LVwG Burgenland E 157/09/2023.006/002

LVwG BurgenlandE 157/09/2023.006/00219.6.2023

VVG §4
VVG §5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGBU:2023:E.157.09.2023.006.002

 

 

 

 

Zahl: E 157/09/2023.006/002 Eisenstadt, am 19.06.2023

 

 

 

 

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Burgenland erkennt durch seinen Richter Mag. Leitner über die Beschwerde des Herrn BF, wohnhaft in ***, ***, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt RA in ***, vom 04.04.2023 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft *** vom 08.03.2023, Zl. ***, in einem Verfahren nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz,

 

 

zu Recht:

 

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Verfahrensverlauf, Sachverhalt:

 

Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde [KG] vom 05.10.2018, Zahl *** wurde der nunmehrige Beschwerdeführer zu folgender Leistung verpflichtet:

 

1) Einschränkung der Tierhaltung auf den Gst. Nr. [NR1] und [NR2] auf die maximale Stückzahl von 7 Hühnern, 5 Gänsen und 7 Enten.

 

2) Verwahrung der Tiere während der Zeit der täglichen Nachtruhe (22 Uhr bis 6 Uhr) in einem verschlossenen Stall.

 

Mit Schreiben der BH *** vom 21.04.2022, Zahl ***, wurde die Verhängung einer Zwangsstrafe angedroht, da sich aus einer Mitteilung der Gemeinde [KG] vom 28.02.2023 ergibt, dass der Verpflichtung nicht nachgekommen wurde, da die Tierhaltung die erlaubte Anzahl übersteigt.

 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft *** vom 08.03.2023, Zahl: ***, wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 5 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 eine Zwangsstrafe in der Höhe von 2.000 Euro angeordnet.

 

In der Bescheid Begründung wird ausgeführt, dass am 01.03.2023 eine Kontrolle durch Beamte der Gemeinde [KG] erfolgt und über den aktuellen Zustand eine Lichtbildbeilage angefertigt worden sei. Bei der Kontrolle sei festgestellt worden, dass die höchstzulässige Anzahl an Hühnern und Gänsen überschritten und auch Pfaue gehalten worden seien.

 

Gegen den Bescheid der BH *** vom 08.03.2023 richtet sich die vorliegende Beschwerde.

 

Nach Angaben zum Verfahrensverlauf und zum Inhalt des Titelbescheids wird in der Beschwerde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht Eigentümer der beiden relevanten Grundstücke sei. Auch gebe es keinen Bestandsvertrag oder sonstigen Vertrag mit dem Eigentümer (oder mit einem Fruchtgenussberechtigten oder einem Hauptbestandnehmer, die es aber nicht gibt), der ihn zur Nutzung dieser Grundstücke berechtige. Dementsprechend sei er dem Eigentümer gegenüber nicht zur Verwahrung von Tieren berechtigt und daher auch den Behörden gegenüber nicht als Verwahrer anzusehen. Tatsächlich verwahre er diese Tiere nicht. Die Tiere stünden nicht in seinem Eigentum. Somit sei er der unrichtige Adressat des angefochtenen Bescheides.

 

Bei der am 01.03.2023 erfolgten Kontrolle sei lediglich festgestellt worden, dass die Anzahl der Tiere überschritten sei. Nicht festgestellt (und offensichtlich nicht kontrolliert) worden sei, ob all diese Tiere auf diesem Grundstück auch tatsächlich verwahrt bzw. gehalten wurden oder aber von einem anderen Grundstück zugelaufen seien, bzw. wie viele dieser Tiere dort verwahrt worden seien und ob die über die erlaubte Anzahl hinausgehenden Tiere von einem anderen Grundstück zugelaufen seien.

 

Tatsächlich würden sich die Tiere, jedenfalls die obige Überzahl der Tiere, auf den benachbarten, im gemischten Baugebiet liegenden Grundstücke [NR3] und [NR4] KG [KG] befinden; dies deshalb, weil diese Grundstücke mit Gras bewachsen seien, nicht jedoch die beiden verfahrensgegenständlichen Grundstücke. Die Tiere könnten von den mit Gras bewachsen Grundstücken deshalb auf die beiden verfahrensgegenständlichen Grundstücke gelangen, weil sich auf dem Grundstück [NR5] KG [KG] eine Baustelle befinde. Die Grundfläche dieses Grundstückes sowie die Grundflächen aller vier vorgenannten Grundstücke grenzten unmittelbar aneinander. Im Zuge der Bauarbeiten auf dem Grundstück [NR5] KG [KG] seien auch die bauliche Abtrennung und die Einfriedung zu allen vier oben genannten Grundstücken zumindest teilweise entfernt worden, wodurch Tiere auf die beiden verfahrensgegenständlichen Grundstücke gelangen könnten.

