BVwG W240 2280935-1

BVwGW240 2280935-115.4.2024

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz1
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:W240.2280935.1.00

 

Spruch:

 

 

W240 2280935-1/9E

 

Beschluss

 

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch alias Myanmar, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2023, Zl. 1359030707-231261591:

 

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben, das Verfahren zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.

 

B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF) reiste legal spätestens am 04.06.2023 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 02.07.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Eine EURODAC-Abfrage ergab keine Treffermeldung. Dem BF wurde von der französischen Botschaft Dhaka ein Schengen-Visum C, gültig von 03.06. bis 08.06.2023, erteilt (AS 57ff).

Am 03.07.2023 fand eine polizeiliche Erstbefragungen des BF statt und er gab insbesondere an, er sei 32 Jahre alt und könne der Einvernahme ohne Probleme folgen. All seine Familienangehörigen würden sich in Bangladesch aufhalten, in Österreich habe er keine Angehörigen. Den Entschluss, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, habe er 2023 gefasst. Österreich sei sein Zielland gewesen, da er an einer Konferenz teilnehmen wollte. Ausgereist sei er legal mit seinem myanmarischen Reisepass, diesen habe er jedoch verloren. Am 04.06.2023 sei er aus seinem Herkunftsort ausgereist und direkt von Bangladesch nach Österreich geflogen. Er verfüge über ein viertägiges Visum der österreichischen Botschaft in Bangladesch. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, er werde in Myanmar wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit – er sei Rohingya – und weil er Menschenrechtsaktivist sei, verfolgt. Seine Familie sei deshalb 1996 aus Myanmar geflohen. Nach Bangladesch könne er nicht zurück, weil er als Rohingya unerlaubt einen bangladeschischen Reisepass besessen habe.

Am 12.07.2023 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt oder BFA) ein auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmegesuch an Frankreich. Dies unter Hinweis auf das französische Visum des BF.

Mit Schreiben vom 12.09.2023 teilte die französische Dublin-Behörde mit, dass weitere Erhebungen in Frankreich erforderlich seien, bevor eine Zustimmung erteilt werden könnte, daher werde dem Aufnahmegesuch (vorerst) fristwahrend nicht entsprochen. Darauf antwortete das Bundesamt mit Remonstrationsschreiben („holding letter“) vom 26.09.2023.

Mit Schreiben der französischen Dublin-Behörde vom 04.10.2023 stimmte Frankreich der Aufnahme des BF gem Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO schließlich zu.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 18.10.2023 gab der BF in Englisch befragt an, er fühle sich geistig und körperlich in der Lage die Einvernahme durchzuführen. Er sei gesund, nehme keine Medikamente und habe keine Arzttermine. Derzeit schlafe der BF nur nicht gut. Die Angaben des BF zu seiner Person und seinem Reiseweg in der Erstbefragung seien richtig. Er verfüge über eine ID Karte und einen Reisepass. Den Reisepass habe er weggeworfen. Er habe verhindern wollen, dass er in Bangladesch festgenommen werde. Ausreisen seien nicht erlaubt. Er habe ein Familienbuch, eine Besitzurkunde für Land in Myanmar und Fotos von Flüchtlingsausweisen seiner Schwestern vorgelegt, er selbst habe keinen solchen Ausweis. Er habe weder in Österreich noch in Europa Verwandte und auch keine Unterstützer. In Klagenfurt habe er einen Landsmann kennengelernt, der ihn aber nicht unterstütze. Bezüglich des Visums gab der BF an, er habe eine Einladung für ein Meeting in Wien bekommen, welche er der französischen Botschaft vorgelegt habe. In der Folge habe er ein Visum erhalten. Er sei zur französischen Botschaft gegangen, da es dort keine österreichische Botschaft gebe. Eingereist sei er am 04.06.2023. Befragt nach seinem Aufenthalt in Frankreich, gab der BF an, nie dort gewesen zu sein. Über Vorhalt der Zustimmung Frankreichs zur Aufnahme des BF und dass beabsichtigt werde, seine Außerlandesbringung nach Frankreich zu veranlassen, gab der BF an, er habe in Frankreich niemanden. Es sei für seine Landsleute besser, wenn er diese von Österreich aus unterstützen könne. Wien sei der richtige Platz für ihn, weil hier auch die UN sei. Gründe, die einer Rückkehr nach Frankreich entgegenstehen würden, gebe es keine. Damals habe er nur befürchtet, dass er, wenn er nach Frankreich fliege, kein Asyl bekommen werde. Befragt, ob er bereit sei freiwillig nach Frankreich zurückzugehen, erklärte er, er sei nicht sicher. Abschließend gab der BF an, Menschenrechtsaktivist zu sein, er sei nicht zu seinem eigenen Vorteil hier. Er habe hier viele Menschen getroffen und es wäre sehr hilfreich für sein Volk, wenn er in Österreich bleiben und sein Volk vertreten könne.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.10.2023 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankeich für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Frankreich gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Identität des BF aufgrund des vorliegenden VIS-Treffers und seiner glaubwürdigen Angaben feststehe. Er leide an keinen schweren, lebensbedrohenden Krankheiten, die einer Überstellung nach Frankreich entgegenstünden. Für den BF seien mehrere Unterstützungsschreiben von Menschenrechtsorganisationen vorgelegt worden. Frankreich habe der Aufnahme des BF gem. Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ausdrücklich zugstimmt. Das Visum sei ihm von der französischen Botschaft und nicht in Vertretung der österreichischen Botschaft ausgestellt worden. Wäre das Visum im Auftrag Österreichs ausgestellt worden, müsse entsprechend dem Anhang des Visakodex „R/AT“ angeführt werden, was nicht der Fall sei. Auch sei kein Auftraggeber bei der Visaabfrage angegeben. Der BF habe keine familiären oder privaten Bindungen in Österreich. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führe. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer hier relevanten Verletzung von Art. 3 EMRK, im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen, seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe zu. Es habe sich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben.

