BVwG I405 2282989-1

BVwGI405 2282989-129.2.2024

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:I405.2282989.1.00

 

Spruch:

I405 2282986-1/5E

I405 2282985-1/5E

I405 2282989-1/5E

I405 2282992-1/5E

I405 2282991-1/5E

I405 2282988-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerden von

1.) XXXX , geb. XXXX , StA. Sudan (BF1), vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.11.2023, Zl. XXXX,

2.) XXXX , geb. XXXX , StA. Sudan (BF2), vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2023, Zl. XXXX ,

3.) XXXX , geb. XXXX , StA. Sudan (BF3), gesetzlich vertreten durch seine Mutter XXXX , diese vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2023, Zl. XXXX ,

4.) XXXX , geb. XXXX , StA. Sudan (BF4), gesetzlich vertreten durch ihre Mutter XXXX , diese vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2023, Zl. XXXX ,

5.) XXXX , geb. XXXX , StA. Sudan (BF5), gesetzlich vertreten durch ihre Mutter XXXX , diese vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2023, Zl. XXXX und

6.) XXXX , geb. XXXX , StA. Sudan (BF6), gesetzlich vertreten durch ihre Mutter XXXX , diese vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2023, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

Die Verfahren der Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1), der Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2), des minderjährigen Drittbeschwerdeführers (im Folgenden: BF3), der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF4), der minderjährigen Fünftbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF5) sowie der minderjährigen Sechstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF6) werden gemäß § 34 AsylG 2005 und § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

I. Verfahrensgang:

I.1. Die BF1 ist Mutter der BF2, welche wiederum Mutter des BF3, der BF4, der BF5 und der BF6 ist. Sie sind Staatsangehörige des Sudans. Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reisten rechtmäßig mittels Visum nach Österreich ein und stellten am 11.10.2022 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

I.2. Am selben Tag wurden die BF1 und die BF2 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Die BF1 gab an, dass ihre Kinder politisch tätig gewesen seien, sie und ihre Familie deswegen immer wieder bedroht worden seien und einmal sogar auf sie geschossen worden sei. Die BF2 schilderte, dass sie und ihr Ehemann am 22.06.2022 wegen ihrer politischen Tätigkeit inhaftiert worden seien. Sie sei gefoltert, sexuell belästigt und mit dem Tode bedroht worden. Nach einem Tag sei sie freigelassen worden, aber ihr Ehemann sei verschollen geblieben. Die BF2 stellte auch für den BF3 und die BF4, BF5 und BF6 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurden für diese keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht, sondern schlossen sich diese jenen der BF2 an.

I.3. In einer niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 29.08.2023 gab die BF1 neuerlich an, dass der Hauptgrund für das Verlassen ihres Heimatlandes die politische Tätigkeit ihrer Kinder gewesen sei, welche sich gegen das Regime gerichtet habe. Sie seien alle mit dem Tode bedroht worden. Auch die BF2 wiederholte in ihrer niederschriftlichen Einvernahme beim BFA am 30.08.2023, dass ihre gesamte Familie mit dem Tode bedroht werde und ihr Mann und ihr Bruder verschollen seien.

I.4. Mit angefochtenen Bescheiden des BFA vom 14.04.2023, Zl. XXXX (BF1) und vom 15.11.2023, Zl. XXXX (BF2), Zl. XXXX (BF3), Zl. XXXX (BF4), Zl. XXXX (BF5) und Zl. XXXX (BF6) wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Den BF wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

I.5. Gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 12.12.2023 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Die Spruchpunkte II. und III. der angefochtenen Bescheide erwuchsen indessen unangefochten in Rechtskraft.

I.6. Mit Schreiben des BFA vom 18.12.2023 wurden die gegenständlichen Verfahren dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt und langten die Akte am 20.12.2023 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

I.7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 01.02.2024 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person der BF:

Die BF1 und die BF2 sind volljährig. Der BF3 und die BF4, BF5 sowie BF6 sind minderjährig. Die BF1 ist Mutter der BF2. Die BF2 ist Mutter des BF3, der BF4, der BF5 und der BF6.

Die BF bekennen sich zum moslemisch Glauben, sind Staatsangehörige des Sudans, gehören der Volksgruppe der Araber an und sprechen Arabisch. Ihre Identitäten stehen nicht fest.

Die BF leiden an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen. Die BF1 gab an, dass sie an Bluthochdruck, der Autoimmunkrankheit Erythematodes Lupus und Knieproblemen leide, ansonsten ist sie aber gesund.

Die BF lebten bis zu ihrer Ausreise aus dem Sudan im Juli 2023 in Khartum, Hauptstadt der Republik Sudan und des Bundesstaates al-Chartum. Dann reisten sie nach Ägypten aus und zweieinhalb Monate später mittels Visum C (Touristenvisum) legal von Ägypten nach Österreich ein. Die BF halten sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf.

Ein Sohn der BF1 bzw. Bruder der BF2 lebt im Sudan, allerdings ist sein Aufenthaltsort nicht bekannt. Zwei Schwestern der BF1 mit ihren Familien befinden sich nach wie vor im Sudan, eine in Halfa und die andere in Dongola. Mit den BF sind noch eine weitere Tochter und ein Sohn der BF1 bzw. Schwester und Bruder der BF2 nach Österreich eingereist. In Österreich leben noch weitere zwei Töchter der BF1 bzw. Schwestern der BF2.

Die BF1 und die BF2 sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Der BF3 und die BF3, BF4, BF5 sowie BF6 sind strafunmündig.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der BF:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF im Sudan aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt waren.

Die BF1 und die BF2 konnten keine asylrelevanten Gründe vorbringen bzw. nicht glaubhaft machen, dass ihnen im Sudan politische Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die BF4, BF5 und BF6 im Sudan von einer Zwangsbeschneidung bedroht waren oder im Falle ihrer Rückkehr von einer solchen bedroht wären.

Es kann folglich nicht festgestellt werden, dass die BF1 und BF2 sowie die BF4 bis BF6 unmittelbar vor ihrer Ausreise einer individuellen und aktuellen Verfolgung aus den von ihnen genannten Gründen im Herkunftsstaat ausgesetzt gewesen wären bzw. im Fall ihrer Rückkehr in den Sudan der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein würden.

Im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat Sudan werden die BF1 und BF2 sowie die BF4 bis BF6 daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein.

Für den BF3 wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der BF trifft das Bundesverwaltungsgericht folgende entscheidungsrelevanten Feststellungen zur aktuellen Lage Sudan („Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zum Sudan vom 15.02.2021, letzte Kurzinformation eingefügt am 30.06.2023), welche mit den BF und der Rechtsvertretung in der mündlichen Verhandlung am 01.02.2024 erörtert wurden:

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformation

KI vom 30.6.2023

Beide Kriegsparteien glauben offenbar, dass sie sich einen militärischen Vorteil verschaffen können. Daher wird auch keine Vermittlung gesucht (STPT 19.6.2023).

In Khartum kontrollieren die RSF weiterhin wichtige Infrastruktur, darunter den Flughafen, den Präsidentenpalast, die Raffinerie, den Goad-Industriekomplex, Omdurman Radio und TV sowie mehrere Brücken über den Nil. Die RSF verfügen aber über dürftige Versorgungswege, während die SAF von Norden, Süden und Osten vergleichsweise einfach versorgt werden können (STPT 19.6.2023). In der Hauptstadt kommt es auch zu Luftangriffen, Artilleriebeschuss und Bodenkämpfen (BAMF 26.6.2023). Da die RSF in Khartum oft zivile Häuser als Stützpunkte nutzen, setzt die SAF zunehmend auf wahllose Bombenangriffe, um die RSF-Truppen zu vertreiben – und zielt dabei natürlich auch auf Zivilisten. So wurden etwa am 18.6.2023 bei einem Angriff der SAF-Luftwaffe auf Mayo im Süden Khartums 17 Zivilisten, darunter fünf Kinder, getötet. Die RSF haben in Khartum auch maßgeblich geplündert, zahlreiche Fahrzeuge wurden gestohlen (STPT 19.6.2023).

West-Darfur: Seit einigen Wochen wird um die Hauptstadt von West-Darfur, El Geneina, gekämpft. Medienangaben zufolge wurden im Kampf um El Geneina bisher mindestens 5.000 Menschen getötet und mehr als 8.000 verletzt (BAMF 26.6.2023). Eine andere Quelle berichtet von mehr als 1.200 Todesopfern. Mehr als hunderttausend Menschen sind über die Grenze in den Tschad geflohen (STPT 19.6.2023). Aus El Geneina kommen Berichte zu ethnischen Säuberungen (BAMF 26.6.2023). Die RSF soll demnach Zivilisten aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit angreifen. Die gewalttätigen Episoden im Mai und in der ersten Junihälfte werden als koordinierte, systematische Angriffe der RSF und verbündeter Milizen auf Zivilisten, zivile Objekte, Krankenhäuser, Häuser und Lebensmittel beschrieben. Es gibt systematische Angriffe auf nicht-arabische Bevölkerungsteile – speziell auf die Massalit. Der Gouverneur von West-Darfur sprach von einem Genozid – und wurde daraufhin von den RSF exekutiert (STPT 19.6.2023).

Nord-Kordofan: Die Hauptstadt des Bundesstaates, El Obeid, wird weiterhin von den RSF und verbündeten Milizen, zu denen vor allem Hawazma und Misseriya aus Süd- und West-Kordofan gehören, belagert (STPT 19.6.2023).

Süd-Kordofan: Aus mehreren Städten werden Kämpfe gemeldet, etwa aus Dalanj, das derzeit unter Kontrolle der SPLM-N steht. Auch in der Hauptstadt des Bundesstaates Südkordofan, Kadugli, kommt es zu Kämpfen (BAMF 26.6.2023). Am 8.6.2023 übernahm die Sudanesische Volksbefreiungsbewegung Nord (SPLM-N) die Kontrolle über vier SAF-Lager rund um die Hauptstadt des Bundesstaates, Kadugli. Der Vorfall führt zur Sorge, dass sich der Krieg auf die Nuba-Berge ausweiten könnte (STPT 19.6.2023). Am 4.6.2023 übernahmen die RSF die Garnison der SAF in Kutum, nachdem die Stadt tagelang wiederholt angegriffen worden war. Berichten zufolge griffen RSF und alliierte Milizen auch das Flüchtlingslager Kassab an und töteten dort mindestens vierzig Zivilisten, verletzten zahlreiche weitere und haben Tausende vertrieben (STPT 19.6.2023). Zudem kommt es zu Überfällen, Plünderungen und Übergriffen durch kriminelle und bewaffnete Banden bzw. Gruppierungen (BAMF 26.6.2023).

Darfur: Auch in Nyala (Süd-Darfur) und in Al Fashir (Nord-Dafur) kommt es zu Kämpfen zwischen SAF und RSF. Nachdem die Kämpfe in Nyala nachgelassen haben, überfielen Bewaffnete in Zivilkleidung den zweitgrößten Markt der Stadt („people’s market“) und plünderten die Stände und Geschäfte. Der Hauptmarkt der Stadt war bereits zuvor geplündert worden (BAMF 26.6.2023).

Sonstige Informationen

Die RSF haben bisher zahlreiche zivile Aktivisten, politische Persönlichkeiten und Familienangehörige von Militärbeamten an Checkpoints festgenommen, oft unter dem Verdacht einer Verbindung zum Militär oder zu anderen Sicherheitsbehörden (STPT 19.6.2023).

Insgesamt sind 1,9 Millionen Menschen vertrieben worden, ca. 470.000 davon flohen ins Ausland. Die Reise zur ägyptischen Grenze ist teuer und gefährlich, es gibt zahlreiche Straßensperren unterschiedlicher Akteure. Ägypten verlangt mitunter sudanesische Dokumente und ägyptische Visa (für Männer zwischen 16 und 50 Jahren) (STPT 19.6.2023).

Nach Angaben des Famine Early Warning Systems Network (FEWS NET) sind aufgrund der Kämpfe im Land und weiter steigender Lebensmittelpreise ungefähr 11,9 Millionen Menschen von hoher Lebensmittelunsicherheit bedroht. FEWS NET geht davon aus, dass sich die Lage bis Ende des Jahres weiter verschlechtern wird und mindestens einer von fünf Haushalten mit extremen Lücken in der Lebensmittelversorgung konfrontiert sein wird. Für Teile der Regionen Darfur und Kordofan prognostiziert das Netzwerk nahezu vollständige Versorgungslücken an Nahrungsmitteln und Gütern des Grundbedarfs für mindestens einen von fünf Haushalten (BAMF 19.6.2023).

Aufgrund von Kämpfen, Straßensperren, Plünderungen und Überfällen hat sich die Lage in der Versorgung mit Medikamenten weiter zugespitzt. In Khartum fehlt es gänzlich an Insulin und anderen wichtigen, teils überlebensnotwendigen, Medikamenten (BAMF 19.6.2023).