 

Daran treffe aber den Verwahrer kein Verschulden, zumal davon im Zweifel und bis zum Beweis des Gegenteils durch die Behörde auszugehen sei. Dieser Beweis habe aber nicht erbracht werden können, womit die Zwangsstrafe zu Unrecht verhängt wurde.

 

Ebenso wenig sei bei der am 01.03.2023 erfolgten Kontrolle festgestellt worden, dass die Tiere während der Zeit der täglichen Nachtruhe (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) nicht in einem verschlossenen Stall verwahrt würden, dies sei auch sonst nicht festgestellt worden.

 

Somit sei auch diesbezüglich im Zweifel und bis zum Beweis des Gegenteils durch die Behörde davon auszugehen, dass den Beschwerdeführer daran kein Verschulden treffe.

 

Aus all diesen Gründen würden folgende Anträge an das Landesverwaltungsgericht Burgenland gestellt: In der Sache selbst zu entscheiden und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu Ergänzung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen.

 

Beweiswürdigung:

 

Der  Sachverhalt  ergibt  sich aus dem von der Behörde vorgelegten Verfahrensakt.

 

Rechtliche Beurteilung:

 

Die in diesem Verfahren anzuwendenden Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 – VVG, BGBl. Nr. 53/1991 idF. BGBl. I Nr. 14/2022, lauten:

 

§ 2:

„(1) Bei der Handhabung der in diesem Bundesgesetz geregelten Zwangsbefugnisse haben die Vollstreckungsbehörden an dem Grundsatz festzuhalten, daß jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist.

(2) Geldleistungen dürfen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden, als dadurch der notwendige Unterhalt des Verpflichteten und der Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen hat, nicht gefährdet wird.“

 

§ 3:

„Eintreibung von Geldleistungen

(1) Die Verpflichtung zu einer Geldleistung ist in der Weise zu vollstrecken, daß die Vollstreckungsbehörde durch das zuständige Gericht nach den für das gerichtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften die Eintreibung veranlaßt. In diesem Fall schreitet die Vollstreckungsbehörde namens des Berechtigten als betreibenden Gläubigers ein. Die Vollstreckungsbehörde kann die Eintreibung unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Einbringung und Sicherung der öffentlichen Abgaben selbst vornehmen, wenn dies im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist.

(2) Der Vollstreckungstitel muss mit einer Bestätigung der Stelle, von der er ausgegangen ist, oder der Vollstreckungsbehörde versehen sein, dass er einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht mehr unterliegt (Vollstreckbarkeitsbestätigung). Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des § 35 der Exekutionsordnung – EO, https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=BgblAlt&Bgblnummer=79/1896&SkipToDocumentPage=True , sind bei der Stelle zu erheben, von der der Vollstreckungstitel ausgegangen ist.Der Vollstreckungstitel muss mit einer Bestätigung der Stelle, von der er ausgegangen ist, oder der Vollstreckungsbehörde versehen sein, dass er einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht mehr unterliegt (Vollstreckbarkeitsbestätigung). Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des Paragraph 35, der Exekutionsordnung – EO, https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=BgblAlt&Bgblnummer=79/1896&SkipToDocumentPage=True , sind bei der Stelle zu erheben, von der der Vollstreckungstitel ausgegangen ist.

(3) Natürliche Personen, juristische Personen des Privatrechts sowie der Bund, die Länder und die Gemeinden können die Eintreibung einer Geldleistung unmittelbar beim zuständigen Gericht beantragen. Andere juristische Personen des öffentlichen Rechts können dies nur, soweit ihnen zur Eintreibung einer Geldleistung die Einbringung im Verwaltungsweg (politische Exekution) gewährt ist.“

 

§ 4:

„Erzwingung anderer Leistungen und Unterlassungen

a) Ersatzvornahme

(1) Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

(2) Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.“

 

§ 5:

„b) Zwangsstrafen

(1) Die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt, wird dadurch vollstreckt, dass der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft bis zur Gesamtdauer von einem Jahr zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

(2) Die Vollstreckung hat mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.

