LVwG Kärnten KLVwG-1704/18/2021

LVwG KärntenKLVwG-1704/18/202127.6.2022

AVG §7 Abs1 Z3
AVG §13 Abs3
BauO Krnt §6
BauO Krnt §10 Abs1 litb
BauO Krnt §23

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGKA:2022:KLVwG.1704.18.2021

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Kärnten erkennt durch seinen Richter xxx über die Beschwerde der xxx, xxxstraße xxx, xxx, vertreten durch xxx Rechtsanwälte, xxxplatz xxx, xxx, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde xxx vom 26.07.2021, Zahl: Bau xxx, mit dem Mag. xxx, xxxstraße xxx, xxx, die Baubewilligung für das Vorhaben „Sanierung und Umbau des bestehenden Gebäudes, Abbruch Nebengebäude sowie Errichtung Carportanlage, Abbruch und Neuerrichtung Mauer“ auf dem Grundstück Nr. xxx, KG xxx, erteilt wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13.05.2022, gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, zu Recht:

 

 

I. Der Beschwerde wird mit der Maßgabe

 

 

s t a t t g e g e b e n ,

 

als der Antrag des Mag. xxx vom 31.03.2020, geändert und ergänzt mit Eingaben vom 26.06.2020, 01.12.2020 und 08.07.2021, um Erteilung der Baubewilligung für das Vorhaben „Sanierung und Umbau des ehemaligen Gemeindeamtes in ein Wohngebäude, Abbruch Nebengebäude und Errichtung Carportanlage, Abbruch und Neuerrichtung Mauer zu xxx“

 

 

z u r ü c k g e w i e s e n

wird.

 

II. Gemäß § 25a VwGG ist gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG

 

u n z u l ä s s i g .

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Sachverhalt

 

a) Verfahrensgang

 

Mit Bauansuchen vom 31.03.2020 beantragte Mag. xxx (im Weiteren mitbeteiligte Partei) die Erteilung der Baubewilligung für das Vorhaben „Sanierung und Umbau des ehemaligen Gemeindeamtes in ein Wohngebäude, Abbruch Nebengebäude und Errichtung Carportanlage“ auf dem Grundstück Nr. xxx, KG xxx. Mit abgeändertem Bauansuchen vom 26.06.2020 beantragte die mitbeteiligte Partei die Baubewilligung für das Vorhaben „Sanierung und Umbau des ehemaligen Gemeindeamtes in ein Wohngebäude, Abbruch Nebengebäude und Errichtung Carportanlage, Abbruch und Neuerrichtung Mauer zu xxx“ auf den Grundstücken Nr. xxx und xxx, beide KG xxx.

 

Mit Kundmachung vom 21.09.2020 erfolgte durch den Bürgermeister der Marktgemeinde xxx (im Weiteren belangte Behörde) die Anberaumung der mündlichen Verhandlung betreffend das Vorhaben „Sanierung und Umbau des bestehenden Gebäudes, Abbruch Nebengebäude sowie Errichtung Carportanlage, Abbruch und Neuerrichtung Mauer, Grundstück xxx, KG xxx“.

 

In der mündlichen Verhandlung wurde seitens xxx (im Weiteren Beschwerdeführerin) - soweit von Relevanz – zusammengefasst eingewendet, dass im Gegenstand offenkundig ein Überbau auf das Grundstück der Beschwerdeführerin vorliege, dessen Darstellung in den Einreichplänen fehle. Aufgrund der Planfehler habe die Beschwerdeführerin keine Möglichkeit, die Abstandsregelungen zu benennen und liege auch eine nutzungswidrige Änderung durch das Vorhaben vor.

 

Mit Schriftsatz vom 01.12.2020 wurde der belangten Behörde eine Ergänzung zum Bauansuchen in Form einer Plandarstellung der Abstandsfläche im südöstlichen Bereich des Vorhabens übermittelt. Der bautechnische Amtssachverständige der belangten Behörde erstattete zu dieser eine ergänzende Stellungnahme und wendete - nach Wahrung des Parteiengehöres - die Beschwerdeführerin in der Folge zusätzlich, soweit verfahrensrelevant, ein, dass Abstandsflächen durch das Vorhaben nicht eingehalten werden würden und sich der östliche Teil des von den Änderungen betroffenen Gebäudes auf ihrem Grundstück befinde. Weiters sei nach Ansicht der Beschwerdeführerin die Grundstücksgröße falsch angegeben, weshalb auch die GFZ‑Berechnung mangelhaft sei.

