnen.

 

Gemäß § 54 Abs 2 TROG 2016 sind Bebauungspläne für die nach § 31 Abs 5 erster Satz leg cit im örtlichen Raumordnungskonzept festgelegten Gebiete und Grundflächen zu erlassen, sobald diese Gebiete bzw Grundflächen als Bauland, als Sonderflächen oder als Vorbehaltsflächen gewidmet sind und die Gemeinde finanziell in der Lage ist, die verkehrsmäßige Erschließung und die Erschließung dieser Gebiete bzw Grundflächen mit Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung vorzunehmen.

 

Weiters sind Bebauungspläne gemäß § 54 Abs 5 TROG 2016 unter der Voraussetzung nach § 54 Abs Abs 2 lit. b leg cit für jene Grundflächen zu erlassen, die als Sonderflächen für Beherbergungsgroßbetriebe, Sonderflächen für Handelsbetriebe oder Sonderflächen für Einkaufszentren gewidmet sind oder auf denen Gebäude, deren höchster Punkt mehr als 20 m über dem anschließenden Gelände liegt, errichtet werden sollen. Wurde das Gelände durch die Bauführung oder im Hinblick auf die beabsichtigte Bauführung verändert, so ist vom Geländeniveau nach dieser Veränderung auszugehen.

 

In den Erläuternden Bemerkungen zur Neuregelung der Bebauungsplanpflicht mit der Änderung des Tiroler Raumordungsgesetzes, LGBl Nr 47/2011, ist dazu insbesondere Folgendes ausgeführt:

„Der Abs. 5 [des § 31 ] hängt mit dem in den §§ 54 ff. (Z. 80) vorgesehenen neuen System der Bebauungsplanung zusammen. Jene Gebiete und Grundflächen, für die Bebauungspläne zwingend zu erlassen sind, sind bereits auf der Ebene des örtlichen Raumordnungskonzeptes festzulegen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Neubaugebiete sowie um locker verbaute Gebiete, bei denen aus raumordnerischer Sicht eine Nachverdichtung anzustreben ist.“ (…)

„Der § 55 entspricht im Wesentlichen den bisherigen § 54 Abs. 5 (Abs. 1) und § 55 Abs. 3 (Abs. 2). Der Abs. 1 erster Satz berücksichtigt, dass aufgrund des nunmehrigen Systems das Bestehen eines Bebauungsplanes nur mehr im Umfang der im örtlichen Raumordnungskonzept als bebauungsplanpflichtig festgelegten Gebiete sowie der vorhin erwähnten Sonderflächen und Gebäude notwendige Voraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung ist.“

 

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus der planlichen Darstellung der 1. Fortschreibung des Örtlichen Raumordnungskonzeptes des Stadtgemeinde Y, dass zwar im Gemeindegebiet Festlegungen nach § 31 Abs 5 TROG 2016 bestehen, jedoch nicht für den Bereich „EE“, in welchem das streitgegenständliche Baugrundstück zu liegen kommt. Daraus ergibt sich sohin, dass gegenständlich keine Pflicht zur Erlassung eines Bebauungsplanes gemäß § 54 Abs 2 TROG 2016 besteht.

 

Zudem ergibt sich aus den Plänen des gegenständlich beantragten Vorhabens (siehe insbesondere Lageplan), dass die höchsten Punkte der beantragten Gebäude bei weitem nicht mehr als 20 m über dem anschließenden Gelände liegen, sondern Höhen unter 10 m aufweisen.

Daraus ergibt sich sohin bereits aufgrund des eindeutigen Wortlautes der nunmehr geltenden Rechtslage, dass für das gegenständliche Grundstück weder nach § 54 Abs 2 TROG 2016 noch nach § 54 Abs 5 leg cit eine Bebauungsplanpflicht besteht, und war daher die beantragte Einholung einer Stellungnahme aus dem Bereich der Raumordnung nicht geboten und dem diesbezüglichen Beweisantrag daher keine Folge zu geben. Der Verweis der Beschwerdeführer auf das beim Landesverwaltungsgericht Tirol abgeführte Beschwerdeverfahren zu Zahl LVwG-2014/32/2364, in welchem ein raumordnungsfachlicher Sachverständiger die Bebauungsplanpflichtigkeit für ein in der Nähe befindliches Baugrundstück bejaht habe, ist für den Rechtsstandpunkt der Beschwerdeführer nicht zielführend, weil es sich einerseits um eine Rechtsfrage handelt, andererseits der Sachverständige im angesprochenen Baubeschwerdeverfahren (zu Recht) von einer (damals noch) fehlenden Fortschreibung des Örtlichen Raumordnungskonzeptes und damit von einer anderen Rechtslage ausging.

 

Aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelungen konnte daher von den Beschwerdeführern das Fehlen eines Bebauungsplanes für das streitgegenständliche Baugrundstück nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.

