LVwG Niederösterreich LVwG-VG-1/002-2020

LVwG NiederösterreichLVwG-VG-1/002-20203.4.2020

LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §4
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §6
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §16 Abs1
BVergG 2018 §2 Z15
BVergG 2018 §20 Abs1
BVergG 2018 §103 Abs3
BVergG 2018 §126
BVergG 2018 §128

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.VG.1.002.2020

 

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Vergabesenat 2 unter dem Senatsvorsitz der Richterin HR Dr. Grassinger und mit den weiteren Richtern Mag. Allraun (Berichter) und HR Mag. Marihart (Beisitzerin) sowie den Laienrichtern Dipl.- Ing. Fröch und Dipl.-Ing. Fischer über den am 10.02.2020 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingelangten Antrag der A gesellschaft m.b.H., ***, ***, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH & Co KG, ***, ***, im Vergabeverfahren "Stadtgemeinde ***" (öffentliche Auftraggeberin: Stadtgemeinde ***), das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge die Ausscheidensentscheidung vom 31.01.2020 für nichtig erklären, zu Recht:

 

1. Der Antrag auf Nichtigerklärung der im Vergabeverfahren "Stadtgemeinde ***" getroffenen Ausscheidensentscheidung der Stadtgemeinde ***, ***, ***, als öffentlicher Auftraggeberin, vergebende Stelle: C GmbH, ***, ***, in Bezug auf das Angebot der A m.b.H., ***, ***, Ausscheidensentscheidung vom 31.01.2020, wird abgewiesen.

 

2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Die Entscheidung über den Ersatz der Gebühren ergeht aufgrund der Einzelrichterzuständigkeit in einem gesonderten Beschluss.

Rechtsgrundlagen:

§§ 4 Abs. 1 und Abs.2 Z 2, 6 Abs. 1, 16 Abs. 1 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz, LGBl. Nr. 7200-3, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 54/2019 (NÖ VNG)

§§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) iVm

Artikel 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Stadtgemeinde *** (im Folgenden: AG) ist öffentliche Auftraggeberin im Vergabeverfahren "Stadtgemeinde ***".

 

Dieser Bauauftrag im Oberschwellenbereich soll auf Basis eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung vergeben werden.

 

Die C GmbH, ***, ***, vergebende Stelle, hat mit Schriftsatz vom 31.01.2020 der Antragstellerin, der A gesellschaft m.b.H., ***, *** (im Folgenden: ASt), im Namen und im Auftrag der AG mitgeteilt, dass die ASt im gegenständlichen Vergabeverfahren auszuscheiden sei.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gemäß § 141 Abs 1 Z 7 BVergG der Auftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote […], wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind, auszuscheiden habe.

 

Gemäß Punkt 1.18.1 Kapitel A Informationsteil A1 der Ausschreibungsunterlagen habe der Bieter sein Angebot vollständig und sorgfältig zu erstellen. In diesem Sinne sei der Bieter angehalten, im Sinne des § 128 Abs 1, 2 BVergG 2018 das Angebot derart zu erstellen, dass das zu erstellende Leistungsverzeichnis die Mengen und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung umfasst. Ein den Ausschreibungsbestimmungen bzw. den zu Grunde liegenden gesetzlichen Anforderungen entsprechendes konstruktives, vom Bieter erstelltes Leistungsverzeichnis sei nicht vorgelegt worden. Da es sich hierbei um einen nicht behebbaren Mangel handle, sei der Auftraggeber daher verpflichtet, den Bieter A gesellschaft m.b.H. im gegenständlichen Vergabeverfahren auszuscheiden.

 

Die ASt hat mit dem am 10.02.2019 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich während der Amtsstunden eingelangten Schriftsatz die Anträge gestellt, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Ausscheidensentscheidung vom 31.01.2020 für nichtig erklären, der AG auftragen, der ASt die Pauschalgebühr für diesen Antrag auf Nachprüfung und für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung binnen 14 Tagen zu Handen ihres ausgewiesenen Rechtsvertreters zu ersetzen und der ASt im größtmöglichen Umfang Akteneinsicht gewähren.

Gleichzeitig hat die ASt den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahingehend gestellt, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge der AG für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Fortführung des gesamten Vergabeverfahrens untersagen, in eventu für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Durchführung von Verhandlungen untersagen, in eventu für die

Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Aufforderung zur (Letzt-)Angebotsabgabe untersagen.

 

Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 14.02.2020, LVwG-VG-1/001-2020, wurde dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahingehend Folge gegeben, dass der Stadtgemeinde ***, ***, ***, als öffentlicher Auftraggeberin, vergebende Stelle: C GmbH, ***, ***, im Vergabeverfahren "Stadtgemeinde ***" untersagt wurde, bis zur Erlassung der Entscheidung betreffend den Antrag auf Nichtigerklärung vom 10.02.2020 in dem beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (zu LVwG-VG-1/002-2020) anhängigen Nachprüfungsverfahren, Verhandlungen durchzuführen.

Zum verfahrensgegenständlichen Antrag auf Nichtigerklärung brachte die ASt vor, dass die AG mit EU-weiter Bekanntmachung vom 06.08.2019 ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich über die Vergabe von Generalunternehmerleistungen (Bauleistungen) für den Neubau eines Veranstaltungszentrums mit integrierter Musikschule in *** eingeleitet habe (Beilage ./1).

Die ASt habe sich am 30.8.2019 durch die Abgabe eines Teilnahmeantrags am

gegenständlichen Vergabeverfahren beteiligt und sei am 11.11.2019 zur Abgabe

eines Erstangebots eingeladen worden.

 

Die zweite Stufe des Vergabeverfahrens werde im Wesentlichen in folgenden Unterlagen (idF auch "Ausschreibungsunterlagen") geregelt:

 Kapitel A1 Informationsteil

 Kapitel A2 Ausfüllteil;

 Kapitel B Werkvertrag – Entwurf;

 Kapitel C AVB – Entwurf;

 Leistungsverzeichnis;

 technische Unterlagen laut Dokumentenverzeichnis (Pläne, technische Gutachten).

 

In den Ausschreibungsunterlagen (Punkt 1.18.1 des Informationsteils) sei unter

anderem festgelegt worden, dass die Bieter angehalten seien, "im Sinne des § 128 Abs. 1, 2 BVergG 2018 das Angebot derart zu stellen, dass das zu erstellende

Leistungsverzeichnis mit Mengen und Preisangaben für alle Teile der funktional

beschriebenen Leistung umfasst".

 

Die ASt habe am 18.12.2019 vor Ablauf der Erstangebotsfrist (20.12.2019,

11:00 Uhr) ein ausschreibungskonformes und vollständiges Erstangebot entsprechend den in den Ausschreibungsunterlagen enthaltenen Festlegungen abgegeben.

 

Mit Schreiben vom 31.01.2020 ("Ausscheidensentscheidung" – Beilage ./2) habe die

AG der ASt – ohne vorhergehende Konfrontation mit dem vermeintlichen Mangel – mitgeteilt, dass "ein den Ausschreibungsbestimmungen bzw. den zu Grunde liegenden gesetzlichen Anforderungen entsprechendes konstruktives, vom Bieter erstelltes Leistungsverzeichnis" nicht vorgelegt worden sei. Da es sich hierbei um

einen nicht behebbaren Mangel handle, sei die AG verpflichtet, das Angebot der ASt auszuscheiden. Gegen diese Ausscheidensentscheidung richte sich der gegenständliche Nachprüfungsantrag.

 

Mit Schreiben vom 06.02.2020 habe die ASt der AG (vergebenden

Stelle) ein weiter aufgeschlüsseltes Leistungsverzeichnis (Kurz- und

Langleistungsverzeichnis) übermittelt und die AG begründet aufgefordert, die Ausscheidensentscheidung zurückzuziehen (Beilage ./3). Dies sei nicht erfolgt.

 

Betreffend ihr Interesse am Vertragsabschluss brachte die ASt im Wesentlichen vor, dass sie als führendes österreichisches Unternehmen im Baubereich, das auch regelmäßig Generalunternehmerleistungen erbringe, ein grundsätzliches Interesse am Vertragsabschluss habe, was im gegenständlichen Vergabeverfahren durch Legung eines Teilnahmeantrages und eines Erstangebotes und durch Stellung des Nachprüfungsantrages zum Ausdruck käme.

 

Die ASt verwies darauf, dass ihr daraus umfangreiche Schäden entstehen würden, würde dem Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung nicht

stattgegeben werden, nämlich insbesondere die Möglichkeit, in einem rechtskonform durchgeführten Vergabeverfahren den Zuschlag zu erhalten. Der ASt drohe zudem ein Schaden aus den (im Falle einer mangelnden Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung frustrierten) Kosten der Teilnahme am gegenständlichen Vergabeverfahren (insbesondere der Teilnahmeantragslegung sowie der Legung des Erstangebotes), den für den gegenständlichen Antrag entrichteten Pauschalgebühren sowie den Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung (zumindest EUR 30.000)., finanzielle Schäden zumindest in der Höhe des entgangenen Gewinnes und Deckungsbeitrages zu den Fixkosten in der Höhe von rund

€ 1.695.000,- sowie der Verlust eines wertvollen Referenzprojektes.

Als Grund für die aus Sicht der ASt vorliegende Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens wurde von der ASt vorgebracht, dass gemäß Punkt 1.18.1 des Informationsteiles die Bieter angehalten gewesen seien, „im Sinne des § 128 Abs 1, 2 BVergG 2018 das Angebot derart zu stellen, dass das zu erstellende Leistungsverzeichnis mit Mengen und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung umfasst“ und dass das Angebot der ASt entgegen der Ansicht der AG diese Vorgabe erfülle.

Das von der ASt vorgelegte Leistungsverzeichnis umfasse insbesondere Mengen- und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung (Pauschalpreise je Leistungsgruppe bzw. Unterleistungsgruppe), wie in den Angebotsbestimmungen gefordert.

Das Angebot sei vollständig und erfasse alle Teile der funktional

beschriebenen Leistung. Auch sonst enthalte das von der ASt ausgepreiste

Leistungsverzeichnis sämtliche Angaben, die für die Erbringung der beschriebenen

Leistung maßgeblich seien (Angaben zu Bieterlücken bzw. angebotenen Erzeugnissen etc). Zur besseren Nachvollziehbarkeit ihrer Preise bzw. Kalkulation habe die ASt zudem auch die Preisteile Lohn und Sonstiges gesondert ausgewiesen. Dass die AG allenfalls eine noch weitergehende Detaillierung wünschen könnte, sei im Übrigen nicht erkennbar oder zu erwarten gewesen, weil auch der Angebotsbewertung ohnehin nur der Gesamt-Pauschalpreis zugrunde gelegt werde (vgl. Punkt 2.2.1 Informationsteil). Allein aus diesen Gründen sei die Ausschreibungsvorgabe klar erfüllt und der behauptete Mangel liege nicht vor. Hätte die AG noch genauere Angaben bzw. Ausarbeitungen des Angebotes (Leistungsverzeichnisses) gewünscht, so hätte sie dies in den Ausschreibungsunterlagen transparent und für alle Bieter ersichtlich festlegen müssen. Sie habe sich jedoch lediglich auf die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts des § 128 Abs. 2 BVergG beschränkt und keinerlei weitere Vorgaben an den „Detaillierungsgrad“ der Kalkulation gestellt. Da das von der ASt vorgelegte Angebot (Leistungsverzeichnis) die bestandsfeste Festlegung der AG, an die sie natürlich auch selbst gebunden sei, erfülle, sei die Annahme eines Ausscheidensgrundes jedenfalls verfehlt.

Weiters hätte die AG die ASt im Rahmen der Angebotsprüfung um Aufgliederung und Konkretisierung, wie in §§ 137, 138 BVergG vorgesehen, ersuchen können.

Darüber hinaus diene ein Erstangebot in einem Verhandlungsverfahren jedoch stets nur als erste Grundlage für Verhandlungen und damit zur „Schärfung" des Verständnisses beider Parteien hinsichtlich der genauen Leistung, sodass in der Folge ein „treffgenaues" Letztangebot gelegt werden könne. Obwohl die AG also von einem komplexen Leistungsgegenstand ausgehe, der (zwingend) Verhandlungen erfordere, verwerfe sie das Angebot der ASt ohne jedwede Verhandlung, ja sogar ohne Nachfrage/Aufklärung.

Dementsprechend beurteile die Rechtsprechung das Ausscheiden eines Erstangebotes, welches nicht einmal anhand der Zuschlagskriterien bewertet werden solle, in aller Regel als unzulässig (vgl. BVwG 03.12.2015, W114 2116410-1/13E). Ein Ausscheiden der ASt würde folglich auch klar dem vergaberechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen (vgl. § 20 Abs. 1 BVergG). Auch vor diesem Hintergrund sei die Ausscheidensentscheidung unverhältnismäßig und klar rechtswidrig.

Selbst wenn man der Rechtsansicht der AG folgend annehmen würde, dass das Angebot der ASt mangels nicht ausreichend detaillierter Preisaufgliederung einen Mangel aufweise, so wäre dieser Mangel aber jedenfalls behebbar.

Maßgeblich für die Behebbarkeit eines Mangels sei die Frage, ob sich durch eine

Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bieters gegenüber seinen Mitbewerbern materiell verbessern würde (vgl. VwGH 3.9.2008, 2007/04/0017, VwGH 25.3.2010, 2005/04/0144 uvm). Dies sei im gegenständlichen Fall klar zu verneinen.

Wie ausgeführt, habe die ASt ein ausgepreistes Leistungsverzeichnis

abgegeben und dazu – aufgegliedert nach Lohn und Sonstiges – (Pauschal-)Preise

heruntergebrochen auf Leistungsgruppen und Unterleistungsuntergruppen angegeben. Damit seien sowohl der Gesamtpreis als auch dessen Aufgliederung auf alle funktional beschriebenen Teile der Leistung festgelegt. Auch bestehe aufgrund der Preisaufgliederung auf Ebene der (Unter-)Leistungsgruppen eine belastbare

Vergleichsmöglichkeit aller Angebote untereinander. In diesem Zusammenhang hielten die Erläuterungen zum BVergG selbst fest, dass auch bei konstruktiven

Leistungsverzeichnissen eine funktionale Beschreibung von Einzelpositionen erfolgen könne, "ohne dass dies die Vergleichbarkeit der Angebote berührt" (EBRV GP XXVI, RV 69 zu § 91). Eine nachträgliche Verbesserung der Wettbewerbsstellung der Antragstellerin durch eine (weitere) Detaillierung und Aufgliederung der Kalkulation sei sohin ausgeschlossen.