 

Mit Eingabe vom 08.07.2021 hat die mitbeteiligte Partei den im Bereich der Zufahrt geplanten Müllplatz aus der Baueinreichung zurückgezogen.

 

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 26.07.2021 erging unter Auflagen die Baubewilligung für das Vorhaben „Sanierung und Umbau des bestehenden Gebäudes, Abbruch Nebengebäude sowie Errichtung Carportanlage, Abbruch und Neuerrichtung Mauer“ auf dem Grundstück Nr. xxx, KG xxx. In der Begründung des Bescheides führt die belangte Behörde unter anderem aus, dass der bestehende Überbau durch das Vorhaben nicht verändert werde und nicht Teil des gegenständlichen Projektes sei.

 

Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 26.07.2021 hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht und bringt in dieser - soweit von Relevanz - vor, dass sie bereits im behördlichen Verfahren den Überbau eingewendet habe und dieser sehr wohl Teil des Projektes sei, weil er auch fest mit dem Hauptgebäude funktional verbunden sei. Auch werde die Nutzung der im Überbau ausgeführten Räumlichkeiten insofern geändert als diese nicht mehr als Lager, sondern als Technikraum genutzt werden würden. Die Baubehörde hätte sich nicht auf den rechtlich unrichtigen Standpunkt zurückziehen dürfen, dass die Ausführung des Überbaus, weil dieser bereits bestanden habe, nicht zu überprüfen sei.

 

Mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 17.09.2021 erfolgte gemäß § 10 VwGVG die Beschwerdemitteilung an die mitbeteiligte Partei. Diese hat sich zum Beschwerdevorbringen nicht geäußert.

 

Mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 29.09.2021 wurde die belangte Behörde aufgefordert, die Bescheide und Pläne betreffend den Bestand am Baugrundstück dem Verwaltungsgericht vorzulegen.

 

Mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 18.10.2021 wurde der hochbautechnische Amtssachverständige des Amtes der Kärntner Landesregierung um eine gutachterliche Stellungnahme zu gegenständlichem Vorhaben - unter Anschluss des Verwaltungsaktes und der von der belangten Behörde nachgereichten Pläne betreffend den Bestand am Baugrundstück - ersucht.

 

Mit Schreiben vom 12.04.2022 übermittelte der Amtssachverständige die hochbautechnische Stellungnahme zu gegenständlichem Bauvorhaben.

 

Mit weiterem Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 15.04.2022 erging der Auftrag an die belangte Behörde zum Bestand am Baugrundstück ergänzende Unterlagen zu übermitteln.

 

Mit Schreiben vom 14.04.2022 und 27.04.2022 wurden die hochbautechnische Stellungnahme des Amtssachverständigen sowie die weiteren Unterlagen der belangten Behörde zum Baubestand den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt.

 

Mit Schreiben vom 02.05.2022 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme, in welcher das im Verfahren vorgebrachte Vorbringen dem Grunde nach wiederholt wurde.

 

Am 13.05.2022 fand am Sitz des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. An dieser nahmen die Beschwerdeführerin und die mitbeteiligte Partei persönlich, deren Rechtsvertreter, Vertreter der belangten Behörde sowie der hochbautechnische Amtssachverständige teil. Im Rahmen der Verhandlung sind die Verfahrensparteien zum Sachverhalt befragt worden und wurde die vom Amtssachverständigen erstattete hochbautechnische Stellungnahme zum Bauvorhaben vom 12.04.2022 erörtert.

 

Die Beschwerdeführerin wendete in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht – erstmals – die Befangenheit der Verwaltungsorgane der belangten Behörde ein, weil diese Voreigentümerin und Verkäuferin der gegenständlichen Bauliegenschaft an die mitbeteiligte Partei gewesen sei. Die Beschwerdeführerin brachte im Übrigen vor, dass die belangte Behörde für die Inanspruchnahme des Fremdgrundes der Beschwerdeführerin eine Zustimmung von dieser hätte einfordern müssen, wie sie dies auch von der Grundeigentümerin der gegenüberliegenden Parzelle Nr. xxx getan habe. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei die Verpflichtung zur Einholung der Zustimmung der Beschwerdeführerin zum Bauvorhaben zwingend, dies ungeachtet dessen, dass die Gebäudeteile, die die Katastergrenze überragen, von baulichen Maßnahmen nicht betroffen seien, liege doch der beantragten Baubewilligung in Bezug auf den Gesamtbestand eine Nutzungsänderung zugrunde. Die Beschwerdeführerin erklärte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch ausdrücklich, dass sie die Zustimmung zu gegenständlichem Änderungsvorhaben nicht erteile. Die mitbeteiligte Partei und die belangte Behörde haben dazu angegeben, dass sich die Baumaßnahmen nicht auf den, sich am Grundstück der Beschwerdeführerin befindlichen Gebäudeteil beziehen.

