BVwG L507 2237451-2

BVwGL507 2237451-230.12.2022

B-VG Art133 Abs4
GRC Art47

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:L507.2237451.2.00

 

Spruch:

 

 

L507 2237451-2/4E

L507 2237453-2/4E

BESCHLUSS

 

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Anträge der 1.) XXXX , geb. XXXX , und des 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Türkei, beide vertreten durch RA Dr. Herbert POCHIESER, auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung aufgrund des Unionsrechts vom 19.12.2022 beschlossen:

 

 

A) Die Anträge werden zurückgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

 

Begründung:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Die Antragsteller, Staatsangehörige der Türkei, reisten am XXXX .2020 legal unter Verwendung türkischer Spezialpässe ins österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 11.03.2020 Anträge auf internationalen Schutz. Die Erstantragstellerin ist die Mutter des Zweitantragstellers.

 

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29.10.2020 wies das BFA die Anträge der Antragsteller auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkte I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde den Antragstellern der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt (Spruchpunkte II.). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die Antragsteller Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Antragsteller in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen festgesetzt (Spruchpunkte VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen die Antragsteller ein Einreiseverbot erlassen, welches hinsichtlich der Erstantragstellerin auf die Dauer von drei Jahren und hinsichtlich des Zweitantragstellers auf die Dauer von zwei Jahren befristet wurde (Spruchpunkte VII.).

 

Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden mit hg. Erkenntnis vom 13.12.2022 betreffend die Spruchpunkte I. bis VI. als unbegründet abgewiesen. Den Beschwerden gegen die Spruchpunkte VII. dieser Bescheide (Einreiseverbote) wurde stattgegeben und diese ersatzlos behoben. Zudem wurde ausgesprochen, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

 

Diese Entscheidung wurde sowohl dem BFA als auch dem rechtsfreundlichen Vertreter der Antragsteller am 14.12.2022 zugestellt.

 

2. Mit Schriftsatz vom 19.12.2022 brachte der rechtsfreundliche Vertreter der Antragstellung sowohl für die Erstantragstellerin als auch den Zweitantragsteller gleichlautende Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung kraft Unionsrecht beim Bundesverwaltungsgericht ein. Diese Anträge langten beim Bundesverwaltungsgericht am 27.12.2022 ein.

 

Begründend wurde unter anderem folgendes ausgeführt:

„1. Zur Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes kraft Unionsrecht:

Das Unionsrecht kennt einen vorläufigen Rechtsschutz nach Art 278 AEUV. Die mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichte müssen im Fall von Zweifeln betreffend die Unionskonformität von gerichtlichen Entscheidungen zur Sicherung der größten Wirksamkeit des Unionsrechts im Verwaltungsverfahren einstweilige Anordnungen treffen und vorläufigen Rechtsschutz gewähren (Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht, S.183).

Das betrifft den EuGH gemäß Art 160 Abs 2 VerfO des EuGH. Klagen vor dem EuG und dem EuGH können Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz beinhalten. Die Gewährung ist von den hinreichenden Erfolgsaussichten (fumus boni iuris) abhängig (Hafner/Kumin/Weiss, Recht der Europäischen Union, S.208).

Der Anwendungsbereich des Unionsrechts vermittelt Drittstaatsangehörigen unmittelbar auf Unionsrecht gestützte Rechtspositionen. Gemäß dem, vom EuGH entwickelten Äquivalenzprinzip und Effektivitätsprinzip, müssen die unionsrechtlich gewährleisteten Rechte vor österreichischen Gerichte als Unionsgerichte in gleicher Weise durchsetzbar sein wie innerstaatliches Recht.

Für die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht ist das BFA, das BVwG und der VwGH zuständig (Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht, S.149f). Der einstweilige Rechtsschutz ist von Amts wegen zu gewähren. Der VwGH ist ebenfalls zuständig, zur Durchsetzung dieser Rechtspositionen einstweilige Anordnungen kraft unmittelbar anwendbaren Unionsrechts zu erlassen (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 30 VwGG, Rz.1).

In meinem Fall ist die Erhebung einer Beschwerde an den VfGH geplant. Als innerstaatliche Rechtsgrundlage für die Erlassung einer einsteiligen Anordnung kommen § 13 Abs 2 VwGVG, § 22 VwGVG, § 30 VwGG und § 85 VfGG in Frage.