 

In Judikatur und Vergabepraxis sei es absolut üblich, dass die K7-Detailkalkulationsblätter erst nach Angebotslegung nachgefordert bzw. nachgereicht würden. Da diese K7-Blätter aber nur zur (weiteren) Plausibilisierung der Kalkulation dienten und der Gesamtpreis und die Preise der einzelnen Leistungsteile aber unzweifelhaft feststünden, könne hier keine nachträgliche Änderung der Wettbewerbsstellung mehr bewirkt werden (so schon BVA 26.5.1997, N-7/97-12, BVA 20.3.2003, 12N-10/03-11). Genauso verhalte es sich im gegenständlichen Fall: Der Gesamtpreis und die Preise für die einzelnen Leistungsteile seien durch das von der ASt vorgelegte Leistungsverzeichnis eindeutig determiniert und eine nachträgliche Verbesserung der Wettbewerbsstellung durch eine Aufklärung (weitere Detaillierung der Kalkulation) sohin ausgeschlossen.

Dementsprechend habe die Judikatur auch die Nachreichung bzw. nachträgliche

Aufgliederung in Lohn und Sonstiges (VKS Wien 26.4.2012, VKS-4331/12), die

Nachreichung ganzer (fehlender) Seiten des Leistungsverzeichnisses und dadurch eine nachträgliche Preisänderung (VKS Wien 15.3.2007, VKS-402/07) oder auch die

Nachreichung des Langleistungsverzeichnisses (UVS Tirol 18.12.2007,

uvs-2007/27/2876-6) als behebbaren Mangel qualifiziert.

Festgehalten werde weiters, dass eine Nachforderung der ASt auch keine

längere Frist zur Bearbeitung einräumen würde und auch insofern keine nachträgliche Verbesserung der Wettbewerbsstellung zu befürchten sei. Wie ausgeführt, seien sowohl der Gesamtpreis als auch der Preis für die einzelnen Leistungsteile mit dem von der ASt vorgelegten Leistungsverzeichnis klar determiniert. Diese Preise seien selbstverständlich keine "Schätzwerte", sondern beruhten auf einer detaillierten dahinterliegenden Kalkulation. Diese Kalkulation hätte von der ASt daher auf Aufforderung hin unverzüglich vorgelegt werden können (wie dies etwa bei der K7-Detailkalkulation ja auch völlig branchenüblich sei). Da diese Detailkalkulation ohnehin schon bei Angebotslegung vorgelegen sei und Grundlage für die Preise im Leistungsverzeichnis gewesen sei, hätte die ASt auch durch die Nachforderung dieser Detailkalkulation keinerlei zeitlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Mitbewerbern gehabt.

Zum Beweis dafür habe die ASt der vergebenden Stelle infolge des

Ausscheidens auch umgehend ein weiter aufgegliedertes/detailliertes

Leistungsverzeichnis übermittelt (und im Begleitschreiben dazu die Zurückziehung der Ausscheidensentscheidung aus den im gegenständlichen Nachprüfungsantrag angeführten Gründen gefordert). Daraus ergebe sich bereits faktisch, dass die

ASt durch eine Aufklärung keinerlei Zeitvorteil gewonnen hätte.

 

Beantragt wurde, die Ausscheidensentscheidung vom 31.01.2020 für nichtig zu erklären, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, Akteneinsicht im größtmöglichen Umfang in den Vergabeakt zu gewähren und der AG aufzutragen, der ASt die entrichteten Pauschalgebühren für diesen Nachprüfungsantrag binnen 14 Tagen zu Handen ihres Rechtsvertreters bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat den zulässigen und fristgerecht eingebrachten Nachprüfungsantrag, für welchen seitens der ASt die nach der NÖ Pauschalgebühren-Verordnung vorgesehenen Pauschalgebühren entrichtet wurden, am 10.02.2020 gemäß § 13 Abs. 3 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz im Internet kundgemacht.

Gleichzeitig wurde der Schriftsatz (Nachprüfungsantrag samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung) der AG übermittelt.

 

Die AG wurde vom erkennenden Gericht aufgefordert, binnen 10 Tagen die Vergabeakten vorzulegen, sowie binnen 10 Tagen ab Übermittlung des Schriftsatzes des erkennenden Gerichtes vom 25.02.2019 zum Antrag auf Nichtigerklärung eine Stellungnahme abzugeben.

 

Die AG hat mit Schriftsatz vom 19.02.2020 im Wesentlichen zum gegenständlichen Nachprüfungsantrag vorgebracht, dass die AG den Neubau eines Veranstaltungszentrums samt Musikschule beabsichtige. Gegenständlich würden die betreffenden Generalunternehmerleistungen in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich ausgeschrieben.

Die ASt habe in der ersten Verfahrensstufe fristgerecht einen Teilnahmeantrag gestellt und sei in weiterer Folge für eine Teilnahme an der zweiten Verfahrensstufe

ausgewählt worden. Zugleich mit der Einladung seien die Ausschreibungsunterlagen

überlassen worden. Diesen liege eine funktionale Leistungsbeschreibung zu Grunde. Demgemäß werde in der Auflistung der mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen auf Seite 6 des Kapitels A – Ausschreibungsunterlagen - Ausfüllteil 2 A ausdrücklich ein „ausgepreistes GU-Leistungsverzeichnis in .pdf und onlv“, ein „K3 Blatt inkl. Bekanntgabe GU-Zuschlag" sowie ein „vom Bieter zu erstellendes konstruktives Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs. 2 BVergG“ gefordert. Der betreffenden Auflistung sei aufgrund der Ausgestaltung, wonach nur ein Ankreuzen mit „JA“ möglich sei, unmissverständlich zu entnehmen, dass die angeführten

Dokumente jedenfalls mit dem Angebot vorzulegen seien. Flankierend finde sich in Punkt 1.18.1 des Kapitels A - Ausschreibungsunterlagen - Informationsteil 1A unter der bezeichnenden Überschrift „Sorgfalt“ folgende Klarstellung: „Der Bieter hat sein Angebot vollständig und sorgfältig zu erstellen. In diesem Sinne ist der Bieter angehalten im Sinne des § 128 Abs. 1, 2 BVergG 2018 das Angebot derart zu stellen, dass das zu erstellende Leistungsverzeichnis mit Mengen und Preisangaben [... ] alle Teile der funktional beschriebenen Leistung umfasst.“ In Punkt 1.8.2 des betreffenden Ausschreibungsteils werde zudem zur Benennung von Subunternehmern folgendes bestandsfest festgelegt: „Es gelten die entsprechenden

Vorgaben des Auftraggebers gemäß den Teilnahmeunterlagen. Die Weitergabe von Teilen der Leistung an Subunternehmer durch den Bieter ist darüber hinaus nur bis zu jenem Ausmaß zulässig, auf das sich der Bieter im Eignungs- und Auswahlverfahren festgelegt hat, […] Jede Abweichung von den im Teilnahmeantrag gemachten Angaben ist dem Auftraggeber im Begleitschreiben zum Angebot und unter Verwendung der Anlage ./4 bis Anlage ./6 des Ausfüllteils A2 anzuzeigen." An keiner Stelle des Ausschreibungskonvoluts finde sich im Übrigen eine Festlegung, wonach - entgegen der ständigen Rechtsprechung der Vergabekontrolle - das Erstangebot nicht bereits vollumfänglich dem betreffenden Ausschreibungsstand zu entsprechen gehabt habe bzw. dass bei den Erstangeboten von einem Ausscheiden abgesehen werde.

Das der Ausschreibung zugrundeliegende Vertragskonvolut setze sich aus einem Werkvertrag (Kapitel B – Werkvertrag - Entwurf) und den Allgemeinen Vertragsbedingungen (Kapitel C - AVB - Entwurf; AVB) zusammen. In Punkt 9 der AVB werde beispielsweise in Ergänzung zu Punkt 7 ÖNorm B2110 die Vorgehensweise bei Leistungsabweichungen geregelt. Dabei werde im Hinblick auf allfällige Mehrkostenforderungen - sowohl was das Vorliegen als auch die Abrechnung betreffe - auf die Leistungspositionen, die sich naturgemäß im Leistungsverzeichnis fänden, Bezug genommen. Fehlten derartige Leistungspositionen bzw. würden ausschließlich Obergruppen pauschal ausgepreist, sei eine gesicherte Nachtragsabrechnung zu Lasten des Auftraggebers nicht möglich.

Die ASt habe fristgerecht ein Erstangebot gelegt. Im Gegensatz zu den Mitbewerbern habe dieses jedoch kein vollumfänglich ausgepreistes Leistungsverzeichnis samt Mengenangaben enthalten. Vielmehr habe sie sich mit einer bloßen Angabe von Pauschalpreisen auf der Ebene gesamter Leistungsgruppen begnügt. Überdies seien ein Verzeichnis mit Bieterlückentexten sowie ein K3-Blatt vorgelegt worden. Auf Grundlage dieser Dokumente habe die AG weder einen Vergleich mit den Angeboten des Mitbewerbes ziehen noch eine vertiefte Angebotsprüfung durchführen können. Zudem nehme das ausschreibungs- und vergabekonforme Auspreisen/Erstellen eines Leistungsverzeichnisses einen erheblichen Zeitraum in Anspruch.

Die von der ASt vorgelegte Angabe von Pauschalpreisen entspreche nicht

den Vorgaben des § 128 Abs. 2 Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018). In besagter Bestimmung werde Folgendes bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung gefordert:

„Das Angebot hat grundsätzlich ein vom Bieter zu erstellendes Leistungsverzeichnis mit Mengen- und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung zu umfassen. Diesen sind erforderlichenfalls Pläne und sonstige Unterlagen gemäß

§ 104 Abs. 2 samt eingehender Erläuterung des Leistungsverzeichnisses beizufügen.“ Der Forderung nach Vorlage eines „vom Bieter zu erstellenden konstruktives Leistungsverzeichnis[ses] gemäß § 128 Abs. 2 BVergG“ laut Seite 6 des Kapitels A - Ausschreibungsunterlagen -Ausfüllteil 2 A sei somit nicht entsprochen worden. Dies könne als Ausschreibungswiderspruch gewertet werden.

Durch die „rudimentäre“ Angebotslegung habe die Antragstellerin eine vergleichende

Angebotsprüfung gänzlich verunmöglicht. Das Ausmaß des Mangels bewege sich in

einer Größenordnung, die gemäß § 138 Abs. 4 BVergG 2018 eine Bearbeitung nicht

zumutbar mache.

Die bloße Auflistung von Pauschalpreisen stelle - sofern nicht ohnedies von einem

Ausschreibungswiderspruch auszugehen sei - insofern einen unbehebbaren Mangel dar, als bei einer Einräumung einer Verbesserung in signifikanter Weise eine

Bevorzugung im Hinblick auf den Zeitfaktor und die abrechnungstechnisch relevante

Aufgliederung erfolgen würde. Letztere sei nach den konkreten Vertragsgrundlagen

sowohl im Hinblick auf die Identifikation als auch die Abrechnung von

Mehrkostenforderungen von Relevanz. Die - ohnedies umstrittene - Rechtsprechung

zur Nachreichungsmöglichkeit von Kalkulationsformblättern sei insofern nicht

einschlägig, als gegenständlich nicht einige DlN A4-Zettel ohne weitergehende

Preisaufgliederung vorzulegen seien. Vielmehr müsse ein umfassendes

Leistungsverzeichnis mit betreffenden Details übermittelt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung hätten Angebote auch im Verhandlungsverfahren dem jeweiligen Ausschreibungsstand vollumfänglich zu entsprechen. Es könne daher - ohne betreffende Festlegung in den Ausschreibungsunterlagen - nicht von einem gebotenen Ausscheiden eines Erstangebotes abgesehen werden.

Eine Nachreichung der Leistungsverzeichnisse durch die ASt stelle im

Vergleich zum Mitbewerb eine erhebliche Ungleichbehandlung und Verletzung des

Wettbewerbsgrundsatzes dar.

Mit Schreiben vom 31.01.2020 habe die vergebende Stelle der ASt das Ausscheiden ihres Angebotes mitgeteilt. Dabei habe sie sich auf das Vorliegen eines unbehebbaren Mangels gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 gestützt.

Gemeinsam mit einem anwaltlichen Schreiben habe die ASt am 06.02.2020 ein entsprechendes Leistungsverzeichnis in Lang- und Kurzform vorgelegt. Beide

Leistungsverzeichnisse hätten in der Unterschriftenzeile den 06.02.2020 aufgewiesen. Das Lang-Leistungsverzeichnis habe insgesamt 789 Seiten.

Verwiesen werde auf § 138 Abs. 4 BVergG 2018.

Demnach sei ein Angebot, das solche Mängel aufweise, dass eine Bearbeitung nicht zumutbar sei, vom Vergabeverfahren auszuscheiden. Diese Bestimmung erscheine konkret insofern als einschlägig, als bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung der Erstellung eines konstruktiven Leistungsverzeichnisses durch die Bieter eine zentrale Bedeutung zukomme. Nur so könnten die einzelnen Angebote miteinander verglichen werden und sei eine Prüfung der Preisgestaltung auf Plausibilität möglich. Hierzu habe die Vergabekontrolle etwa festgehalten: „Die Erstellung der Angebotsunterlagen liegt im Ermessen des Auftraggebers, soweit dieser hierbei nicht unsachlich vorgeht. […] Der Bieter hat sich bei der Erstellung des Angebotes an die vom Auftraggeber vorgegebene Form zu halten. Da die Antragstellerin [...] die Formblätter des Auftraggebers durchwegs in der oben dargestellten Weise und somit nicht dessen Vorgaben gemäß ausgefüllt hatte und es dem Auftraggeber nicht zuzumuten ist, ein insgesamt seinen Vorgaben widersprechend erstelltes Angebot weiter zu bearbeiten, zumal diese Art der Angebotserstellung [...] zur Anwendung der Gleitpreise erforderlich ist, sind die Voraussetzungen für die Anwendung des [vormaligen] § 48 Abs. 2 BVergG im gegenständlichen Fall erfüllt“ (siehe BVA 29.06.2000, N-25/00-24).

Wenn bereits dem nicht ordnungsgemäßen Ausfüllen von Formblättern von der Rechtsprechung ein derartiges Gewicht beigemessen werde, dann gelte dies umso mehr für die konkrete Konstellation, in der in erheblichem Ausmaß von einer Preisaufgliederung abgesehen worden sei (zu einem ähnlichen

Schluss aufgrund des Fehlens von Positionspreisen sei UVS Stmk

10.07.2003, 44.7-2/2003, gelangt). Das Ausscheiden vom 31.01.2020 sei somit bereits aufgrund der Unzumutbarkeit einer Angebotsprüfung berechtigt.

Weiters stelle sich die Frage, ob gegenständlich nicht von einem „glatten“ Ausschreibungswiderspruch auszugehen sei. Einem derartigen sei mit einem umgehenden Ausscheiden zu begegnen; eine Behebungsmöglichkeit

sei ausgeschlossen (siehe zB Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4 Rz 1597 mwN). Konkret werde in der Auflistung der dem Angebot beizugebenden Dokumente unmissverständlich gefordert, dass ein „vom Bieter zu erstellendes konstruktives Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs. 2 BVergG“ vorzulegen sei. Dessen Fehlen sei sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht als gravierend einzustufen, zumal der AG jegliche Angebotsprüfmöglichkeit genommen werde. Insofern könne auf die einschlägige Rechtsprechung verwiesen werden, wonach „gravierende formale und inhaltliche Mängel im Angebot sowie unverbindliche Angebote [...] sofort auszuscheiden [seien]“ (VKS Wien

17.02.2006, VKS-258/06). Aus Sicht der AG könne daher in der vorliegenden

Konstellation von einem - keiner Behebung zugänglichen - Ausschreibungs-

Widerspruch ausgegangen werden. Die angefochtene Ausscheidensentscheidung sei daher aus einem weiteren Grund in rechtskonformer Weise ergangen.

