BVwG W121 2272042-1

BVwGW121 2272042-14.3.2025

AlVG §33
AlVG §38
AlVG §7
AlVG §8
AlVG §9
B-VG Art133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2025:W121.2272042.1.00

 

Spruch:

 

W121 2272042-1/11E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Erika ENZLBERGER-HEIS als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Mag. Elke DE BUCK-LAINER (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) und Ing. Robert FODROCZI (aus dem Kreis der Arbeitgeber) als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch XXXX als gerichtliche Erwachsenenvertreterin, gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) XXXX vom XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

 

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch wie folgt zu lauten hat: „Dem Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe vom XXXX wird gemäß § 33 Abs. 2 iVm §§ 38, 7 und 8 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) mangels Arbeitsfähigkeit keine Folge gegeben.“

 

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden: AMS; belangte Behörde) vom XXXX wurde dem Antrag des Beschwerdeführers vom XXXX auf Zuerkennung der Notstandshilfe gemäß § 33 Abs. 2 iVm §§ 38, 7 und 9 AlVG mangels Arbeitswilligkeit keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer nicht bereits sei, eine vom Arbeitsmarktservice angebotene, zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Der Beschwerdeführer habe innerhalb eines Jahres drei Mal das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt. Daher liege die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitswilligkeit nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine im Spruch ausgewiesene gerichtliche Erwachsenenvertreterin fristgerecht Beschwerde und führte zusammengefasst aus, dass sein Antrag auf Gewährung einer Invaliditätspension vom XXXX mit Bescheid der Pensionsversicherung vom XXXX abgelehnt worden sei. Gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht XXXX eingebracht. Das Verfahren sei noch anhängig. Des Weiteren leide der Beschwerdeführer an einer psychischen Erkrankung, die seine Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen würde. Zumindest seine Vermittlungschancen am ersten Arbeitsmarkt seien erheblich eingeschränkt. Seit XXXX würde der Beschwerdeführer in einer Mietwohnung in XXXX leben, zuvor habe er in XXXX gewohnt. Im Jahr XXXX habe der Beschwerdeführer eine Liegenschaft in XXXX verkauft und bis Sommer XXXX ausschließlich von den Verkaufserlösen gelebt. In dieser Zeit sei er weder einer Erwerbstätigkeit nachgegangen noch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) angewiesen gewesen. Der Beschwerdeführer führte weiters aus, dass seine psychische Erkrankung erstmals im November XXXX erkannt worden sei. Er habe sich unverschuldet in einer Mittellosigkeit befunden und sei nicht in der Lage gewesen, seine Angelegenheiten ohne Selbstgefährdung zu regeln. Er habe hohe Schulden gehabt und sei von Delogierung bedroht gewesen. Dennoch sei es ihm nicht möglich gewesen, eine Arbeit zu finden oder bei Behörden Anträge zu stellen. Seit November XXXX sei für ihn eine gerichtliche Erwachsenenvertreterin bestellt worden. Seine Ersparnisse seien seit Februar XXXX aufgebracht, weshalb er völlig mittellos sei. Seit diesem Zeitpunkt habe er weder Miete noch Energiekosten bezahlt, weil ihm die zuständige Behörde seit April XXXX beharrlich jegliche Leistung verweigere. Der Beschwerdeführer könne auch keine Sozialhilfe erhalten, da diese eine Arbeitslosmeldung voraussetze, die er jedoch nicht vornehmen könne. Seit November XXXX sei er unverändert bereit, eine zumutbare Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Allerdings benötige er dringende Unterstützung durch die zuständige Behörde, um diese Arbeitsaufnahme realisieren zu können. Es sei auch noch nicht abschließend geklärt, ob er überhaupt arbeitsfähig sei. Bereits gegen einen gleichlautenden Bescheid vom XXXX habe er Beschwerde erhoben, das Verfahren sei noch beim XXXX anhängig.

Der Beschwerdeführer führte weiters aus, dass der angefochtene Bescheid in vollem Umfang rechtswidrig sei. Dieser enthalte keine oder unzureichende Feststellungen. Die Begründung stütze sich darauf, dass er angeblich dreimal das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses vereitelt habe. Es sei jedoch nicht nachvollziehbar, auf welcher Tatsachengrundlage diese Annahme basiere. Seine Lebensumstände hätten sich in den letzten XXXX Jahren tiefgreifend verändert. Trotz fortschreitender Mittellosigkeit und drohender Obdachlosigkeit sei es ihm nicht gelungen, eine auch nur geringfügige Beschäftigung zu finden. Diese Umstände würden gegen eine fehlende Arbeitswilligkeit sprechen und würden vielmehr auf eine zumindest eingeschränkte Arbeitsfähigkeit hindeuten. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zwingend notwendig sei, um die Arbeitswilligkeit zu dokumentieren. Laut einer Entscheidung des XXXX könne eine solche Aufnahme lediglich „zum Beispiel“ als Nachweis der Arbeitswilligkeit dienen. Im Zuge der Beschwerde legte der Beschwerdeführer ein Konvolut von Dokumenten vor und beantragte die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des AMS vom XXXX wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung abgewiesen.