Quellen:

• BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (26.6.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw26-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=6 , Zugriff 30.6.2023

• BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.6.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw25-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=3 , Zugriff 30.6.2023

• STPT – Sudan Transparency and Policy Tracker (19.6.2023): The Sudan Conflict Monitor #4, https://sudantransparency.org/wp-content/uploads/2023/06/SCM_4_2.pdf , Zugriff 30.6.2023

KI vom 18.4.2023

Seit Tagen dauern schwere Kämpfe im Sudan an – und ein Ende ist nicht in Sicht. In dem Konflikt stehen sich die Soldaten der regulären sudanischen Armee und die paramilitärische Gruppe "Rapid Support Forces" (RSF) gegenüber (TS 17.4.2023; vgl. RWV 17.4.2023). Es geht um die Macht im Sicherheitsapparat - und damit letztlich um den Einfluss auf den Sudan insgesamt sowie die Kontrolle von Ressourcen wie Gold (TS 17.4.2023).

2021 haben Armee und RSF geputscht und eine aus Zivilisten und Militärs zusammengesetzte Übergangsregierung abgesetzt. Seitdem wird das Land von dem sogenannten Übergangsrat kontrolliert. An dessen Spitze steht der Kommandeur der regulären Streitkräfte, General Abdul Fattah al-Burhan. Sein Stellvertreter - und nun auch Widersacher - ist der Oberbefehlshaber der RSF-Paramilitärs, Mohamed Hamdan Daglo, genannt "Hemeti". In der Woche vom 10.4.2023 war eine Frist verstrichen, um einen Plan vorzulegen, wie das Land zur Demokratie zurückkehren könnte. Voraussetzung dafür sollte die Integration der RSF in die Strukturen der nationalen Armee sein (TS 17.4.2023; vg. RWV 17.4.2023).

Seit Samstag 15.4.2023 liefern sich die Armee und die RSF schwere Kämpfe, die sich laut Medien hauptsächlich auf die Hauptstadt Khartum konzentrieren. Doch auch aus anderen Teilen des Landes werden Kämpfe gemeldet: etwa in der Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer und in der Stadt Merowe, die über einen wichtigen Flughafen verfügt. Bislang zeigt sich keine der Konfliktparteien verhandlungsbereit (TS 17.4.2023). Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) wurden bislang mindestens 185 Menschen getötet und 1800 verletzt. Wegen anhaltender Kämpfe in dicht besiedelten Stadtteilen der Hauptstadt Khartum werden noch höhere Opferzahlen befürchtet. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung wird durch den Beschuss von Gesundheitseinrichtungen blockiert. Kranke und Verletzte können vielerorts nicht mehr behandelt werden. Zudem haben viele Kliniken weder Trinkwasser noch Nahrungsmittel (DW 17.4.2023; TS 17.4.2023).

Trotz des internationalen Drucks zur Befriedung werden die Zusammenstöße in Khartum wahrscheinlich weitergehen, da die beiden Seiten relativ gleich stark sind, was das Risiko eines anhaltenden Bürgerkriegs erhöht, der den Übergang des Sudan zu einer zivilen Regierung erschüttert und eine neue humanitäre Krise auslöst (RWV 17.4.2023).

Quellen:

• DW – Deutsche Welle (17.4.2023): Im Sudan wächst die Sorge um die Zivilbevölkerung, https://www.dw.com/de/im-sudan-w%C3%A4chst-die-sorge-um-die-zivilbev%C3%B6lkerung/a-65351186 , Zugirff 17.4.2023

• RWV - Rane Worldview (17.4.2023): Sudan Descends Into Conflict as Army, Paramilitary Face Off, kostenplichtiger Newsletter, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

• TS - Tagesschau (17.4.2023): Machtkampf der Rivalen, https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/sudan-faq-kaempfe-militaer-rsf-101.html , Zugriff 8.4.2023

Politische Lage

Der Sudan war bis Anfang April 2019 eine Republik mit einer Machtkonzentration in den Händen des autoritären Präsidenten Omar Hassan al-Bashir und der National Congress Party (NCP), die drei Jahrzehnte lang mit nahezu absoluter politischer Autorität regierten. Proteste, die Mitte Dezember 2018 wegen wirtschaftlicher Bedenken begannen, setzten sich in den ersten Monaten des Jahres 2019 fort, nahmen an Umfang zu und wandelten sich in Forderungen nach einem Regimewechsel unter dem Slogan Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit. Am 22.2.2019 verhängte Präsident Bashir den Ausnahmezustand und erließ eine Reihe von Dekreten, die das Abhalten von öffentlichen Versammlungen, Umzügen, Streiks und ähnlichen Aktivitäten ohne Genehmigung der zuständigen Behörde untersagten und den Sicherheitskräften weitreichende Befugnisse zur Verhaftung, Durchsuchung und Einschränkung der Bewegungsfreiheit gaben. Es wurden Notstandsgerichte eingerichtet, um verhaftete Demonstranten vor Gericht zu stellen. Dennoch gingen die Proteste weiter, und am 6.4.2019 wurde nach der bis dahin größten Demonstration ein "Sit-in" vor dem Hauptquartier der Streitkräfte eingerichtet. Am 11.4.2019 wurde Omar al-Bashir von seinem Amt als Präsident abgesetzt (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 28.6.2020).

Ein selbst ernannter Militärischer Übergangsrat (TMC) übernahm das Amt, mit Generalleutnant Ahmed Awad Ibn Auf als faktischem Staatsoberhaupt. Der TMC verkündete die Aussetzung der Verfassung des Landes, löste das Kabinett, die nationale Legislative, die Regierungen der Bundesstaaten und die gesetzgebenden Räte auf und verkündete einen dreimonatigen Ausnahmezustand, dem eine zweijährige Übergangszeit folgen sollte. Ibn Auf war jedoch für das sudanesische Volk inakzeptabel, und in weniger als 24 Stunden wurde er durch General Abdel al-Fatah Burhan ersetzt. Die Kräfte für Freiheit und Wandel (Forces for Freedom and Change, FFC), eine Koalition von Oppositionsparteien, und der TMC begannen Verhandlungen zur Bildung einer Übergangsregierung, während das Sit-in weiterging. Am 3.6.2019 gingen die Sicherheitskräfte gewaltsam gegen die Demonstranten vor, wobei Hunderte von Menschen getötet und verletzt wurden. Nach ein paar angespannten Tagen kehrten die beiden Seiten jedoch zu den Verhandlungen zurück (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 28.6.2020).

Am 5.7.2019 einigten sich TMC und FFC auf die Bildung einer zivil geführten Übergangsregierung und unterzeichneten am 17.8.2019 ein politisches Abkommen und eine Verfassungserklärung. Die Übergangsregierung setzt sich aus einem Souveränen Rat, einem Ministerrat mit dem Premierminister an der Spitze und einem Legislativrat zusammen. Der elfköpfige Souveräne Rat setzt sich aus sechs Zivilisten und fünf Militäroffizieren zusammen. Am 20.8.2019 wurde Abdalla Hamdok als Premierminister vereidigt, wodurch der TMC aufgelöst wurde (USDOS 11.3.2020).

Das Land hat zuletzt 2015 nationale Wahlen (Präsidentschaftswahlen und Nationalversammlung) abgehalten (USDOS 11.3.2020). Diese Wahlen waren weder frei noch fair und wurden von der Opposition boykottiert (FH 4.3.2020). Gemäß der Verfassungserklärung sollen im Jahr 2022 allgemeine Wahlen abgehalten werden (USDOS 11.3.2020). Ex-Diktator Omar al-Baschir sitzt inzwischen im Gefängnis und soll wegen Verbrechen gegen die Menschheit an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag ausgeliefert werden (Spiegel 14.11.2020).

Das erste Jahr des dreijährigen Übergangs zu einer demokratischen Regierung im Sudan nach dem Sturz von Präsident Omar al-Bashir war geprägt von einer scheiternden Wirtschaft, politischen Spannungen und anhaltenden Protesten der Bevölkerung für Gerechtigkeit und Reformen. Diese Herausforderungen wurden durch die Covid-19-Pandemie noch verschärft. Die Regierung führte einige Reformen ein, hat aber die meisten der institutionellen und rechtlichen Reformen, die in der Verfassungscharta vom August 2019 gefordert wurden, noch nicht umgesetzt (HRW 13.1.2021).

Die sudanesische Übergangsregierung unterzeichnete bis Oktober 2020 ein Friedensabkommen mit den meisten Rebellengruppen im Land (Spiegel 29.1.2021; vgl. ACLED 27.8.2020, HRW 13.12.2021). Das sollte die internen bewaffneten Konflikte des Landes beenden und eine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof bei den Darfur-Untersuchungen sowie die Einrichtung eines nationalen Sondergerichts für Darfur-Verbrechen vorsehen (HRW 13.1.2021).

Von außen betrachtet schien sich die Lage in Darfur und anderen umkämpften Grenzregionen zu entspannen (Zeit 29.1.2021; vgl. ACLED 27.8.2020). Jedoch kam es in Darfur und im Ostsudan zu einem Anstieg der interkommunalen Gewalt, verschärft durch die Beteiligung von Sicherheitskräften der Regierung (HRW 13.1.2021; vgl. Spiegel 29.1.2021, ACLED 27.8.2020). Die Darfur-Friedensmission der Vereinten Nationen/Afrikanischen Union (UNAMID) zog sich zurück, während eine neue landesweite politische Mission ihre Arbeit aufnahm (HRW 13.1.2021).

Rebellengruppen aus den marginalisierten Regionen Darfur und den „Zwei Gebieten“ Blue Nile und Süd-Kordofan werden sich in die Reihen der militärischen und paramilitärischen Eliten einreihen, die neben einer zersplitterten zivilen Koalition agieren und ein zunehmend instabiles Land regieren (ACLED 27.8.2020). Anfang Feber 2021 erfolgte eine Kabinettsumbildung, die Teil eines Friedensabkommens ist. Regierungschef Abdullah Hamduk hat sieben Anführer von Rebellengruppen zu Ministern ernannt (DW 9.2.2021; vgl. oe24 8.2.2021). Das Zusammenspiel zwischen dem militärischen Establishment, den paramilitärischen Eliten aus der sudanesischen Halbperipherie und den Rebelleneliten aus der Peripherie wird den Ausgang der sudanesischen Revolution entscheidend beeinflussen, wenn auch vielleicht nicht in der Weise, wie es sich die Demonstranten, die den Aufstand angeführt haben, erhofft hätten (ACLED 27.8.2020).

Obwohl dieser historische Moment oft als "Übergang" vom militärischen Autoritarismus zur zivilen Demokratie dargestellt wird, ist er besser als eine Abrechnung mit dem Sudan zu verstehen, bei der sich Eliten aus dem Kern, der Peripherie und der Halbperipherie um die Trümmer eines Staates herum neu orientieren, der sich lange darauf verlassen hat, die Bevölkerung gegeneinander auszuspielen, um seine Herrschaft zu erhalten. Der Ausgang dieser Abrechnung ist ungewiss und wird durch eine Vielzahl von Eigeninteressen, Rebellengruppen und paramilitärischen Gruppierungen erschwert, mit Folgen für das Horn von Afrika und möglicherweise darüber hinaus (ACLED 27.8.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.6.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033570/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_28.06.2020.pdf , Zugriff 1.2.2021

• ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (27.8.2020): Riders on the Storm: Rebels, Soldiers, and Paramilitaries in Sudan’s Margins, https://acleddata.com/2020/08/27/riders-on-the-storm-rebels-soldiers-and-paramilitaries-in-sudans-margins/ , Zugriff 9.2.2021

• DW - Deutsche Welle (9.2.2021): Rebellen-Anführer in Übergangsregierung berufen, https://www.dw.com/de/rebellen-anf%C3%Bchrer-in-%C3%Bcbergangsregierung-berufen/a-56504614 , Zugriff 12.2.2021

• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Sudan, Events of 2020, https://www.hrw.org/world-report/2021/country-chapters/sudan , Zugriff 9.2.2021

• oe24 - Mediengruppe „Österreich“ GmbH (8.2.2021): Kabinettsumbildung im Sudan - Rebellen in Regierungsposten, https://www.oe24.at/newsfeed/kabinettsumbildung-im-sudan-rebellen-in-regierungsposten/464455937 , Zugriff 12.2.2021

• Spiegel, der (14.11.2020): Pakt mit den Teufeln, https://www.spiegel.de/politik/ausland/eu-plaene-fuer-sudan-pakt-mit-den-teufeln-a-997a76d8-fbee-4806-ab46-a410805c9327 , Zugriff 11.2.2021

• USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/SUDAN-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 1.2.2021

• Zeit Online (29.1.2021): Angst vor den "reitenden Teufeln", https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-01/sudan-darfur-gewaltausbruch-friedensmission-unamid-karthum-revolution-demokratisierung/komplettansicht , Zugriff 11.2.2021

Sicherheitslage

Die unsichere Situation im Land wird durch die anhaltende wirtschaftliche Instabilität und eine immer noch fluide politische Situation, die durch die Koexistenz von militärischen und zivilen Kräften an der Macht gekennzeichnet ist, beeinflusst. In den Städten gibt es eine hohe Präsenz von Polizei und Streitkräften, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten (MAECI 13.1.2021).