Selbst wenn man jedoch im Hinblick auf das gänzlich fehlende Leistungsverzeichnis von einem „bloßen“ Mangel ausgehe, sei dieser jedenfalls als unbehebbar zu qualifizieren. Gemäß § 105 Abs. 3 BVergG 2018 sei für die Beschreibung oder Aufgliederung auf geeignete Leitlinien, wie ÖNormen oder standardisierte

Leistungsbeschreibungen, Bedacht zu nehmen, sofern solche für eine bestimmte Leistung existierten. Dies sei für die gegenständlichen Leistungen - wie auch das „nachgelieferte“ Leistungsverzeichnis der Antragstellerin belege - zweifellos die „Standardisierte Leistungsbeschreibung Kennung: HB Version: 021 Leistungsbeschreibung Hochbau“.

In ihrem Erstangebot habe die ASt nun gänzlich davon abgesehen, ein betreffendes Leistungsverzeichnis vorzulegen. Beim mit Ende der Angebotsfrist übermittelten Dokument handle es sich offenkundig um das ebenso geforderte GU-Leistungsverzeichnis Das geforderte konstruktive Leistungsverzeichnis gemäß

§ 128 Abs. 2 BVergG 2018 fehle jedoch gänzlich. Was sie sich dadurch an Kalkulationsarbeit erspart habe, lasse sich anschaulich

anhand der betreffenden Leistungsverzeichnisse des Mitbewerbs sowie des von der

ASt am 06.02.2020 „nachgereichten" Leistungsverzeichnisses ersehen.

Bei der Abgrenzung zwischen behebbaren und unbehebbaren Mängeln sei darauf abzustellen, ob durch eine Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bieters gegenüber seinen Mitbietern materiell verbessert würde. Zusätzlich liege eine Unbehebbarkeit vor, wenn durch die Mängelbehebung eine mittelbare materielle Verbesserung der Wettbewerbsstellung insofern eintreten würde, als damit nicht alle Bieter über denselben Zeitraum verfügen würden, um ihre Angebote auszuarbeiten oder ein derartiger Mangel vorliege, dass dem Auftraggeber eine Bearbeitung nicht zugemutet habe werden können (siehe z.B. VwGH 25.02.2004, 2003/04/0186, und BVwG 13.10.2016, W123 2133597-2).

Verwiesen werde auch auf das Erkenntnis des LVwG Niederösterreich vom 07.11.2019, LVwG-VG-6/002-2019.

Entgegen dem Vorbringen der ASt sei - gerade angesichts der aktuellen

Rechtsprechung des LVwG - im gänzlichen Fehlen eines in der Ausschreibung

geforderten Leistungsverzeichnisses kein behebbarer Mangel zu erblicken. Im

Hinblick auf die nachträgliche Änderungsmöglichkeit der Preiszusammensetzung,

der unzulässigen einseitigen Verlängerung der Angebotsfrist, der

Bieterungleichbehandlung, der Verunmöglichung einer Preisprüfung, der

Verunmöglichung eines Angebotsvergleiches und der essentiellen Bedeutung für die

Leistungserbringung aufgrund des vorliegenden Vertragskonvoluts sei jedenfalls von einem unbehebbaren Mangel gemäß § 141 Abs 1 Z 7 BVergG 2018 auszugehen.

Aus Sicht der AG sei daher der Antrag vom 10.02.2020 auf Nichtigerklärung

der Ausscheidensentscheidung vom 31.01.2020 abzuweisen.

 

Beantragt wurde, den Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 31.01.2020 ab- in eventu zurückzuweisen, die begehrte Auferlegung der Tragung der Pauschalgebühren durch die AG abzuweisen und Akteneinsicht nur insoweit zu gewähren, als Rückschlüsse auf die Anzahl und Namen der Verfahrensteilnehmer ausgeschlossen würden.

 

Mit Schriftsatz vom 11.03.2020 hat die ASt auf diese Stellungnahme repliziert und darin im Wesentlichen ergänzend ausgeführt, dass die Frage, in welcher Detailtiefe die Erstangebote auszuarbeiten seien und unter welchen Voraussetzungen ein Ausscheiden der Erstangebote in Frage komme, anhand des Gesetzestextes sowie der einschlägigen Judikatur zu beantworten sei.

Die ASt habe das von der Auftraggeberin vorgegebene, konstruktive Leistungsverzeichnis (nicht bloß eine funktionale Leistungsbeschreibung) ausgepreist, dabei die Preisanteile Lohn und Sonstiges aufgegliedert und auf Positions- bzw. Unterleistungsgruppenebene (Pauschal-)Preise ausgewiesen. Dabei handle es sich ausschreibungskonform um ein konstruktives Leistungsverzeichnis.

Gemäß § 103 Abs. 3 BVergG sei bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung die

Leistung "als Aufgabenstellung durch Festlegung von Leistungs- oder

Funktionsanforderungen zu beschreiben." Vielmehr entspreche das von der AG vorgegebene Leistungsverzeichnis den Anforderungen des § 105 Abs. 2

BVergG an konstruktive Leistungsverzeichnisse, insbesondere habe die AG auch die Aufgliederung der Preise in Lohn- und Sonstiges und auch die jeweilige Menge vorgegeben sowie in einzelnen Positionen auch Einheitspreise abverlangt. Zudem habe die AG sogar wesentliche Positionen definiert, was klar für ein konstruktives Leistungsverzeichnis spreche. Eine (rein) funktionale Leistungsbeschreibung würde hingegen z.B. nur die Anzahl, Größe und Funktion der erforderlichen Räume vorgeben.

 

Darüber hinaus beginne der Text des von der AG vorgegebenen,

konstruktiven Leistungsverzeichnisses auf der ersten Seite mit der Überschrift

"Leistungsverzeichnis". Auch werde diese Unterlage im Text selbst als

"Angebots LV / Geschlossenes LV" und auch an weiteren Stellen als "Leistungsverzeichnis" bezeichnet.

 

Wie aus den §§ 103 ff BVergG folge, sei ein "Leistungsverzeichnis" aber immer als "konstruktive Leistungsbeschreibung" zu qualifizieren und niemals als "funktionale

Leistungsbeschreibung". Ein "funktionales Leistungsverzeichnis" existiere schlicht nicht. Die ASt habe das von der AG vorgegebene, konstruktive Leistungsverzeichnis, wie verlangt, ausgepreist und damit ein konstruktives Leistungsverzeichnis abgegeben.

Wenn die AG eine noch weitere Aufgliederung gewünscht hätte, so hätte sie

dies in den Ausschreibungsunterlagen fordern müssen. Ein "Einheitspreis-

Leistungsverzeichnis" habe sie aber gerade nicht gefordert, sondern "nur" ein

konstruktives Leistungsverzeichnis. Im Übrigen dürfe gemäß Punkt 0.1 Ausfüllteil "für

ein ausschreibungskonformes Angebot der vorgegebene Text der

Ausschreibungsunterlagen weder geändert noch ergänzt werden“. Schon aus diesem Grund sei die ASt ohnehin verpflichtet, das vorgegebene konstruktive

Leistungsverzeichnis zu befüllen.

Die Ausschreibungskonformität des Angebotes der ASt ergebe sich weiters

insbesondere aus dem Zweck von Erstangeboten in Verhandlungsverfahren, nämlich der Schaffung einer Verhandlungsbasis, um grundsätzlich über den gesamten

Leistungsgegenstand zu verhandeln.

Auch bei Vorliegen eines Mangels sei ein Ausscheiden des Erstangebotes unzulässig, da die Erstangebote im gegenständlichen Vergabeverfahren nicht gemäß den bekannt gegebenen Zuschlagskriterien zu bewerten gewesen wären.

Selbst wenn man vom Vorliegen eines Mangels ausgehen sollte, so wäre dieser jedenfalls behebbar. § 105 Abs. 2 BVergG richte sich ausschließlich an Auftraggeber.

Die Anforderungen an die von Bietern zu erstellenden Leistungsverzeichnisse seien

ausschließlich in § 128 BVergG normiert. Der von der AG zitierte § 105 BVergG sei daher nicht einschlägig und sei daraus für ihren Standpunkt auch nichts zu gewinnen.

Die ASt habe bereits bei Angebotsabgabe über ein (auf Einzelpositionsebene) vollständig kalkuliertes Angebot verfügt, weshalb es ihr auch möglich gewesen sei, das entsprechend ausgepreiste Leistungsverzeichnis rasch nach Erhalt der

Ausscheidensentscheidung an die AG zu übermitteln. Ein Wettbewerbsvorteil der

ASt sei daher ausgeschlossen.

Die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 07.11.2019

(LVWG-VG-6/002-2019), welche die Unbehebbarkeit des "Mangels" belegen solle, sei im konkreten Fall nicht einschlägig, ebenso wie die Entscheidung des LVwG vom

01.02.2018, LVwG-VG-16/002-2017.

Hingegen habe die ASt im hier gegenständlichen Fall das von der AG geforderte (noch nicht bewertungsrelevante) Leistungsverzeichnis sehr wohl bereits mit dem Erstangebot vorgelegt. Das Vorbringen der AG, wonach ein "gänzliches Fehlen" des Leistungsverzeichnisses vorliege, sei unrichtig. Von einer "bewussten Nichtvorlage" könne keineswegs die Rede sein. Damit stünden weder der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter noch jener der Transparenz des Verfahrens einer Behebung des Mangels entgegen.

Schließlich sei es der ASt im konkreten Fall auch nicht möglich, "aus einem

unplausiblen einen plausiblen Preis zu machen". Der von der ASt angebotene

Preis sei bereits bei Angebotsabgabe - und zwar bis auf Ebene der

(Unter-)Leistungsgruppen - unveränderlich festgestanden. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass der ASt die Preise der übrigen Bieter - anders als im offenen Verfahren - mangels öffentlicher Angebotsöffnung naturgemäß nicht bekannt seien. Die ASt hätte ihr Angebot daher auch nicht "in Kenntnis der Angebote der anderen Bieter" in irgendeiner Form verändern können. Auch diese vorgeschobenen Bedenken der AG seien daher unbeachtlich.

Folglich liege auch nach der "Aicher-Formel“ klar ein behebbarer Mangel vor, da keine Verbesserung der Wettbewerbsstellung der ASt denkbar sei. Es handle sich um einen klassischen Fall der Nachreichung einer Unterlage, die bereits bei Angebotsabgabe vorgelegen sei; dies stelle nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eindeutig einen behebbaren Mangel dar (vgl VwGH 11.11.2009, 2009/04/0203 uvm).

Damit stehe aber auch fest, dass das von der ASt vorgelegte Leistungsverzeichnis keinen Ausschreibungswiderspruch darstelle.

Selbst wenn man also davon ausgehen sollte, dass das von der ASt vorgelegte Leistungsverzeichnis mangelhaft iSv § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG gewesen sein

sollte, so wäre die AG verpflichtet gewesen, der ASt die Behebung dieses Mangels zu ermöglichen. Da sie dies nicht getan habe, sondern das Angebot der ASt unmittelbar ausgeschieden habe, sei die Ausscheidensentscheidung rechtswidrig und damit für nichtig zu erklären.

Aufgrund des von der ASt vorgelegten Leistungsverzeichnisses sei es der

Auftraggeberin jedenfalls möglich gewesen, den Gesamtpreis zu vergleichen und sogar auf Ebene der (Unter-)Leistungsgruppen einen belastbaren Vergleich aller Angebote untereinander vorzunehmen. Die AG habe daher entsprechend § 137 BVergG die Gesamtpreise sowie die Preise auf (Unter-)Leistungsgruppenebene aller Bieter vergleichen können. Eine gesetzeskonforme Angebotsprüfung sei ihr daher jedenfalls möglich gewesen. Inwiefern hier eine "vergleichende Angebotsprüfung gänzlich verunmöglicht" worden sein solle, sei nicht nachvollziehbar.

Grundsätzlich seien an die Unzumutbarkeit der Bearbeitung eines Angebotes hohe

Anforderungen zu stellen (vgl Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann, BVergG 2006 § 126 Rz 17). Nach Ansicht des VwGH könne eine Unzumutbarkeit unter Umständen etwa dann vorliegen, wenn Bieter überhaupt keine der geforderten

Nachweise zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorlegen und lediglich das

Leistungsverzeichnis selbst abgeben würden (VwGH 29.3.2006, 2003/04/0192). Die

Gesetzesmaterialien zum BVergG 2018 führten als Beispiel für eine Unzumutbarkeit der Bearbeitung überhaupt nur die Unleserlichkeit des Angebotes an (EBRV 69 BlgNR 26. GP S 154).

Wie bereits ausgeführt, sei die Verhältnismäßigkeit (von Auftraggeberentscheidungen) ein wesentlicher Grundsatz des Vergabeverfahrens. So habe der EuGH bereits mehrfach entschieden, dass selbst vom Gesetz oder Ausschreibungsbestimmungen abgewichen werden könne (müsse), wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dies gebiete (zB für ein Absehen vom Ausschluss infolge Unverhältnismäßigkeit: EuGH, 14.12.2016, C-171/15 Connexxion Taxi Services).

Im hier gegenständlichen Fall sei aufgrund der Auftragslage am Markt und des hohen Aufwands der Verfahrensteilnahme bei funktionalen Vorgaben davon auszugehen, dass es nur wenige Bewerber bzw. Bieter gebe.

Würde die AG die ASt nunmehr wegen eines Mangels ausscheiden bzw. den Mangel als unbehebbar qualifizieren, so würde damit der Wettbewerb im gegenständlichen

Vergabeverfahren massiv beeinträchtigt. Damit würde ein Ausscheiden der Antragstellerin aber sowohl dem Wettbewerbsgrundsatz als auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widersprechen.

In diesem Sinne habe der EuGH sogar schon explizit ausgesprochen, dass die

Anforderungen an Angebote bzw. an Bieter im Einzelfall durchaus auch gesenkt werden könnten, wenn dies erforderlich sei, um (weiterhin) hinreichenden Wettbewerb sicherzustellen. In dem dort entscheidungserheblichen Sachverhalt habe der EuGH ausgesprochen, dass die "erwähnte Anforderung […] jedoch gesenkt werden [kann], um in einem Verhandlungsverfahren einen angemessenen Wettbewerb, wie ihn Art. 54 Abs. 3 der Richtlinie 2004/17 verlangt, zu gewährleisten" (EuGH 24.5.2016, C-396/14 Hojgaard/Züblin RdN 41).

Angesichts der aktuellen Marktlage gehe die ASt folglich davon aus, dass ein

Ausscheiden ihres Angebotes unverhältnismäßig wäre und im Widerspruch zum

Wettbewerbsgrundsatz stehen würde. Aus Gründen des Wettbewerbs sei daher die

weitere Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren geboten.