3. Gegen vorzitierten Bescheid erhob der BF rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde am 07.11.23 und regte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an. Darin wurde nach Wiedergabe des Verfahrensgangs insbesondere ausgeführt, dass der BF Angst habe, von den in Frankreich lebenden Bürgern Bangladeschs als Rohingya erkannt und dort asylrelevant verfolgt zu werden. Der BF habe sich damals an die österreichische Botschaft in Indien gewandt, um für ein Meeting in Österreich ein Visum zu erlangen, da es in Bangladesch keine österreichische Botschaft gebe. Der BF habe als Rohingya nicht nach Bangladesch reisen und ein Visum bei der französischen Botschaft beantragen können. Die österreichische Botschaft in Indien habe Kontakt mit der französischen Botschaft aufgenommen, wodurch der BF ein Visum erlangt habe. Den Länderinformationen zu Frankreich sei zu entnehmen, dass für Dublin-Rückkehrer der Zugang zu Versorgung nicht gesichert sei, da eine Asylantragstellung in dem Fall nur mittels Termins möglich sei, wodurch es zu Verzögerung von einigen Wochen kommen könne. Folgeantragsteller würden zudem nur Zugang zu Versorgung haben, wenn ihr Antrag zulässig sei. Ein Mangel an Unterbringungsplätzen führe zu Obdachlosigkeit. Für den BF bestehe die Gefahr, in Obdachlosigkeit und extremer Not zu landen, da er nicht auf eigene Kosten Unterkunft und Verpflegung sicherstellen könne. Es sei im konkreten Fall eine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der Frage, ob dem BF in Frankreich eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe, erforderlich.

Angeschlossen wurden ein Schreiben des BF, in dem er seine Situation und Fluchtgründe darlegt, ein Foto eines Mails, das an die Österreichische Botschaft in New Delhi gerichtet sein soll, und ein Bericht zur Lage von Rohingya in Myanmar.

4. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.11.2023 wurde der Beschwerde des BF gem. § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

5. Auf Anfrage des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.02.2024 teilte das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten mit Schreiben vom 23.02.2024 mit, dass die französische Botschaft in Dhaka ein Schengen-Visum an den BF in Vertretung für Österreich ausgestellt hat. Im beiliegenden Schreiben der Österreichischen Botschaft New Delhi vom 22.02.2024 wurde darauf hingewiesen, dass der BF den XXXX als Geburtsdatum und Bangladesch als Staatsangehörigkeit angegeben habe.