Das staatliche Gewaltmonopol ist in der Hauptstadt Khartum und den nördlichen Provinzen gewährleistet (BS 4.2020). Die bewaffneten Konflikte in Darfur und den sogenannten „Two Areas“ - Südkordofan und Blauer Nil - sind weiter ungelöst (AA 28.6.2020); in diesen Regionen wird auch das staatliche Gewaltmonopol herausgefordert (BS 4.2020).

Trotz der jüngsten Kämpfe entlang der äthiopischen Grenze und Zusammenstößen in Kassala und den Staaten am Roten Meer im Nordosten konzentrieren sich Kämpfe und Gewalt gegen Zivilisten weiterhin auf die südliche und westliche Peripherie des Sudan. Mit Ausnahme intensiver Gewalt in Khartum und in Port Sudan im Sommer 2019 sind die Ereignisse in Darfur und Süd-Kordofan auch weiterhin die tödlichsten im Sudan (ACLED 27.8.2020).

Anfang der 2000er-Jahre waren in Darfur Konflikte zwischen afrikanischstämmigen Bauern und arabischstämmigen Viehhirten zu einem Krieg mit mehreren Hunderttausend Toten und Millionen von Vertriebenen eskaliert (Zeit 29.1.2021). Am 31.8.2020 unterzeichneten die Regierung und eine Koalition von Rebellengruppen ein Friedensabkommen, das die internen bewaffneten Konflikte des Landes beenden und die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof bei seinen Darfur-Untersuchungen sowie die Einrichtung eines nationalen Sondergerichts für Darfur-Verbrechen vorsehen soll (HRW 13.1.2021). Im Oktober 2020 schloss die sudanesische Übergangsregierung ein Friedensabkommen mit den meisten Rebellengruppen des Landes. Von außen betrachtet schien sich die Lage in Darfur und anderen umkämpften Grenzregionen zu entspannen. Tatsächlich aber eskaliert seit einigen Monaten die Gewalt (Zeit 29.1.2021).

In Darfur und im Ostsudan kam es zu einem Anstieg der interkommunalen Gewalt, verschärft durch die Beteiligung von Sicherheitskräften der Regierung. Die Darfur-Friedensmission der Vereinten Nationen/Afrikanischen Union (UNAMID) zog sich zurück, während eine neue landesweite politische Mission ihre Arbeit aufnahm (HRW 13.1.2021; vgl. Zeit 29.1.2021). Banden und Milizen arabischstämmiger Gruppen können oft ungehindert agieren. Die Übergangsregierung unter Premierminister Abdalla Hamdok muss sich vorwerfen lassen, den Friedensprozess in Darfur zu gefährden, weil sie die Sicherheit der Menschen dort nicht garantieren kann (Zeit 29.1.2021; vgl. meo 22.5.2020).

Nomadische Milizen greifen in Konfliktgebieten auch Zivilisten an. Es gibt zahlreiche Berichte über Entführungen durch Rebellen- und Stammesgruppen in Darfur. Internationale Organisationen sind weitgehend nicht in der Lage, Berichte über Verschwindenlassen zu verifizieren (USDOS 11.3.2020). Im Rahmen von Stammesauseinandersetzungen zeigt sich, dass es auf allen Seiten eine hohe Gewaltbereitschaft gibt. Neue Vertreibungen aufgrund von Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien werden weiter registriert, wenngleich die Zahl der Vertriebenen merklich gesunken ist (AA 28.6.2020).

Konflikte um Landrechte haben meist einen ethnischen oder tribalen Hintergrund (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 28.6.2020, meo 22.5.2020). Unter Baschir fanden diese Konflikte vorwiegend in ruralen, peripheren Gebieten statt. Seit 2019 sind interethnische Konflikte auch in städtische Gebiete vorgedrungen, da die Übergangsregierung in Khartum nicht in der Lage ist, politische Kontrolle und eine Sicherheitspräsenz auszuüben. Die tribalen Spannungen bedrohen die Friedensgespräche (meo 22.5.2020; vgl. ACLED 27.8.2020).

In Al Geneina, West-Darfur, flammten im Dezember 2019 Kämpfe zwischen arabischen und masalitischen Gemeinschaften auf, sechs Monate nachdem sich die UNAMID-Truppen von ihrer dortigen Basis zurückgezogen hatten. Bewaffnete Milizgruppen, darunter auch Mitglieder der RSF, griffen ein Lager für Vertriebene an und töteten Dutzende von Menschen, darunter auch Kinder, vergewaltigten Frauen und Mädchen, zerstörten Schulen und brannten Häuser nieder, was Zehntausende zur Flucht veranlasste. Am 25.7.2020 griffen bewaffnete arabische Milizen die Stadt Misteri in West-Darfur an. Die Angreifer hatten es laut Medienberichten auf ethnische Masalit abgesehen. Nach Angaben der UN wurden bei dem Angriff mindestens 60 Menschen getötet (HRW 13.1.2021).

Im Ostsudan wurden nach gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den ethnischen Gruppen der Beni Amer und Nuba in Port Sudan mindestens 25 Menschen getötet. Auch in der Stadt Kassala wurden bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Stammesgruppen der Hadendawa und Beni Amer im August 2020 zahlreiche Menschen getötet (HRW 13.1.2021).

Die Beziehungen zwischen dem Sudan und Äthiopien sind derzeit extrem angespannt (WZ 5.2.2021). Seit Dezember 2020 geht die äthiopische Regierung militärisch gegen die Volksbefreiungsfront von Tigray in der äthiopischen Region Tigray vor (WZ 5.2.2021; vgl. SZ 10.2.2021). Im Dezember 2020 marschierten sudanesische Truppen in die seit Jahrzehnten von Äthiopien und dem Sudan beanspruchte Grenzregion Al-Fashqa ein, in der zuletzt äthiopische Bauern die Felder bewirtschafteten. Äthiopische Milizen reagierten mit Gegenangriffen. Seitdem köchelt der Konflikt unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor sich hin (SZ 10.2.2021). Inzwischen sind 60.000 äthiopische Flüchtlinge vor dem Tigray-Konflikt in den Sudan geflohen (WZ 5.2.2021; vgl. ZZ 9.12.2020). Die humanitäre Lage in den Flüchtlingslagern spitzt sich zu (ZZ 9.12.2020; vgl. CMI 15.1.2021). In der Zielregion im Sudan kam es in den letzten zwei Jahren zu steigender interethnischer und städtischer Gewalt und der Zustrom von Flüchtlingen könnte die Probleme eskalieren lassen (CMI 15.1.2021).

Zudem streiten sich Äthiopien, der Sudan und Ägypten seit Jahren über Afrikas künftig größten Staudamm, der derzeit in Äthiopien gebaut wird. Experten warnen, dass dies in einen Krieg zwischen den Ländern münden könnte (WZ 5.2.2021). Im Feber 2021 haben äthiopische Kräfte sudanesische Soldaten angegriffen. Darauf haben die sudanesische Streitkräfte ein Lager des äthiopischen Militärs eingenommen und Waffen erbeutet. Es wurden 50 äthiopische und ein sudanesischer Soldat getötet (WZ 5.2.2021).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.6.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033570/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_28.06.2020.pdf , Zugriff 1.2.2021

• BS - Bertelsmann Stiftung (4.2020): BTI - Sudan Country Report 2020, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_SDN.pdf , Zugriff 1.2.2021

• CMI - Chr. Michelsen Institute | Gunnar M. Sørbø (15.1.2021): Sudan’s Transition: Living in Bad Surroundings (Sudan Working Paper SWP 2020:4), https://www.cmi.no/publications/7395-sudans-transition-living-in-bad-surroundings , Zugriff 8.2.2021

• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Sudan, Events of 2020, https://www.hrw.org/world-report/2021/country-chapters/sudan , Zugriff 9.2.2021

• MAECI - Ministerio degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale | Außenministerium Italien (13.1.2021): Viaggiare Sicuri informatevi – Sudan, http://www.viaggiaresicuri.it/country/SDN , Zugriff 12.2.2021

• meo - Middle East Online (22.5.2020): Upsurge in Sudan's tribal clashes threatens transition, https://middle-east-online.com/en/upsurge-sudans-tribal-clashes-threatens-transition , Zugriff 9.2.2021

• SZ - Süddeutsche Zeitung (10.2.2021): Der ewige Streit um den Nil, https://www.sueddeutsche.de/politik/staudamm-aethiopien-nil-1.5201992 , Zugriff 12.2.2021

• WZ - Wiener Zeitung (5.2.2020): 51 Tote bei Kämpfen zwischen Sudan und Äthiopien, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/2091790-51-Tote-bei-Kaempfen-zwischen-Sudan-und-Aethiopien.html , Zugriff 12.2.2021

• Zeit Online (29.1.2021): Angst vor den "reitenden Teufeln", https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-01/sudan-darfur-gewaltausbruch-friedensmission-unamid-karthum-revolution-demokratisierung/komplettansicht , Zugriff 11.2.2021

• ZZ - ZackZack (9.12.2020): Wenn Corona nur eine unter vielen Katastrophen ist, https://zackzack.at/2020/12/09/sudan-suedsudan-wenn-corona-nur-eine-unter-vielen-katastrophen-ist/ , Zugriff 12.2.2021

Rechtsschutz/Justizwesen

Sudan ist kein Rechtsstaat (AA 28.6.2020; vgl. AfAr 21.1.2021). Die Justiz ist ineffizient und von Korruption geprägt. Die Verfassung und das Gesetz sehen ein faires und öffentliches Verfahren sowie die Unschuldsvermutung vor; diese Bestimmungen werden jedoch selten eingehalten (USDOS 11.3.2020). Der institutionell schwachen Verwaltung fehlt es häufig an Kompetenz und Mitteln, aber auch am Willen, Zuständigkeiten, Gesetze und Verordnungen transparent auszulegen und anzuwenden. Es gibt bisher keine funktionierende Gewaltenteilung (AA 28.6.2020).

Die Strafjustiz des Baschir-Regimes wurde der Aufgabe, Straftaten unter Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze zu verfolgen und zu ahnden, nicht gerecht. Die Besetzung der Richterstellen unterliegt politischem Einfluss. Es fehlt außerdem an hinreichender Ausbildung der Mitarbeiter (AA 28.6.2020). Langwierige Untersuchungshaft ist üblich. Die große Zahl der Inhaftierten und die Ineffizienz der Justiz führen zu Prozessverzögerungen (USDOS 11.3.2020). Die sudanesische Übergangsverfassung von 2005 verbietet grundsätzlich Strafverfahren in Abwesenheit (AA 28.6.2020). Gerichtsverhandlungen sind nach Ermessen des Richters für die Öffentlichkeit zugänglich. Das Gesetz sieht vor, dass die Regierung einen Anwalt für mittellose Angeklagte zur Verfügung zu stellen hat, wenn die Strafe mehr als 10 Jahre Haft, Hinrichtung oder Amputation umfassen könnte; Angeklagte haben das Recht, Berufung einzulegen, außer bei Militärprozessen. Militärprozesse haben keine Verfahrensgarantien (USDOS 11.3.2020).

Im Baschir-Regime wurden Verdächtige häufig von der Polizei und anderen Sicherheitsorganen willkürlich und ohne Rechtsgrundlage festgenommen und ohne richterlichen Beschluss in Untersuchungshaft festgehalten. Häufig vorkommenden Übergriffe staatlicher Sicherheitsorgane wurden nur in Ausnahmefällen strafrechtlich verfolgt (AA 28.6.2020).

Verdächtige können bis zu 45 Tage ohne richterlichen Beschluss, mit der Möglichkeit einer Verlängerung auf bis zu viereinhalb Monate, inhaftiert werden. Verhängte Strafen sind oft unverhältnismäßig hoch. Zur Vermeidung längerer Gefängnisstrafen nutzen Verurteilte gelegentlich die in bestimmten Fällen bestehende Möglichkeit, anstelle der verhängten Haftstrafe eine Körperstrafe (Hiebe) zu akzeptieren (AA 28.6.2020). Die Scharia beeinflusst das Recht stark (USDOS 11.3.2020).

Die Übergangsverfassung sieht eine umfassende Justizreform vor, einschließlich der Einrichtung einer unabhängigen Justiz (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Im Oktober 2019 wurde die neue Oberste Richterin, die erste Frau in der Geschichte des Sudan in dieser Position, ernannt, was den Weg für weitere Reformen des Justizwesens freimacht. Ein separates System von Militärgerichten wird Fälle verhandeln, an denen Angehörige der Streitkräfte und der Sicherheitsdienste beteiligt sind (FH 4.3.2020).