 

In einer „ergänzenden Replik“ vom 17.03.2020 hat die ASt im Wesentlichen vorgebracht, dass sich aus Punkt 1.18.1 des Informationsteils 1A keine eindeutige Verpflichtung der Bieter ergebe ("anhalten" werde im Duden als "[durch wiederholte Hinweise] zu etwas anleiten, erziehen" definiert), da nicht eindeutige Festlegungen grundsätzlich zu Lasten des Auftraggebers auszulegen seien (§ 915 ABGB; für viele BVwG 19.6.2019, W139 2208701-2).

Auch aus der Tabelle in Punkt 0.2 des Ausfüllteiles 2A ergebe sich keine Verpflichtung zur Vorlage eines vom Bieter zu erstellenden konstruktiven Leistungsverzeichnisses. Schließlich sei es an dieser Stelle dem Bieter überlassen, auszuwählen, ob ein solches angeschlossen werde oder nicht (würde keines angeschlossen, so wäre das entsprechende Feld einfach nicht anzukreuzen gewesen).

Zwischen dem "ausgepreisten GU-Leistungsverzeichnis" (das eben ein konstruktives

Leistungsverzeichnis sei und vom Bieter zu vervollständigen bzw. zu erstellen gewesen sei) und dem vom Bieter zu erstellenden konstruktiven Leistungsverzeichnis" bestehe im Kontext der gegenständlichen Ausschreibung kein Unterschied.

Den Angebotsunterlagen beigelegt sei nämlich (unter anderem) ein Dokument mit der Bezeichnung "***" gewesen. Auch bei diesem Dokument handle es sich – entgegen der Verwendung des Wortes "funktional" im Dateinamen – eindeutig um ein konstruktives Leistungsverzeichnis / eine konstruktive Leistungsbeschreibung. Dies ergebe sich schon daraus, dass in diesem Dokument die zu erbringende Leistung eindeutig und vollständig beschrieben sei. Dabei handle es sich um das entscheidende Kriterium einer konstruktiven Leistungsbeschreibung (§ 103 Abs. 2 BVergG). Bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung hingegen wären ausschließlich Leistungs- und Funktionsanforderungen (ohne nähere Angaben über die Qualität, Quantität, Konstruktionsart etc.) festzulegen gewesen (vgl § 103 Abs. 3 BVergG; siehe auch Kropik, Die Beschreibung von Bauleistungen: konstruktiv vs funktional,

ZVB 2006/84).

Außerdem sei das den Angebotsunterlagen beiliegende Leistungsverzeichnis in

Obergruppen gegliedert. Dabei handle es sich ebenfalls um einen eindeutigen Hinweis auf das Vorliegen eines konstruktiven Leistungsverzeichnisses (vgl Punkt 6.3 der ÖNORM A 2063 im Vergleich zu deren Punkt 4.3). Auch die Tatsache, dass die AG "wesentliche Positionen" definiert habe (vgl. Punkt 6.12.1 der ÖNORM A 2063), zeige, dass es sich um ein (konstruktives) Leistungsverzeichnis handeln müsse. Auch in der Literatur (vgl. Beilage ./5) würden sich Beispiele für konstruktive

Leistungsbeschreibungen (Leistungsverzeichnisse), die mit dem vorliegenden

Leistungsverzeichnis so gut wie ident seien, finden.

Wie aus dem zitierten Auszug ersichtlich, habe die AG im den

Angebotsunterlagen beiliegenden Leistungsverzeichnis außerdem konkrete

Einheitspreise abgefragt (wie z.B. ein Stück einer AP-Dose). Auch an anderen Stellen des Leistungsverzeichnisses würden sich Positionen finden, in denen explizit Einheitspreise anzubieten gewesen seien (z.B. auf Seite 275 [1 m³ Magerbeton] oder auch auf Seite 278 [1 kg Bewehrung Stabstahl]).

Dass es sich um ein konstruktives Leistungsverzeichnis handle, würde auch durch die Stellungnahme des Herrn D (allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für unter anderem Hochbau und Architektur) bestätigt (Beilage ./6).

Die ASt habe das den Angebotsunterlagen beiliegende konstruktive

Leistungsverzeichnis entsprechend den Vorgaben erstellt und vollständig ausgepreist. Wie von § 128 Abs. 2 BVergG gefordert, enthalte das von der ASt erstellte konstruktive Leistungsverzeichnis auch Mengen- und Preisangaben für alle Teile der beschriebenen Leistung. Damit liege – in Erfüllung der Anforderungen der gesetzlichen Bestimmungen sowie der Ausschreibungsunterlagen – das ausgepreiste GU-Leistungsverzeichnis und damit auch zwingend ein vom Bieter erstelltes konstruktives Leistungsverzeichnis vor. Weshalb die AG in Punkt 0.2 des Ausfüllteils 2A sozusagen "doppelt" festgelegt habe, dass das beiliegende Leistungsverzeichnis auszupreisen und abzugeben sei, sei für die ASt nicht nachvollziehbar, aus rechtlicher Sicht aber auch irrelevant. Entscheidend sei, dass das von der ASt abgegebene Leistungsverzeichnis entgegen dem Vorbringen der AG ein konstruktives Leistungsverzeichnis iSv § 128 Abs. 2 BVergG darstelle.

Hätte die AG ein Leistungsverzeichnis auf Einheitspreisebene gewünscht, so

hätte sie dies eben explizit festlegen müssen. Aus den bestandfesten

Angebotsunterlagen (und ebenso wenig aus dem BVergG) lasse sich eine solche Forderung aber nicht ableiten. Im Übrigen sei es der ASt sogar ausdrücklich

untersagt gewesen, das den Angebotsunterlagen beiliegende Leistungsverzeichnis zu ergänzen (etwa durch eine detaillierte Aufgliederung auf Einheitspreisebene). In Punkt 0.1 des Ausfüllteils 2A finde sich nämlich die Festlegung, dass für ein ausschreibungskonformes Angebot "der vorgegebene Text der Ausschreibungsunterlagen weder geändert noch ergänzt werden" dürfe. Eine "Erweiterung" des Leistungsverzeichnisses – wie es der AG offenbar nunmehr vorschwebe – sei daher aus rechtlicher Sicht gar nicht zulässig gewesen. Auch aus diesen Gründen könne es der ASt nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie nicht bereits mit dem Erstangebot ein Leistungsverzeichnis auf Einheitspreisebene abgegeben habe.

Mit der Abgabe des Leistungsverzeichnisses habe die ASt damit sowohl das

geforderte "ausgepreiste GU-Leistungsverzeichnis" als auch das "vom Bieter zu

erstellende konstruktive Leistungsverzeichnis" vorgelegt. Das Ausscheiden des

Angebots der ASt sei daher rechtswidrig.

 

Die Replik und die ergänzende Replik der ASt wurden der AG jeweils mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt.

 

Mit Schriftsatz vom 20.03.2020 hat die AG u.a. Folgendes dazu vorgebracht:

 

„1. Zur „Einschlägigkeit“ der angeführten Rechtsprechung

 

Bei der Replik vom 11.03.2020 handelt es sich aus Sicht der Auftraggeberin im Wesentlichenum „rein“ rechtliche Ausführungen. ‚Zum mehrfach erhobenen Vorwurf, die von der Auftraggeberin angeführte Rechtsprechung sei nicht einschlägig, seien folgende Klarstellungen gestattet, um allfälligen Missverständnissen vorzubeugen:

 

 Natürlich ist kein den einzelnen Entscheidungen zugrundeliegender Sachverhalt vollumfänglich mit der vorliegenden Konstellation vergleichbar, Dies ist auch völlig irrelevant, Entscheidend ist vielmehr, dass die einzelnen angeführten Entscheidungen Antworten zu einzelnen konkret zu klärenden Rechtsfragen beinhalten. Dabei sind die Parallelen - zumindest aus Sieht der Auftraggeberin - teils verblüffend. Nur weil zB einer Entscheidung ein offenes Verfahren zugrunde gelegen ist, belegt dies nicht (alleine) die mangelnde Einschlägigkeit angesichts der konkreten Durchführung eines Verhandlungsverfahrens.

 

 Die Entscheidung LVwG NÖ 01.02.2018, LVwG-VG-16/002-2017, ist deshalb angeführt worden, weil sich diese zurückgehend auf BVA 07.09.2004,11N-65/04-12‚ in eine lange Kette ständiger Rechtsprechung einfügt, wonach in einem Verhandlungsverfahren bereits das Erstangebot vollumfänglich den für die konkrete Stufe vorgegebenen Ausschreibungsinhalten zu entsprechen hat. Mit einem nachfolgenden ausschreibungskonformen Zweitangebot kann dieser Ausschreibungswiderspruch/Angebotsmangel nicht wettgemacht werden. Die Auftraggeberin hat (a) bestimmte Angebotsinhalte gefordert und (b) in Punkt 1.6 des Kapitels A - Ausschreibungsunterlagen - Informationsteil 1A unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, die eingelangten

(Erst-)Angebote formal und inhaltlich zu prüfen. Ausdrücklich wird in betreffender Ausschreibungspassage die Durchführung einer vertieften

Angebotsprüfung angekündigt, die jedoch durch die Angebotslegung der

Antragstellerin verunmöglicht worden ist.

 

 Die Entscheidung LVwG NÖ 07.11.2019, LVwG-VG-6/002-2019, ist insofern einschlägig, als bereits das Fehlen von geforderten K4-Blättern als unbehebbarer Mangel eingestuft wird. Umso mehr hat dies für das weitgehende Fehlen von Mengenangaben in einem Leistungsverzeichnis, obwohl dies ausdrücklich gefordert worden ist, zu gelten. Angesichts des Umstands, dass Angebote in einem Verhandlungsverfahren immer den

Ausschreibungsvorgaben der jeweiligen Angebotsstufe zu entsprechen haben, ist es unerheblich, dass der besagten Entscheidung ein offenes Verfahren zugrunde gelegen ist.

 

 In der Replik vom 11.03.2020 verweist die Antragstellerin zudem auf EuGH 24.05.2016, Rs 0396/14 , Hojgaard/Züblin. Demnach können Anforderungen gesenkt werden, um in einem Verhandlungsverfahren einen angemessenen Wettbewerb zu gewährleisten. Die Antragstellerin verschweigt jedoch, dass sich diese Aussage auf das Einladen von Bewerbern zur zweiten Stufe und das nachträgliche „Auseinanderbrechen“ einer Bewerbergemeinschaft bezieht. Wenn das verbleibende Bewerbergemeinschaftsmitglied die Mindesteignungsanforderungen erfüllt, kann es nach Ansicht des EuGH im

Verfahren belassen werden, wenn andernfalls kein hinreichender Wettbewerb

gewährleistet wäre. Keinesfalls lässt sich damit aber das „Zudrücken eines Auges“ rechtfertigen, wenn ein Erstangebot den Mindestvorgaben der Ausschreibung nicht entspricht. Dies würde dem Gleichheitsgebot diametral zuwiderlaufen.

 

2. Zum geforderten „konstruktiven Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs 2 BVergG

 

a. Klarstellend (und wiederholend) werden die betreffenden Festlegungen der Ausschreibung wie folgt dargestellt:

 Punkt 1.6.1 Kapitel A - Ausschreibungsunterlagen - lnformationsteil1A halt zur ersten Verfahrensstufe fest, dass „die eingelangten Angebote [. . .j formal und inhaltlich geprüft [werden]. Der Auftraggeber behält sich das Recht vor, in die Kalkulation des Bieters Einsicht zu nehmen bzw. entsprechende Kalkulationsunterlagen nachzufordern.“ Dies belegt - entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin - dass die Auftraggeberin bestandsfest beabsichtigt hat, die Erstangebote einer eingehenden Prüfung auch in preislicher Hinsicht zu unterziehen Dies hat die Antragstellerin, in dem sie die Ausschreibungsvorgaben missachtet hat, verhindert.

 

 Punkt1.7.5 Kapitel A - Ausschreibungsunterlagen - Informationsteil 1A ist zu Folgendes zu entnehmen: „Der Auftraggeber macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass nu r rechtzeitig eingelangte, vollständig ausgefüllte, mit allen Nachweisen versehene und die Formerfordernisse erfüllende Angebote bewertet werden.“ Dieser Vorgabe entspricht das Erstangebot der Antragstellerin nicht. Es ist nicht klar, warum die Antragstellerin glaubt, die Auftraggeberin würde sich - entgegen der Rechtsprechung - nicht an ihre Ausschreibungsvorgaben gebunden erachten.

 

 Punkt 1.18.1 Kapitel A 2 Ausschreibungsunterlagen - lnformationsteil 1A ist zu entnehmen; „dass der Bieter [...] sein Angebot vollständig und sorgfältig zu erstellen [hat], in diesem Sinn ist der Bieter angehalten im Sinne des §128 Abs 1, 2 BVergG 2018 das Angebot derart zu stellen, dass das zu erstellende Leistungsverzeichnis mit Mengen und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung umfasst.“ §128 Abs 2 Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) enthält bei funktionaler

Leistungsbeschreibung folgende korrespondierende Festlegung: „Das Angebot hat grundsätzlich ein vom Bieter zu erstellendes Leistungsverzeichnis mit Mengen – und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung zu umfassen. Diesem sind erforderlichenfalls Pläne und sonstige Unterlagen gemäß § 104 Abs. 2 samt eingehender Erläuterung des Leistungsverzeichnisses beizufügen.“ Der Begriff „Leistungsverzeichnis“ findet sich im BVergG 2018 ua auch in § 105. Daraus ergibt sich bei Verwendung der identen Bezeichnung wie in § 128 BVergG 2018, was unter einem Leistungsverzeichnis zu verstehen ist.

 

In Punkt 0.2 Kapitel A - Ausschreibungsunterlagen - Ausfüllteil 2A findet sich eine Checkliste im Hinblick auf die vorzulegenden Angebotsbestandteile. Ausdrücklich wird gefordert, dass der Bieter im Hinblick auf die beigeschlossenen Unterlagen ein „Ankreuzen“ vorzunehmen hat. Insgesamt werden elf (11) Dokumente in der besagten Checkliste angeführt. Bei drei (3) von diesen Dokumenten besteht eine alternative Möglichkeit des Ankreuzens mit „JA“ oder „NEIN“. Bei den übrigen acht (8) Dokumenten besteht nur die Möglichkeit der Kenntlichmachung mit „JA“. Dazu zählen ua die Dokumente „Ausgepreistes GU-leistungsverzeichnis in .pdf und onlv“, „K3 Blatt inkl. Bekanntgabe GU-Zuschlag“ und „Vom Bieter zu erstellendes konstruktives

Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs 2 BVergG“.

 

b. Das Erstangebot der Antragstellerin stellt sich in den entscheidungserheblichen Bereichen wie folgt dar:

 Punkt o2 Kapitel A - Ausschreibungsunterlagen - Ausfüllteil 2A ist dergestalt ausgefüllt worden, dass bei allen Dokumenten, die alternativlos ein „JA“ vorgesehen haben, die betreffende Spalte angekreuzt worden ist. Somit ist zu verstehen gegeben werden, dass dem Erstangebot ein „Ausgepreistes GU-Leistungsverzeichnis in .pdf und onlv“, ein „K3 Blatt inkl. Bekanntgabe GU-Zuschlag“ und ein „Vom Bieter zu erstellendes konstruktives Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs 2 BVergG“ beiliegt.

