VwGH 95/05/0052

VwGH95/05/005227.2.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. der ED in W und 2. des Dr. LD, Rechtsanwalt in W, die Erstbeschwerdeführerin vertreten durch den Zweitbeschwerdeführer, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Dezember 1994, Zl. MD-VfR - B XVII - 41/94, betreffend Abbruchsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §62;
BauO Wr §63 Abs1 litc;
BauO Wr §70 Abs1;
BauRallg;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §62;
BauO Wr §63 Abs1 litc;
BauO Wr §70 Abs1;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm im Spruchpunkt 2.) die Entfernung von Wänden angeordnet worden ist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 11.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 30. August 1994 erging gemäß § 129 Abs. 1 und 10 Bauordnung für Wien gegenüber den Eigentümern des Hauses T-Straße 20 (u.a. die Beschwerdeführer) folgender Auftrag:

  1. "1.) Die widmungswidrigen Verwendungen eines Teiles des Ganges als Vorraum, der Waschküche als Abstellraum, die "(richtig wohl: der)" Dachräume A + E als Vorraum, der Dachraum B als Waschküche und die Dachbodenräume D + C als Zimmer sind aufzulassen.
  2. 2.) Die ohne Baubewilligung durchgeführten baulichen Änderungen, und zwar die errichteten Wände im Dachgeschoß in der Wohnung Nr. 10, sind zu entfernen und die entfernte Wand zwischen Dachraum D und Zimmer ist konsensmäßig herzustellen.
  3. 3.) Weiters ist in der Wohnung Nr. 12 auf der hofseitigen Terrasse die errichtete Stahlkonstruktion im Ausmaß von ca. 5,00 m x 2,40 m und einer max. Höhe von ca. 2,30 m ebenfalls zu entfernen und der konsensmäßige Zustand herzustellen.

Die Maßnahmen nach Punkt 1.) bis 3.) ist "(wohl richtig: sind)" binnen drei Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides durchzuführen."

Aufgrund der von den Beschwerdeführern dagegen erhobenen Berufung wurde der erstinstanzliche Bescheid mit dem angefochtenen Bescheid dahingehend abgeändert, daß der erste Absatz folgendermaßen zu lauten hat:

"Der Magistrat erteilt gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) den Eigentümern des Hauses T-Straße 20 nachstehenden Auftrag:".

Weiters wurde angeordnet, daß Punkt 1 zu entfallen habe. Im übrigen wurde die Berufung abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Zu den bestätigten Spruchpunkten 2.) und

3.) des erstinstanzlichen Bescheides führte die belangte Behörde folgendes aus:

In bezug auf Spruchpunkt 2.) befänden sich die Beschwerdeführer im Irrtum, wenn sie annehmen, daß Bauführungen gemäß § 62 Bauordnung für Wien ohne behördliche Kenntnis erfolgen könnten. Diese Bestimmung führe ausdrücklich aus, daß vor Beginn der in dieser Gesetzesbestimmung angeführten Bauführungen innerhalb von Wohnungen oder Betriebseinheiten die Kenntnisnahme einer Bauanzeige zu erwirken sei. § 62 Abs. 4 leg. cit. lege ausdrücklich fest, daß erst nach Erlassung des Bescheides, mit dem eine Bauanzeige zur Kenntnis genommen worden sei, mit den Baumaßnahmen begonnen werden dürfe. Die Beschwerdeführer hätten weder behauptet noch nachgewiesen, daß eine Bauanzeige erstattet und diese bescheidmäßig zur Kenntnis genommen worden sei. Die Anwendung des § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien sei daher gerechtfertigt. Bei der Errichtung einer Terrassenüberdachung der Wohnung Nr. 12, die Gegenstand des Spruchpunktes 3.) sei, handle es sich nicht um eine Bauführung innerhalb einer Wohnung, sondern um einen Zubau. Ein Zubau sei gemäß § 60 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien genehmigungspflichtig. Das Vorliegen einer diesbezüglichen Genehmigung sei nicht behauptet worden, sodaß diese Bauführung ebenfalls unbestritten konsenslos erfolgt sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 34/1992 (im folgenden: BO), ist u.a. für folgende Bauführungen, soweit nicht § 62 zur Anwendung kommt, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

"a) Neu-, Zu- und Umbauten. ... Zubauten sind alle

Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder

lotrechter Richtung. ... .

b) ...

c) Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und

baulichen Anlagen, wenn ... durch sie das äußere Ansehen

oder die Raumeinteilung geändert wird,

... ."

Gemäß § 62 Abs. 1 BO in der angeführten Fassung ist bei Bauführungen innerhalb von Wohnungen oder Betriebseinheiten, die nicht von Einfluß auf die statischen Verhältnisse des Hauses oder der baulichen Anlage sind, weder eine Änderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes oder der baulichen Anlage bewirken noch gemeinsame Teile des Hauses, der baulichen Anlage oder Liegenschaft in Anspruch nehmen noch die Umwidmung von Wohnungen auf Arbeitsräume, Büroräume, Verkaufsräume, Versammlungsräume, Gaststätten und Räume mit ähnlicher Funktion sowie Lagerräume betreffen, vor Beginn die Kenntnisnahme einer Bauanzeige zu erwirken. Gemäß § 62 Abs. 3 BO hat die Kenntnisnahme einer Bauanzeige innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Einlangen bei der Behörde mit schriftlichem Bescheid zu erfolgen oder ist mit schriftlichem Bescheid zu verweigern, wenn die zur Anzeige gebrachten Baumaßnahmen nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen oder Gründe dafür sprechen, daß die Baumaßnahmen einer Baubewilligung bedürfen. Gemäß § 62 Abs. 4 BO darf mit den Baumaßnahmen nach der Erlassung des Bescheides, mit dem eine Bauanzeige zur Kenntnis genommen wird, begonnen werden.