Ich berufe mich direkt auf Unionsrecht. Art 18 GRC gewährt mir ein Grundrecht auf Asyl (Matti in Holoubek/Lienbacher, GRC-Kommentar2 Art 18, Rz.30). Die GRC gehört zum Primärrecht der Europäischen Union. Art 47 Abs 1 GRC gewährt mir, wie bereits ausgeführt das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf im Falle der Verletzung der, durch das Unionsrecht begründeten Rechte. Ich berufe mich auch auf den unionsrechtlichen Gleichheitssatz gemäß Art 20 GRC und das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot nach Art 21 GRC. Asyl und Migration liegen gemäß Titel V AEUV, Kapitel 2, Politik im Bereich Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung, im Anwendungsbereich des Unionsrechts.

Gemäß Art 46 Abs 5 der RL 2013/32/EU (RICHTLINIE 2013/32/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes) habe ich im Falle der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf habe ich bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist das Recht auf Verbleib in Österreich.

Gemäß Art 46 Abs 8 der 2013/32/EU hat der Antragsteller im Verfahren für die Zuerkennung internationalen Schutzes das Recht, bis zu einer Entscheidung betreffend eine Rückkehrentscheidung im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates zu verbleiben.

Der EuGH ist in C-808/18 zur Auslegung des Art 46 der Richtlinie 2013/32/EU der Ansicht, dass ein Drittstaatsangehöriger, dessen Antrag auf internationalen Schutz in erster Instanz abgelehnt wurde, das Recht hat, solange in dem Mitgliedstaat zu verbleiben, solange er eine Möglichkeit hat die Entscheidung anzufechten. Das Aufenthaltsrecht wird bis zur endgültigen Entscheidung gewährt (EuGH, C-808/18, Rz.285). Eine Verweigerung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verletzt Art 47 GRC (EuGH, C-808/18, Rz.1).

Die Unionsrechte sind unmittelbar anwendbar, sofern sie inhaltlich hinreichend genau bestimmt sind und die Gewährung von keinen weiteren Bedingungen abhängig ist (Hafner/Kumin/Weiss, Recht der Europäischen Union, S.96). Art 45 Abs 5 der RL 2013/32/EU ist hinreichend genau bestimmt.

Nach der EuGH-Entscheidung Factortame (EuGH, C-213/89) würde es die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigen, wenn eine, mit der Verletzung von Unionsrechte beschäftigtes Gericht durch eine Vorschrift des nationalen Rechts gehindert wäre eine einstweilige Anordnung zur Sicherung der Unionsrechte zu erlassen (EuGH, C-213/89, Rz. 21). Die Wirksamkeit des Unionsrechts wäre auch beeinträchtigt, wenn der einstweilige Rechtsschutz nicht bis zur Beantwortung einer Vorlagefrage gewährt würde (EuGH, C-213/89, Rz. 22).

Die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht ist auch in der Rechtsprechung des VwGH vorgesehen. Nach Ansicht des VwGH in 2010/12/0169 vom 13.10.2010 ist im Verfahren eine einstweilige Anordnung auf der Grundlage von Unionsrecht vorzunehmen. Der VwGH folgt in dieser Hinsicht der Rechtsprechung des EuGH in Factortame, wonach im kassatorischen System der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit einer Beschwerde gegen einen Bescheid aufschiebenden Wirkung zukommt. Dies gilt auch für den Fall, dass dem Antragsteller eine Rechtsposition durch Unionsrecht eingeräumt wird, die jedoch auf Grund einer nationalen Rechtsvorschrift verweigert wird.

Laut der Entscheidung des VwGH vom 23.10.2015 zu Fr 2015/21/0012 (VwSlg 19.227 A/2015) ist ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht zum Schutz der dringlichen Interessen des Antragstellers, insbesondere in Hinblick darauf, dass es sich bei mir um eine schutzbedürftige Person handelt, angebracht.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Zweck des Verfahrens des Vorläufigen Rechtsschutzes die volle Sicherung der Wirksamkeit des Urteils in der Hauptsache. Die begehrten Maßnahmen müssen „dringlich“ sein, um schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden für die Interessen des Antragstellers vor der Entscheidung in der Hauptsache abzuwenden (EuGH, C-65/99). Der VwGH schließt sich dieser Entscheidung in obig zitierter Entscheidung an (VwGH, 23.10.2015, Fr 2015/21/0012 (VwSlg 19.227 A/2015)).

Der nicht wiedergutzumachende Schaden droht mir durch die Rückkehrentscheidung, die Gefahr einer Abschiebung und die Verpflichtung zur Ausreise innerhalb von vierzehn Tagen ab der Entscheidung des BVwG am 13.12.2022. Für mich besteht die Gefahr einer Abschiebung, ohne dass ich die Möglichkeit gehabt hätte meine Argumente in einem Verfahren vor dem VfGH oder dem VwGH geltend machen zu können.

2. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 VwGVG iVm 22 VwGVG an das BVwG als der zuständigen Behörde gemäß der Entscheidung VwSlg 19.227 A/2015:

Gemäß der Entscheidung des VwGH vom 23.10.2015 zu Fr 2015/21/0012 (VwSlg 19.227 A/2015) ist im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsverfahren die Anordnung eines einstweiligen Rechtsschutzes nach Unionsrecht möglich, auch wenn sie im österreichischen Recht nicht ausdrücklich vorgesehen sind.

Rechtssatz 1:

Einstweilige Anordnungen sind im Verfahren nach dem VwGVG 2014 - ebenso wie im Revisionsverfahren nach dem VwGG - gesetzlich nicht vorgesehen. Der VwGH hat jedoch - der Rechtsprechung des EuGH folgend - bereits mehrmals ausgesprochen, es sei nicht ausgeschlossen, auf Grundlage der unmittelbaren Anwendung von Unionsrecht einstweilige Anordnungen mit der Wirkung zu treffen, dem Antragsteller eine Rechtsposition vorläufig einzuräumen, deren Einräumung mit dem angefochtenen Verwaltungsakt auf der Grundlage einer (möglicherweise dem Unionsrecht widersprechenden) nationalen Rechtsvorschrift verweigert wurde (vgl. bereits zur Rechtslage nach der Einführung der mehrstufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit - B 29. Oktober 2014, Ro 2014/04/0069).

Die anzuwendenden Regelungen ergeben sich aus dem VwGVG:

Rechtssatz

Da das VwGVG 2014 keine Bestimmungen über die Erlassung einstweiliger Anordnungen enthält, sind, soweit sich aus dem Unionsrecht die Notwendigkeit dafür ergibt, für die Zuständigkeit und das Verfahren die sachnächsten Regelungen sinngemäß heranzuziehen. Als solche sind in erster Linie die Regelungen des VwGVG 2014 über die Gewährung aufschiebender Wirkung anzusehen, geht es doch auch dabei um die Einräumung vorläufigen Rechtsschutzes, um die Effektivität des in der Hauptsache erhobenen Rechtsmittels sicherzustellen (VwSlg 19.227 A/2015, Rechtssatz 2).

Laut der Entscheidung des VwGH vom 23.10.2015 zu Fr 2015/21/0012 (VwSlg 19.227 A/2015) ist ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht auf Basis des VwGVG zum Schutz der dringlichen Interessen des Antragstellers gerechtfertigt, insbesondere in Hinblick auf eine drohende Abschiebung gerechtfertigt.

Einstweilige Anordnungen sind nach dem VwGVG gesetzlich nicht vorgesehen, es sind jedoch die sach-nächsten Regelungen, das sind § 13 VwGVG iVm § 22 VwGVG heranzuziehen. Der VwGH hat bereits öfter ausgesprochen, dass einstweilige Anordnungen auf Grund unmittelbar anwendbaren Unionsrechts einzuräumen sind, wenn der Rechtsschutz auf Grund einer nationalen Rechtsvorschrift verweigert wurde (VwGH, 29.10.2014, Ro 2014/04/0069).

Die Zuständigkeit für die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht überlässt der EuGH nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie den Mitgliedstaaten, gemäß dem Äquivalenz- und Effektivitätsprinzip (EuGH, 13.03.2007, C-432/05, Unibet). Das sachnächste Gericht für die Erlassung einer einstweiligen Anordnung ist das BVwG.

 

2. Zur Zulässigkeit des Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 85 Abs 2 VfGG:

Als weitere innerstaatliche Grundlage für die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht ist § 85 Abs 2 VfGG. Gemäß § 85 Abs 2 VfGG ist einer Beschwerde nach Art 144 B-VG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen und mit dem Vollzug der angefochtenen Entscheidung für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Zwingende öffentliche Interessen, die einer Gewährung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehen, gibt es in meinem Fall nicht. Ich bin unbescholten und stelle keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Gegen mich ist in der Türkei ein Urteil wegen Separatismus ergangen, worum ich zu 6 ½ Jahren Haft verurteilt wurde. Diese Haft werde ich aufgrund meiner angeschlagenen Gesundheit nicht überleben.

Ich habe die Beschwerde an den VfGH noch nicht eingebracht, habe dies jedoch vor. In der Zeit ab der Zustellung der Entscheidung des BVwG bis zu Erhebung einer Beschwerde gemäß Art 144 B-VG liegt somit eine Rechtsschutzlücke vor. Art 47 GRC gewährt mir als Drittstaatsangehörigen im Verwaltungsverfahren das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Die Verweigerung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und damit die Abschiebung vor der Erhebung der Beschwerde an den VfGH, würde mich in meinem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletzten. Ich könnte meine Einwände gegen die Entscheidung des BVwG vor dem VwGH [gegenständlich gemeint wohl: VfGH] nicht geltend machen.