 

 Das Erstangebot der Antragstellerin hat ua ein Kurz-Leistungsverzeichnis mit der Bezeichnung „***“ und ein Lang-Leistungsverzeichnis mit der Bezeichnung „***“ enthalten. Beide weisen eine Gliederung in Positionen auf, wobei das

Lang-Leistungsverzeichnis ergänzend Positionstexte umfasst. Mit Ausnahme der wenigen Wartungspositionen wird in beiden Leistungsverzeichnissen bei den Mengen unter der Bezeichnung „PA“ für Pauschale bzw „VE‘ für Verrechnungseinheit jeweils die Menge „1,00“ angegeben. Entgegen der Forderung in § 128 Abs 2 BVergG 2018 ist somit von Mengenangaben abgesehen worden. Vielmehr ist vielfach - aus welchen Gründen

auch immer - jeweils eine Pauschale gebildet worden.

 

 Überdies ist dem Erstangebot der Antragstellerin ein Bieterlückenverzeichnis mit der Bezeichnung „***“ und ein ausgefülltes Formblatt K3 beigelegen.

 

 Entgegen der ausgefüllten Checkliste hat das Angebot kein weiteres Dokument im Hinblick auf das geforderte Dokument „Vom Bieter zu erstellendes konstruktives Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs 2 BVergG“ umfasst.

 

Gemeinsam mit einem anwaltlichen Schreiben hat die Antragstellerin der vergebenden Stelle am 06.02.2020, somit lange nach Ablauf der Angebotsfrist, folgende Dokumente übermittelt:

 Mit der Bezeichnung „***“ ist jeweils ein Kurz- und ein Lang-Leistungsverzeichnis vorgelegt worden. Beide weisen nunmehr tatsächliche Mengenangaben auf. Auffallend ist die Verwendung einer jeweils gänzlich anderen (Dokumenten)Bezeichnung als dies bei den ursprünglich mit dem Angebot vorgelegten Leistungsverzeichnissen der Fall ist. Überdies wird bei der Unterschriftenzeile jeweils das Datum „06.02.2020" ausgeworfen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Mengenangaben erst nach Ablauf der Angebotsfrist getätigt worden sind.

 

c. In der Replik vom 17.03.2020 legt die Antragstellerin nochmals dar, warum aus ihrer Sicht das (ursprüngliche) Erstangebot den Ausschreibungsvorgaben entspricht. Letztlich hat das LVwG zu klären, ob die Leistungsverzeichnisse vom 18.12.2019 mit der Bezeichnung „***“ den bestandsfesten Ausschreibungsvorgaben entsprechen. Auf folgende Aspekte weist die Auftraggeberin jedoch hin:

 Aus der Ausschreibung ergibt sich unmissverständlich, dass auf Grundlage der Leistungsbeschreibung der Auftraggeberin ein Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs 2 BVergG vom Bieter vorzulegen ist. Dieses hat zwingend Mengenangaben zu enthalten. Streng genommen impliziert das Wort „Leistungsverzeichnis“ bereits den konstruktiven Charakter. Insofern ist der Antragstellerin zuzustimmen, dass die Formulierung „konstruktives Leistungsverzeichnis“ eine Tautologie im Sinne einer inhaltlichen Wiederholung darstellt. Man hätte mit den Bezeichnungen „konstruktive Leistungsbeschreibung“ oder „Leistungsverzeichnis“ bereits das Auslangen gefunden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Auftraggeberin in ihrer Ausschreibung bestandsfest ein Leistungsverzeichnis mit Mengenangaben gefordert hat. Dies ist für jeden durchschnittlichen Adressaten (mehr als) erkennbar gewesen.

 

 In § 128 BVergG 2018 wie in § 105 BVergG 2018 bedient sich der Gesetzgeber der Bezeichnung „Leistungsverzeichnis". Verwendet ein Gesetzgeber einen Begriff mehrmals, ohne ihn unterschiedlich zu umschreiben, so ist nach den allgemeinen Auslegungsregeln davon auszugehen, dass dasselbe gemeint wird (soweit bereits VwSlg 8447 A/1973). Insofern sind die Vorgaben des § 105 BVergG 2018 für die gegenständliche Konstellation - entgegen den Einwänden der Antragstellerin – sehr wohl von Belang. Der Forderung der Auftraggeberin in der Ausschreibung nach Vorlage eines Leistungsverzeichnisses im Sinne des BVergG 2018 ist die Antragstellerin nicht (fristgerecht) nachgekommen.

 

 Die auszugsweise vorgelegte Diplomarbeit (Beilage ./5) belegt die Sichtweise der Auftraggeberin, wonach es sich bei den Leistungsverzeichnissen der Antragstellerin vom 18.12.2019 um keine Leistungsverzeichnisse bzw um keine Leistungsverzeichnisse gemäß § 128 Abs 2 BVergG 2018 handelt. Wie in der Diplomarbeit ausgeführt, besteht ein Leistungsverzeichnis im Wesentlichen aus Positionen, die eine Leistung/Einheit mit einem Mengenansatz erfasst. in einem Leistungsverzeichnis kann es durchaus auch Positionen geben, die eine Leistung als Pauschale erfassen, in einem Leistungsverzeichnis kann es jedoch nicht ausschließlich Pauschalpositionen geben. Letztere sind (in untergeordnetem Ausmaß) eigentlich nur bei wenig komplexen Leistungen mit geringem Umfang vorgesehen. Derartige Simplifizierungen sind gegenständlich jedoch nicht zulässig. Überdies nimmt die angeführte Diplomarbeit auf die Ebene der Positionen und nicht auf die Ebene von ganzen Gewerken Bezug. Letzteres ist jedoch in den Dokumenten der Antragstellerin vom 18.12.2019 erfolgt. Beispielsweise wird „1 PA“ für die gesamte Leistungsgruppe (Gewerk) „Betone und Stahlbauarbeiten“ ausgewiesen. Hinter diesem Pauschalpaket verbergen sich eine Vielzahl einzelner Leistungen, die die Antragstellerin in einem Leistungsverzeichnis im Hinblick auf Menge und Preis runterbrechen hätte müssen! im geforderten „Vom Bieter zu erstellendes konstruktives Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs 2 BVergG“ wären daher jedenfalls einzelne Positionen mit Leistung und Menge zu erfassen gewesen. Es können zwar auch einige Pauschalpositionen enthalten sein, es kann aber nicht eine gesamte Leistungsgruppe als eine Pauschale ausgewiesen werden. Im letzteren Fall bewegt man sich bereits auf Ebene einer funktionalen Leistungsbeschreibung.

 

 Die nunmehr vorgelegte Kurz-Stellungnahme des Sachverständigen D(Beilage ./6) wird zur Kenntnis genommen. Bei deren Beweiswürdigung ist zu berücksichtigen, dass es sich um die Ausführungen eines Sachverständigen einer Partei handelt. Es ist auch nicht gänzlich gesichert, welches Dokument tatsächlich dem besagten Sachverständigen vorgelegen ist. Schließlich ist bemerkenswert, dass in der Kurz-Stellungnahme nicht bestätigt wird, dass es sich beim Dokument „***" um - wie in der bestandsfesten Ausschreibung gefordert – ein Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs 2 BVergG 2018 handelt. Mag sein, dass man den mit dem Erstangebot vorgelegten Dokumenten eine Bezeichnung als „Leistungsverzeichnis“ zubilligen kann, zumal sie auch als solche - wenn auch im Kontext mit den GU-Leistungen - tituliert werden. Es wird jedoch nicht der Ausschreibungsforderung nach Mengenangaben entsprochen, sodass der Auftraggeberin - wie bestandsfest angekündigt eine (vertiefte) Angebotsprüfung des Erstangebots verwehrt worden ist. Um der Antragstellerin auf gleicher Ebene zu begegnen, wird dieser Stellungnahme eine Einschätzung des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen E zu den von der Antragstellerin im Zuge des Erstangebots vorgelegten Dokumenten vom 18.122019 mit der Bezeichnung „***“ als Beilage ./A beigegeben.

 

 Es ist für die Auftraggeberin nicht glaubhaft, wenn nunmehr dargelegt wird, man wäre sich nicht im Klaren gewesen, dass ein Leistungsverzeichnis mit Mengenangaben und Einheitspreisen gefordert wird. Warum ist man im Stande gewesen, am 06.02.2020 unaufgefordert ein entsprechendes Leistungsverzeichnis in Kurz- und Langform vorzulegen? Noch dazu behauptet die Antragstellerin in ihrem verfahrenseinleitenden Schriftsatz, sie hätte bereits mit Ende der Angebotsfrist über ein entsprechendes Leistungsverzeichnis mit Mengen und Einheitspreisen verfügt.

 

 Für die Auftraggeberin ist auch nicht gesichert, dass die Antragstellerin bereits zum Ende der Angebotsfrist tatsächlich über ein Leistungsverzeichnis mit Mengen und Einheitspreisen verfügt hat. Warum weisen die am 06.022020 vorgelegten Dokumente gänzlich andere Bezeichnungen als die mit dem Erstangebot vorgelegten Dokumente auf? Wenn die Antragstellerin am 18.12.2019 tatsächlich bereits über ein Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs 2 BVergG 2018 verfügt hat, warum hat sie dieses nicht vorgelegt? Was hätte mit diesem Schritt bezweckt werden sollen, zumal man sich aufgrund der bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen bewusst sein hat müssen, dass die Auftraggeberin bereits bei den Erstangeboten eine formale und inhaltliche Prüfung beabsichtigt? Sollte eine vertiefte Angebotsprüfung vereitelt werden? Sollte die Tür offengelassen werden, ohne Erklärungsnotwendigkeit nachträgliche Verschiebungen innerhalb der Positionen vorzunehmen? Letzteres stellt nichts anderes als eine vergaberechtlich verpönte spekulative Preisgestaltung nach § 141 Abs i Z 3 BVergG 2018 dar.

 

 

 Schließlich ist auf den Vorwurf der Antragstellerin einzugehen, wonach die Auftraggeberin nicht in der Lage sei, den Unterschied zwischen einer funktionalen und einer konstruktiven Leistungsbeschreibung zu erkennen. Dies wird wiederum zur Kenntnis genommen Anzumerken ist, dass das „bloße“ Vorhandensein von Einheitspreisen mit Positionen noch kein Vorhandensein einer konstruktiven Leistungsbeschreibung bedingt. Ein Leistungsverzeichnis hat ermittelte Mengen für die jeweiligen Leistungen zu umfassen, dabei kann der Mengenansatz nicht durchgehend in der Zahl „1,00“ bestehen. Ebenso haben sich die Einheitspreise auf alle tatsächlich zu erbringenden Leistungen und nicht nur auf einzelne Leistungen bzw global (auf Ebene von Gewerken) zusammengefasste Pakete zu beziehen. Würde man im letzteren Fall - wie die Antragstellerin - bereits das Vorhandensein einer konstruktiven Leistungsbeschreibung annehmen, dann wäre auch die zweifellos funktionale Leistungsbeschreibung, die der Ausschreibung zugrunde gelegen ist, bereits als konstruktiv anzusehen. Dies kann nicht ernsthaft behauptet werden.

 

 

d. Abschließend zur Thematik „vom Bieter vorzulegendes Leistungsverzeichnis“ möchte die Auftraggeberin noch in Erinnerung rufen, warum der Gesetzgeber bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung überhaupt die Vorlage eines Leistungsverzeichnisses mit gewissen Mindestinhalten durch die Bieter fordert:

 Grundsätzlich ist bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung sicherzustellen, dass beide Seiten, Auftraggeber und Bieter, jeweils über dasselbe Verständnis der zu erbringenden Leistungen verfügen, Dies dient: zunächst der Bietergleichbehandlung im Vergabeverfahren. Darüber hinaus sollen aber auch Differenzen über den Leistungsinhalt in der Ausführungsphase hintangehalten werden. Der Auftraggeber beschreibt funktional seine Anforderungen und kann im Wege der Nachvollziehung der eingelangten Leistungsverzeichnisse überprüfen, welche Leistungsteile gegebenenfalls noch nachzuschärfen wären bzw welche Leistungsteile mit zu großen oder zu kleinen Mengenansätzen (im Vergleich zu seinen eigenen Ausschreibungsgrundlagen) versehen worden sind. Erst dadurch kann der Auftraggeber sicherstellen, dass tatsächlich der beschriebene Leistungsumfang für beide Seiten gleichlautend klar ist und abseits von Vollständigkeitsgarantien und ähnlichen rechtlichen Auffangmöglichkeiten Einigkeit über den Leistungsinhalt besteht. Diese gesetzlich indizierte Kontrollschleife ist konkret auf Basis der von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen nicht möglich.

 

 Gerade in einem Verhandlungsverfahren ist es unter Umständen notwendig, zur Zielerreichung in den einzelnen Verhandlungsstufen Anpassungen - insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung von Budgetzahlen - vorzunehmen Um ein Projekt allenfalls redimensionieren oder andere Leistungswege untersuchen zu können, ist es wiederum notwendig, die Kalkulationsansätze der Bieter zu kennen, um Preistreiber identifizieren zu können. Dies ist bei der konkreten Vorgehensweise der Antragstellerin gerade (bewusst?) nicht möglich, Der Auftraggeberin wird es verwehrt, Leistungsinhalte mit

überhöhten Ansätzen, sei es in der Menge oder im Preis, zu identifizieren, Klarstellung zu treffen und/oder in der nächsten Stufe der Verhandlungen gegebenenfalls gegenzusteuern.

 

3. …“

 

Mit Schriftsatz vom 13.03.2020 hat die ASt auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Die AG hat mit Schriftsatz vom 13.03.2020 bekannt gegeben, angesichts der zu klärenden Rechtsfrage keine zwingende Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung zu sehen und auch keine beantragt zu haben.

 

Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt:

 

Die AG hat mit Bekanntmachung am 06.08.2019 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union ein Verhandlungsverfahren zur Vergabe eines Bauauftrages eingeleitet.

Beabsichtigt ist die Vergabe von Generalunternehmerleistungen zum Neubau eines Veranstaltungszentrums samt Musikschule.

Das Vergabeverfahren wird als zweistufiges Verhandlungsverfahren durchgeführt und liegt im Oberschwellenbereich. In der ersten Stufe wurde aus jenen Unternehmen, deren Teilnahmeanträge fristgerecht eingegangen sind, eine Reihung der am besten geeigneten Bewerber vorgenommen, um in der zweiten Stufe das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot jener Bewerber zu ermitteln, die für die Angebotsabgabe nach der ersten Stufe ausgewählt wurden.

Die ASt hat rechtzeitig einen Teilnahmeantrag abgegeben.

Die AG hat der ASt mit Schriftsatz vom 23.10.2019 die Entscheidung mitgeteilt, diese zur Teilnahme an der zweiten Stufe des Vergabeverfahrens zuzulassen.