§ 129 Abs. 10 erster Satz BO in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 18/1976 sieht vor, daß Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben sind und der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen ist.

Die Beschwerdeführer machen zunächst in bezug auf Spruchpunkt 2.) des angefochtenen Bescheides geltend, daß sich ein Beseitigungsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO nur auf vorschriftswidrige Bauten beziehen könne, die einer baurechtlichen Bewilligungspflicht unterliegen. Diese Bestimmung könne nicht in bezug auf Baumaßnahmen herangezogen werden, welche der Baubehörde gemäß § 62 BO nur durch Anzeige zur Kenntnis zu bringen seien.

Der angesprochene Spruchpunkt 2.) enthält einen Abbruchsauftrag in bezug auf im Dachgeschoß des verfahrensgegenständlichen Hauses in der Wohnung Nr. 10 errichtete Wände und die konsensgemäße Herstellung der zwischen dem Dachraum D und einem Zimmer entfernten Wand. Bei den in der Wohnung Nr. 10 im Dachgeschoß errichteten Wänden handelt es sich um Bauführungen innerhalb einer Wohnung im Sinne des § 62 BO. Es ist den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang Recht zu geben, daß sich Beseitigungsaufträge gemäß § 129 Abs. 10 erster Satz BO nur auf solche vorschriftswidrigen Bauten beziehen können, die gemäß der BO bewilligungspflichtig sind. Die im vorliegenden Verfahren anzuwendende BO unterscheidet zwischen Bauführungen, die einer Bewilligung bedürfen (§ 60 leg. cit.), und Bauführungen, die der Baubehörde lediglich anzuzeigen sind. Auch wenn gemäß § 62 BO bei anzeigepflichtigen Bauführungen die Kenntnisnahme der Bauanzeige bescheidmäßig zu erfolgen hat, kann daraus nicht abgeleitet werden, daß auch diese Kenntnisnahme der Bauanzeige eine Bewilligung im Sinne der BO (und also auch des § 129 Abs. 10 erster Satz BO) darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 94/05/0250). Der vorliegende Beseitigungsauftrag in bezug auf die errichteten Wände im Dachgeschoß in der Wohnung Nr. 10 stellt sich somit als inhaltlich rechtswidrig dar.

Soweit der angeführte Spruchpunkt 2.) die zwischen dem Dachraum D und einem Zimmer entfernte Wand betrifft, handelt es sich nicht um eine Bauführung gemäß § 62 BO, da diese nicht nur innerhalb einer Wohnung erfolgt ist, sondern vielmehr um eine Änderung gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO, mit der die Raumeinteilung im Dachgeschoß (über eine Wohnung hinaus) geändert wurde. Die belangte Behörde durfte daher zulässigerweise, gestützt auf § 129 Abs. 10 erster Satz BO, nach dem u.a. Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben sind, die konsensmäßige Herstellung der entfernten Wand zwischen Dachraum D und dem Zimmer anordnen.

Sofern in der Beschwerde in bezug auf Spruchpunkt 3.) des von der belangten Behörde bestätigten erstinstanzlichen Bescheides in Frage gestellt wird, ob es sich bei der Überdachung der Terrasse überhaupt um eine bewilligungspflichtige Bauführung handelt, genügt es - ohne die Frage klären zu müssen, ob dies einen Zubau darstellt -, darauf hinzuweisen, daß die Überdachung einer Terrasse jedenfalls eine Maßnahme im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c BO darstellt, durch die das äußere Ansehen des Gebäudes geändert wird.

Die Beschwerdeführer sind auch nicht im Recht, wenn sie meinen, die belangte Behörde hätte im Zeitpunkt ihrer Entscheidung prüfen müssen, ob die einzige Voraussetzung, die im Baubewilligungsverfahren noch fehlte, nämlich die Zustimmung einer Miteigentümerin, im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht bereits vorgelegen sei. Die belangte Behörde hatte in bezug auf die Baubewilligung auf Grund des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einzig und allein zu prüfen, ob im Zeitpunkt ihrer Entscheidung eine nachträgliche Bewilligung der in Frage stehenden baulichen Veränderungen vorlag. Daß eine solche im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde erteilt worden wäre, wird von den Beschwerdeführern nicht behauptet. Schon im Hinblick darauf kommt dem weiteren Argument der Beschwerdeführer, die einzige noch fehlende Voraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung, die Zustimmung einer Miteigentümerin zu dieser baulichen Maßnahme, sei dadurch erfolgt, daß in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 1994 von dieser Miteigentümerin keine Einwendungen erhoben worden waren, keine Bedeutung zu. Abgesehen davon ist auf die hg. Judikatur (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 3. März 1959, Slg. Nr. 4894/A, und vom 24. Februar 1976, Slg. Nr. 8995/A) zu verweisen, nach der die Zustimmung des Grundeigentümers liquid nachgewiesen werden muß. Liquid ist ein Nachweis dann, wenn ein entsprechender Beleg vorgelegt wird, aufgrund dessen es keinesfalls fraglich sein kann, ob die Zustimmung erteilt wurde. Die Nichterhebung von Einwendungen in einer mündlichen Bauverhandlung kann nicht als ein solcher liquider Nachweis der Zustimmung der Miteigentümerin angesehen werden.

Der angefochtene Bescheid war, soweit er den Beseitigungsauftrag im Spruchpunkt 2.) betrifft, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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