 

b. Feststellungen

 

Das Baugrundstück Nr. xxx, KG xxx, zugeschrieben der EZ xxx, steht im Eigentum der mitbeteiligten Partei.

 

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des östlich an das Baugrundstück grenzenden Grundstückes Nr. xxx, KG xxx, zugeschrieben der EZ xxx.

 

Mit dem gegenständlichen Wohnbauvorhaben soll das bestehende ehemalige Gemeindeamt saniert und zu einem Mehrparteien-Wohnhaus mit sechs Wohneinheiten umgebaut werden. Nach dem Bauansuchen der mitbeteiligten Partei vom 31.03.2020, geändert mit 26.06.2020, und der allgemeinen Baubeschreibung, ebenso datiert mit 26.06.2020, ist vom gegenständlichen Änderungsvorhaben ebenso der Abbruch des bestehenden Nebengebäudes, in dem sich zurzeit das Lager, Garagen und eine Trafostation befinden, sowie die Errichtung einer Kompakt-Trafostation an der südlichen Grundgrenze des Baugrundstückes umfasst. Mit dem Vorhaben sollen das Dachgeschoss erneuert, die Hauptdachform (Walmdach) und die Gebäudehöhe jedoch beibehalten werden. Durch den Umbau des Bestandsgebäudes sollen die Gauben im Dachgeschoss an der Ost-, Nord- und Westseite durch größere ersetzt werden und nach Süden soll die bestehende Gaube zu einer großen Glasfassade mit Zugängen zum ebenfalls neuen Balkon erweitert werden. In den beiden Geschossen darunter sollen ebenfalls neue Balkone errichtet werden. Im Inneren des Bestandsgebäudes soll ein Aufzug errichtet werden. Im nordostseitigen Kellerraum ist eine Nutzungsänderung von „Lager“ in „Technik“ geplant. Das Kellergeschoss soll bis auf den neuen südseitigen Hauszugang zum Großteil eingeschüttet werden. Die erforderlichen Stellplätze sollen laut der Baubeschreibung südlich des Gebäudes auf Eigengrund errichtet werden. Ebenso wurde durch die mitbeteiligte Partei die Änderung des Verwendungszweckes des Gebäudes beantragt.

 

Die Eigentümerin des westlich an das Baugrundstück grenzenden Grundstückes Nr. xxx, KG xxx, hat mit der Zustimmungserklärung vom 19.06.2020 ihre Zustimmung zu gegenständlichem Bauvorhaben zur Überbauung der gemeinsamen Grundgrenze laut Einreichplanung erteilt.

 

Das Bestandsgebäude am Baugrundstück kommt mit untrennbaren Teilen auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin zu liegen. Die Gebäudeteile überragen sowohl im Untergeschoss als auch im Erdgeschoss die ostseitige Grundstücksgrenze und reichen die Teilbereiche der beiden Geschosse, die mit dem gegenständlichen Bestandsgebäude eine bauliche Einheit bilden, auf das Grundstück der Beschwerdeführerin.

 

Die Beschwerdeführerin spricht sich gegen das beantragte Bauvorhaben aus und erteilt zu diesem auch ausdrücklich nicht ihre Zustimmung.

 

 

II. Beweiswürdigung

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt des Bürgermeisters der Marktgemeinde xxx, den dem Bewilligungsbescheid des Bürgermeisters vom 26.07.2021 zugrundeliegenden Projektunterlagen (Einreichpläne vom 25.06.2020, beide xxx, Ergänzungsplan vom 25.11.2020, xxx, allgemeine Baubeschreibung vom 26.06.2020), dem Beschwerdevorbringen, den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren abgegebenen Stellungnahmen der Verfahrensparteien, der hochbautechnischen Stellungnahme vom 12.04.2022 und dem Ergebnis der am 13.05.2022 am Sitz des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, in deren Rahmen die genannte hochbautechnische Stellungnahme des Amtssachverständigen mit den Verfahrensparteien erörtert wurde.

