VwGH Ra 2017/08/0081

VwGHRa 2017/08/00817.9.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Arbeitsmarktservice Hollabrunn in 2020 Hollabrunn, Winiwarterstraße 2a, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2017, Zl. W141 2159113- 1/2E, betreffend aufschiebende Wirkung einer Beschwerde in einer Angelegenheit des AlVG (mitbeteiligte Partei: C S in H, vertreten durch Mag. Nikolaus Rast, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 10), zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §56 Abs2;
BVwGG 2014 §6;
VwGVG 2014 §13 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 11. Mai 2017 sprach die revisionswerbende regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) gegenüber der Mitbeteiligten gemäß § 10 iVm § 38 AlVG den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe im Zeitraum 14. April 2017 bis 8. Juni 2017 aus. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten erkannte das AMS mit Bescheid vom 22. Mai 2017 gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung ab. Dies wurde damit begründet, dass die Mitbeteiligte schon seit dem 20. August 2002 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehe. Mit rechtskräftigen Bescheiden vom 19. September 2006, vom 7. September 2007 und vom 1. Juni 2010 seien bereits Ausschlussfristen gemäß § 10 iVm § 38 AlVG verhängt worden. Der Umstand der Langzeitarbeitslosigkeit in Verbindung mit den vorliegenden "Arbeitsunwilligkeiten" lasse eine Gewährung der aufschiebenden Wirkung nicht zu. Diese würde das öffentliche Interesse an einer Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung unterlaufen. Aus diesem Grund überwiege das öffentliche Interesse gegenüber dem mit der Beschwerde verfolgten Einzelinteresse, weshalb der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides dringend geboten sei.

2 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde. Sie bestritt die Rechtmäßigkeit des Verlusts der Notstandshilfe und behauptete außerdem, dass sie die Entscheidungen vom 19. September 2006, vom 7. September 2007 und vom 1. Juni 2010 "rechtskräftig gewonnen" habe.

3 Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung statt und behob den Bescheid vom 22. Mai 2017 ersatzlos.

4 Das Bundesverwaltungsgericht begründete zunächst die in Anspruch genommene Einzelrichterzuständigkeit damit, dass gemäß § 9 BVwGG der Vorsitzende eines Senates das Verfahren bis zur Verhandlung führe und die dabei erforderlichen Beschlüsse keines Senatsbeschlusses bedürften. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage bedeute dies, dass der Senatsvorsitzende insbesondere die Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung ohne Senatsbeschluss treffen dürfe. Da Entscheidungen über Anträge auf aufschiebende Wirkung somit jedenfalls der Einzelrichterzuständigkeit unterlägen, sei anzunehmen, dass auch Entscheidungen über Beschwerden gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vom Vorsitzenden allein zu treffen seien.

5 Da mit der vorliegenden Entscheidung über die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung die Rechtssache nicht erledigt, sondern lediglich über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Beschwerde abgesprochen werde, habe die Erledigung gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss zu erfolgen.

6 In der Sache führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass es für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht genüge, wenn ein Interesse einer Partei oder "des öffentlichen Wohles" an der vorzeitigen Vollstreckung bestehe; vielmehr müsse darüber hinaus noch die Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sein. Dem vorliegenden Bescheid des AMS sei aber nicht zu entnehmen, inwieweit die vorzeitige Vollstreckung zur Abwendung eines gravierenden Nachteils im Einzelfall notwendig sei. Da das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 letzter Satz VwGVG über die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden habe, bestehe auch keine Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Nach Maßgabe des vom AMS festgestellten Sachverhalts sei nicht davon auszugehen, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sei, zumal sich hierfür auch aus dem übermittelten Verwaltungsakt keine Anhaltspunkte ergäben.

7 Schließlich wies das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass gegen seinen Beschluss gemäß § 25a Abs. 3 VwGG eine abgesonderte Revision nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Amtsrevision des AMS, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die Mitbeteiligte - erwogen hat:

8 Zur Zulässigkeit der Revision ist zunächst festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht bloß einen verfahrensleitenden Beschluss erlassen hat, gegen den eine abgesonderte Revision gemäß § 25a Abs. 3 VwGG absolut unzulässig wäre. Vielmehr wurde über die Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, in der Sache entschieden. Es handelt sich daher um die Enderledigung dieser Beschwerde (die im Übrigen gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Form eines Erkenntnisses zu erfolgen gehabt hätte) und nicht nur um eine verfahrensleitende Anordnung.

9 Die Zulässigkeit der Revision ist daher - ungeachtet des verfehlten Hinweises des Bundesverwaltungsgerichts - am Maßstab des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen.

10 Das AMS bringt unter diesem Gesichtspunkt vor, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung uneinheitlich sei. Insbesondere sei nicht geklärt, ob die Entscheidung über die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in Form eines Erkenntnisses oder Beschlusses zu treffen sei und ob Einzelrichter- oder Senatszuständigkeit bestehe.

11 Die Revision ist schon im Hinblick auf die Frage der Senatszuständigkeit zulässig. Diese Rechtsfrage wurde mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2017/08/0065, dahingehend beantwortet, dass auch über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstelle des AMS, mit denen die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen wurde, gemäß § 56 Abs. 2 AlVG durch einen Senat zu entscheiden ist; auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

12 Da das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall abweichend davon durch Einzelrichter entschieden hat, war die angefochtene Entscheidung gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben. Wien, am 7. September 2017

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