BVwG W228 2268731-1

BVwGW228 2268731-120.6.2023

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W228.2268731.1.00

 

Spruch:

 

W228 2268731-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1995, Staatsangehöriger von Syrien, vertreten durch die XXXX , gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.05.2023, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 12.05.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Anlässlich seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.05.2022 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er Syrien wegen des Krieges verlassen habe.

Am 24.11.2022 wurde der Beschwerdeführer durch die gegenständlich belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), einvernommen. Dabei führte er aus, dass er aus Aleppo, XXXX , stamme. Im Jahr 2015 habe er Syrien verlassen. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, dass er wegen des Krieges ausgereist sei. Er habe seine Meinung immer gegen das Regime geäußert. Ein paar Milizen hätten ihn rekrutieren wollen. Er habe sich Sorgen gemacht, getötet zu werden. Deshalb sei er ausgereist. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien hätte er Angst, getötet oder inhaftiert zu werden. Der Beschwerdeführer gab weiters an, dass er seinen regulären Militärdienst noch nicht geleistet habe. Er habe sein Militärbuch nicht abgeholt; im Jahr 2013 oder 2014, als er es abholen hätte sollen, sei das Rekrutierungsbüro komplett zerstört worden. Das nächste Rekrutierungsbüro wäre in Aleppo gewesen. Damals seien jedoch jene Personen, die gegen das Regime kämpften, auf der Straße gestanden. Alle Wehrdienstfähigen seien blockiert worden. Auch der Beschwerdeführer sei gehindert worden, sein Militärbuch abzuholen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.02.2023 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte diesem den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte (Spruchpunkt III.). Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Syrien keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Aufgrund der instabilen Lage in Syrien sei dem Beschwerdeführer jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 07.03.2023 binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2015 aus Syrien geflüchtet sei um der Rekrutierung in den Militärdienst zu entgehen. Bis dahin sei eine Einziehung in den Militärdienst nicht möglich gewesen, da XXXX nicht unter der Kontrolle des syrischen Regimes gestanden sei. Im Jahr 2019 habe der Beschwerdeführer von seinem Vater erfahren, dass er zwischenzeitlich einberufen worden sei. Der Beschwerdeführer habe der belangten Behörde ein syrisches Schreiben vorgelegt, welches dies bestätige. Der Beschwerdeführer sei im Falle der Rückkehr nach Syrien unmittelbar einer Rekrutierungsgefahr ausgesetzt.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 17.03.2023 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 24.05.2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung sowie ein Dolmetscher für die Sprache Arabisch teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer heißt XXXX , ist syrischer Staatsangehöriger und wurde am XXXX 1995 in der Stadt XXXX , Gouvernement Aleppo, geboren und hat in weiterer Folge bis zu seiner Ausreise aus Syrien dort gelebt. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch.

Der Beschwerdeführer hat in Syrien neun Jahre lang die Schule besucht. Danach hat er als Maler gearbeitet.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Die Mutter und die Schwestern des Beschwerdeführers leben nach wie vor in der Stadt XXXX . Die zwei Brüder des Beschwerdeführers leben in der Türkei.

Der Beschwerdeführer hat Syrien im Jahr 2014 oder 2015 verlassen (der genaue Zeitpunkt konnte nicht festgestellt werden) und ist in die Türkei gereist, wo er in der Folge bis Februar 2022 gelebt hat. Im Februar 2022 ist er aus der Türkei aus- und weiter nach Österreich gereist, wo er am 12.05.2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Herkunftsort des Beschwerdeführers, die Stadt XXXX im Gouvernement Aleppo, befindet sich unter Kontrolle des syrischen Regimes.

Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr nach Syrien keine konkrete individuelle Verfolgungsgefahr aufgrund der behaupteten Teilnahme an Demonstrationen vor seiner Ausreise aus Syrien.

Der Beschwerdeführer befindet sich grundsätzlich im wehrpflichtigen Alter. Der Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst abgeleistet. Es erfolgten seither weder Rekrutierungsbemühungen seitens der syrischen Regierung noch wird er wegen Wehrdienstverweigerung vom syrischen Regime gesucht.