 

Außer Streit steht, dass das Bestandsgebäude auf dem Baugrundstück zum Teil auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin liegt. Dies ergibt sich einerseits aus der gutachterlichen Stellungnahme des dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigezogenem bautechnischen Amtssachverständigen vom 12.04.2022 und ist dies auch aus den Einreichplänen ersichtlich. Ebenso haben die Verfahrensparteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht außer Streit gestellt, dass das Bestandsgebäude auf dem Baugrundstück, das von den Änderungsmaßnahmen betroffen ist, auf das Grundstück der Beschwerdeführerin ragt. Der bautechnische Amtssachverständige hat in der hochbautechnischen Stellungnahme vom 12.04.2022 schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die Teilbereiche des Untergeschosses als auch Erdgeschosses, die die ostseitige Grundstücksgrenze überragen und damit auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin zu liegen kommen, nicht eigenständige Gebäude darstellen, sondern untrennbar mit dem gesamten Bauvorhaben verbunden sind. Es liegt eine bauliche Einheit vor.

 

Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich nachweislich, dass die Beschwerdeführerin im behördlichen Verfahren mehrmals darauf hingewiesen hat, dass das vom Änderungsvorhaben betroffene Bestandsgebäude sich auch auf ihrem Grundstück befindet. Zum verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausdrücklich ihre Zustimmung nicht erteilt.

 

 

III. Rechtliche Beurteilung

 

a. Rechtsgrundlagen

 

Kärntner Bauordnung 1996 – K-BO 1996,

LGBl. Nr. 62/1996 idF LGBl. Nr. 73/2021

 

§ 6 Baubewilligungspflicht

Sofern es sich nicht um ein mitteilungspflichtiges Vorhaben nach § 7 handelt, bedarf einer Baubewilligung:

a) die Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen;

b) die Änderung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen;

c) die Änderung der Verwendung von Gebäuden oder Gebäudeteilen, sofern für die neue Verwendung andere öffentlich-rechtliche, insbesondere raumordnungsrechtliche Anforderungen gelten als für die bisherige Verwendung;

d) der Abbruch von Gebäuden, Gebäudeteilen, sonstigen baulichen Anlagen oder Teilen von solchen;

e) die Errichtung und die Änderung von zentralen Feuerungsanlagen mit einer Nennwärmeleistung über 50 kW, hinsichtlich der Etagenheizungen jedoch nur dann, wenn sie mit flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen betrieben werden.

 

§ 23 Parteien, Einwendungen

(1) Parteien des Baubewilligungsverfahrens sind:

a) der Antragsteller;

b) der Grundeigentümer;

c) die Miteigentümer des Baugrundstückes, deren Zustimmung nach § 10 Abs. 1 lit. b erforderlich ist;

d) der Eigentümer eines Superädifikates bei Bauführungen an diesem;

e) die Anrainer (Abs. 2).

(2) Anrainer sind, wenn subjektiv-öffentliche Rechte verletzt werden könnten,

a) die Eigentümer (Miteigentümer) aller im Einflussbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke;

[…]

(3) Anrainer gemäß Abs. 2 lit. a und b sind berechtigt, gegen die Erteilung der Baubewilligung nur begründete Einwendungen dahingehend zu erheben, dass sie durch das Vorhaben in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden, die ihnen durch die Bestimmungen dieses Gesetzes, der Kärntner Bauvorschriften, des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes eingeräumt werden, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz der Anrainer dienen. Einwendungen der Anrainer im Sinn des ersten Satzes können – vorbehaltlich des Abs. 3a – insbesondere gestützt werden auf Bestimmungen über

a) die widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes;

b) die Bebauungsweise;

c) die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes;

d) die Lage des Vorhabens;

e) die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken;

f) die Bebauungshöhe;

g) die Brandsicherheit;

h) den Schutz der Gesundheit der Anrainer;

i) den Immissionsschutz der Anrainer.

[…]

(4) Anrainer gemäß Abs. 2 lit. a und b sind bei einem Vorhaben nach § 6 lit. a, b, d und e, das sich auf ein Gebäude bezieht, welches ausschließlich Wohn-, Büro- oder Ordinationszwecken dient, einschließlich der zu seiner Nutzung erforderlichen baulichen Anlagen, nur berechtigt, Einwendungen gemäß Abs. 3 lit. b bis g zu erheben.

[…]

 

§ 10 Belege

(1) An Belegen sind beizubringen:

a) ein Beleg über das Grundeigentum;

b) ein Beleg über die Zustimmung des Grundeigentümers oder der Miteigentümer, wenn der Antragsteller nicht Eigentümer oder Alleineigentümer ist; […]

 

b. Erwägungen

 

1.