 

Die zur Angebotsabgabe eingeladenen Bewerber konnten sich auf der Ausschreibungsplattform „***“ die Angebotsunterlagen downloaden.

Das Ende der Angebotsfrist wurde mit 20.12.2019, 11.00 Uhr, festgesetzt.

 

Die ASt hat am 18.12.2019 ein Erstangebot abgegeben, dass den Ausfüllteil A2 der Ausschreibungsunterlagen, ein Formblatt K3, ein Bau- und Umsetzungskonzept, ein Bieterlückenverzeichnis und ein Lang- sowie ein Kurzleistungsverzeichnis, jeweils mit der Bezeichnung „***“ beinhaltete.

 

Die Angebotsöffnung fand am 20.12.2019, 11.10 Uhr, statt.

 

Die Ausschreibung wurde nicht angefochten. Bis dato wurde der Zuschlag nicht erteilt und das Vergabeverfahren nicht widerrufen.

 

Die Ast hat am 18.12.2019 das dem erkennenden Gericht vorliegende Erstangebot in der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens gelegt, auf welches sich die bekämpfte Ausscheidensentscheidung der AG bezieht.

 

Die ASt hat (nach der Angebotsöffnung in der zweiten Stufe) am 06.02.2020 ein weiteres Lang- und Kurzleistungsverzeichnis mit der Bezeichnung „***“ der AG übermittelt.

 

Die nicht angefochtenen Ausschreibungsunterlagen bestehen aus folgenden Kapiteln:

 A - Ausschreibungsunterlagen - Informationsteil A1 und Ausfüllteil A2

 B - Werkvertrag - Entwurf

 C - AVB - Entwurf

 D - Sonstige Unterlagen

 

 

Unter Punkt 1.7.3 Informationsteil A1 „Unklarheiten in den Ausschreibungsunterlagen“ wird festgelegt, dass, wenn nach Ansicht des Bieters bei der Auslegung des Ausschreibungstextes mehrere Möglichkeiten bestehen bzw. etwas unklar erscheine, der Bieter vor Abgabe seines Angebotes innerhalb der dafür vorgesehenen Frist eine Klärung mit dem AG herbeizuführen habe.

 

Unter Punkt 1.7.5 Informationsteil A1 wird unter anderem ausgeführt, dass der Bieter die gelb unterlegten Felder der gegenständlichen Ausschreibungsunterlagen, insbesondere des Ausfüllteiles A2, auszufüllen und die angeführten Unterlagen und Nachweise beizulegen habe. Das Angebot sei vom Bieter (bei Bietergemeinschaften von jedem Mitglied der Bietergemeinschaft) an der dafür vorgesehenen Stelle unter Punkt 0.14 in Anlage ./1 des Ausfüllteiles A2 einmal rechtsgültig zu unterfertigen.

Mit der rechtsgültigen Unterfertigung anerkenne der Bieter ohne Einschränkungen alle Bestimmungen dieser Ausschreibung (insbesondere die verfahrensrechtlichen Bestimmungen und die vertragsrechtlichen Vorgaben).

Der Auftraggeber mache ausdrücklich darauf aufmerksam, dass nur rechtzeitig ein-

gelangte, vollständig ausgefüllte, mit allen Nachweisen versehene und die

Formerfordernisse erfüllende Angebote bewertet würden.

 

Unter dem Punkt 1.18 Informationsteil A1 „Pflichten des Bieters“ ist in Unterpunkt 1 „Sorgfalt“ bestimmt:

„Der Bieter hat sein Angebot vollständig und sorgfältig zu erstellen. In diesem Sinne ist der Bieter angehalten im Sinne des § 128 Abs 1, 2 BVergG 2018 das Angebot derart zu erstellen, dass das zu erstellende Leistungsverzeichnis die Mengen und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung umfasst.“

 

Unterpunkt 2 lautet:

„Der Bieter hat sicherzustellen, dass er keine den Ausschreibungsunterlagen widersprechende Erklärungen abgibt. Die Abgabe den Ausschreibungsunterlagen wiedersprechender Erklärungen hat die Ausscheidung des Angebotes zu Folge.“

 

Laut Anlage ./1 Punkt 01. des Ausfüllteils A2 darf der Text der Ausschreibungsunterlagen weder geändert noch ergänzt werden und sind vom Bieter nur die gelb unterlegten Felder mit Eintragungen zu versehen und die allenfalls erforderlichen Beilagen anzuschließen.

 

Ebenfalls nach dieser Bestimmung anerkennen die Bieter, dass dem Angebot insbesondere (Anm.: unter anderem) die nachfolgenden Bestimmungen zugrunde liegen:

 

a. …

b. die in Punkt 0.2. beigeschlossenen Unterlagen;

c. die Angaben des Auftraggebers in der Bekanntmachung, in den Teilnahmeunterlagen und den Ausschreibungsunterlagen jeweils inklusive allen Anlagen und Beilagen;

d. der Werkvertrag (Kapitel B) inklusive allen Angaben und Beilagen;

e. die Allgemeinen Vertragsbedingungen (Kapitel C);

f. die sonstigen Unterlagen (Kapitel D)

g. …

 

Unter Punkt 0.2. sind elf, einen integrierenden Bestandteil des Angebotes bildende Unterlagen aufgezählt. Bei vier Unterlagen („Erklärung Bietergemeinschaft“, „Liste allfälliger Subunternehmer“, „Subunternehmererklärung“ und „Solidarhaftungserklärung“) hatten die Bieter die Möglichkeit, durch Ankreuzen von „JA“ oder „NEIN“ in den gelb unterlegten Feldern anzugeben, ob diese Unterlagen einen integrierenden Bestandteil des jeweiligen Angebotes bilden. Hinsichtlich der restlichen Unterlagen ist in der maßgeblichen Ausschreibungsunterlage ausschließlich die Möglichkeit eines Ankreuzens mit „JA“ vorgegeben.

 

Bei den so ausgewiesenen und so gekennzeichneten Unterlagen sind unter anderem genannt:

 „Ausgepreistes GU-Leistungsverzeichnis in .pdf und onlv“

 „Vom Bieter zu erstellendes konstruktives Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs 2 BVergG

 

Die ASt hat in ihrem Erstangebot in Bezug auf diese Unterlagen jeweils „JA“ angekreuzt.

 

Im Kapitel B „Werkvertrag“ werden unter Punkt A3 die Leistungsverzeichnis-Obergruppen 01 bis 06 zum Vertragsinhalt erhoben.

 

Laut Dokumentenverzeichnis der Ausschreibungsunterlagen wurde unter Punkt „04_LV_GU_funktional“ das Dokument „***“ in onlv und .pdf als Beschreibung der zu erbringenden Leistung zum Download bereitgehalten.

Diese Leistungsbeschreibung ist unterteilt in Obergruppen (OG), welche wiederum in Leistungsgruppen (LG) und Unterleistungsgruppen (ULG) untergliedert sind, innerhalb derer nach einzelnen Positionen (POS) die zu erbringenden Leistungen beschrieben werden.

In den LG der OG 01 finden sich zunächst in einer ULG zusätzliche (technische) Vorbemerkungen, anschließend in einer weiteren ULG eine „Funktionale Leistungsbeschreibung“ und in einer dritten ULG ist der Pauschalpreis für die jeweilige Leistung anzugeben.

 

Beispielsweise wird hier die in LG 07 „Beton- und Stahlarbeiten“ unter ULG 0702 angeführte „Funktionale Leistungsbeschreibung Beton-u. Stahlbetonarb.“ dargestellt:

0702 Funktionale Leistungsbeschreibung Beton-u.Stahlbetonarb.

 

070201 Ergänzende Beschreibung Beton- und Stahlbetonarbeiten

 

Die tragenden teile des Bauwerkes werden großteils in Stahlbeton (Ortbeton (LG 07) und Fertigteile(LG 16)) sowie teilweise in Holzbauweise (beschrieben und kalkuliert in LG 36) errichtet.

 

in Sämtliche Betonbauteile sind einschließlich Bewehrung, Schalung, Einbauteile, Sondereinbauteile, Fugenbänder und Fugenausbildung, etc. einzukalkulieren.

 

Außerdem sind alle Unterstellungen und überhohe Rüstungen einzukalkulieren.

 

Die entsprechenden Betonklassen und der Bewehrungsgehalt sind den Unterlagen TWP und Konstruktionsentwurf zu entnehmen.

 

Beschreibung des Tragwerkes:

 

 Das Tragwerk gliedert sich in ein Erdgeschoß, ein Obergeschoß und eine Technikgeschoß und ist nicht unterkellert.

 Sämtliche Stahlbetonbauteile wurden als Ortbetonbauteile ausgelegt und gemäß Euro Code 2 dimensioniert.

 Es wird eine Flachgründung in Form einer Stahlbetonplatte mit, im Wesentlichen, gleichbleibender Stärke ausgeführt.

 Die lastableitenden Bauteile befinden sich im Bereich der Außenwände und dervInnenwände aus STB-Wänden/Scheiben bzw. tw. in Stützen aufgelöst.

 Auskragende oder über Außenluft befindliche Bauteile werden bauphysikalisch vom restlichen Tragwerk getrennt oder entsprechend mit Wärmedämmung eingepackt.

 Decken werden im Wesentlichen als Flachdecken ausgeführt.

 Teile des Tragwerkes werden als Fertigteile (z.B.: Stiegen, Träger und Decke über Veranstaltungssaal) ausgeführt. Diese werden in der LG 16 erfasst.

 

Detaillierte Beschreibung der Tragwerke siehe Ausschreibungsbeilage:

- Tragwerksplanung Ausschreibungsplanung

- Tragwerksplanung Nutzlasten

 

Durch den AN sind folgende Leistungen Beton- und Stahlbetonarbeiten zu erbringen:

 

Flachgründungen, Bodenkonstruktionen:

 

 

 Rollierung (Trennlage und Sauberkeitsschicht) (beschrieben und kalkuliert in LG03)

 Glasschaumschotter (beschrieben und kalkuliert in LG03)

 Wenn erforderlich Auffüllen mit Magerbeton bzw. tragfähigem Material (siehe dazu auch LG 03 Roden, Baugrube, Sicherungen und Tiefengründungen).

 Fundamentplatten aus Beton C30/37 XC1 (gemäß Richtlinie für wasserundurchlässige Betonbauwerke - ÖVBB "Weisse Wanne") in unterschiedlichen Stärken.

 Anvoutungen im Bereich von Liftgruben, Kanälen, Kollektor in unterschiedlichen Stärken

 Verfüllen mit Magerbeton in den bezeichneten Bereichen (bei Rohrleitungen usw.)

 Gefälleausbildungen in Fundamentplatten aus Beton

 Gefällebeton aller Art

 weitere Einzelfundamente aus Beton nach Erfordernis.

 Einzelfundamente, Streifenfundamente, Sockelfundamente, etc. aus Beton in Freiflächen für beispielhaft Rigole, Leuchtenmaste, Einrichtungen Freiflächen, Abfallbehälter, Zäune und Tore, etc.

 

Siehe Ausschreibungsbeilagen im Besonderen:

- Ausschreibungsplanung

- Tragwerksplanung Ausschreibungsplanung

- Erschütterungsgutachten

- Geotechnisches Gutachten

- bodenchemisches Gutachten

- Freiraumplanung

 

Wände, Träger, Balken und Stützen:

 

 Wände in unterschiedlichen Stärken, aus Beton C25/30 bzw. C30/37 , XC1

 Wände werden teilweise schräg ausgeführt und teilweise schräg abgeschalt

 Konsolenausbildung aller Art, z.B.: für Auflagerung Laufplatten

 Balken aus Beton C30/37 , XC1 gemäß Konstruktionsentwurf

 Stützen rechteckig und rund aus Beton in unterschiedlichen Abmessungen, aus Beton C30/37 bzw. C40/50 , XC1 gemäß Konstruktionsentwurf

 Einbau von Hüllrohren aller Art, z.B.: für FT-Trägerauflagerung

 Brüstungen und Schürzen gemäß Konstruktionsentwurf

 

Siehe Ausschreibungsbeilagen im Besonderen:

 

- Ausschreibungsplanung

- Tragwerksplanung Ausschreibungsplanung

 

- Details:

- ***

- ***

- ***

- ***

 

Die FT-Träger über dem Veranstaltungssaal werden beschrieben und kalkuliert in der LG 16 Fertigteile.

 

Decken:

 

 Decken und Kragplatten in unterschiedlichen Stärken, aus Beton C30/37 , XC1 bzw. im Bereich auskragendes Vordach aus Beton C30/37 , B3

 einschließlich Deckenroste

 teilweise werden über Stützen rechteckige Deckenpilze in unterschiedlichen Dimensionen ausgeführt

 Ausführung der Decken in gerader und schräger Ausführung

 Podeste für FT-Stiegenläufe aus Beton

 

 

Siehe Ausschreibungsbeilagen im Besonderen:

- Ausschreibungsplanung

- Tragwerksplanung Ausschreibungsplanung

 

- Details:

- ***

 

 

Betonoberflächen als Nutzflächen ohne Bodenbelag sind mittels Flügelglätten und Schleifen herzustellen. Dabei ist die im Projekt geforderte Rutschhemmung zu erbringen.

 

Die Fertigteildecke über dem Veranstaltungssaal wird beschrieben und kalkuliert in der LG 16 Fertigteile.

 

Die FT-Stiegenlaufplatten werden beschrieben und kalkuliert in der LG 16 Fertigteile.

 

Siehe Ausschreibungsbeilagen im Besonderen:

- Ausschreibungsplanung

- Tragwerksplanung Ausschreibungsplanung

 

 

Schächte:

 

 Aufzugsschächte aus Beton C25/30 und C30/37 , XC1

 

 

 

Siehe Ausschreibungsbeilagen im Besonderen:

- Ausschreibungsplanung

- Tragwerksplanung Ausschreibungsplanung

 

 

Diverse Betonarbeiten Freibereich:

(beispielhaft)

 

 Einfassungsmauern an der Grundgrenze

 Einfriedung Müllplatz

 Auführung in unterschiedlichen Betonfestigkeiten und Umweltklassen

 Mauerkronen und dergleichen im Gefälle hergestellt und verrieben ausgeführt

 sichtbare Flächen sind gestockt auszuführen

 

 

Siehe Ausschreibungsbeilagen im Besonderen:

 

- Ausschreibungsplanung

- Tragwerksplanung Ausschreibungsplanung

 

 

Einbauteile und Fugen, beispielhaft:

 

 Rohrdurchführungen Kanal und Medieneinleitungen, als Bodendurchdringungen (seitliche Einführung in Fundamentplatte) mit entsprechenden Dichtmanschetten.

 Überschubrohre nach Erfordernis

 Ankerplatten und Ankerschienen nach Erfordernis.

 Elastomerlager nach Erfordernis.