Die meisten der institutionellen und rechtlichen Reformen, die in der Verfassungscharta vom August 2019 gefordert wurden, wurden noch nicht umgesetzt (HRW 13.1.2021). Es ist unklar, wie sich Strafverfolgung- und Strafzumessungspraxis unter der Übergangsregierung entwickeln werden (AA 28.6.2020). Im Bereich von Migration und Grenzkontrollen hatten sudanesische Polizei und Justiz ein neues Ausbildungskonzept erarbeitet, das dazu beitragen soll, das Bewusstsein für Rechtsstaatlichkeit bei Polizisten und Justizmitarbeitern bis hin zu Staatsanwälten und Richtern zu stärken (AA 28.6.2020).

Die seit 2003 im Darfur-Konflikt begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit werden von der Justiz nicht ernsthaft verfolgt, soweit es sich um Verbrechen handelt, die von staatlichen Sicherheitskräften oder mit ihnen verbündeten Tätern begangen wurden. Auch die Einrichtung eines Sonder-Gerichtshofs und -Staatsanwalts für Kriegsverbrechen in Darfur hat bisher nicht zu Ergebnissen geführt (AA 28.6.2020; vgl. AI 8.4.2020).

In Darfur und anderen entlegenen Gebieten sind die Richter oft abwesend und verzögern so die Prozesse. In den Konfliktgebieten ist die lokale Mediation oft die erste Anlaufstelle zur Lösung von Streitigkeiten. In einigen Fällen entscheiden Stammesgerichte außerhalb des offiziellen Rechtssystems. Sie bieten nicht den gleichen Schutz wie reguläre Gerichte (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung Bashir verhaftete und schikanierte Anwälte, die sie als politische Gegner betrachtete; unter der Übergangsregierung gibt es keine Berichte über derartige Verhaftungen (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.6.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033570/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_28.06.2020.pdf , Zugriff 1.2.2021

• AfAr - African Arguments (21.1.2021): Sudan’s Transitional National Security, https://africanarguments.org/2021/01/sudans-transitional-national-security/ , Zugriff 11.2.2021

• AI - Amnesty International (8.4.2020): Sudan 2019, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-sudan-2019 , Zugriff 10.2.2021

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2020 , Zugriff 8.2.2021

• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Sudan, Events of 2020, https://www.hrw.org/world-report/2021/country-chapters/sudan , Zugriff 9.2.2021

• USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/SUDAN-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 1.2.2021

Sicherheitsbehörden

Unter dem Bashir-Regime lag die Verantwortung für die innere Sicherheit beim Innenministerium, das die Polizeibehörden beaufsichtigte; beim Verteidigungsministerium und beim Nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienst (NISS). Zu den Polizeibehörden des Innenministeriums gehörten die Sicherheitspolizei, die Polizei der Spezialeinheiten, die Verkehrspolizei und die kampferprobte Zentrale Reservepolizei. Es gab Polizeipräsenz im ganzen Land. Unter der Übergangsregierung änderte sich diese Struktur. Der NISS wurde in General Intelligence Service (GIS) umbenannt, und sein Mandat eingegrenzt. Das Verteidigungsministerium beaufsichtigt alle Elemente der sudanesischen Streitkräfte (SAF), einschließlich der schnellen Eingreiftruppen, des Grenzschutzes und der Einheiten des Verteidigungs- und Militärgeheimdienstes (DMI) (USDOS 11.3.2020).

Die Behörden des Bashir-Regimes hatten zeitweise keine effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Angehörige der Sicherheitskräfte sind auch unter der Übergangsregierung in Konfliktgebieten weiterhin in Menschenrechtsverletzungen verwickelt. Obwohl einige Probleme fortbestehen, hat sich unter der Übergangsregierung die Kontrolle über die Sicherheitskräfte deutlich verbessert (USDOS 11.3.2020).

Polizei- und Sicherheitskräfte gehen generell mit Härte vor. Konzepte wie Rechtsstaatlichkeit oder Verhältnismäßigkeit sind vielen Sicherheitskräften unbekannt. Die Polizei agiert weiterhin häufig willkürlich; eine richterliche Kontrolle polizeilichen Handelns fand und findet kaum statt. Nach dem 3.6.2019 war die Polizei, bis auf die Verkehrspolizei, zwischenzeitlich fast vollständig aus dem Khartumer Stadtbild verschwunden. In den Wochen zuvor wurde von Angriffen auf Krankenhäuser berichtet. Die Hintergründe solcher Angriffe sind unklar. Im Bashir-Regime waren Ärzte und medizinische Einrichtungen jedoch ein beliebtes Ziel staatlicher Übergriffe, da Ärzte, ähnlich wie Anwälte und Hochschullehrer, der Opposition zugerechnet wurden (AA 28.6.2020).

Im Juli 2019 wurde der Nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienst (NISS), der vermeintliche Gegner von al-Bashirs Regime schikanierte, inhaftierte und folterte, begonnen zu restrukturieren. Der NISS wurde durch den General Intelligence Service (GIS) ersetzt, der sich auf die Terrorismus- und Korruptionsbekämpfung konzentrieren soll (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Der GIS ist innerstaatlich de facto ohne demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle nachrichtendienstlich tätig. Während der Phase der Proteste seit Ende 2018 war NISS an Aktionen, insbesondere Verhaftungen, gegen Protestierende, im ganzen Land beteiligt. Der GIS agiert auch nach dem Baschir-Putsch und nach dem Rücktritt des NISS-Direktor Salah Gosh am 13.4.2019 weiterhin anscheinend unbehelligt und soll an der blutigen Zerschlagung der Proteste am 3.6.2019 aktiv beteiligt gewesen sein. Es kam bereits zu Dutzenden Entlassungen bzw. Pensionierungen auch hochrangiger Mitarbeiter (Generalmajore, Brigadegeneräle, Colonels und Majore und niedrigere Dienstgrade). GIS versucht dies als Routine darzustellen, doch ein Gerangel hinter den Kulissen zwischen Anhängern des alten Baschir-Regimes und neuen Bewegungen – auch zwischen GIS und anderen Teilen des Sicherheitsapparates des Landes- ist offenkundig (AA 28.6.2020).

Der Stellvertretende Vorsitzende des Souveränitätsrats, Hemidti, kommandiert die “Rapid Support Forces (RSF)“, eine locker in die Streitkräfte integrierte Miliz, die aus den Janjaweed-Milizen hervorging, die für einen Großteil der Menschenrechtsverletzungen in Darfur (2005-2008) verantwortlich sind. Seine RSF galt lange als Baschirs Prätorianergarde. Hemidti brach aber mit Baschir bei dessen Sturz (AA 28.6.2020; vgl. Spiegel 14.11.2020). In der Folge beherrschten die RSF über Monate das Stadtbild von Khartum und werden als beteiligter Akteur an der gewaltsamen Auflösung der Proteste am 3.6.2019 gesehen. Hemidti stieg in der Revolution zum Machtfaktor auf, an dem weder Militär noch zivile Regierung vorbeikommen. Er schützt die Revolution vor einer Rückkehr der Islamisten. Inzwischen ist seine RSF zwar aus dem Stadtbild verschwunden, bleibt jedoch im Rest des Landes unangefochtene Ordnungsmacht (AA 28.6.2020). In Darfur sorgte ihre militärische Übermacht in den vergangenen Jahren für relative Ruhe. RSF-Einheiten lassen jedoch die Banden und Milizen arabischstämmiger Gruppen oft ungehindert agieren (Zeit 29.1.2021).

UNAMID (United Nations African Hybrid Mission in Darfur) war eine von den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union gemeinsam organisierte Friedensmission im Sudan (BRD 13.3.2020). Deren Mandat endete im Dezember 2020. Die Übergangsregierung unter Premierminister Abdalla Hamdok hatte den Abzug der Blauhelme gefordert und erklärt, selbst für die Stabilisierung der Region Darfur zuständig zu sein. Sie muss sich nun vorwerfen lassen, den Friedensprozess zu gefährden, weil sie die Sicherheit der Menschen dort nicht garantieren kann (Zeit 29.1.2021).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.6.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033570/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_28.06.2020.pdf , Zugriff 1.2.2021

• BRD - Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland (13.3.2020): Fragen und Antworten: Bundeswehreinsätze im Sudan verlängert, https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/sicherheit-und-verteidigung/mandate-sudan-suedsudan-1718908 , Zugriff 11.2.2021

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2020 , Zugriff 8.2.2021

• Spiegel, der (14.11.2020): Pakt mit den Teufeln, https://www.spiegel.de/politik/ausland/eu-plaene-fuer-sudan-pakt-mit-den-teufeln-a-997a76d8-fbee-4806-ab46-a410805c9327 , Zugriff 11.2.2021

• USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/SUDAN-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 1.2.2021

• Zeit Online (29.1.2021): Angst vor den "reitenden Teufeln", https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-01/sudan-darfur-gewaltausbruch-friedensmission-unamid-karthum-revolution-demokratisierung/komplettansicht , Zugriff 11.2.2021

Folter und unmenschliche Behandlung

Sowohl die alte Verfassung von 2005 als auch der Verfassungsentwurf von 2019 verbieten Folter und andere grausame, inhumane und demütigende Behandlung (USDOS 11.3.2020). Unter dem Baschir-Regime kam es regelmäßig zu Übergriffen von Sicherheitskräften, einschließlich von Fällen von Folter - auch mit Todesfolge. Personen, die den Sicherheitsbehörden auffielen, wurden oft ohne Angabe von Gründen verhaftet und an unbekannten Orten festgehalten (AA 28.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, FH 4.3.2020).

Daneben gibt es eine verbreitete Praxis von brutalen Übergriffen der Polizei als Ermittlungsinstrument und Einschüchterungsmethode auch unterhalb der Folterschwelle. Es gibt auch nach 2019 als glaubwürdig eingeschätzte Berichte Betroffener über Folter und Misshandlung in sudanesischen Gefängnissen, jedoch keine offiziellen Berichte. Verfehlungen der Sicherheitskräfte können nach dem Gesetz zwar grundsätzlich mit Disziplinarverfahren, Entlassung aus dem Dienst, Haft und in besonders schweren Fällen mit der Todesstrafe geahndet werden. Angehörige der Sicherheitskräfte, die foltern, wurden bislang jedoch kaum zur Verantwortung gezogen (AA 28.6.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Es gibt Berichte über das Verschwindenlassen von Personen durch oder im Auftrag der Behörden der Regierung Baschir. Seit September 2019 gibt es unter der Übergangsregierung keine Berichte über willkürliche Verhaftungen oder Verschwindenlassen mehr (USDOS 11.3.2020). In Darfur sind Regierungseinheiten und die mit ihnen verbündeten Milizen nach wie vor für Kriegsverbrechen und andere gravierende Menschenrechtsverstöße, darunter Tötungen, sexualisierte Gewalt, systematische Plünderungen und Vertreibungen verantwortlich (AI 8.4.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Tausende Menschen, die Anfang 2019 bei friedlichen Protesten festgenommen worden waren, wurden nach der Absetzung der Regierung von Präsident al-Bashir auf freien Fuß gesetzt. Viele waren in der Haft gefoltert worden oder hatten andere Misshandlungen erlitten (AI 8.4.2020). Im Juli 2019 wurde beschlossen, den Nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienst (NISS), der vermeintliche Gegner von al-Bashirs Regime schikanierte, inhaftierte und folterte, zu restrukturieren. Der NISS wurde durch den General Intelligence Service (GIS) ersetzt, der sich auf die Terrorismus- und Korruptionsbekämpfung konzentrieren wird (FH 4.3.2020); er ist innerstaatlich de facto ohne demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle nachrichtendienstlich tätig (AA 28.6.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.6.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033570/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_28.06.2020.pdf , Zugriff 1.2.2021

• AI - Amnesty International (8.4.2020): Sudan 2019, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-sudan-2019 , Zugriff 10.2.2021

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2020 , Zugriff 8.2.2021

• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Sudan, Events of 2020, https://www.hrw.org/world-report/2021/country-chapters/sudan , Zugriff 9.2.2021

• USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/SUDAN-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 1.2.2021

Korruption

Der Sudan wird als eines der korruptesten Länder der Welt eingestuft. Daran hat auch der Sturz des langjährigen Machthabers al-Bashir im April 2019 nichts ändern können (GIZ 12.2020b). Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor (USDOS 11.3.2020). Die Korruption im Land ist allgegenwärtig und durchzieht sämtliche Sektoren der Wirtschaft und des Staatsapparates (GIZ 12.2020b; vgl. USDOS 11.3.2020, TI 23.8.2019). Die staatliche Legitimation und die Rechtsstaatlichkeit werden durch Korruption unterminiert (BS 4.2020). Am meisten wird von Sudanesen die Korruption in Polizei und Behörden beklagt (GIZ 12.2020b).