Die ergangene Entscheidung begründete das AMS im Wesentlichen damit, dass mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX nach der dritten Vereitelung des Zustandekommens einer vom Arbeitsmarktservice zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung binnen eines Jahres, die Einstellung der Notstandshilfe des Beschwerdeführers ab XXXX mangels Arbeitswilligkeit ausgesprochen sei. Der Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Seit der rechtskräftigen Einstellung der Notstandshilfe ab XXXX habe der Beschwerdeführer keine neue, Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung aufgenommen. Eine bloße neuerliche Antragstellung nach Leistungseinstellung wegen genereller Arbeitsunwilligkeit reiche für die Annahme der Wiedererlangung der Arbeitswilligkeit gemäß § 9 AlVG nicht aus. Auch der Kontakt mit einem potenziellen Dienstgeber allein sowie zwei weiteren Bewerbungen würde noch nicht die Arbeitswilligkeit des Beschwerdeführers dokumentieren und zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen.

Der Beschwerdeführer stellte fristgerecht einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht und brachte ergänzend vor, dass sich die belangte Behörde keinen ausreichenden persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschafft habe, zumal das AMS die schwere, chronische psychische Erkrankung des Beschwerdeführers (Erkrankung aus dem schizophrenen Formkreis, Residualzustand) im Hinblick auf die vorzunehmende Zumutbarkeitsabwägung nicht substantiiert gewürdigt habe. Des Weiteren sei noch unklar, ob der Beschwerdeführer überhaupt arbeitsfähig sei. Das Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht sei noch anhängig.

Das AMS legte die Beschwerde samt dem Bezug habenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine Beschwerdeverhandlung durch. Der Beschwerdeführer ist unentschuldigt nicht erschienen. Es nahmen ein Behördenvertreter sowie die gerichtliche Erwachsenenvertreterin an der Verhandlung teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX wurde die Einstellung der Notstandshilfe des Beschwerdeführers ab XXXX mangels Arbeitswilligkeit festgestellt. Der Bescheid vom XXXX erwuchs in Rechtskraft.

Mit XXXX als Erwachsenenvertreterin für die Vertretung vor Ämtern, Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie privaten Vertragsparteien als auch für finanzielle Angelegenheiten und der Vermögensverwaltung beigegeben.

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX einen Antrag auf Notstandshilfe bei der belangten Behörde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX hat das AMS den Antrag des Beschwerdeführers vom XXXX auf Zuerkennung der Notstandshilfe gemäß § 33 Abs. 2 AlVG iVm §§ 38, 7 und 9 AlVG mangels Arbeitswilligkeit keine Folge gegeben.

Mit gerichtlichem Vergleich des Arbeits- und Sozialgerichts XXXX vom XXXX wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer rückwirkend ab XXXX die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß gebührt. Der gerichtliche Vergleich wurde mangels Widerrufs der Pensionsversicherungsanstalt rechtswirksam.

Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer aufgrund des vor dem Arbeits- und Sozialgericht XXXX geschlossenen Vergleiches der Anspruch auf Invaliditätspension ab XXXX anerkannt.

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Antragstellung am XXXX nicht arbeitsfähig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie aus dem Gerichtsakt bzw. der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Notstandshilfe gestellt hatte, wurde dem vorgelegten Akt der belangten Behörde entnommen und ist unstrittig.

Dass dem Beschwerdeführer eine Erwachsenenvertreterin beigegeben wurde ergibt sich aus der im Akt vorliegende Urkunde des Bezirksgerichts XXXX .

Die Feststellungen zum abgeschlossenen Vergleich vom XXXX und zum Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom XXXX wurden aus dem im Verfahrensakt vorliegenden Protokoll des Arbeits- und Sozialgerichts vom XXXX sowie aus dem Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom XXXX entnommen, die im hg. XXXX protokollierten Akt einliegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) iVm § 56 Abs. 2 AlVG (vgl. VwGH 07.09.2017, Ra 2017/08/0081).

§ 56 Abs. 2 AlVG normiert, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat zu entscheiden hat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) lauten:

„Voraussetzungen des Anspruches

§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2. die Anwartschaft erfüllt und

3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist. […]

Arbeitsfähigkeit

§ 8. (1) Arbeitsfähig ist, wer nicht invalid und nicht berufsunfähig im Sinne des ASVG ist. Arbeitsfähig ist jedenfalls nicht, wer eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit bezieht. Arbeitsfähig ist weiters nicht, wer die Anspruchsvoraussetzungen für eine derartige Leistung erfüllt.