(3) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, dürfen die Zwangsmittel in jedem einzelnen Fall an Geld den Betrag von 2 000 Euro, an Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen. Das Zwangsmittel der Haft darf überdies nur angedroht und verhängt werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Haft außer Verhältnis steht.

(4) Die Vollstreckung durch Geldstrafen als Zwangsmittel ist auch gegen juristische Personen mit Ausnahme der Körperschaften des öffentlichen Rechts und eingetragene Personengesellschaften zulässig.“

 

§ 6:

„(1) Die nach § 5 verhängten Geldstrafen fließen der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Vollstreckungsbehörde zu tragen hat.

(2) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, sind auf den Vollzug der Haft die für den Vollzug von Freiheitsstrafen geltenden Bestimmungen des III. Teiles des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des § 53b Abs. 3 mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass die Häftlinge jedenfalls in Hafträumen anzuhalten sind, die von Hafträumen, in denen Häftlinge, die nach anderen Bestimmungen als nach diesem Bundesgesetz angehalten werden, getrennt sind. Wird die Haft durch die Gerichte vollzogen, so sind die damit verbundenen Kosten durch die Gerichte nach den für die Einbringung der Kosten des Vollzuges gerichtlicher Strafen bestehenden Vorschriften vom Verpflichteten einzutreiben.“

 

§ 7:

„c) Anwendung unmittelbaren Zwanges

Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, kann der einem Vollstreckungstitel entsprechende Zustand durch Anwendung unmittelbaren Zwanges hergestellt werden, wenn dies auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist. Im Fall der Festnahme ist der Festgenommene ehestens, womöglich bei seiner Festnahme, in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme zu unterrichten. Für diese Festnahme gilt weiters § 36 Abs. 2 und 3 VStG.“

 

Die Bezirksverwaltungsbehörde hat über den Beschwerdeführer eine Zwangsstrafe von 2.000 Euro verhängt, da dieser seiner Verpflichtung, die Tierhaltung auf dem im Spruch des Bescheides des Gemeinderates der Gemeinde [KG] vom 05.10.2018, Zahl ***, auf die dort genannte Anzahl von Tieren einzuschränken, nicht nachgekommen ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 VVG werden Handlungen, die sich, wie im vorliegenden Fall, wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lassen, dadurch vollstreckt, dass der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

 

 

 

 

Im gegenständlichen Fall liegt keine unvertretbare Leistung gemäß § 5 VVG vor. Der zulässige Tierbestand kann von der Vollstreckungsbehörde durch Ersatzvornahme nach § 4 VVG hergestellt werden. Die Vollstreckungsbehörde kann über den zulässigen Bestand hinausgehende Tiere von den gegenständlichen Grundstücken auf Kosten des Verpflichteten durch Dritte entfernen lassen. Die Ersatzvornahme ist jedenfalls so lange zulässig, als der Pflicht nicht zur Gänze nachgekommen wurde (VwGH 11.01.2012, 2010/06/0272). Das Wesen einer Ersatzvornahme liegt gerade im Eingriff in das Eigentum des Verpflichteten zur Bewerkstelligung einer ihm aufgetragenen vertretbaren Leistung (VwGH 20. März 2003, 2002/07/0118, mwN).

 

Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 19.09.2006, 2004/05/0159. die Ersatzvornahme bei der Entfernung landwirtschaftlicher Nutztiere ausdrücklich als zulässiges Vollstreckungsmittel erachtet und in dieser Entscheidung festgehalten, dass daraus aber auch folgt, dass die Ersatzvornahme das einzige in Betracht kommende Vollstreckungsmittel ist, sodass der im § 2 Abs. 1 VVG festgelegte Grundsatz, dass die Vollstreckungsbehörden bei Handhabung der in diesem Gesetz geregelten Zwangsbefugnisse jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden hätten, nicht zum Tragen kommt (siehe die Nachweise bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, 1316).

 

Ob die Voraussetzungen für eine solche Ersatzvornahme tatsächlich vorliegen, ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren, das die Zulässigkeit einer Beugestrafe zum Gegenstand hat, nicht zu klären. Jedenfalls ist auch die Ersatzvornahme unter Setzung einer Frist zunächst anzudrohen. Falls der Beschwerdeführer dem Eigentümer gegenüber nicht zur Verwahrung von Tieren berechtigt und daher auch den Behörden gegenüber nicht als Verwahrer anzusehen wäre, wäre er durch die Ersatzvornahme auch in keinen Rechten verletzt.

 

Der angefochtene Bescheid nach § 5 VVG ist zu beheben.

 

 

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist einheitlich. Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

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