 Konsolenlager für Stiegenhauspodeste

 Fugenbänder aller Art wie beispielhaft Arbeitsfugenbänder und Dehnfugenbänder

 Nicht rostender Bewehrungsstahl

 Dübelleisten und Durchstanzleisten

 Thermische Trennungen nach Erfordernis, Isokörbe aller Art

 Bügelkörbe, nach Erfordernis aus nicht rostendem Stahl

 Klappstecker und Bewehrungs-Rückbiegeanschlüße

 Alle erforderlichen Blitzschutzkomponenten

 

 

Siehe Ausschreibungsbeilagen im Besonderen:

- Ausschreibungsplanung

- Tragwerksplanung Ausschreibungsplanung

 

Nebenleistungen:

 

Sämtliche Nebenleistungen, auch wenn im LV und in den Ausschreibungsbeilagen nicht dezidiert angeführt, sind in die Einheitspreise / Pauschalpreise einkalkuliert.

 

Beispielhaft angeführt:

 

 Das Verwenden eines höheren Zementanteils, eines anderen Kornaufbaus oder einer höheren Festigkeitsklasse als gefordert, aus Gründen der Fertigung oder leichterer Einbringung des Betons, nach Wahl des AN im Einvernehmen mit dem Auftraggeber.

 Beton der Festigkeitsklassen bis C12/15 mit einer Expositionsklasse XO(A).

 Beton der Festigkeitsklassen über C12/15 mit der Expositionsklasse XC1.

 Bauteile mit Neigung aller Art (lot- oder waagrecht).

 Bei alle Räumen mit Bodenabläufen - Herstellen von Gefällebereichen zum Bodenablauf (ca. 1,2 x 1,2 m)

 Betonarbeiten bei Lufttemperaturen ab + 5 Grad C.

 Schutz bei stehenden Bewehrungsteilen, den gesetzlichen Vorschriften entsprechend (bei Durchmessern bis 10 mm werden Sicherheitsleisten verwendet).

 Absteifungen bei Schalungen einschließlich etwa notwendiger statischer Berechnungen (für bewehrten oder nicht bewehrten Beton).

 Das Abfasen der Kanten (z.B. bei Unterzügen, Säulen, Wänden) durch Einlegen von Dreikantleisten.

 Das Herstellen von Wassernasen, nach Wahl des AN.

 Die Durchdringung der Schalung (z.B. mit Fugenbändern, Bewehrung).

 Das wasserdichte Verschließen der Hüllrohre, wenn wasserundurchlässigem Beton (B2 bis B7) vereinbart ist.

 Das Einlegen und Verankern von Installations-Einbauteilen (z.B. Dosen, Rohre) durch andere AN des AG.

 Das Ausbilden aller erforderlichen Arbeitsfugen

 ggfs. erforderliche Beschleuniger auf Grund der kurzen Bauzeit

 Erschwernisse aller Art.

 

 

0703 Pauschalpreis Beton-u. Stahlbetonarbeiten

 

080301 Pauschalpreis Beton-u. Stahlbetonarbeiten

Angebotener Pauschalpreis der gesamten Leistungsgruppe 07 Beton-u. Stahlbetonarbeiten.

 

Lo . . . . . . . . . . . .

 

So . . . . . . . . . . . .

 

1 PA EP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

__________________________________________________________________________

LG 07 Beton-u. Stahlbetonarbeiten Summe …………..“

 

 

Die ASt hat bei der Erstellung ihres, dem Erstangebot beigelegten Langleistungsverzeichnisses, die Form dieses Dokumentes übernommen. Im Kurzleistungsverzeichnis fehlen die erklärenden Texte.

 

Das fristgerecht am 18.12.2019 abgegebene Erstangebot der ASt in der zweiten Stufe dieses Vergabeverfahrens enthält im Lang- und Kurzleistungsverzeichnis zu keiner Position Mengen- oder Preisangaben, mit Ausnahme einer sehr geringen Anzahl von Positionen, in denen Wartungsleistungen angeboten werden. Die ASt hat jeweils den Pauschalpreis in der jeweiligen LG, aufgegliedert in „Lohn“ und „Sonstiges“ ausgewiesen. Soweit Einheitspreise ausgewiesen sind, wurde von der ASt die Menge jeweils durchgehend mit „1,00“ angegeben.

 

In dem (nach der Angebotsöffnung) am 06.02.2020 übermittelten Lang- und Kurzleistungsverzeichnis wurden von der ASt nunmehr Mengen- und Preisangaben zu den jeweiligen Positionen erstattet.

 

Auszugsweise wird das am 06.02.2020 übermittelte Langleistungsverzeichnis zur LG „02 07 Beton- und Stahlarbeiten“

dargestellt.

 

02 07 01 02 Sauberkeitsschicht unter Betonfundamenten.

Bei geschalten Fundamenten wird allseitig 10 cm zum Planmaß dazugerechnet.

Abgerechnet nach Raummaß.

 

02 07 01 02 0 Toleranzen Stahl-und Betonbau Z

In Ergänzung zur Pos. 001912 Z, Toleranzen im Hochbau gilt als vereinbart:

Bei Widersprüchen innerhalb der geltenden Norm hinsichtlich der einzuhaltenden Toleranzen gilt jene Norm, welche den jeweils strengeren / höheren / besseren Wert aufweist.

Hochbau allgemein: ÖNORM DIN 18202 Betonbau: ÖNORM EN 13670, Toleranzklasse 1 Stahlbau: ÖNORM EN 1090 Schweißkonstruktionen: EN ISO 13920-B/F Widerstand: Eurocode inkl. NAD Beanspruchung: Eurocode inkl. NAD Baugrund: Geotechnisches Stellungnahme, Beurteilungsnachweis Prüfungen: Betonbau ÖNORM EN 206-1, ÖNORM B 4710-1 Prüfungen: Stahlbau ÖNORM EN 1090

 

02 07 01 02 A Sauberkeitsschicht C12/15 Z

Mit Beton der Festigkeitsklasse mindestens C12/15 .

Preisant 1 : ***

Preisant 2 : ***

149,00 m3 Einheitspreis : *** EUR ***

 

 

02 07 01 03 Unterbeton. Im Positionsstichwort sind die

Festigkeitsklasse des Betons und die Dicke angegeben.

 

02 07 01 03 0 Projektspezifische Anforderungen Betonbau Z

Für alle Punkte aus der Tabelle A1 der ÖNORM EN 13670 gilt, dass die Ausführung jedenfalls EC konform sein muss und so zu wählen ist, dass das Sicherheitsniveau des Tragwerks gemäß EN 1990 eingehalten wird.

Ausführungsklasse: ÖNORM EN 13670: EXC2 Überwachungsklasse: ÖNORM EN13670: 2

 

02 07 01 03 B Unterbeton C12/15 ü.10-15cm Z

Preisant 1 : ***

Preisant 2 : ***

7,50 m3 Einheitspreis : *** EUR ***

 

02 07 01 03 S Seitliche Schalungen Unterbeton Z

Seitliche Schalung über der planmäßigen Geländeoberkante. Abgerechnet wird die abgewickelte geschalte Fläche.

 

Preisant 1 : ***

Preisant 2 : ***

4,50 m2 Einheitspreis : *** EUR ***

 

02 07 01 03 V Bewehrung Stabstahl Unterbeton Z

Preisant 1 : ***

Preisant 2 : ***

600,00 kg Einheitspreis : *** EUR ***

 

 

 

 

Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Akteninhalt, insbesondere aus dem Erstangebot der ASt vom 18.12.2019, den der AG am 06.02.2020 nachgereichten Leistungsverzeichnissen und aus den von der AG übermittelten Ausschreibungsunterlagen.

 

 

Die zur Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes maßgeblichen Bestimmungen lauten wie folgt:

 

Gemäß § 4 Abs. 1 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz (NÖ VNG) obliegt die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.

 

Gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 leg.cit. ist bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf des Vergabeverfahrens das Landesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Artikel 14b Abs. 1 und 5 B-VG) oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 16) zuständig.

 

§ 6 Abs. 1 NÖ VNG

 

Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines den Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Art. 14b Abs. 1 und 5 B-VG) unterliegenden Vertrages behauptet, kann die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. In einem kann beantragt werden, nicht gesondert anfechtbare Entscheidungen, die dieser gesondert anfechtbaren Entscheidung zeitlich vorangegangen sind, nachzuprüfen.

 

Gemäß § 16 Abs. 1 NÖ VNG hat das Landesverwaltungsgericht eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn

1. sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte rechtswidrig ist und

2. die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

 

Gemäß § 2 Z 15 lit. a sublit. dd Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) ist die Entscheidung über das Ausscheiden eines Angebotes im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung eine gesondert anfechtbare Entscheidung.

 

§ 125 Abs. 1 BVergG 2018

 

Der Bieter hat sich bei der Erstellung des Angebotes an die Ausschreibungsunterlagen zu halten.

 

§ 128 BVergG 2018

 

(1) Bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung sind die Angebote so zu erstellen, dass Art und Umfang der Leistung eindeutig bestimmt, die Erfüllung der Anforderungen der Aufgabenstellung nachgewiesen, die Angemessenheit der geforderten Preise beurteilt und nach Abschluss der Leistung die vertragsgemäße Erfüllung zweifelsfrei geprüft werden kann.

(2) Das Angebot hat grundsätzlich ein vom Bieter zu erstellendes Leistungsverzeichnis mit Mengen- und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung zu umfassen. Diesem sind erforderlichenfalls Pläne und sonstige Unterlagen gemäß § 104 Abs. 2 samt eingehender Erläuterung des Leistungsverzeichnisses beizufügen.

(3) Das Angebot hat die Erklärung zu enthalten, dass der Bieter die Vollständigkeit seiner Angaben, insbesondere die von ihm selbst ermittelten Mengen, entweder ohne Einschränkung oder in einer in den Ausschreibungsunterlagen anzugebenden Mengentoleranz verantwortet.

(4) Im Angebot sind auch die Annahmen, zu denen der Bieter in besonderen Fällen gezwungen ist, weil zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe einzelne Teilleistungen nach Art und Menge noch nicht bestimmt werden können, erforderlichenfalls anhand von Plänen und Mengenermittlungen zu begründen.

(5) Abs. 1 bis 4 gelten nicht für Angebote in jenen Phasen eines Verhandlungsverfahrens, für die der öffentliche Auftraggeber noch kein vollständig ausgearbeitetes Angebot verlangt.

 

Gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 hat der öffentliche Auftraggeber aufgrund des Ergebnisses der Prüfung vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote, Teil-, Alternativ-, Varianten- und Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden, nicht gleichwertige Alternativ- oder Abänderungsangebote und Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind auszuscheiden.

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen wie folgt:

 

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt unbestrittenermaßen im Oberschwellenbereich.

Die gegenständliche Ausscheidungsentscheidung wurde der ASt von der AG am 31.01.2020 übermittelt.

 

Der verfahrensgegenständliche Antrag auf Nichtigerklärung langte beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 10.02.2020, um 13:55 Uhr, somit fristgerecht, weil innerhalb der zehntägigen Frist gemäß § 12 Abs. 1 NÖ VNG, ein.

Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren ist die Stadtgemeinde ***, somit eine öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 BVergG 2018.

 

Die ASt hat die Ausschreibungsunterlagen nicht angefochten. Sie sind daher bestandsfest (st. Rspr., z.B. VwGH 26. 11. 2010, 2008/04/0027, 0036;

BVA 2. 5. 2011, N/0021-BVA/10/2011-33). Alle Einwendungen gegen die Ausschreibungsunterlagen, insbesondere auch gegen die Festlegung der einzelnen Leistungspositionen oder unnötig erscheinender Leistungsdetaillierungen und betreffend das Erfordernis der damit verbundenen Auspreisung bzw. damit verbundener allfälliger Widersprüche, sind daher präkludiert (st. Rspr., z.B. VwGH 22. 6. 2011, 2011/04/0007; BVA 5. 8. 2011, N/0060-BVA/04/2011-20).

 

Die allgemeinen, für die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen maßgeblichen zivilrechtlichen Regelungen der §§ 914 ff ABGB sind auch im Vergaberecht anzuwenden (vgl. Rummel, Zivilrechtliche Probleme des Vergaberechts, ÖZW 1999, 1). Ausschreibungsunterlagen sind demnach nach ihrem objektiven Erklärungswert zu interpretieren. Es ist daher zunächst vom Wortlaut in seiner üblichen Bedeutung auszugehen. Dabei ist die Absicht der Parteien zu erforschen

und sind rechtsgeschäftliche Erklärungen so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Die aus einer Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen sind nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern danach, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war und somit, wie diese ein redlicher Erklärungsempfänger zu verstehen hatte. Dabei kommt es nicht auf den von einer Partei vermuteten Zweck der Ausschreibungsbestimmungen an, sondern ist vielmehr der objektive Erklärungswert der Ausschreibung maßgebend.

 

Unter Punkt 1.7.5 Informationsteil A1 wird unter anderem ausgeführt, dass der „Bieter die gelb unterlegten Felder der gegenständlichen Ausschreibungsunterlagen insbesondere des Ausfüllteils A2 auszufüllen und die angeführten Unterlagen und Nachweise beizulegen“ habe.

Mit der rechtsgültigen Unterfertigung anerkenne der Bieter ohne Einschränkungen alle Bestimmungen dieser Ausschreibung (insbesondere die verfahrensrechtlichen Bestimmungen und die vertragsrechtlichen Vorgaben).

Der Auftraggeber mache ausdrücklich darauf aufmerksam, dass nur rechtzeitig eingelangte, vollständig ausgefüllte, mit allen Nachweisen versehene und die

Formerfordernisse erfüllende Angebote bewertet würden.

 

Der objektive Erklärungswert dieser Bestimmung wurde von keiner Partei in Frage gestellt.

 

Unter dem Punkt 1.18 Informationsteil A1 wird unter der Überschrift „Pflichten des Bieters“ in Unterpunkt 1 „Sorgfalt“ bestimmt:

„Der Bieter hat sein Angebot vollständig und sorgfältig zu erstellen. In diesem Sinne ist der Bieter angehalten im Sinne des § 128 Abs. 1, 2 BVergG 2018 das Angebot derart zu erstellen, dass das zu erstellende Leistungsverzeichnis mit Mengen und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung umfasst.“

 

Auch wenn die ASt vermeint, dass sich aus dem Ausdruck „angehalten“ keine Verpflichtung des Bieters ergebe, so ist dem entgegenzuhalten, dass diese Bestimmung unter der Überschrift „Pflichten des Bieters“ und „Sorgfalt“ steht.

In diesem Zusammenhang ist unter „angehalten“ eindeutig eine Verpflichtung und nicht bloß eine dringende Empfehlung zu verstehen. Aus Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers kann der Ausdruck „angehalten“ nur als Verpflichtung verstanden werden, dass „im Sinne des § 128 Abs. 1, 2 BVergG 2018 das Angebot derart zu erstellen ist, dass das zu erstellende Leistungsverzeichnis mit Mengen und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung umfasst“ und dabei sorgfältig vorzugehen ist.

 

Die bestandsfeste Verpflichtung der Bieter nach Punkt 1.18 Informationsteil A1 lautet daher, dass ein Leistungsverzeichnis mit Mengen- und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung zu erstellen ist.