Für das Gebiet des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens kommt gemäß § 1 der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde xxx vom xxx.2012, GZ: xxx, der Textliche Bebauungsplan für das Gebiet der Marktgemeinde xxx zur Anwendung.

 

2.

Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist nach der K-BO 1996 in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (VwGH 12.12.2013, 2013/06/0064).

 

Die Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte im Fall des Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit eingeschränktem Mitspracherecht – wie eines Nachbarn im Baubewilligungsverfahren – ist auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich derer dieses Mitspracherecht als subjektiv-öffentliches Recht besteht. Parteibeschwerden im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG sind daher vom Verwaltungsgericht nur insoweit zu prüfen, als die Frage der Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten Gegenstand ist (VwGH 23.05.2017, Ro 2015/05/0021 und VwGH 01.08.2017, Ra 2017/06/0105). Das Verwaltungsgericht hat die Angelegenheit zu entscheiden, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war, bei Parteibeschwerden im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG von Parteien mit nur einzelnen subjektiv-öffentlichen Rechten aber stets nur im Rahmen dieser Bestimmung, also nur insoweit, als die Frage einer Verletzung derartiger subjektiv- öffentlicher Rechte Gegenstand ist; eine Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen Bescheids aus öffentlichen Interessen darf das Verwaltungsgericht aufgrund einer derartigen Parteibeschwerde hingegen nicht vornehmen (VwGH 16.02.2017, Ra 2015/05/0060). Grundeigentümern hingegen kommt im Baubewilligungsverfahren nur die eingeschränkte Parteistellung zu, ob die erforderliche Zustimmung zur Bauführung vorliegt oder nicht (VwGH 12.12.1990, 90/05/0078).

 

Parteienrechte können sich jedoch allgemein auch aus dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG ergeben (VwGH 30.01.2014, 2010/05/0154). Hinsichtlich des durch die Beschwerdeführerin erstmals in der verwaltungsgerichtlichen Verhandlung auf § 7 Abs. 1 Z 3 AVG gestützten Vorbringens der Anscheinsbefangenheit der Verwaltungsorgane der belangten Behörde, weil diese ursprünglich die Voreigentümerin und Verkäuferin des Baugrundstückes an die mitbeteiligte Partei gewesen sei, ist festzuhalten, dass der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde in hoheitlichen Belangen nicht dadurch beschränkt wird, dass sich der betreffende Hoheitsakt allenfalls auf Gemeindevermögen bezieht, weil auch ihren Organen selbst bei Vorhaben „in eigener Sache“ beziehungsweise solchen, an denen die Gemeinde wirtschaftlich beteiligt oder interessiert ist, grundsätzlich zugebilligt werden muss, dass sie ihre Entscheidung dennoch dem Gesetz entsprechend treffen. Allgemein kann - abgesehen von § 7 Abs. 1 Z 4 AVG - aus einer rechtmäßig ausgeübten amtlichen Tätigkeit allein, keine Befangenheit abgeleitet werden (Hengstschläger/Leeb, AVG § 7 [Stand 01.01.2014, rdb.at] Rz 15). Ein Judizieren „in eigener Sache“ bewirkt ebenso wenig wie ein wirtschaftliches Interesse der Gemeinde am Vorhaben, die Unzuständigkeit der Gemeindebehörden und ist Gemeindeorganen zuzugestehen, dass sie ungeachtet der Interessenslage der Gemeinde ihre Entscheidungen in behördlichen Angelegenheiten dem Gesetz entsprechend treffen (siehe zum Vorbringen einer beschwerdeführenden Partei, die Gemeinde sei als Eigentümerin eines Baugrundstückes „persönlich“ am Vorhaben interessiert VwGH 14.12.2004, 2004/05/089). Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Anscheinsbefangenheit der Verwaltungsorgane der belangten Behörde ist im Gegenstand zu verneinen.

 

3.

Zum Beschwerdevorbringen:

 

Die Beschwerdeführerin wendete mehrmalig im behördlichen als auch verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein, dass das vom Bauvorhaben bestehende Bestandsgebäude auf ihr Grundstück ragt. Eine Zustimmung zum Änderungsvorhaben des Bestandsgebäudes erteilt sie jedoch ausdrücklich nicht.