Diese Auskunft des Bundesministeriums wurde zum Parteiengehör an die Vertretung des BF und das Bundesamt übermittelt.

6. Mit Schreiben der Vertretung des BF, datiert mit 28.03.2024, wurde erneut ausgeführt, dass Österreich zur Prüfung des Asylantrags zuständig sei bzw. von der Ermessensklausel des Art 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen habe.

7. In Ergänzung der Stellungnahme brachte der BF im Wege seiner Vertretung zudem vor, dass dieser aus Myanmar stamme und der Minderheit der Rohingyas angehöre. Er sei nach Bangladesch geflohen, wo er seine Grundrechte nicht ausüben hätte können und keinen Reisepass besessen hätte, weshalb er sich den Reisepass mit der Staatsangehörigkeit Bangladesch und dem Geburtsdatum XXXX gegen Geld besorgt habe. Sein Familienbuch habe er im Original vorgelegt, woraus sich ergebe, dass der BF aus Myanmar stamme. Des Weiteren wurde ein entsprechender Artikel vorgelegt.

8. Das BFA übermittelte innerhalb der eingeräumten Frist und bis dato keine Stellungsnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF reiste legal spätestens am 04.06.2023 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 02.07.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Eine EURODAC-Abfrage ergab keine Treffermeldung. Dem BF wurde von der französischen Botschaft Dhaka ein Schengen-Visum C, gültig von 03.06. bis 08.06.2023, erteilt.

Das von der französischen Botschaft in Dhaka ausgestellte Schengen-Visum C wurde in Vertretung Österreichs ausgestellt.

Am 12.07.2023 richtete das Bundesamt ein auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmegesuch an Frankreich, dem die französische Dublin-Behörde schließlich mit Schreiben vom 04.10.2023 ausdrücklich zustimmten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Asylantragstellung am 02.07.2023 und dazu, dass er zuvor keinen Antrag auf internationalen Schutz im Bereich der Mitgliedstaaten gestellt hatte, ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere der ergebnislosen Eurodac-Abfrage sowie aus den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben des BF.

Das durchgeführte Konsultationsverfahren mit Frankreich ist in den Verwaltungsakten dokumentiert.

Dass dem BF ein französisches Visum C, gültig von 03.06. bis 08.06.23, ausgestellt wurde, ergibt sich aus der vom Bundesamt durchgeführten und im Akt dokumentierten VIS-Abfrage. Dafür, dass das Visum im Auftrag Österreichs ausgestellt worden sei, ist der VIS-Abfrage zwar kein Hinweis zu entnehmen, aus dem Schreiben vom 23.02.2024 des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten ergibt sich jedoch ausdrücklich, dass das Visum C in Vertretung von Österreich ausgestellt wurde. Bei der Stellung des Visaantrags gab der BF den XXXX als Geburtsdatum und Bangladesch als Staatsangehörigkeit an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idgF geregelt (§ 1). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.

Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 17 AsylG 2005 idgF).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

 

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. ...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. …

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

 

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

 

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

 

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

 

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

 

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

 

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

 

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

 

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (1) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

 

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.

Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

 

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wiederaufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wiederaufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wiederaufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird.

In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

Art. 20 Einleitung des Verfahrens

(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(2) Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicher Form gestellten Antrag sollte die Frist zwischen der Abgabe der Willenserklärung und der Erstellung eines Protokolls so kurz wie möglich sein.

(3) Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss.

(4) Stellt ein Antragsteller bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält. Dieser Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Antrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann für die Zwecke dieser Verordnung als der Mitgliedstaat, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.

Der Antragsteller wird schriftlich von dieser Änderung des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats und dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt ist, unterrichtet.

(5) Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält oder dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen der Artikel 23, 24, 25 und 29 wiederaufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen.

Diese Pflicht erlischt, wenn der Mitgliedstaat, der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats abschließen soll, nachweisen kann, dass der Antragsteller zwischenzeitlich das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen oder in einem anderen Mitgliedstaat einen Aufenthaltstitel erhalten hat.

Ein nach einem solchen Abwesenheitszeitraum gestellter Antrag im Sinne von Unterabsatz 2 gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.