Die Regierung Baschir unternahm wenige Anstrengungen, um die Gesetze zur Verhinderung und Verfolgung von Korruption durchzusetzen (USDOS 11.3.2020). Positive Veränderungen der Übergangsregierung betreffen seit 2019 das gezieltes Vorgehen im Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung durch das Finanzministerium (AA 28.6.2020). Eine 2019 eingerichtete Kommission ist für die Korruptionsbekämpfung und Wiedererlangung öffentlicher Gelder zuständig und versucht, die von Mitgliedern der Regierung Baschir gestohlenen nationalen Vermögenswerte aufzuspüren und zurückzuholen. Bisher war ihr Hauptziel Baschir selbst, der im August 2019 wegen Korruption angeklagt wurde (FH 4.3.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Das Land befindet sich seit Jahren unter den schlechtesten Rängen im jährlichen Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) von Transparency International (TI 23.8.2019): Im CPI für 2020 liegt der Sudan auf Rang 174, das ist eine Verschlechterung von einem Rang im Vergleich zum Vorjahr; jeweils von 180 untersuchten Staaten (TI 28.1.2021).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.6.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033570/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_28.06.2020.pdf , Zugriff 1.2.2021

• BS - Bertelsmann Stiftung (4.2020): BTI - Sudan Country Report 2020, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_SDN.pdf , Zugriff 1.2.2021

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2020 , Zugriff 8.2.2021

• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020b): LIPortal | Das Länder-Informations-Portal: Sudan – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/sudan/geschichte-staat , Zugriff 11.2.2021

• TI - Transparency International (28.1.2021): Corruption Perceptions Index - CPI Full Data Set (.zip), https://images.transparencycdn.org/images/CPI_FULL_DATA_2021-01-27-162209.zip , Zugriff 11.2.2021

• TI - Transparency International (23.8.2019): Sudan at a crossroads, https://www.transparency.org/en/blog/sudan-at-a-crossroads , Zugriff 11.2.2021

• USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/SUDAN-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 1.2.2021

Allgemeine Menschenrechtslage

Der ehemaligen Regierung Baschir und den regierungsnahen Organisationen werden eine systematische Missachtung der grundlegendsten Menschenrechte vorgeworfen (GIZ 12.2020b; vgl. BS 4.2020). Nach der Machtübernahme durch die Übergangsregierung 2019 gibt es positive Signale bei der Konsolidierung von Menschenrechten (GIZ 12.2020b).

Die Einhaltung von Menschenrechten gehörte zu den zentralen Forderungen der sudanesischen Revolution (AA 28.6.2020). Die Achtung der Menschenrechte, insbesondere der Grundrechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit, hat sich nach der Machtübernahme durch die Übergangsregierung 2019 stark verbessert (USDOS 11.3.2020). Das am 17.8.2019 unterzeichnete Verfassungsdokument enthält zahlreiche Passagen zur Verwirklichung der Menschenrechte. Die laut Verfassungsdokument vorgesehene Menschenrechtskommission wurde noch nicht berufen (AA 28.6.2020). Die Übergangsregierung macht Fortschritte bei der Lösung der Konflikte von Darfur, Blue Nile und Süd-Kordofan (FH 4.3.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Die Behörden hoben 2020 ein missbräuchliches Gesetz zur öffentlichen Ordnung auf, verboten die weibliche Genitalverstümmelung, schafften die Todesstrafe und die Auspeitschung als Strafe für einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen und viele andere Vergehen ab und schafften Apostasie als Verbrechen ab. Viele der anderen in der Verfassungscharta von 2019 vorgesehenen Reformen wurden jedoch noch nicht umgesetzt (HRW 13.1.2021). Die Generalstaatsanwaltschaft bildete mehrere Ausschüsse, um vergangene Verbrechen und Rechtsverletzungen, auch in Darfur, zu untersuchen, aber bisher hat keine Untersuchung zu Strafverfolgungen geführt (USDOS 11.3.2020).

Die Meinungs- und Pressefreiheit war unter Baschir stark eingeschränkt. Die nachfolgende Übergangsregierung gewährleistet diese Grundrechte (USDOS 11.3.2020). Seit der Unterzeichnung des Verfassungsdokuments sind keine nennenswerten Einschränkungen der Pressefreiheit bekannt geworden (AA 28.6.2020).

Das Baschir-Regime hat die Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt (USDOS 11.3.2020). Die Übergangsregierung und die vorläufige Verfassungserklärung hingegen gewährleisten die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 28.6.2020). Sicherheitskräfte nehmen jedoch weiterhin willkürlich Zivilisten fest und verhaften und inhaftieren Zivilisten nach Protesten (HRW 13.1.2021; vgl. AI 8.4.2020). Auch wenden Sicherheitskräfte weiterhin exzessive Gewalt gegen Demonstrierende an (AI 8.4.2020; vgl. HRW 13.1.2021); es kommt regelmäßig zu Gewaltausbrüchen mit einzelnen Toten (AA 28.6.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.6.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033570/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_28.06.2020.pdf , Zugriff 1.2.2021

• AI - Amnesty International (8.4.2020): Sudan 2019, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-sudan-2019 , Zugriff 10.2.2021

• BS - Bertelsmann Stiftung (4.2020): BTI - Sudan Country Report 2020, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_SDN.pdf , Zugriff 1.2.2021

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2020 , Zugriff 8.2.2021

• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020b): LIPortal | Das Länder-Informations-Portal: Sudan – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/sudan/geschichte-staat , Zugriff 11.2.2021

• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Sudan, Events of 2020, https://www.hrw.org/world-report/2021/country-chapters/sudan , Zugriff 9.2.2021

• USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/SUDAN-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 1.2.2021

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen sind hart und lebensbedrohlich; Überfüllung ist ein ernsthaftes Problem. Das Innenministerium veröffentlicht keine offiziellen Informationen über die physischen Bedingungen in den Gefängnissen. Die Behörden stellen im Allgemeinen Nahrung, Wasser und sanitäre Anlagen zur Verfügung, wenngleich die Qualität aller drei Bereiche sehr schlecht ist. Die medizinische Versorgung in den Gefängnissen, Heizung, Belüftung und Beleuchtung sind oft unzureichend, variieren aber von Einrichtung zu Einrichtung. Einige Gefangene haben keinen Zugang zu Medikamenten oder ärztlichen Untersuchungen. Familienmitglieder oder Freunde versorgen die Häftlinge mit Essen und anderen Dingen. Die meisten Gefangenen haben keine Betten (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 28.6.2020).

Die allgemeinen Bedingungen einschließlich der Verpflegung und der sanitären Einrichtungen sind in den Haftanstalten für Frauen besser als in entsprechenden Einrichtungen für Männer. Offizielle Informationen über die Anzahl der jugendlichen und weiblichen Gefangenen sind nicht verfügbar. Jugendliche sind meist gemeinsam mit Erwachsenen untergebracht (USDOS 11.3.2020). Inhaftierte Frauen sind einem hohen Risiko ausgesetzt, Opfer von sexueller Ausbeutung, Missbrauch und Vergewaltigung durch Polizisten, Gefängnispersonal, Sicherheitskräfte oder Soldaten zu werden. Es gibt Berichte von Frauen, die widerrechtlich über mehrere Wochen in Polizeigewahrsam gehalten wurden, anstatt an die Justiz übergeben zu werden (AA 28.6.2020).

Unter dem Bashir-Regime waren Folter und Misshandlungen von Inhaftierten häufig (FH 4.3.2020). Es gab es Berichte über Todesfälle aufgrund von Vernachlässigung und harter Haftbedingungen in Gefängnissen und Untersuchungshaftanstalten, aber genaue Zahlen waren nicht verfügbar. Unter dem Bashir-Regime wurden Häftlinge teilweise in Isolationshaft gehalten und ihnen Nahrung, Wasser und Toiletten vorenthalten und es kam zu Vergewaltigungen von Häftlingen durch das Wachpersonal. Politische Gefangene wurden in separaten Abteilungen festgehalten und sie wurden härter behandelt. Viele prominente politische Gefangene berichteten jedoch, dass sie von Misshandlungen in der Haft verschont blieben (USDOS 11.3.2020). Es gibt keine Berichte über politische Gefangene unter der neuen Übergangsregierung (USDOS 11.3.2020).

Der Generalinspekteur der Polizei, der Justizminister und die Justiz sind befugt, Gefängnisse zu inspizieren. Die Regierung Bashir erlaubte keine Inspektionen durch unabhängige nichtstaatliche Beobachter wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Die Übergangsregierung hob diese Einschränkungen im Laufe des Jahres 2019 auf. UNAMID erhält gelegentlich eingeschränkten Zugang zu Regierungsgefängnissen in Darfur (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.6.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033570/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_28.06.2020.pdf , Zugriff 1.2.2021

• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2020 , Zugriff 8.2.2021

• USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/SUDAN-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 1.2.2021

 

Todesstrafe

Im Sudan steht die Todesstrafe auf eine Reihe von Vergehen wie Landesverrat, Apostasie, Mord oder wiederholte Sittlichkeitsverbrechen. Bestrebungen die Todesstrafe abzuschaffen gibt es keine. Es besteht die Möglichkeit der Begnadigung durch den Präsidenten (AA 28.6.2020).

Die Todesstrafe wird durch Hängen exekutiert (AI 21.4.2020), auch Vollstreckungen durch Steinigung waren möglich (AJ 12.7.2020). Amnesty International registrierte für das Jahr 2019 eine durchgeführte Exekution und mindestens 31 Todesurteile. Zu Jahresende 2019 befanden sich mindestens 115 Personen im Todestrakt (AI 21.4.2020). Zivilgesellschaftliche Vertreter vermuten eine hohe Dunkelziffer (AA 28.6.2020).

Im Juli 2020 wurde bekanntgegeben, dass die Todesstrafe als Sanktion für gleichgeschlechtliche Handlungen (ILGA 16.7.2020) oder Apostasie aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werde (AJ 12.7.2020).

Quellen

• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.6.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033570/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_28.06.2020.pdf , Zugriff 1.2.2021

• AI - Amnesty International (21.4.2020): Death sentences and executions 2019, https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5018472020ENGLISH.PDF , Zugriff 1.2.2021

• AJ - Al Jazeera (12.7.2020): Changes in criminal law as Sudan annuls apostasy death sentence, https://www.aljazeera.com/news/2020/7/12/changes-in-criminal-law-as-sudan-annuls-apostasy-death-sentence , Zugriff 1.2.2021

• ILGA, Pan Africa - International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (16.7.2020): Sudan repeals death penalty for homosexuality - Pan Africa ILGA press release, https://ilga.org/sudan-removes-death-penalty-same-sex-relations , Zugriff 1.2.2021

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Die Situation der Frauen im Sudan ist durch starke Restriktionen gekennzeichnet. So wird ihnen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sowohl durch kulturell bedingte traditionelle Strukturen als auch durch eine sehr strenge Interpretation des Islam und sich daraus ergebende Vorschriften und Verhaltensregeln erheblich erschwert. Weiter sind für Frauen vor allem die Reisefreiheit und das Recht auf Arbeit beschnitten (GIZ 12.2020d) und sie sind im Erb-und Besitzrecht (FH 4.3.2020; vgl. GIZ 12.2020d) sowie bei Verheiratung und Scheidung benachteiligt (FH 4.3.2020).

Strenge Bekleidungsvorschriften wurden von der Religionspolizei überwacht und regelmäßig drakonisch beispielsweisedurch Auspeitschen bestraft (GIZ 12.2020d; vgl. FH 4.3.2020). Diese Regeln wurden nach der Revolution im November 2019 aufgehoben (FH 4.3.2020). Seither ist das Tragen von Hosen zumindest im urbanen Kontext unproblematisch. Bei Anpassung an die gängigen Regeln, wie das Tragen eines zumindest weiten Kopftuchs, ist die Teilnahme am öffentlichen Leben (Berufsleben, Autofahren etc.) ohne weiteres möglich (AA 28.6.2020).

In der öffentlichen Verwaltung und im Berufsleben sind Frauen verhältnismäßig gut repräsentiert. Politisch wichtige Posten werden jedoch traditionell von Männern dominiert (AA 28.6.2020). Die staatlichen Repressionen bieten auch im Internet und den Sozialen Medien nur wenig Raum zur Sensibilisierung für Frauenrechte. Aktivistinnen werden schikaniert (GIZ 12.2020d).

Gewalt gegen Frauen ist ein ernstes Problem (FH 4.3.2020). Vergewaltigung und sexuelle Belästigung sind Straftaten und ein Vergewaltigungsopfer kann nicht wegen Ehebruch belangt werden. Vergewaltigung in der Ehe ist kein eigener Straftatbestand. Erhebliche Hindernisse bei der Meldung von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, darunter kulturelle Normen und die Zurückhaltung der Polizei bei Ermittlungen führen zu weit verbreiteter Straflosigkeit der Täter (USDOS 11.3.2020). Es gibt keine verlässlichen Statistiken über Vergewaltigung und häusliche Gewalt. Die Zahl der Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffe habe im Laufe des Jahres 2019 zugenommen, da sich die wirtschaftliche Lage verschlechtert und die Gewalt zwischen den Gemeinschaften zugenommen habe (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) ist weiterhin landesweit ein Problem. Die Prävalenz von FGM liegt bei Mädchen und Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren bei 87%, wobei sieabhängig von der Region und Ethnie variiert. Seit 2008 gab es eine Initiative der Baschir-Regierung zur Abschaffung von FGM. Bis 2019 gab es kein landesweites Gesetz gegen diese Praxis (USDOS 11.3.2020). Seit 2020 ist FGM mit bis zu drei Jahren Haft strafbar (Guardian 27.11.2020; vgl. GIZ 12.2020d).