Im Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet droht dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime.

Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr keine persönliche Verfolgung oder physische und psychische Gewalt aufgrund einer ihm unterstellten politischen Gesinnung.

Dem Beschwerdeführer droht in Syrien aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung keine Verfolgung.

Ebenso droht dem Beschwerdeführer auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner illegalen Ausreise bzw. einer ihr hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und der im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.

Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend (ÖB 29.9.2020). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 29.11.2021).

Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Insbesondere die Ausnahmen für Studenten können immer schwieriger in Anspruch genommen werden. Fallweise wurden auch Studenten eingezogen. In letzter Zeit mehren sich auch Berichte über die Einziehung von Männern, die die einzigen Söhne einer Familie sind (ÖB 1.10.2021).

Während manche Quellen berichten, dass sich die syrische Regierung bei der Rekrutierung auf Alawiten und regierungstreue Gebiete konzentrierte (EASO 4.2021), berichten andere, dass die syrische Regierung Alawiten und Christen nun weniger stark in Anspruch nimmt (ÖB 1.10.2021; vgl. EASO 4.2021).

Glaubhaften Berichten zufolge gab es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet (AA 4.12.2020). Die im März 2020 und Mai 2021 vom Präsidenten erlassenen Generalamnestien umfassten auch einen Straferlass für Vergehen gegen das Militärstrafgesetzbuch, darunter Fahnenflucht; die Verpflichtung zum Wehrdienst bleibt davon unberührt (ÖB 1.10.2021).

Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018. Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen. Laut Berichten und Studien verschiedener Menschenrechtsorganisationen ist für zahlreiche Geflüchtete die Gefahr der Zwangsrekrutierung neben anderen Faktoren eines der wesentlichen Rückkehrhindernisse (AA 29.11.2021).

Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palästinensischen Befreiungsarmee (Palestinian Liberation Army - PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018, ACCORD 21.9.2022). Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 17.8.2021; vgl. FIS 14.12.2018). Die syrische Regierung hat im Jahr 2016 begonnen, irreguläre Milizen im begrenzten Ausmaß in die regulären Streitkräfte zu integrieren (CMEC 12.12.2018). Mit Stand Dezember 2022 werden die regulären syrischen Streitkräfte immer noch von zahlreichen regierungsfreundlichen Milizen unterstützt (CIA 2.12.2022).

 

Die Umsetzung

 

Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020). Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (STDOK 8.2017).

Rekrutierungskampagnen werden aus allen Gebieten unter Regimekontrolle gemeldet, besonders auch aus wiedereroberten Gebieten (EASO 11.2021). Die Regierung hat in vormals unter der Kontrolle der Oppositionskräfte stehenden Gebieten, wie zum Beispiel Ost-Ghouta, Zweigstellen zur Rekrutierung geschaffen. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in diesen Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. In vormaligen Oppositionsgebieten werden Listen mit Namen von Personen, welche zur Rekrutierung gesucht werden, an lokale Behörden und Sicherheitskräfte an Checkpoints verteilt (DIS 5.2020).

 

Ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet (FIS 14.12.2018; vgl. ICG 9.5.2022). In Homs führt die Militärpolizei beispielsweise stichprobenartig unvorhersehbare Straßenkontrollen durch. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden (EB 3.6.2020). Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden (DIS 5.2020). Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z.B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden (DIS 5.2020; vgl. EB 3.6.2020), berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden (DIS 5.2020). Unbestätigten Berichten zufolge wird der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit informiert, wenn die Gründe für einen Aufschub nicht mehr gegeben sind, und diese werden auch digitalüberprüft. Früher mussten die Studenten den Status ihres Studiums selbst an das Militär melden, doch jetzt wird der Status der Studenten aktiv überwacht. Generell werden die Universitäten nun strenger überwacht und sind verpflichtet, das Militär über die An- oder Abwesenheit von Studenten zu informieren (STDOK 8.2017). Berichten zufolge wurden Studenten trotz einer Ausnahmegenehmigung gelegentlich an Kontrollpunkten rekrutiert (FIS 14.12.2018).