(2) Arbeitslose sind, wenn sich Zweifel über ihre Arbeitsfähigkeit ergeben oder zu klären ist, ob bestimmte Tätigkeiten ihre Gesundheit gefährden können, verpflichtet, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Die Untersuchung der Arbeitsfähigkeit hat an einer vom Kompetenzzentrum Begutachtung der Pensionsversicherungsanstalt festgelegten Stelle stattzufinden. Die Untersuchung, ob bestimmte Tätigkeiten die Gesundheit einer bestimmten Person gefährden können, hat durch einen geeigneten Arzt oder eine geeignete ärztliche Einrichtung zu erfolgen. Wenn eine ärztliche Untersuchung nicht bereits eingeleitet ist, hat die regionale Geschäftsstelle bei Zweifeln über die Arbeitsfähigkeit oder über die Gesundheitsgefährdung eine entsprechende Untersuchung anzuordnen. Wer sich weigert, einer derartigen Anordnung Folge zu leisten, erhält für die Dauer der Weigerung kein Arbeitslosengeld.

(3) Das Arbeitsmarktservice hat Bescheide der Pensionsversicherungsträger und Gutachten des Kompetenzzentrums Begutachtung der Pensionsversicherungsanstalt zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit anzuerkennen und seiner weiteren Tätigkeit zu Grunde zu legen.

Arbeitswilligkeit

§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.

Notstandshilfe Voraussetzungen des Anspruches

§ 33. (1) Arbeitslosen, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld erschöpft haben, kann auf Antrag Notstandshilfe gewährt werden.

(2) Notstandshilfe ist nur zu gewähren, wenn der (die) Arbeitslose der Vermittlung zur Verfügung steht (§ 7 Abs. 2 und 3) und sich in Notlage befindet.

(3) Notlage liegt vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.

(4) Notstandshilfe kann nur gewährt werden, wenn sich der Arbeitslose innerhalb von fünf Jahren nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld um die Notstandshilfe bewirbt. Die vorstehende Frist verlängert sich darüber hinaus um Zeiträume gemäß § 15 und gemäß § 81 Abs. 10.

Allgemeine Bestimmungen

§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.“

Der Begriff der Arbeitsfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung wird im AlVG nicht eigenständig, sondern durch Verweis auf die Bestimmungen des ASVG definiert: als arbeitsfähig gilt, wer nicht invalid bzw. berufsunfähig iSd Vorschriften des ASVG ist und jedenfalls nicht, wer eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit bezieht oder die Anspruchsvoraussetzungen für eine derartige Leistung erfüllt. Arbeitsfähigkeit iSd § 8 AlVG liegt also nur dann nicht vor, wenn die strengen, auf Dauer ausgerichteten Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitsvoraussetzungen der Pensionsversicherung erfüllt sind und dies durch ein Gutachten des Pensionsversicherungsträgers festgestellt wurde (siehe Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz, § 8, Rz 189).

Aus der Anknüpfung des § 8 Abs. 1 AlVG an die Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit im Sinn des ASVG folgt, dass das AMS bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit jedenfalls an eine positive rechtskräftige Feststellung der Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit – als maßgebliche Vorfragenbeurteilung durch die PVA bzw. das Gericht – gebunden ist. Ebenso ist eine negative Feststellung der dauernden Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit grundsätzlich bindend für das AMS.

Auf die Begründung kommt es für die Bindungswirkung einer rechtskräftigen Feststellung der (dauernden oder vorübergehenden) Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit nicht an (vgl. VwGH 19.12.2017, Ro 2017/08/0010). Dass das AMS nach § 8 Abs. 3 AlVG Bescheide der Pensionsversicherungsträger und Gutachten des Kompetenzzentrums Begutachtung der Pensionsversicherungsanstalt zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit „anzuerkennen und seiner weiteren Tätigkeit zu Grunde zu legen“ hat, kann – in Verbindung mit der tatbestandsmäßigen Anknüpfung in § 8 Abs. 1 AlVG – in Bezug auf rechtskräftige Bescheide und Gerichtsurteile nur bedeuten, dass ihre Rechtskraftwirkung zu beachten ist, die nach allgemeinen Grundsätzen durch den Inhalt des Spruchs bestimmt wird (siehe zu alldem VwGH vom 19.12.2017, Ro 2017/08/0010).

Mit gerichtlichem Vergleich des Arbeits- und Sozialgerichts XXXX vom XXXX wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer rückwirkend ab XXXX die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß gebührt.

Unter Berücksichtigung der oben angeführten Rechtsprechung ist das AMS an eine positive rechtskräftige Feststellung der Invalidität – als maßgebliche Vorfragenbeurteilung – gebunden. Insofern ist beim Beschwerdeführer eine Arbeitsfähigkeit gemäß § 8 Abs. 1 AlVG zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht gegeben. Insofern besteht mit Blick auf den gerichtlichen Vergleich sowie den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt über die Zuerkennung der Invaliditätspension auch keine Verpflichtung des AMS, weitere Ermittlungsschritte zu setzen bzw. ein Sachverständigengutachten zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers einzuholen.

Demnach war dem Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe vom XXXX mangels Arbeitsunfähigkeit gemäß § 8 AlVG keine Folge zu gegeben.

Ein gesondertes Eingehen auf die Arbeitswilligkeit gemäß § 9 AlVG erübrigt sich in Anbetracht der vorliegenden Entscheidung.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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