Quellen:

• AA -Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.6.2020): Bericht über die asyl-und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033570/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_28.06.2020.pdf , Zugriff 1.2.2021

• FH -Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 –Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2020 , Zugriff 8.2.2021

• GIZ -Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020d): LIPortal | Das Länder-Informations-Portal: Sudan –Gesellschaft, https://www.liportal.de/sudan/gesellschaft/ , Zugriff 8.2.2021

• Guardian, the (27.11.2020): Sudan says it will stamp out child marriage and enforce ban on FGM, https://www.theguardian.com/global-development/2020/nov/27/sudan-says-it-will-stamp-out-child-marriage-and-enforce-ban-on-fgm , Zugriff 9.2.2021

• HRW -Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 –Sudan, Events of 2020, https://www.hrw.org/world-report/2021/country-chapters/sudan , Zugriff 9.2.2021

• USDOS -U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/SUDAN-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 1.2.2021

Kinder

Im Sudan beginnt das heiratsfähige Alter unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit mit der Pubertät. Mit der Erlaubnis eines Richters können auch Zehnjährige verheiratet werden, sofern sie Muslime sind. Für Nichtmuslime gilt ein Mindestalter von 13 (Mädchen) bzw. 15 Jahren (Jungen) (AA 28.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Etwa jedes dritte Mädchen wird in einem Alter unter 18 Jahren verheiratet (AA 28.6.2020; vgl. Guardian 27.11.2020, UNICEF 2.2020). Die Regierung setzt sich für die Abschaffung von Kinderehen ein (USDOS 11.3.2020; vgl. Guardian 27.11.2020). Es gibt kein Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr (USDOS 11.3.2020).

Gesetze stellen Kindesmissbrauch oder sexuelle Ausbeutung von Kindern unter Strafe. Die Regierung versucht, diese Gesetze durchzusetzen und verfolgt Fälle von Kindesmissbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern. Einige Polizeistationen verfügen über "kinderfreundliche" Familien-und Kinderschutzeinheiten und bieten rechtliche, medizinische und psychosoziale Unterstützung für Kinder an (USDOS 11.3.2020).

Es gibt keine allgemeine Schulpflicht. Das Gesetz sieht eine gebührenfreie Grundschulbildung bis zur achten Klasse vor, aber die Schüler müssen oft Schul-, Uniform-und Prüfungsgebühren bezahlen (USDOS 11.3.2020). Nur rund 70 Prozent der sudanesischen Kinder besuchen eine Schule, mit starken regionalen Unterschieden. Besonders Mädchen ist es nach einem bestimmten Alter (etwa 12 Jahre) kaum möglich, eine weiterbildende Schule zu besuchen (GIZ 12.2020d).

Viele Kinder (bzw. deren Familien) verfügen nicht über Geburtsurkunden, womit häufig das Alter der Jugendlichen nicht nachgewiesen werden kann. Eine weitere Herausforderung bleibt, dass die Gesetze des Landes nicht vollständig harmonisiert sind; so ist man im Strafrecht ein Kind bis zum Erreichen der Pubertät, was breiten Interpretationsspielraum bietet (AA 28.6.2020).

Angesichts der Armut in weiten Teilen des Landes werden Kinder oftmals zur Gewinnung des Lebensunterhalts herangezogen. Dabei ist die Situation auf dem Land gravierender als in den Städten. Doch auch im Alltag in Khartum kann man beobachten, dass etliche Kinder Schuhe putzen, Autos waschen, als Straßenverkäufer arbeiten oder betteln. 2,6 Millionen Kinder benötigen humanitäre Hilfe, 2,4 Mio. Kinder sind von akuter Unterernährung betroffen (AA 28.6.2020).

Über 960.000 Kinder gehören zu den beinahe 2 Millionen Binnenvertriebenen. Diese haben oft keinen Zugang zu staatlichen Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 28.6.2020).

Quellen:

• AA -Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.6.2020): Bericht über die asyl-und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033570/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_28.06.2020.pdf , Zugriff1.2.2021

• GIZ -Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020d): LIPortal | Das Länder-Informations-Portal: Sudan –Gesellschaft, https://www.liportal.de/sudan/gesellschaft/ , Zugriff 8.2.2021

• Guardian, the (27.11.2020): Sudan says it will stamp out child marriage and enforce ban on FGM, https://www.theguardian.com/global-development/2020/nov/27/sudan-says-it-will-stamp-out-child-marriage-and-enforce-ban-on-fgm , Zugriff 9.2.2021

• UNICEF -Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (2.2020): Percentage of women aged 20 to 24 years who were firstmarried or in union before age 15; percentage of women and percentage of men aged 20 to 24 years who were first married or in union before age 18 | Spreadsheet, https://data.unicef.org/wp-content/uploads/2020/04/Child-marriage-database_Apr2020.xlsx , Zugriff 10.2.2021

• USDOS -U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/SUDAN-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 1.2.2021

Grundversorgung und Wirtschaft

Die Wirtschaft des Sudan ist durch Landwirtschaft und Erdölförderung geprägt. Vom wirtschaftlichen Boom im Ölsektor ab den 1990er-Jahren profitierte jedoch nur die Hauptstadtregion und die peripheren Regionen bleiben von der wirtschaftlichen Entwicklung ausgeschlossen. Nach der Abspaltung des Südsudan [2011] (GIZ 12.2020c) und dem Sturz von Diktator Omar al-Bashir im April 2019 ist das Land in eine schwere Krise gestürzt, die vom alten Regime geerbt wurde und den sozialen Frieden und den fragilen Prozess des demokratischen Übergangs bedroht, der von einer zivil-militärischen Junta gesteuert wird (Alatayar 25.1.2021; vgl. CMI 15.1.2021). Die COVID-19-Pandemie und Überschwemmungen haben die Lage noch verschlimmert (Alatayar 25.1.2021; vgl. CMI 15.1.2021, ZZ 9.12.2020). Die Inflationsrate betrug im Jahr 2019 über 50 %. Für das Jahr 2020 wird von über 60 % ausgegangen (GIZ 12.2020c).

Die humanitäre Lage des Landes ist besorgniserregend. Die Versorgungslage ist in großen Teilen des Landes kritisch. 60% der Bevölkerung ist von extremer Armut betroffen, in Regionen wie Südkordofan oder Darfur teilweise sogar bis zu 90%. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung gibt mindestens 75% der Einkünfte für die Sicherung der Ernährung aus, 2,4 Mio. Kinder sind von akuter Unterernährung betroffen. Die Zahl der Menschen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, wird mit 9,3 Mio. beziffert. Der deutliche Anstieg zum Vorjahr (plus 5,5 %) hängt in erster Linie mit der Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation zusammen. Besonders betroffen sind die 1,9 Mio. Binnenvertrieben und 1,1 Mio. Flüchtlinge (hauptsächlich Südsudanesen und Eritreer, zuletzt zunehmend aber auch aus der Zentralafrikanischen Republik), die seit Jahren auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (AA 28.6.2020).

Knappheit ist die Norm, egal bei welcher Art von Gütern, und Rationierung ist die tägliche Routine für die Sudanesen, die stundenlang vor Tankstellen, Bäckereien und Apotheken für das Nötigste anstehen müssen (Atalayar 25.1.2021). Die Stromversorgung ist so miserabel, dass es in der Hauptstadt Khartum fast nur Elektrizität von Dieselgeneratoren gibt (SZ 10.2.2021; vgl. Atalayar 25.1.2021). Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie hat sich die Lage zunehmend verschärft, insbesondere für Tagelöhner, die nun noch schwerer Arbeit finden (AA 28.6.2020).

Im Vergleich zur Peripherie existiert in der Hauptstadt Khartum ein recht gutes Warenangebot. Über den zum Leben benötigten Mindestbedarf hinausgehende Güter sind aber auch hier für den Großteil der Bevölkerung kaum erschwinglich. Mehr als die Hälfte der sudanesischen Bevölkerung kann ihren täglichen Kalorienbedarf nicht mehr aus eigener Kraft decken, da ihnen die nötige Kaufkraft fehlt. Ein ausreichendes Nahrungsmittelangebot wäre verfügbar, aber ist für die meisten nicht bezahlbar. Diese Mangelernährung kann im Falle einer Covid-19 Erkrankung zu einem kritischen Krankheitsverlauf führen. Besonders betroffen sind die Krisenregionen, wo staatliche Daseinsvorsorge kaum oder gar nicht existiert (AA 28.6.2020).

Das wirtschaftliche und soziale Wohlergehen der sudanesischen Bürger zählt nicht zu den Prioritäten der Regierung (BS 4.2020). Im Vergleich zu den Ausgaben für Militär und Polizei sind die Ausgaben für Sozialversicherungsmaßnahmen gering (BS 4.2020; vgl. WB 14.10.2020, CMI 15.1.2021). Gesetzliche Grundlagen und entsprechende Institutionen zur sozialen Sicherung existieren, sie sind jedoch in der Praxis nur auf die Beschäftigung im öffentlichen Sektor (Behörden, Polizei, Armee) ausgerichtet und umfassen nur einen Teil der formal Beschäftigten in der Wirtschaft. Zudem greift das System nur im Großraum Khartum (GIZ 12.2020d; vgl. BS 4.2020, USSSA 9.2019). Das staatlich verwaltete Wohlfahrtssystem leidet unter Korruption und Missbrauch, wodurch die Armen und Bedürftigen von den Geldern nicht profitieren (BS 4.2020; vgl. GIZ 12.2020d).

Im Falle von Arbeitslosigkeit, Invalidität, Alter oder Krankheit gibt es keine Formen der Entschädigung durch die Regierung (BS 4.2020; vgl. GIZ 12.2020d). Das Pensionssystem ist brüchig und deckt nur einen kleinen Teil der Gesellschaft ab. Die Krankenversicherung ist unzuverlässig und für den Großteil der Gesellschaft unzugänglich. Statt der Staatsbürgerschaft wurde eine Kombination aus ethnischer, religiöser und politischer Zugehörigkeit zum ausschlaggebenden Kriterium für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung, Gesundheitsversorgung und öffentlichen Ämtern im Sudan (BS 4.2020).

Die nichtstaatliche Selbsthilfe, vor allem die traditionelle familiäre Unterstützung, aber auch die von religiösen Gemeinschaften, verliert durch die wachsende Verarmung der Bevölkerung zunehmend an Bedeutung. Gerade die Jugendarbeitslosigkeit hält sich auf einem hohen Niveau. Größere sozialpolitische Wirkungen erreicht der sudanesische Staat durch eine breite Palette an Subventionen (z.B. Treibstoff, Kochgas, einige Lebensmittel wie Brot und Zucker), die jedoch den Staatshaushalt stark belasten (GIZ 12.2020d).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.6.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033570/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_28.06.2020.pdf , Zugriff 1.2.2021

• Atalayar (25.1.2021): Demonstration in Khartoum over precarious economic situation, https://atalayar.com/en/content/demonstration-khartoum-over-precarious-economic-situation , Zugriff 8.2.2021

• BS - Bertelsmann Stiftung (4.2020): BTI - Sudan Country Report 2020, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_SDN.pdf , Zugriff 1.2.2021

• CMI - Chr. Michelsen Institute | Gunnar M. Sørbø (15.1.2021): Sudan’s Transition: Living in Bad Surroundings (Sudan Working Paper SWP 2020:4), https://www.cmi.no/publications/7395-sudans-transition-living-in-bad-surroundings , Zugriff 8.1.2021

• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020c): LIPortal | Das Länder-Informations-Portal: Sudan – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/sudan/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 8.2.2021

• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020d): LIPortal | Das Länder-Informations-Portal: Sudan – Gesellschaft, https://www.liportal.de/sudan/gesellschaft/ , Zugriff 8.2.2021

• SZ - Süddeutsche Zeitung (10.2.2021): Der ewige Streit um den Nil, https://www.sueddeutsche.de/politik/staudamm-aethiopien-nil-1.5201992 , Zugriff 12.2.2021

• USSSA - United States Social Security Administration (9.2019): Social Security Programs Throughout the World: Africa, 2019 – Sudan, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/africa/sudan.pdf , Zugriff 8.2.2021

• WB - Weltbank | The World Bank (14.10.2020): The World Bank In Sudan – Overview, https://www.worldbank.org/en/country/sudan/overview , Zugriff 14.12.2020

• ZZ - ZackZack (9.12.2020): Wenn Corona nur eine unter vielen Katastrophen ist, https://zackzack.at/2020/12/09/sudan-suedsudan-wenn-corona-nur-eine-unter-vielen-katastrophen-ist/ , Zugriff 12.2.2021

Rückkehr

Es gibt keine Kenntnis von einer etwaigen besonderen Behandlung der nach Sudan zurückgeführten sudanesischen Staatsangehörigen. Allein die Stellung eines Asylantrags im Ausland hat bisher nicht zu staatlicher Repression geführt. Rückkehrern und Rückgeführten Personen drohen in aller Regel keine Gefahren bei Rückkehr, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder einem Stamm. Mit der Aufmerksamkeit der Behörden, d. h. zusätzlichen Fragen bei Einreise, müssen Personen rechnen, deren politisches Engagement gegen die Regierung wohl bekannt ist. Für Personen, die aus Europa zurückkehren und nicht öffentlich gegen die Regierung auftreten, besteht dieses Risiko im Regelfall nicht. Insbesondere führten bisher weder längere Auslandsaufenthalte noch Asylanträge im Ausland zu einer Gefährdung bei Rückkehr, dies gilt auch für Deserteure und Wehrdienstverweigerer (AA 28.6.2020).