 

Ein befragter Rechtsexperte der ÖB Damaskus berichtet, dass die syrische Regierung in den Gebieten unter Kontrolle der Autonomous Administration of North and East Syria (AANES) in der Lage ist, zu rekrutieren, jedoch nicht in allen Gebieten der AANES, in denen die kurdischen Gruppierungen vor Ort die Oberhand haben. Die syrische Regierung ist nach wie vor in einigen von der AANES kontrollierten Gebieten präsent und kann dort rekrutieren, wo sie im Sicherheitsdistrikt oder muraba’a amni im Zentrum der Gouvernements präsent ist, wie in Qamishli oder in Deir ez-Zor. In einigen Gebieten wie Afrin hat die syrische Regierung jedoch keine Kontrolle und kann dort keine Personen einberufen (Rechtsexperte 14.9.2022).

 

Nach dem Abkommen zwischen den Syrian Democratic Forces (SDF) und der syrischen Regierung Mitte Oktober 2019, das die Stationierung von Truppen der syrischen Regierung in zuvor kurdisch kontrollierten Gebieten vorsah, wurde berichtet, dass syrische Kurden aus dem Gebiet in den Irak geflohen sind, weil sie Angst hatten, in die Syrische Arabische Armee eingezogen zu werden (Rechtsexperte 14.9.2022).

 

Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) operiert hauptsächlich im Gouvernement Idlib und anderen Gebieten im Nordwesten Syriens (Grenzstädte zur Türkei). Das Gouvernement Idlib befindet sich außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung, die dort keine Personen einberufen kann (Rechtsexperte 14.9.2022), mit Ausnahme einiger südwestlicher Sub-Distrikte (Nahias) des Gouvernements, die unter Regierungskontrolle stehen (ACLED 1.12.2022; vgl. Liveuamap 12.12.2022). Die syrische Regierung kontrolliert jedoch die Melderegister des Gouvernements Idlib (das von der syrischen Regierung in das Gouvernement Hama verlegt wurde), was es ihr ermöglicht, auf die Personenstandsdaten junger Männer, die das Rekrutierungsalter erreicht haben, zuzugreifen und sie für die Ableistung des Militärdienstes auf die Liste der „Gesuchten“ zu setzen, was ihre Verhaftung zur Rekrutierung erleichtert, wenn sie das Gouvernement Idlib in Gebiete unter der Kontrolle der syrischen Regierung verlassen (Rechtsexperte 14.9.2022).

 

Die Syrische Nationale Armee (Syrian National Army, SNA) ist die zweitgrößte Oppositionspartei, die sich im Gouvernement Aleppo konzentriert, von der Türkei unterstützt wird und aus mehreren Fraktionen der Freien Syrischen Armee (Free Syrian Army, FSA) besteht. Sie spielt nach wie vor eine wichtige Rolle in Nordsyrien, wird aber von politischen Analysten bisweilen als türkischer Stellvertreter gebrandmarkt. Die SNA hat die Kontrolle über die von der Türkei gehaltenen Gebiete (Afrin und Jarabulus) in Syrien und wird von der Türkei geschützt. Die syrische Regierung unterhält keine Präsenz in den von der Türkei gehaltenen Gebieten und kann dort keine Personen für die Armee rekrutieren, es sei denn, sie kommen in Gebiete, die von der syrischen Regierung kontrolliert werden (Rechtsexperte 14.9.2022).

 

Reservedienst

 

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden (TIMEP 22.8.2019; vgl. STDOK 8.2017). Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise angehoben und auch Männer bis zu einem Alter von 55 oder sogar 62 Jahren, abhängig vom Rang, eingezogen, bzw. konnten Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen (ÖB 29.9.2020; vgl. FIS 14.12.2018, vgl. NMFA 5.2020). Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Gemäß anderen Quellen soll es jedoch zu Einberufungen von über-42-jährigen Rückkehrern aus dem Libanon und Jordanien als Reservisten gekommen sein, wobei es sich nicht um Zwangsrekrutierungen handelte (DIS 5.2020).