 

Weiters ist im Zusammenhang mit der von den Rechtsmittelwerbern kritisierten Abstandnahme von der Erlassung eines Bebauungsplanes für den verfahrensgegenständlichen Bauplatz zu beachten, dass einem Nachbarn gemäß § 33 Abs 3 lit f TBO 2018 nur ein Mitspracherecht hinsichtlich des Fehlens „…eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist…“ nicht jedoch zu den Ausschlussgründen des § 55 Abs 2 TROG 2016 zu kommt (siehe VwGH 18.05.2010, Zl 2009/06/0272 zur vergleichbaren Regelung in § 55 Abs 3 TROG 2006). Die aufgezeigte Reichweite des Mitspracherechtes eines Nachbarn im Bauverfahren zum Nichtvorliegen eines Bebauungsplanes für einen Bauplatz korrespondiert damit, dass Fragen des Orts- und Straßenbildes (VwGH 08.09.2014, Zl 2013/06/0016) sowie der Baudichte (VwGH 29.01.2016, Zl Ra 2015/06/0124) keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte begründen.

 

Angesichts dieser Umstände bedurfte es nicht der Einholung der in der Beschwerde beantragten raumordnungsfachlichen Stellungnahme hinsichtlich der Erforderlichkeit eines Bebauungsplanes bzw des Vorliegens der Voraussetzungen für die Erteilung der Baubewilligung gemäß § 55 Abs 2 TROG 2016.

 

Soweit die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde Beeinträchtigungen des Orts- und Straßenbildes (nicht ausreichende Grünflächenausstattung, zu große Dimensionierung der Gebäude) sowie die Baudichte ansprechen, ist klarzustellen, dass sie sich mit diesen Ausführungen außerhalb der ihnen zustehenden subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte bewegen (siehe auch obangeführte Judikatur des VwGH).

 

Soweit hinsichtlich der Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung der bekämpften Entscheidung, warum gegenständlich keine Bebauungsplanpflicht bestehe, von den Beschwerdeführern vorgebracht wird, dass dies nicht nachvollziehbar sei und damit ein Begründungsmangel geltend gemacht wurde, ist dazu auszuführen, dass in der Begründung eines Bescheides gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind.

 

Entspricht die Begründung eines Bescheides gegebenenfalls nicht den Vorgaben des AVG, so belastet dies den Bescheid mit einem Verfahrensmangel (vgl VwGH 26.04.1991, 91/19/0057; ua).

 

Allerdings bewirkt ein allfälliger Verstoß gegen § 60 AVG über die Begründung von Bescheiden dann keine Verletzung von subjektiven Rechten der Partei, wenn der Spruch der Behörde durch die Rechtslage gedeckt ist und durch den Begründungsmangel die Rechtsverfolgung „an sich“ nicht gehindert ist (VwGH 23.02.2001, Zl 2000/06/0123), also die Behörde auch bei Einhaltung dieser Verfahrensvorschrift zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können (VwGH 16.03.1995, Zl 93/06/0057).

 

Zudem sind die Berufungsbehörde bzw das Verwaltungsgericht berechtigt und verpflichtet, ihre Anschauung auch hinsichtlich der Begründung des Bescheides an die Stelle jener der bescheiderlassenden Behörde zu setzen.

Allfällige Begründungsmängel eines Bescheides können also so saniert werden und führen somit dann nicht zu einer vom VwGH aufzugreifenden Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn die Berufungsbehörde bzw das Verwaltungsgericht einen allenfalls gegebenen Mangel behebt (vgl VwGH 26.02.1992, Zl 92/01/0095).

 

Durch die vorstehenden rechtlichen Ausführungen, warum gegenständlich keine Bebauungsplanpflicht für das gegenständliche Baugrundstück besteht und dass hinsichtlich der in § 55 Abs 2 TROG 2016 normierten Voraussetzungen für die Bewilligung der Bauvorhaben kein subjektiv-öffentliches Mitspracherecht der Nachbarn besteht, wäre ein allfälliger von den Beschwerdeführern geltend gemachter Begründungsmangel jedenfalls saniert, und wären die Beschwerdeführer damit nicht (mehr) in ihren Rechten verletzt (vgl VwGH 23.02.2001, Zl 2000/06/0123; ua).

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Die in der gegenständlichen Beschwerdesache zu lösenden Rechtsfragen konnten anhand der klaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Wien einwandfrei einer Beantwortung zugeführt werden.

Dies betrifft etwa die Fragen,

- ob einem Nachbarn in einem Baubewilligungsverfahren nach der Tiroler Bauordnung ein Mitspracherecht zu Fragen des Orts- und Straßenbildes sowie der Baudichte zukommt und

- wie weit das Nachbarrecht im Zusammenhang mit dem Fehlen eines Bebauungsplanes für einen Bauplatz reicht, vor allem ob dieses auch die Ausschlussgründe des § 55 Abs 2 TROG 2016 erfasst.

 

An die in der vorliegenden Beschwerdeentscheidung aufgezeigte Judikatur des Höchstgerichts hat sich das erkennende Verwaltungsgericht auch gehalten, sodass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Gegenstandsfall nicht hervorgekommen ist.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

 

 

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Schaber

(Richter)

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