Rückkehrer können durch IOM betreut werden, so sie dies wünschen (AA 28.6.2020; vgl. IOM o.D.). Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen stellt vulnerablen Flüchtlingen, Binnenvertriebenen, Rückkehrern und einheimischen Gemeinschaften Nahrungsmittelhilfe zur Verfügung (WFP o.D.). Das Secretariat for Sudanese Working Abroad bietet rückgekehrten Arbeitsmigranten sowie auch abgeschobenen Asylantragstellern Unterstützung (AA 28.6.2020).

In Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie müssen Stand Ende Jänner 2021 alle Einreisenden einen negativen PCR-Test nicht älter als 96 Stunden vorweisen. Reisende, die aus dem Vereinigten Königreich, Südafrika oder den Niederlanden ankommen oder durchreisten, müssen einen negativen PCR-Test nicht älter als 72 Stunden vorweisen und unterliegen zusätzlich einer obligatorischen 14-tägigen Heimquarantäne (USEMB 31.1.2021).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.6.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033570/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_28.06.2020.pdf , Zugriff 1.2.2021

• IOM - International Organization for Migration (o.D.): Joint Initiative for Migrant Protection and Reintegration in the Horn of Africa, https://returnandreintegration.iom.int/en/initiatives-map?nid=692 , Zugriff 1.2.2021

• USEMB - U.S. Embassy in Sudan (31.1.2021): COVID-19 Information, Last Updated: January 31, 2021, https://sd.usembassy.gov/covid-19-information/ , Zugriff 1.2.2021

• WFP - Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (o.D.): What WFP is doing in Sudan - Food Assistance, https://www.wfp.org/countries/sudan , Zugriff 1.2.2021

Dokumente

Das Urkundenwesen in Sudan ist unzulänglich. Gegen Geldzahlung ist fast jede gewünschte Urkunde erhältlich. Sudanesische Identifikationsdokumente sind in der Regel echt, wenn auch verschiedentlich unwahre Angaben in Bezug auf Fotos, Namensführung und Alter festzustellen waren. Dies gilt nicht für die neuen, biometrischen und maschinenlesbaren Reisepässe, bei denen eine nachträgliche Verfälschung praktisch nicht mehr möglich ist. Fälschungsdelikte erfolgen, soweit bekannt, bei Beantragung in erster Linie in Bezug auf Namensführung oder Geburtsdatum. In den vom Bürgerkrieg betroffenen Gebieten existiert ein nur spärliches Urkunden- und Registerwesen (AA 28.6.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.6.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033570/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_28.06.2020.pdf , Zugriff 1.2.2021

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS) und dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger (AJ-WEB) wurden ergänzend zu den vorliegenden Akten eingeholt. Außerdem wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Sudan vom 15.02.2021, letzte Kurzinformation eingefügt am 30.6.2023 berücksichtigt.

2.2. Zur Person der BF:

Die Feststellungen zu den Lebensumständen, zum Gesundheitszustand, zu den Sprachkenntnissen, zur Herkunft, Glaubens- und Volkszugehörigkeit, sowie Staatsangehörigkeit der BF gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben der BF1 und der BF2 vor dem BFA sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellung, dass die BF1 Mutter der BF2 und diese wiederum des BF3 und der BF4, BF5 sowie BF6 ist, ergibt sich aus den Angaben der BF1 sowie der BF2.

Da die BF den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht ihre Identität nicht zweifelsfrei fest. Die Reisepasskopie der BF1 reicht für eine glaubhafte Identitätsfeststellung nicht aus.

Die Feststellungen zur Reisebewegung, dem Aufenthalt in Ägypten und der Einreise der BF in Österreich ergeben sich aus den Angaben der BF1 und der BF2, den vorgelegten Verwaltungsakten sowie einem aktuellen Auszug aus dem Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister, welcher auch die Visumsdaten enthält.

Die Feststellungen zu der familiären Situation im Sudan und in Österreich ergeben sich aus den Angaben der BF1 und der BF2 vor dem BFA und im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem erkennenden Gericht am 01.02.2024.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF1 und der BF2 ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.3. Zum Vorbringen der BF1:

Die Feststellungen zum gegenständlichen Asylverfahren und zu den darin von der BF1 geltend gemachten Fluchtgründen stützen sich auf ihre Angaben im verwaltungsbehördlichen Asylverfahren und dem vorliegenden Verwaltungsakt sowie auf den diesbezüglichen Angaben der BF1 vor dem BFA und vor dem erkennenden Gericht.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die BF1 keine konkrete gegen ihre Person gerichtete Verfolgung ins Treffen führte. So gab sie an, dass ihr Ehemann Kommunist gewesen sei und deswegen Probleme mit der sudanesischen Regierung bekommen habe. Er habe deswegen seine Medikamentenfirma aufgrund eines Lizenzverlustes verloren und man habe seine Arbeit auf der Farm gestoppt. Die BF1 selbst habe dann aber problemlos weiterarbeiten können, habe ein Beauty-Center eröffnet, Mitarbeiter eingestellt und so den Lebensunterhalt für die Familie erwirtschaftet (S 19 Verhandlungsprotokoll). Eine maßgebliche Verfolgungsgefahr für die BF1 lässt sich daraus folglich nicht ableiten.

Dann bringt die BF1 Verfolgungshandlungen gegenüber ihrem Sohn, welcher angeblich verschollen sei, vor (S 20 Verhandlungsprotokoll). Auch dieses Vorbringen hat nichts mit ihrer Person zu tun, sondern bezieht sich nur auf ihren Sohn.

Auch gegenüber dem BFA gab sie bereits an, dass der Hauptgrund für das Verlassen ihres Heimatlandes mit ihren Kindern zu tun habe, die politisch tätig und gegen das Regime gewesen seien. Sie schilderte lediglich Teilnahmen an Demonstrationen, Inhaftierungen, Misshandlungen usw. ihrer Kinder (S 5ff Einvernahmeprotokoll BFA v 29.08.2023, BF1). Eigene Schwierigkeiten gab sie hingegen nicht an.

Sich selber betreffend führte die BF1 erstmals in der mündlichen Verhandlung unsubstantiierte Bedrohungshandlungen gegenüber ihrer gesamten Familie ins Treffen, welche jedoch jegliches Detail vermissen lassen (S 20 Verhandlungsprotokoll). Erst auf konkretes Nachfragen seitens der erkennenden Richterin gab die BF1 dann an, dass sie mehrmals persönliche Bedrohungssituationen erlebt habe. Einmal sei sie auf ihrem Balkon gesessen und man habe auf ihren Balkon geschossen. Ihre Familie habe mehrere Drohbriefe erhalten, worin gestanden sei, dass man sie alle liquidiere. Zudem sei sie früher mit ihrem Mann politisch aktiv gewesen (S 22 Verhandlungsprotokoll).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubhaft anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261). Wäre die BF tatsächlich wie in der mündlichen Verhandlung angeführt wegen ihrer politischen Tätigkeit angeschossen worden, wäre es zu erwarten gewesen, dass sie dies bei der Erstbefragung zumindest erwähnt, spätestens jedoch in der niederschriftlichen Einvernahme beim BFA geltend gemacht hätte. Wie bereits festgehalten, machte sie eine konkrete Verfolgung ihrer Person nicht geltend. Auf diesbezüglichen Vorhalt seitens der erkennenden Richterin meinte die BF1 wiederum nur lapidar: „In der Erstbefragung habe ich das nicht erwähnt, weil man mir nicht die Gelegenheit dazu gegeben hat.“ (S 22 Verhandlungsprotokoll).

Diesbezüglich erklärte die BF1, dass sich ihre politische Tätigkeit auf das Verteilen von Flyern an Freundinnen und in bestimmten Vereinen beschränkt und sie diese nach dem Ableben ihres Mannes beendet habe (S 22 Verhandlungsprotokoll). Folglich dürfte sich daraus aktuell ohnehin kein Verfolgungsgrund mehr ergeben.

Somit gelangt das Bundesverwaltungsgericht auf Grundlage der ergänzenden Ermittlungen zum Ergebnis, dass das Vorbringen der BF1 zu den Fluchtgründen auch nicht glaubhaft ist.

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

So war es der BF1 auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht möglich anzugeben, wer genau sie bedroht habe. Sie sprach immer wieder von Drohbriefen, ohne zu wissen, von wem genau diese stammen: „Das weiß ich nicht. Die Mädels, die bei mir im Center gearbeitet haben, haben mir erzählt, dass jemand gekommen ist und ihnen die Briefe gegeben hat.“ (S 22 Verhandlungsprotokoll).

Auf mehrmaliges Nachfragen der erkennenden Richterin meinte sie dann:

„RI: Was stand in den Briefen, wer war der Absender, an wen waren sie gerichtet?

BF1: Das war vom Geheimdienst. In dem Brief stand, dass sie mich und meine Kinder liquidieren wollen.

RI: Hat sich der Absender als Geheimdienst deklariert?

BF1: Nein, das stand so nicht drin, aber das haben wir gewusst, weil wir sonst mit niemandem Probleme hatten, außer mit dem Regime.“ (S 23 Verhandlungsprotokoll).

Eine konkrete Verfolgung ergibt sich daraus allerdings nicht, zumal das Vorbringen erst nach mehrmaligem Nachfragen und äußerst vage und oberflächlich blieb.

In diesem Zusammenhang wird noch darauf hingewiesen, dass sie angab, nach diesen Vorfällen ihr Beauty-Center geschlossen zu haben, allerdings lebte sie daraufhin noch fast drei Jahre in dem Familienhaus in ihrem Herkunftsort (S 23 Verhandlungsprotokoll), was nicht dafürspricht, dass es sich bei diesem Vorbringen um das fluchtauslösende Ereignis handeln würde.

Ebenso konnte sich die BF1 beispielsweise nicht daran erinnern, wann ihr Sohn vor seinem Verschwinden das letzte Mal festgenommen und wieder entlassen worden sei (S 20 Verhandlungsprotokoll). Es ist jedoch davon auszugehen, dass hätte die BF1 tatsächlich so gravierende Bedrohungshandlungen erlebt, ihr diese Details wohl genauestens in Erinnerung geblieben wären.

Bezüglich ihres Sohnes widersprach sie sich auch, wenn sie zunächst anführte, dass dieser als sie den Sudan verlassen habe, zu Hause gewesen sei (S 20 Verhandlungsprotokoll) und dann angab, dass dieser bei ihrer Ausreise im Gefängnis gewesen sei. Auf diesen Vorhalt vermeinte sie auch nur lapidar: „Ich bin mir nicht mehr sicher. Es geht darum, dass man ihn mehrmals festgenommen hat.“ (S 21 Verhandlungsprotokoll).

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zu dem Schluss, dass es der BF1 nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen ihre Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt. Es ist davon auszugehen, dass die BF1 den Sudan nicht wegen der behaupteten Verfolgung aus politischen Gründen verlassen hat, sondern wegen den Unruhen im Sudan, dem jedoch durch die Gewährung des subsidiären Schutzes bereits Rechnung getragen wurde.

2.4. Zum Vorbringen der BF2:

Die BF2 gab zusammengefasst an, dass sie den Sudan verlassen habe, da ihr Mann der Umma-Partei, einer führenden Oppositionspartei, angehört hätte und sie im Sudan aufgrund ihrer oppositionellen Haltung von der Polizei verhaftet worden seien und schwere Misshandlungen erlitten haben.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt auf Grundlage der ergänzenden Ermittlungen zum Ergebnis, dass das Vorbringen der BF2 zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft ist. Die BF2 machte im Zuge ihrer Befragungen vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht vage, unplausible und widersprüchliche Angaben, sodass - wie darzulegen sein wird - von der Konstruiertheit ihres gesamten Fluchtvorbringens auszugehen und ihm die Glaubwürdigkeit zu versagen war.