 

Rückkehr

 

Gemäß Berichten von Menschenrechtsorganisationen kommt es zu systematischen, politisch motivierten Sicherheitsüberprüfungen von Rückkehrwilligen [Anm.: Siehe weiter unten für weitere Informationen zu Sicherheitsüberprüfungen!], Ablehnung zahlreicher Rückkehrwilliger und gezielten Menschenrechtsverletzungen gegen Rückkehrende sowie Verletzungen von im Rahmen lokaler Rückkehrinitiativen getroffenen Vereinbarungen (Einzug zum Militärdienst, Verhaftung, etc.) (AA 29.11.2021). Einem Bericht von Amnesty International zufolge betrachten die syrischen Behörden Personen, welche das Land verlassen haben, als illoyal gegenüber ihrem Land und als Unterstützer der Opposition und/oder bewaffneter Gruppen (AI 9.2021). Jeder, der geflohen ist und einen Flüchtlingsstatus hat, ist in den Augen des Regimes bereits verdächtig (Üngör 15.12.2021). Offiziell gibt der Staat zwar vor, Syrer zur Rückkehr zu ermutigen, aber insgeheim werden jene, die das Land verlassen haben, als "Verräter" angesehen. Aus Sicht des syrischen Staates ist es besser, wenn diese im Ausland bleiben, damit ihr Land und ihre Häuser umverteilt werden können, um Assads soziale Basis neu aufzubauen. Minderheiten wie Alawiten und Christen, reiche Geschäftsleute und Angehörige der Bourgeoisie sind hingegen für Präsident al-Assad willkommene Rückkehrer. Für arme Menschen aus den Vorstädten von Damaskus oder Aleppo hat der syrische Staat laut einem befragten Syrien-Experten jedoch keine Verwendung (Balanche 13.12.2021). Das Regime will Rückkehrer mit Geld - nicht einfache Leute (Khaddour 24.12.2021).

Immer wieder sind Rückkehrende, insbesondere – aber nicht nur – solche, die als oppositionell oder regimekritisch bekannt sind oder auch nur als solche erachtet werden, erneuter Vertreibung, Sanktionen bzw. Repressionen, bis hin zu einer unmittelbaren Gefährdung für Leib und Leben ausgesetzt. Fehlende Rechtsstaatlichkeit und allgegenwärtige staatliche Willkür führen dazu, dass selbst regimenahe Personen Opfer von Repressionen werden können. Menschenrechtsorganisationen und Rückkehrende berichten von zahlreichen Fällen, in denen Rückkehrende verhaftet, gefoltert, oder eingeschüchtert wurden. Zuletzt dokumentierten Amnesty International (AI) und Human Rights Watch (HRW) unabhängig voneinander in ihren jeweiligen Berichten von September bzw. Oktober 2021 Einzelfälle schwerwiegendster Menschenrechtsverletzungen von Regimekräften gegenüber Rückkehrenden, die sich in verschiedenen Orten in den Regimegebieten, einschließlich der Hauptstadt Damaskus, ereignet haben sollen. Diese Berichte umfassten Fälle von sexualisierter Gewalt, willkürlichen und ungesetzlichen Inhaftierungen, Folter und Misshandlungen bis hin zu Verschwindenlassen und mutmaßlichen Tötungen von Inhaftierten. Die Dokumentation von Einzelfällen – insbesondere auch bei Rückkehrenden – zeigt, dass es trotz positiver Sicherheitsüberprüfung eines Dienstes jederzeit zur Verhaftung durch einen anderen Dienst kommen kann. Willkürliche Verhaftungen gehen primär von Polizei, Geheimdiensten und staatlich organisierten Milizen aus. Jeder Geheimdienst führt eigene Fahndungslisten, es findet keine zuverlässige und für Betroffene verlässliche Abstimmung und Zentralisierung statt (AA 29.11.2021).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und in den Gerichtsakt und die Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24.05.2023.

Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit, der Herkunft, der Volksgruppe, der Religion sowie die Feststellungen zu seinen Lebensumständen beruhen auf seinen diesbezüglich glaubwürdigen und im Laufe des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben sowie auf den vorgelegten syrischen Dokumenten (syrischer Reisepass, ausgestellt vom Konsulat in Istanbul am 08.02.2021, und syrischer Personalausweis). Bei dem syrischen Reisepass handelt es sich laut Untersuchungsbericht vom 20.01.2023 um ein Originaldokument.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburts- und Aufenthaltsort, seinen Familienangehörigen sowie zu seinem schulischen Werdegang und seiner Berufserfahrung, sind chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozioökonomischen Strukturen in Syrien plausibel.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszug.

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Die Machtverhältnisse im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers werden im Länderinformationsblatt sowie der aktuellen Karte von Liveuamaps im Wesentlichen übereinstimmend dargestellt. Durch Einsichtnahme in die aktuell verfügbare Karte hat sich das Bundesverwaltungsgericht davon vergewissert, dass die Feststellungen bezogen auf den Herkunftsstaat dem derzeitig verfügbaren Informationsstand entsprechen.

Der Beschwerdeführer brachte erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vor, an Demonstrationen in Syrien teilgenommen zu haben. In der Einvernahme vor dem BFA gab er zwar unsubstantiiert an, dass er seine Meinung immer gegen das Regime geäußert habe, die Teilnahme an Demonstrationen erwähnte er jedoch mit keinem Wort. Auch in der Beschwerde blieb die Teilnahme an Demonstrationen völlig unerwähnt. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer ein so wesentliches Detail erst so spät im Verfahren erwähnt hätte. Auch in der Verhandlung blieb das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Demonstrationen jedoch völlig allgemein gehalten und in keiner Weise auf seine Person bezogen. Er tätigte allgemeine Erklärungen zu Demonstrationen in Syrien; konkrete Erlebnisse betreffend seine persönliche Teilnahme an diesen Demonstrationen blieben zunächst, auch auf Nachfrage, was genau diese allgemeinen Ausführungen mit ihm persönlich zu tun hatten, völlig aus. Der Beschwerdeführer wurde mehrfach aufgefordert, seine persönlichen Erlebnisse und eigenen Wahrnehmungen die Demonstrationen betreffend zu schildern, seine Schilderungen blieben jedoch völlig abstrakt. Der Beschwerdeführer konnte auch nicht nachvollziehbar darlegen, wie bzw. woher er erfahren habe, wo die Demonstrationen stattgefunden haben und gab diesbezüglich unsubstantiiert an, dass er sich mit Freunden und Cousins getroffen habe und sie „irgendwie die Information erhalten“ hätten, dass demonstriert werde. Überdies ist festzuhalten, dass nicht erkennbar ist, wie der Beschwerdeführer als einfacher Demonstrant vom syrischen Regime erkannt worden sein soll. Er gab selbst an, dass bei den Demos 300 bis 500, manchmal auch 1000 Personen teilgenommen hätten und ist eine Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund der Teilnahme als einfacher Demonstrant ohne herausstechende Funktion nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer gab auf die Frage, was seine Aufgabe bei den Demonstrationen gewesen sei, selbst an: „Meine Funktion war mit den Jugendlichen herumzuschreien gegen das Regime, sonst nichts.“

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer den Wehrdienst – entgegen seinem eigenen Vorbringen – abgeleistet hat, ergibt sich daraus, dass der erkennende Richter in der Verhandlung einen persönlich unglaubwürdigen Eindruck vom Beschwerdeführer gewonnen hat, zumal der Beschwerdeführer teilweise widersprüchliche und nicht nachvollziehbare Angaben tätigte, er sein gesamtes Vorbringen insgesamt zu seinen Gunsten steigerte und trotz Vorlage anderer Dokumente die Vorlage des Wehrbuchs unterließ.