 

§ 103 BVergG lässt dem AG die Wahl, die Leistung konstruktiv oder funktional zu beschreiben, wobei im ersten Fall die Leistung eindeutig und vollständig und im zweiten Fall als Aufgabenstellung durch Festlegung von Leistungs- oder Funktionsanforderungen zu beschreiben ist.

 

Die funktionale Leistungsbeschreibung ist in § 95 Abs. 3 (nunmehr: § 103 Abs. 3 BVergG 2018) („als Aufgabenstellung durch Festlegung von Leistungs- oder Funktionsanforderungen“) definiert. In der Praxis muss allerdings immer berücksichtigt werden, dass – jedenfalls bei komplexen Beschaffungen wie etwa Bauleistungen – faktisch kaum „reine“ konstruktive oder funktionale Leistungsbeschreibungen vorkommen, sondern fast ausschließlich Mischformen. Einerseits enthalten auch standardisierte Bau-Leistungsverzeichnisse bereits eine Vielzahl funktional beschriebener Leistungspositionen, andererseits sind fast jeder als „funktional“ bezeichneten Leistungsbeschreibung auch konstruktive Elemente zu entnehmen (etwa die Festlegung gewisser Mengen oder auch von Produktqualitäten, die nicht bloß das Ziel beschreiben). Solche Mischformen, bei denen einige Leistungsteile konstruktiv und andere funktional beschrieben werden, sind auch zulässig. Daraus ergibt sich aber, dass die „idealtypische“ konstruktive oder funktionale Leistungsbeschreibung für die ganz überwiegende Anzahl an Ausschreibungen eher ein theoretisches Konstrukt als ein praktisch existentes Modell darstellt. Die Vorschriften des BVergG für die eine oder die andere Art der Leistungsbeschreibung sind daher bei den meisten Ausschreibungen immer nur auf die jeweiligen Teile der Leistungsbeschreibung anzuwenden. (Heid/Kurz in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht 4, S 422, RN 1176)

 

Die gegenständliche Leistungsbeschreibung in der Ausschreibung erfolgte, wie in den Feststellungen dargelegt, jedenfalls (laut obigem Beispiel) in den LG der OG 1 funktional.

Die bestandsfeste Ausschreibungsbestimmung in Punkt 1.1.8 („Der Bieter hat sein Angebot vollständig und sorgfältig zu erstellen. In diesem Sinne ist der Bieter angehalten im Sinne des § 128 Abs. 1, 2 BVergG 2018 das Angebot derart

zu stellen, dass das zu erstellende Leistungsverzeichnis mit Mengen und Preisangaben für alle Teile der funktional beschriebenen Leistung umfasst.“)des Informationsteils A1 legt jedoch zwingend fest, dass das Angebot für alle Teile der funktional beschriebenen Leistungen Mengen- und Preisangaben umfassen muss.

 

Das Erstangebot der Ast, welches von ihr vor der Bezug habenden Angebotsöffnung abgegeben wurde, hat jedoch keine Mengen- und Preisangaben in den jeweiligen Positionen enthalten, mit Ausnahme einer sehr geringen Anzahl von Positionen, in denen Wartungsleistungen angeboten werden. Die ASt hat jeweils den Pauschalpreis in der jeweiligen LG, aufgegliedert in „Lohn“ und „Sonstiges“ ausgewiesen. Soweit Einheitspreise ausgewiesen sind, wurde von der ASt die Menge jeweils durchgehend mit „1,00“ angegeben.

 

Deutlich wird dies vor allem durch den Vergleich mit dem von der ASt am 06.02.2020 vorgelegten Langleistungsverzeichnis, das zu den jeweiligen Positionen (nunmehr und nach der Angebotsöffnung) entsprechende Mengen- und Preisangaben enthielt.

 

Bestandsfest gefordert war laut Anlage ./1 Punkt 01. des Ausfüllteils A2 der Ausschreibungsunterlagen unter anderem auch, dass dem Angebot die in Punkt 0.2. beigeschlossenen Unterlagen beiliegen.

Unter Punkt 0.2. sind elf, einen integrierenden Bestandteil des Angebotes bildende Unterlagen aufgezählt. Bei vier Unterlagen („Erklärung Bietergemeinschaft“, „Liste allfälliger Subunternehmer“, „Subunternehmererklärung“ und „Solidarhaftungserklärung“) hatten die Bieter die Möglichkeit, durch Ankreuzen von „JA“ oder „NEIN“ in den gelb unterlegten Feldern anzugeben, ob diese Unterlagen einen integrierenden Bestandteil des jeweiligen Angebots bilden. Bei den restlichen Unterlagen bestand diese Wahlmöglichkeit nicht und war durch Ankreuzen des ausschließlich vorgegebenen Feldes „JA“ das Entsprechen seitens der Bieter gegenüber der AG nach vollständiger Vorlage der so unabdingbar geforderten Unterlagen zu dokumentieren, worunter sich eben auch folgende, zwingend und vollständig ausgefüllt vorzulegende Unterlagen zu befinden hatten:

 

 „Ausgepreistes GU-Leistungsverzeichnis in .pdf und onlv“

 „Vom Bieter zu erstellendes konstruktives Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs. 2 BVergG

 

Einem redlichen Verkehrsteilnehmer musste sich daher aus dieser Bestimmung erschließen, dass jene Unterlagen, bei denen keine Auswahlmöglichkeit mit „JA“ oder „NEIN“ bestand, jedenfalls einen integrierenden Bestandteil des Angebotes bildeten und beizulegen waren.

 

Darüber hinaus war festzustellen, dass die ASt auch bei diesen Teilen

 „Ausgepreistes GU-Leistungsverzeichnis in .pdf und onlv“

 „Vom Bieter zu erstellendes konstruktives Leistungsverzeichnis gemäß § 128 Abs 2 BVergG

„JA“ angekreuzt hatte.

 

Zwingend vorzulegen war daher unter anderem ein „konstruktives Leistungsverzeichnis“ gemäß § 128 Abs. 2 BVergG 2018.

Auch wenn dieser Begriff „konstruktives Leistungsverzeichnis“ dem BVergG fremd ist, so ist aus dem Verweis auf § 128 Abs. 2 BVergG, insbesondere für den fachkundigen Bieter, klar verständlich, dass damit ein Leistungsverzeichnis mit vollständigen Mengen- und Preisangaben zu verstehen war.

 

Die ASt hat hinsichtlich dieser Ausschreibungsbestimmung keine Anfragen an den AG gestellt und die Ausschreibung auch nicht bekämpft.

 

Wie bereits dargelegt, hat das von der ASt mit dem Erstangebot vorgelegte Leistungsverzeichnis keine im Sinne der Vorgabe des § 128 Abs. 2 BVergG 2018 vollständigen Mengen- und Preisangaben, mit den oben ausgeführten Einschränkungen, enthalten.

 

Ein Leistungsverzeichnis nach § 128 Abs. 2 BVergG hat aber Mengen- und Preisangaben zu den funktional beschriebenen Leistungen vollständig aufzuweisen.

 

Das Angebot der ASt widersprach auf Grund dessen erheblicher Unvollständigkeit in Bezug auf die von der AG mit den bestandsfest gewordenen Ausschreibungsbestimmungen an die Bieter gestellten Anforderungen hinsichtlich der Art und des Umfanges des zu legenden Angebotes diesen Ausschreibungsbestimmungen, wie auch den gesetzlichen Vorgaben des

§ 128 Abs. 2 BVergG 2018.

 

Den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote sind ohne Gewährung einer Verbesserungsmöglichkeit nach § 126 BVergG (nunmehr § 141) auszuscheiden (vgl Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thie-

nel, § 129 Rz 73). So hat auch der VwGH mit Erkenntnis zum OÖ Vergabegesetz vom 4. 9. 2009, Z 1: 2009/04/0181, zu der der Bestimmung des § 129 Abs 1 Z 7 BVergG wortgleich entsprechenden Regelung des § 28 Abs 6 Z 9 des damaligen OÖ Vergabegesetzes ausgesprochen, dass ein ausschreibungswidriges Angebot ohne weiteres auszuscheiden ist (vgl auch BVA 9.6.2009, N/0040-BVA/14/2009 –31).

 

Entgegen der von der ASt geäußerten Rechtsansicht hat auch das Erstangebot in der zweiten Stufe eines Verhandlungsverfahrens schon im Zeitpunkt der Angebotsöffnung den bestandsfesten Ausschreibungsbedingungen zu entsprechen.

 

Mag es auch Sinn des Verhandlungsverfahrens sein, dass in den

Verhandlungsrunden Konzepte zu optimieren sind, so ist dennoch festzuhalten, dass

im Verhandlungsverfahren bereits das Erstangebot den vorgegebenen

Ausschreibungsbedingungen zu entsprechen hat. An in einem

Verhandlungsverfahren zu legende Erstangebote ist ein strenger Maßstab

anzulegen. Widerspricht das Erstangebot den Mindestanforderungen der

Ausschreibung, so ist es auszuscheiden. Auf eine allfällige Möglichkeit, durch

Verhandlungen zu einem ausschreibungskonformen Angebot zu gelangen, wird nicht

Bedacht genommen (vgl. Fink/Heid in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht², (2010) [751]). (LVwG NÖ vom 01.02.2018, LVwG-VG-16/002-2017)

 

Auch nach der höchstgerichtlichen Judikatur des EuGH ist zum Verhandlungsverfahren ausgeführt, dass der Grundsatz der

Gleichbehandlung der Bieter verlangt, dass alle Angebote den Vorschriften der

Ausschreibungsunterlagen zu entsprechen haben, um einen objektiven Vergleich der

Angebote zu ermöglichen (EuGH 22.06.1993, Rs C-243/89 Kommission/Dänemark).

Widerspricht das Erstangebot im Verhandlungsverfahren den Mindestanforderungen

der Ausschreibungsbestimmungen, so ist ein solches Angebot auszuscheiden (vgl.

BVA 11.08.2008, N/0075-BVA/07/2008-36, 10.07.2009, N/0058-BVA/10/2009-25).

 

Nur ein im Sinne der gesetzlichen Vorgaben und der bestandsfest gewordenen Ausschreibungsbedingungen hinsichtlich der Preise und Mengen vollständig und detailliert ausgefülltes Angebot (welches sich hinsichtlich gesamter Leistungsgruppen nicht bloß mit dem Ausweisen eines Pauschalpreises trotz geforderter Angaben begnügt) ermöglicht dem Auftraggeber eine Bietergleichbehandlung im Vergabeverfahren im Sinne des § 20 Abs. 1 BvergG 2018, ein Hintanhalten von Differenzen über den Leistungsinhalt, ermöglicht eine Nachvollziehbarkeit sämtlicher gemäß den Vorgaben des Auftraggebers vorgelegter Unterlagen samt Leistungsverzeichnissen, eine vergleichende Kontrolle der Mengen- und Preisangaben aller gelegter Angebote, verschafft dem Auftraggeber die Kenntnis über die detaillierten Kalkulationsansätze und gewährleistet eine vollständige Vergleichbarkeit von Mengen und Preisen, allenfalls im Zuge einer vom Auftraggeber vorzunehmenden vertieften Angebotsprüfung.

Auf die Frage, ob eine vertiefte Angebotsprüfung tatsächlich stattfindet oder nicht, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, sind doch die Voraussetzungen hierfür durch den jeweiligen Bieter durch ein im Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorhandenes, vollständig ausgepreistes und mit Mengenangaben vollständig versehenes, feststehendes und somit in keiner Weise abänderbares Angebot zu schaffen.

Auf Grund der festzustellenden Ausschreibungswidrigkeit des Bezug habenden Angebotes der ASt stellt sich daher grundsätzlich auch nicht die Frage der Behebbarkeit eines Mangels.

 

Aber selbst dann, wenn man die fehlenden Mengen- und Preisangaben als Mangel ansehen wollte, wären diese als unbehebbare Mängel einzustufen.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind solche Mängel als unbehebbar zu qualifizieren, deren Behebung nach Anbotsöffnung zu einer Änderung der Wettbewerbsstellung der Bieter führen können. Bei der Abgrenzung zwischen behebbarem und unbehebbarem Mangel ist darauf abzustellen, ob durch die Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bieters gegenüber seinen Mitbewerbern materiell verbessert würde (VwGH 26.2.2003, 2001/04/0037; VwGH 25.4.2004,2003/04/0186; BVA 29.7.2009, N/0061-BVA/04/ 2009 –32 uva).

 

Ein unbehebbarer Mangel liegt nach der Judikatur dann vor, wenn nicht alle Bieter nach der Veröffentlichung der Bekanntmachung über denselben Zeitraum verfügen würden, um ihre Angebote auszuarbeiten, wenn also durch die Möglichkeit zur Mängelbehebung dem diesbezüglichen Bieter ein größerer Zeitraum eingeräumt würde. (z.B. VwGH 25.2.2004, 2003/04/0186; BVwG 4.5.2018, W138 2188714-2/22E, LVwG Stmk. 4.9.2015, LVwG 443.16-1915/2015, und BVA 3.9.2009, N/0079-BVA/08/2009-56)

 

Durch einen Mängelbehebungsauftrag wäre der ASt jedenfalls ein längerer Zeitraum zur Kalkulation und Ausarbeitung des Angebotes zur Verfügung gestanden, als den übrigen Bietern, was eine Ungleichbehandlung im Sinn der oben zitierten Judikatur zur Folge gehabt hätte. Wenn die ASt dazu vorbringt, dass die Kalkulation zur ausschreibungskonformen Erstellung des Leistungsverzeichnisses durch Angabe von Mengen und Preisen bereits vorgelegen sei, so ist dem entgegen zu halten, dass es unverständlich ist, warum dann das Erstangebot nicht gleich mit einem Leistungsverzeichnis wie jenem vom 06.02.2020 (Unterfertigung mit diesem Datum) abgegeben wurde, wie auch festzustellen ist, dass es auf ein konkretes Ausmaß einer „erforderlichen Verlängerung“ nicht ankommt, hat doch das eingereichte Angebot im Zeitpunkt der Angebotsöffnung vollständig und hinsichtlich der maßgeblich geforderten Teile, wozu jedenfalls Preise und Mengen laut Vorgaben des AG gehören, unveränderbar feststehend zu sein.

 

Wenn die ASt vorbringt, dass nach dem Urteil des EuGH vom 14.12.2016, C-171/15 ,

Connexxion Taxi Services, der Ausscheidensentscheidung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorauszugehen habe, so ist dem entgegen zu halten, dass diese Judikatur in Bezug auf das gegenständliche Verfahren nicht einschlägig ist, da dort geprüft wurde, ob bei schweren beruflichen Verfehlungen nach Art. 45 Abs 2 Buchstabe d der RL 2004/18 vom Ausscheiden eines Bieters unter bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden kann.

Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung findet sich nunmehr in § 78 BVergG 2018 im Zusammenhang mit dem Ausschluss von Unternehmern von der Teilnahme am Vergabeverfahren.

 

Die Abhaltung einer Nachprüfungsverhandlung konnte entfallen, da die Parteien des Verfahrens darauf verzichteten.

 

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

 

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