Für die Glaubhaftigkeit eines Vorbringens spricht, wenn das Vorbringen genügend substantiiert ist. Das Erfordernis der Substantiierung ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder nicht in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Zudem muss das Vorbringen, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen. Ferner muss das Vorbringen plausibel sein, sprich mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Außerdem muss der Asylwerber persönlich glaubwürdig sein. Gerade diese Kriterien sind, wie im Weiteren erörtert wird, im vorliegenden Fall nicht erfüllt und das Fluchtvorbringen ist deswegen als unglaubhaft zu werten.

Das Vorbringen der BF2 entspricht diesen Anforderungen nicht und ist somit nicht glaubhaft.

Die BF2 gab in der mündlichen Verhandlung an, dass sie an Versammlungen der Umma-Partei sowie an Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen und öfters Flyer verteilt habe (S 11 Verhandlungsprotokoll). Daraus ergibt sich bereits der erste Widerspruch, denn beim BFA gab die BF2 noch an, dass sie wegen der Kinder nur einmal an einer Demonstration teilnehmen habe können (S 6 Einvernahmeprotokoll BFA v 30.08.2023, BF2).

Am 22.06.2021 sei es dann zur Verhaftung der BF2 und ihres Ehemannes gekommen (S 11 Verhandlungsprotokoll). Sie konnte aber diesbezüglich kein detailliertes Vorbringen erstatten, sondern antwortete auf die Fragen der erkennenden Richterin oberflächlich, mit knappen Sätzen und erst auf mehrmaliges Nachfragen:

„RI: Wo wurden Sie festgehalten?

BF2: Das weiß ich nicht, man hat mir die Augen verbunden. Ich konnte nicht sehen, wo ich war.

RI: Wie sind sie entlassen worden?

BF2: Ich musste eine Verpflichtungserklärung unterschreiben. Darin stand, dass ich mich verpflichte, nicht mehr an Demonstrationen teilzunehmen, keine Flyer mehr zu verteilen, sonst würde man mich und meine Kinder umbringen. Daraufhin wurde ich entlassen.

RI: Sie haben das unterschrieben, was ist danach passiert? Zu welcher Tageszeit wurden Sie entlassen, zu welcher Uhrzeit?

BF2: Ich wurde um 05:00 Uhr morgens festgenommen und nach 24 Stunden wurde ich wieder entlassen, also um 05:00 Uhr morgens.

RI: Ich war nicht dabei. Bitte schildern Sie genau, was nach der Unterschriftsleistung auf der Verpflichtungserklärung geschehen ist.

BF2: Ich war damit einverstanden, die Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, weil man mich während der Festnahme sozusagen sexuell belästigt hat.

RI: Sexuelle Belästigung, inwiefern wurden Sie belästigt, verbal oder durch tätliche Übergriffe?

BF2: Das war eine verbale Drohung und sie haben mir meine Kleidung auch vom Leib gerissen.“ (Verhandlungsprotokoll S 13f).

In weiterer Folge führt die BF2 dann an, dass ihr Ehemann bei diesem Vorfall im selben Raum gewesen sei, aber auch zu diesem einprägenden Ereignis, dem Moment, in welchem sie angeblich ihren Mann zum letzten Mal gesehen haben will, kann die BF2 keine konsistenten und detaillierten Angaben tätigen:

„RI: Was ist das letzte Bild, das Sie von Ihrem Mann haben?

BF2: Das war das, was ich vorhin geschildert habe.

RI: Welches Bild ist es, was macht er, was hat er an, welchen Gesichtsausdruck hat er?

BF2: Man hatte ihm mit der Kalaschnikow ins Gesicht geschlagen und gegen den Boden fixiert. Er wurde dort geschlagen.“ (S 15 Verhandlungsprotokoll).

Ebenso verhält es sich mit ihren Schilderungen zur angeblich erlebten sexuellen Belästigung. Diese werden trotz wiederholter Nachfrage detailarm wiedergegeben:

„RI: Warum hat man Ihnen die Kleidung vom Leib gerissen.

BF2: Das ist eine Drohung.

RI: Welchen Inhaltes, was will damit gesagt werden? Inwiefern hat man Sie belästigt, außer, dass man Ihnen die Kleidung vom Leib gerissen hat?

BF2: Sie haben vor meinem Mann diese Wörter von Sex gesagt, diese schlimmen Wörter.

RI: Welche Wörter?

BF2: Das sind schlimme Wörter.

RI: Worauf bezogen?

BF2: Sie haben mich als Hure bezeichnet und gedroht, mich vor den Augen meines Mannes zu entehren.“ (S 15 Verhandlungsprotokoll).

Diesbezüglich erfolgt noch der Hinweis darauf, dass die BF2 gegenüber dem BFA im Widerspruch zu ihren gegenständlichen Angaben in der mündlichen Verhandlung angab, dass man ihren Mann noch zu Hause mit der Kalaschnikow geschlagen habe und nicht erst im Gefängnis. Den Umstand, dass ihr Mann bei ihren in weiterer Folge im Gefängnis erlebten Misshandlungen und sexuellen Übergriffen im selben Raum anwesend gewesen sein soll, schilderte sie in der mündlichen Verhandlung das erste Mal und führte sie beim BFA noch nicht an (S 5 Einvernahmeprotokoll BFA v 30.08.2023, BF2).

In diesem Zusammenhang ist auch nicht nachvollziehbar, dass die BF2 gemeinsam mit ihrem Ehemann inhaftiert gewesen sein soll, sie selbst freigekommen sein soll, indem sie schriftlich zugesichert habe, sich hinkünftig nicht mehr politisch zu betätigen und ihr Mann seither aber verschollen sei (S 25 Verhandlungsprotokoll). Es erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht, dass man eine politische Gefangene einfach so freilässt und lediglich eine schriftliche, schlussendlich wertlose Bestätigung verlangt, mit ihrem Ehemann aber gänzlich anders verfährt.

Schließlich wurde die BF2 in der mündlichen Verhandlung dezidiert nach dem Verbleib ihres verschollenen Bruders gefragt und meinte sie zuerst nur: „Mein Mann wurde festgenommen.“. Erst auf Vorhalt der erkennenden Richterin, dass sie vor dem BFA angegeben habe, dass einer ihrer Brüder im Sudan verschollen sei, erklärte sie: „Ich weiß von ihm nichts.“ (S 15 Verhandlungsprotokoll). Auch auf die Frage der erkennenden Richterin „Wurde er festgenommen? Wieso ist er verschollen? Was wissen Sie von ihm?“, erwiderte sie nur äußerst vage: „Weil er auch politisch aktiv war. Wir sind allgemein eine politisch aktive Familie.“ (S 16 Verhandlungsprotokoll). Präzise und konsistente Angaben fehlen folglich auch in diesem Punkt.

Schlussendlich führte die BF2 dann noch an, dass ihr Bruder ebenso am 22.06.2021 festgenommen worden sei, allerdings bei der BF1 zuhause (S 16 Verhandlungsprotokoll). Wiederum kommt es zu keiner flüssigen Erzählung und antwortet die BF2 kurz und knapp. Es ist davon auszugehen, dass die BF2, würde das Vorbringen tatsächlich der Wahrheit entsprechen Zusammenhänge und Hintergründe sowie nähere Details anführen würde, um ihr Fluchtvorbringen so gut wie nur irgendwie möglich zu untermauern.

Mangels konkreter asylrelevanter Verfolgungsgefahr und aufgrund der dargestellten Ungereimtheiten und Widersprüche gelangt daher das erkennende Gericht wie das BFA zu dem Schluss, dass das gesamte Fluchtvorbringen der BF2 als unglaubwürdig zu qualifizieren ist. Die erkennende Richterin gelangt somit zusammenfassend zu dem Schluss, dass die BF2 die von ihr geschilderten Ereignisse tatsächlich nicht erlebt hat und ihrem Vorbringen somit insgesamt die Glaubhaftigkeit zu versagen war. Somit war nicht davon auszugehen, dass die BF im Sudan einer asylrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt war bzw. ist.

2.5. Zum Vorbringen betreffend den BF3 und die BF4, BF5 sowie BF6:

Der BF3 hat keine eigenen Fluchtmotive, sondern bezieht er sich auf die Gründe der BF2.

Hinsichtlich ihrer Töchter, der BF4 bis BF6 brachte die BF2 erstmals in der mündlichen Verhandlung vor, dass die Angehörigen ihres Ehemannes die Mädchen der Familie beschneiden würden. Sie habe deswegen immer Angst um die BF4, BF5 sowie BF6 gehabt und habe nicht gewollt, dass diese zur väterlichen Familie gehen (S 9 Verhandlungsprotokoll).

Es wird nicht verkannt, dass weibliche Genitalverstümmelung (FGM) im Sudan weiterhin landesweit ein Problem darstellt. Die Prävalenz von FGM liegt bei Mädchen und Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren bei 87%, wobei sie abhängig von der Region und Ethnie variiert. Seit 2020 ist FGM aber mit bis zu drei Jahren Haft strafbar. Des Weiteren erklärt die BF2 in der mündlichen Verhandlung selbst, dass sie gegen Beschneidung sei und deswegen ihre Töchter, die BF4, BF5 sowie BF6, immer zur Familie ihres Mannes begleitet habe (S 9 Verhandlungsprotokoll). Ihr Mann selbst sei auch dagegen gewesen (S 10 Verhandlungsprotokoll). Auch sie selbst und ihre Schwestern seien nicht beschnitten (S 9 Verhandlungsprotokoll). Eine maßgebliche Gefahr vor Beschneidung für die BF4, BF5 sowie BF6 ergibt sich aus diesem Vorbringen folglich nicht, zumal deren Eltern, die BF2 und ihr Mann dagegen sind und es der BF2 bis dato auch immer möglich gewesen sei, sie davor zu beschützen, indem sie sie stets zur väterlichen Familie begleitet habe.

Insgesamt ist diesem Vorbringen allerdings ohnehin die Glaubhaftigkeit zu versagen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nämlich nicht als glaubhaft anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261).

Zwar wird nicht verkannt, dass die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden dient und sich die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe bezieht und Beweisergebnisse daraus auch nicht unreflektiert übernommen werden dürfen (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061), jedoch normiert § 19 Abs. 1 AsylG kein vollständiges Beweisverwertungsverbot. Es ist nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429).

Wie dargelegt hat die BF2 die in der mündlichen Verhandlung behauptete Angst vor der Beschneidung der BF4, BF5 sowie BF6 durch ihre Schwiegerfamilie weder im Zuge der Erstbefragung noch in der Einvernahme beim BFA erwähnt, sondern noch explizit angeführt, dass der BF3 und die BF4, BF5 sowie BF6 keine eigenen Fluchtgründe hätten (S 6 Einvernahmeprotokoll BFA v 30.08.2023, BF2). Bei Wahrunterstellung wäre dies allerdings zu erwarten gewesen.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher auch betreffend der BF4, BF5 sowie BF6 zu dem Schluss, dass es der BF2 nicht gelungen ist, eine konkrete die BF4, BF5 und BF6 betreffende Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt.

2.6. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für den Sudan samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, EASO, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wobei dies ebenso auf die im Rahmen der Beschwerdeverhandlungen ergänzend eingebrachten Berichte zutrifft.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Zu den zur Feststellung ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0210).

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 01.02.2024 wurde mit der BF1 und BF2 zuletzt der wesentliche Inhalt der herkunftsstaatsbezogenen Berichte erörtert und ihnen die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt. Weder die BF1 und die BF2 noch ihre Rechtsvertreterin trat den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren substantiiert entgegen, weshalb die Länderfeststellungen der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnten.

Mittlerweile wurde das Länderinformationsblatt zum Herkunftsstaat der BF zwar aktualisiert, jedoch kommt das Bundesverwaltungsgericht nach entsprechendem Vergleich und Gegenüberstellung zum Entschluss, dass betreffend die Situation im Herkunftsstaat der BF keine wesentliche Änderung eingetreten ist. Neue Länderberichte bewirken für sich betrachtet keine Sachverhaltsänderung (vgl. VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Absch. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch. A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Wie in der Beweiswürdigung dargestellt, konnten im gegenständlichen Fall die BF1 und die BF2 keine Gründe glaubhaft machen, die für eine asylrelevante Verfolgung sprächen. Das Fluchtvorbringen einer Bedrohung der BF1 und der BF2 aus politischen Gründen im Sudan konnte unter Abwägung aller in der Beweiswürdigung dargelegten Gründe nicht glaubhaft gemacht werden bzw. konnte keine konkrete individuelle personenbezogene Verfolgung darleget werden. Ebenso konnte die BF2 nicht glaubhaft machen, dass die BF4, BF5 und BF6 im Sudan der Zwangsbeschneidung ausgesetzt waren bzw. im Falle ihrer Rückkehr einer solchen ausgesetzt wären. Der BF3 verfügt über keine eigenen, seine Person betreffenden Fluchtgründe.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

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