Der Beschwerdeführer tätigte widersprüchliche und unlogische Angaben dazu, warum er sein Militärbuch angeblich nicht abgeholt habe. In der Einvernahme vor der belangten Behörde führte er aus, dass er es im Jahr 2013 oder 2014 abholen habe wollen; das Rekrutierungsbüro, in dem er es abholen sollte, sei aber zerstört worden. Das nächste Büro wäre in Aleppo gewesen, dort seien jedoch jene, die gegen das Regime gewesen seien, auf der Straße gestanden und hätten die Wehdienstfähigen, sohin auch den Beschwerdeführer, gehindert, bei der Rekrutierungsbehörde das Militärbuch abzuholen. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer zwar gleichlautend zu seinem bisherigen Vorbingen an, dass das eigentlich zuständige Rekrutierungsamt niedergebrannt worden sei. Dass er – wie in der Einvernahme vor dem BFA vorgebracht – versucht habe, das Militärbuch woanders zu holen, er bereits mit dem Bus dorthin unterwegs gewesen sei, dann jedoch gehindert worden sei, zur Rekrutierungsbehörde zu fahren, erwähnte er in der Verhandlung mit keinem Wort mehr, sondern gab er dort an, dass er, wäre er nach Aleppo gegangen um gemustert zu werden, sofort eingezogen worden wäre. Der Beschwerdeführer blieb sohin widersprüchlich dazu, ob er versucht habe, das Militärbuch zu holen oder nicht.

Zu dem vom Beschwerdeführer vor dem BFA vorgelegten Dokument (syrisches Schriftstück mit Übersetzung vom 02.11.2022) ist beweiswürdigend wie folgt auszuführen: In diesem Schreiben, gerichtet an einen Scharia-Richter in Hama, welches der Mutter des Beschwerdeführers ausgestellt worden sei, wird im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer kein Strafregisterauszug ausgestellt werden könne, weil er nicht zur Armee eingerückt sei. Mit diesem Schreiben gelingt es dem Beschwerdeführer jedoch nicht, sein Vorbringen zu untermauern, zumal nicht von der Echtheit dieses Schreibens auszugehen ist. Dies aus folgenden Erwägungen: Dieses Schreiben wurde am 02.11.2022 ausgestellt und ist darauf nicht der im – am 08.02.2021 ausgestellten - Reisepass des Beschwerdeführers angeführte Name, sondern der Name XXXX , mit welchem der Beschwerdeführer zu Beginn seines Asylverfahrens in Österreich als Alias-Name geführt wurde, vermerkt. Im Zuge der Einvernahme vor dem BFA am 24.11.2022, im Zuge derer er das Schreiben vom 02.11.2022 vorlegte, wurde der Name des Beschwerdeführers mit der richtigen, im Reisepass vermerkten, Schreibweise festgehalten und vom Beschwerdeführer auch so bestätigt. Es kann daher nicht nachvollzogen werden, wie der Name auf dem syrischen Schriftstück vom 02.11.2022 falsch (und zwar genauso, wie zu Beginn des Asylverfahrens in Österreich) geschrieben werden konnte, obwohl sich der Beschwerdeführer bereits am 08.02.2021 vom Konsulat in Istanbul einen Reisepass ausstellen ließ. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei dem Schreiben vom 02.11.2022 um kein echtes Dokument handelt.