Art. 21 Aufnahmegesuch

lautet auszugsweise:

(1) Hält der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig, so kann er so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung im Sinne von Artikel 20 Absatz 2, diesen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen.

Abweichend von Unterabsatz 1 wird im Fall einer Eurodac-Treffermeldung im Zusammenhang mit Daten gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 dieses Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gemäß Artikel 15 Absatz 2 jener Verordnung gestellt.

Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der in Unterabsätzen 1 und 2 niedergelegten Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags zuständig.

(2) Der ersuchende Mitgliedstaat kann in Fällen, in denen der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, nachdem die Einreise oder der Verbleib verweigert wurde, der Betreffende wegen illegalen Aufenthalts festgenommen wurde oder eine Abschiebungsanordnung zugestellt oder vollstreckt wurde, eine dringende Antwort anfordern.

In dem Gesuch werden die Gründe genannt, die eine dringende Antwort rechtfertigen, und es wird angegeben, innerhalb welcher Frist eine Antwort erwartet wird. Diese Frist beträgt mindestens eine Woche.

Art. 27 Rechtsmittel

(1) Der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d hat das Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung in Form einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch ein Gericht.

[…]

§ 21 Abs. 3 BFA-VG lautet:

„Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.“

Im Rahmen der Entscheidung C-63/15, Mehrdad Ghezelbash/Niederlande, wurde insbesondere ausgesprochen, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO dahingehend auszulegen ist, dass ein Antragsteller auf internationalen Schutz im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III der Dublin III-VO festgelegten Zuständigkeitskriteriums sowie einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO geltend machen könne und sich die korrekte Anwendbarkeit der Kriterien der Dublin III-VO sohin als im Rechtsweg überprüfbar erweise (siehe auch VwGH 23.6.2016, Ra 2016/20/0069, Rz 17).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Schreiben des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten vom 23.02.2024 betreffend den BF, dass die französiche Botschaft in Dhaka dem BF ein Visum in Vertretung Österreichs ausgestellt hat. Ein entsprechender Vermerk in dem Visum und die Angabe eines Auftraggebers bei der Visaabfrage wurden offenbar versehentlich nicht angebracht. Dennoch ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei, dass der BF im Besitz eines Visums im Sinne des Art. 12 Abs. 2 2. Fall iVm Abs 4 erster Satz Dublin-III-Verordnung ist. Frankreich hat das Visum aufgrund eines entsprechenden Antrages eines Visums für Österreich über Ersuchen Österreichs ausgestellt. Somit ist Österreich für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zustimmung der französischen Behörden zum vom BFA gestellten Aufnahmeersuchen, die aufgrund der Information, dass ein französisches Schengen-Visum ausgestellt worden wäre, erfolgte, ist in casu unbeachtlich.

Die Zuständigkeit Österreichs für gegenständliches Verfahren wurde im Rahmen des Parteiengehörs auch dem BFA mitgeteilt mit der Möglichkeit, eine Stellungnahme innerhalb einer eingeräumten Frist abzugeben. Es langte jedoch innerhalb der eingeräumten Frist und bis dato keine Stellungnahme des BFA beim BVwG ein.

In Stattgebung der Beschwerde war der angefochtene Bescheid somit aufzuheben und das Verfahren in Österreich zuzulassen.

§ 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Die mit dem FRÄG 2015 eingeführte Regelung des Abs. 6a leg. cit. indiziert, dass im Zulassungsverfahren – auch in Zusammenschau mit der Spezialnorm des § 21 Abs. 3 BFA-VG – grundsätzlich weitergehende Möglichkeiten der zulässigen Abstandnahme von der Durchführung von Verhandlungen bestehen (in diesem Sinne auch VwGH 8.9.2015, Ra 2014/18/0157 bis 0159, vgl. dazu auch die Entscheidung des VwGH vom 5.12.2017, Ra 2017/01/0392 bis 0394). In dem vorliegenden Verfahren erscheint der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Insbesondere in Hinblick auf die eingehohle Auskunft des Bundesministeriums, zu der Parteiengehör gewährt wurde, ergaben sich keine Hinweise auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem BF zu erörtern.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedstaat, welche sich aus den umfassenden und aktuellen Länderberichten ergibt und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

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