 

Selbst eine Nichterhebung von Einwendungen in einer mündlichen Bauverhandlung durch Miteigentümer kann nicht als Nachweis der Zustimmung angesehen werden. Gemäß § 10 Abs. 1 lit. b. K-BO 1996 ist ein Beleg über die Zustimmung des Grundeigentümers beizubringen. Nach der Rechtsprechung des VwGH muss die Zustimmung des Grundstückseigentümers liquid nachgewiesen werden. Liquid ist ein Nachweis dann, wenn ein entsprechender Beleg vorgelegt wird, aufgrund dessen es keinesfalls fraglich sein kann, ob die Zustimmung erteilt wurde (VwGH 27.02.1996, 95/05/0052). Die Zustimmung ist bis zur Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides erheblich und kommt der Beschwerdeführerin das bezügliche eingeschränkte Mitspracherecht nach der zitierten Rechtsprechung auch zu. Die Zustimmung ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes beachtlich. Aus welchen Gründen eine Zustimmung verweigert wird bzw. ob eine Berechtigung zur Verweigerung oder zum Widerruf einer allenfalls bereits erteilten Zustimmung vorliegt, ist keine im Verwaltungsverfahren zu lösende Frage (VwGH 11.10.1994, 94/05/0229 mwN).

 

Das verwaltungsgerichtliche Beweisverfahren hat ergeben, dass es sich beim gegenständlichen Bestandsgebäude um eine bauliche Einheit handelt, die sich über mehrere Grundstücke, eines davon ist jenes der Beschwerdeführerin, erstreckt. Im Verfahren wurde durch die Verfahrensparteien auch außer Streit gestellt, dass das Bestandsgebäude auch auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin zu liegen kommt. Das einzige von der mitbeteiligten Partei im gesamten Verfahren erstattete Vorbringen war, dass sich die Baumaßnahmen bei gegenständlichem Vorhaben nicht auf jenen Gebäudeteil, der auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin zu liegen kommt, beziehen. Die belangte Behörde hat im Bauverfahren die Zustimmung der Eigentümerin des westlich an das Baugrundstück grenzenden Grundstückes Nr. xxx, KG xxx, eingeholt, jene der Beschwerdeführerin jedoch nicht. Dem Vorbringen, dass die Zustimmung im Fall der Beschwerdeführerin deshalb nicht eingeholt wurde, weil sich die baulichen Maßnahmen nicht auf den Gebäudeteil auf deren Grundstück beziehen, folgt das erkennende Gericht nicht, zumal das verwaltungsgerichtliche Beweisverfahren auch eindeutig ergeben hat, dass sich das Bauvorhaben auf ein einheitliches Bauwerk bezieht, welches Umbaumaßnahmen und einer Verwendungsänderung unterzogen werden soll. Der auf das Grundstück der Beschwerdeführerin ragende Gebäudeteil ist untrennbar mit dem vom Vorhaben umfassten Bestandsgebäude verbunden und stellt mit diesem eine bauliche Einheit dar. Der Umbau des Bestandsgebäudes bedarf daher ebenso der Zustimmung der Beschwerdeführerin, die jedoch durch diese ausdrücklich nicht erteilt wird.

 

Das Fehlen des Nachweises der Zustimmung des Grundstückeigentümers ist grundsätzlich gemäß § 13 Abs. 3 AVG als Formgebrechen behebbar. Eines Auftrages zur Beseitigung des Formgebrechens bedarf es allerdings nicht mehr, wenn feststeht, dass der Bauwerber diesen Nachweis nicht erbringen vermag (VwGH 28.03.1977, VwSlg 9284 A/1977). Gemäß der höchstgerichtlichen Judikatur, ist dann, wenn sich der Grundeigentümer gegen das Vorhaben ausgesprochen hat, ein Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG nicht mehr anzuordnen, vielmehr ist sogleich mit einer Versagung vorzugehen (VwGH 15.11.1984, 84/06/0126). Die Beschwerdeführerin hat ausdrücklich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ihre Zustimmung zu gegenständlichem Bauvorhaben nicht erteilt und ist das Erfordernis des Vorliegens des liquiden Nachweises der Zustimmung nicht erfüllt. Das verfahrensgegenständliche Bauansuchen ist mangelhaft belegt und war dieses bereits aus diesem Grund zurückzuweisen (VwGH 09.04.1992, 92/06/0054). Auf das weitere Beschwerdevorbringen war daher nicht weiter einzugehen. Nach der Rechtsprechung hat das Erfordernis des liquiden Nachweises der Zustimmung zur Folge, dass ohne solchen Nachweis in das Bauverfahren nicht weiter einzugehen ist.

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

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