Festzuhalten ist weiters, dass vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht wurde, dass es Rekrutierungshandlungen seitens des syrischen Regimes gegeben habe. Dabei verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass es nicht darauf ankommt, ob eine Einberufung zum Militärdienst vor der Ausreise bereits erfolgt ist, sondern vielmehr darauf mit welcher Wahrscheinlichkeit von einem Einsatz beim Militär im Falle einer Rückkehr auszugehen ist, was anhand der Situation im Herkunftsstaat und anhand des Profils der betroffenen Person zu beurteilen ist. Im gegenständlichen Fall wurde der Beschwerdeführer am XXXX 2013 18 Jahre alt. Selbst wenn der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst nicht abgeleistet hätte, wovon der erkennende Richter jedoch im konkreten Fall nicht ausgeht, hätte der Beschwerdeführer von Anfang 2013 bis zu seiner Ausreise unbehelligt in seinem Herkunftsgebiet in Syrien gelebt, ohne Rekrutierungshandlungen ausgesetzt zu sein. In diesem Zusammenhang ist noch festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zu seinem Ausreisezeitpunkt sehr vage und unstimmig blieb und entstand der Eindruck, dass er dadurch verschleiern wollte, wie lange er tatsächlich noch in Syrien war, ohne Rekrutierungsversuchen ausgesetzt zu sein. So gab er im Verfahren vor dem BFA an, dass er Syrien im Jahr 2015 verlassen habe, während er in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ausgeführt hat, dass er Syrien Ende 2014/Anfang 2015 verlassen habe. Auf die Frage in der Verhandlung, wie alt er gewesen sei, als er ausgereist sei, gab er an, dass er dies nicht genau wisse und führte aus: „Ich war ca. 20 Jahre alt, vielleicht etwas jünger oder älter. Ich kann mich nicht genau erinnern.“ Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass man den Zeitpunkt, an dem man seine Heimat verlassen hat, nicht mehr weiß. Aufgrund der unstimmigen Angaben konnte daher der genaue Zeitpunkt der Ausreise nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer brachte in der Verhandlung weiters vor, dass seine beiden Brüder vor ca. vier Monaten aufgefordert worden seien, in die Armee zu kommen, woraufhin sie das Land verlassen hätten. Ebenso in der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass sein älterer Bruder das Haus in XXXX , in dem sie alle gelebt hätten, verkaufen wolle. Es erscheint nicht nachvollziehbar, wie der Bruder das Haus verkaufen können sollte, wenn die Regierung nach ihm sucht. Auf entsprechenden Vorhalt in der Verhandlung gab der Beschwerdeführer ausweichend an, dass es sich nur um eine Idee seines Bruders handle und der Beschwerdeführer nicht wisse, ob er den Verkauf tatsächlich durchführen könne. Aus gerichtsnotorischem Wissen sowie der Anfragebeantwortung vom 03.10.2022 zum Thema „Strafregisterbescheinigung und Sicherheitsfreigabe“ folgt nun, dass unter anderem der Verkauf von Immobilien durch syrische Bürger einer Sicherheitsüberprüfung durch die Abteilung für Politische Sicherheit bedarf. Die Gründe für eine Versagung werden zwar nur demonstrativ gelistet, doch gehört etwa die Nichtableistung des verpflichtenden Militärdienstes dazu. Das erkennende Gericht bezweifelt, dass angesichts der behaupteten Vorgeschichte des Beschwerdeführers und der behaupteten, vor ca. vier Monaten erfolgten, Einberufung der Brüder, eine solche obligatorische Sicherheitsfreigabe erteilt werden kann. Auch diese Unplausibilität im Vorbringen des Beschwerdeführers spricht gegen seine persönliche Glaubwürdigkeit.

In einer Gesamtschau ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer von der syrischen Regierung im Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet zwangsrekrutiert wird.

Im Gesamtzusammenhang betrachtet weisen die Angaben des Beschwerdeführers sohin zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten auf, welche der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar zu klären vermochte. Im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht hat sich der Eindruck verstärkt, dass der Beschwerdeführer lediglich eine konstruierte Geschichte wiedergegeben hat, und war daher sein gesamtes fluchtbezogenes Vorbringen als unglaubwürdig zu werten. Somit war nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Syrien einer asylrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr aufgrund einer unterstellten oppositionellen Gesinnung ausgesetzt war bzw. ist.

Aus den Länderberichten ergibt sich auch nicht, dass jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und dieser deshalb asylrelevante Verfolgung zu befürchten hat (vgl. VwGH 11.11.2020, Ra 2020/18/0147). Überdies kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz dem syrischen Staat bekanntgeworden ist, zumal es den österreichischen Behörden verboten ist, Daten über Asylwerber an Behörden aus deren Herkunftsstaat zu übermitteln.

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Bedrohung aus anderen in der Genfer Flüchtlingskonvention enthaltenen Gründen beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde auch kein substantiiertes Vorbringen zu bereits erfolgten oder konkret drohenden Diskriminierungen oder Übergriffen erstattet.

Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Betreffend die Lage im Herkunftsstaat wurden die folgenden Quellen konsultiert:

 Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, Version 8, veröffentlicht am 29.12.2022 (LIB).

 Live Universal Awareness Map Syrien, Stand 16.06.2023, https://syria.liveuamap.com/ (Liveuamap)

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Es muss objektiv nachvollziehbar sein, dass der Beschwerdeführer im Lichte seiner speziellen Situation und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Herkunftsstaat Furcht vor besagter Verfolgung hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, 92/01/0560).

Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Gegenständlich brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, ihm drohe im Herkunftsstaat die Verfolgung durch das Regime aufgrund der Teilnahme an Demonstrationen, illegaler Ausreise und Asylantragstellung im Ausland. Ferner drohe ihm die Einberufung zum Wehrdienst.

Wie bereits in den Feststellungen und der zugehörigen Beweiswürdigung ausgeführt wurde, war das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig. Folglich ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine drohende Verfolgung aufgrund einer unterstellten oppositionellen Gesinnung bzw. eine aktuelle und konkrete Gefahr der Einziehung in den Wehrdienst glaubhaft zu machen.

Auch eine Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Ausreise aus Syrien und der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen:

Wiewohl den Länderberichten zu entnehmen ist, dass es – vereinzelt – zu Gewaltakten gegen Rückkehrende kommt, ist ein systematisches Vorgehen gegen Rückkehrende durch die syrische Regierung aus der Berichtslage nicht abzuleiten.

Diesbezüglich führt auch die Europäische Asylagentur in ihren Länderleitlinien aus, dass die Tatsache, dass eine Person Syrien verlassen hat, normalerweise für sich genommen nicht bedeutet, dass für sie eine hinreichend große Gefahr besteht, um eine begründete Furcht vor Verfolgung festzustellen. Begründete Furcht vor Verfolgung können in der Regel einem anderen der von EUAA genannten Risikoprofile zugeordnet werden, insbesondere jener „vermeintlich regierungsfeindlichen Personen“. Mitunter ist es auch denkbar, dass Rückkehrende Handlungen ausgesetzt sind, die aufgrund ihrer Schwere einer Verfolgung gleichkommen (z. B. Haft, Folter) und bei denen möglicherweise ein Zusammenhang mit einem Verfolgungsgrund nachgewiesen werden kann (EUAA, Kapitel 2).

Da der Beschwerdeführer keine risikoerhöhenden Umstände – wie etwa dissidente journalistische oder aktivistische Tätigkeiten – vorgebracht hat, ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass dem Beschwerdeführer allein aufgrund seiner Ausreise Sanktionen wegen einer (unterstellten) oppositionellen politischen Gesinnung drohen.

Ebenso wenig genügt eine Asylantragstellung in Österreich für die Asylzuerkennung, weil nicht anzunehmen ist, dass die Antragstellung den syrischen Behörden bekannt ist, zumal es den österreichischen Behörden untersagt ist, diesbezüglich Daten an die syrischen Behörden weiterzuleiten. Zudem ist auch der Berichtslage nicht zu entnehmen, dass das Regime sämtlichen Rückkehrenden, die im Ausland Asyl beantragt haben, eine oppositionelle Gesinnung unterstellen würde (vgl. VwGH 11.11.2020, Ra 2020/18/0147).

Im Übrigen ist das in Syrien allgemein hohe Risiko, Opfer einer Gewalttat zu werden, maßgeblich für eine subsidiäre Schutzgewährung, die im Fall des Beschwerdeführers bereits erfolgt ist.

Zusammenfassend wurde keine Verfolgung des Beschwerdeführers dargelegt bzw. glaubhaft gemacht, die auf einem der in Art. 1 A Z 2 GFK genannten Konventionsgründe – nämlich Verfolgung aufgrund der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – beruht.

Da sich auch sonst keine konkrete gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in ihrem Heimatstaat ableiten ließ, war im Ergebnis die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

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