[]

Ich stelle daher den Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge eine einsteilige Anordnung nach Unionsrecht für die Gewährung eine vorläufigen Aufenthaltsrechts bis zur Erhebung einer Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof erlassen.“

 

3. Mit Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters der Antragsteller vom 27.12.2022 wurde eine Kopie eines Schreibens in türkischer Sprache samt Übersetzung in die deutsche Sprache in Vorlage gebracht und dazu ausgeführt, dass der Erstantragstellerin am 17.12.2022, gerade vier Tage nach der Entscheidung des BVwG, das in Fotokopie beiliegende Urteil des 2. Oberstrafgerichtes XXXX vom XXXX zugestellt wurde, mit dem sie wegen des Verbrechens der „Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Organisation“ zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt worden sei.

 

II. Rechtliche Begründung:

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) geregelt. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten, werden durch das BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) geregelt. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Zu Spruchteil A):

 

1. Zur Begründung gegenständlicher Anträge wurde vorgebracht, dass die Erlassung einer einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig sei, weil sonst eine mit Unionsrecht nicht zu vereinbarende Lücke im Rechtschutz bestehen würde, zumal die Antragsteller beabsichtigen würden, eine Beschwerde an den VfGH zu erheben, diese Beschwerde aber noch nicht eingebracht hätten. In der Zeit ab der Zustellung der Entscheidung des BVwG bis zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG liege somit eine Rechtsschutzlücke vor. Art. 47 GRC gewähre den Antragstellern als Drittstaatsangehörigen im Verwaltungsverfahren das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Die Verweigerung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und damit die Abschiebung vor der Erhebung der Beschwerde an den VfGH würde die Antragsteller in ihrem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletzten. Die Antragsteller könnten ihre Einwände gegen die Entscheidung des BVwG vor dem VfGH nicht geltend machen. Gegen die Erstantragstellerin sei in der Türkei ein Urteil wegen Separatismus ergangen, weshalb sie zu 6 ½ Jahren Haft verurteilt worden sei. Diese Haft würde sie aufgrund ihrer angeschlagenen Gesundheit nicht überleben. Dieses Vorbringen ist wohl in der Hinsicht zu verstehen, dass die Antragsteller davon ausgehen, dass es aus diesen Gründen der Erlassung einer einstweiligen Verfügung bedarf, die befristet bis zu einer allfälligen Entscheidung des VfGH gemäß § 85 Abs. 2 VfGG über die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über den mit einer Beschwerde verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gilt und den Antragstellern bis dahin ein vorläufiges Aufenthaltsrecht einräumt.

 

2. Dieses Vorbringen trifft nicht zu:

 

Art. 47 GRC lautet:

"Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht

Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten."

 

Art. 46 VerfahrensRL (RL 2013/32/EU ), der das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vorsieht, lautet auszugsweise:

"(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Antragsteller das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht haben gegen [...]

a) eine Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz, einschließlich der Entscheidung, i) einen Antrag als unbegründet in Bezug auf die Flüchtlingseigenschaft und/oder den subsidiären Schutzstatus zu betrachten; ii) [...]

(3) Zur Einhaltung des Absatzes 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der wirksame Rechtsbehelf eine umfassende Ex-nunc-Prüfung vorsieht, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht beurteilt wird. [...]

(5) Unbeschadet des Absatzes 6 gestatten die Mitgliedstaaten den Antragstellern den Verbleib im Hoheitsgebiet bis zum Ablauf der Frist für die Ausübung des Rechts der Antragsteller auf einen wirksamen Rechtsbehelf und, wenn ein solches Recht fristgemäß ausgeübt wurde, bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf. [...]"

 

Der EuGH hat dazu in seinem Urteil vom 26.09.2018, Rs. X und Y, C-180/17, ausgeführt:

"23 Somit verpflichten die Bestimmungen der Richtlinien 2013/32 und 2008/115 die Mitgliedstaaten zwar, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen abschlägige Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz und gegen Rückkehrentscheidungen vorzusehen; keine dieser Bestimmungen sieht jedoch vor, dass die Mitgliedstaaten internationalen Schutz beantragenden Personen, deren Klage gegen die Ablehnung ihres Antrags und die Rückkehrentscheidung abgewiesen wurde, ein Rechtsmittel gewähren müssen, und erst recht nicht, dass ein solches Rechtsmittel kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung haben muss.

24 Solche Anforderungen lassen sich auch nicht aus der Systematik und dem Zweck dieser Richtlinien ableiten. Deren Hauptziel ist nämlich, wie aus dem zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/32 hervorgeht, die Weiterentwicklung der Normen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes im Hinblick auf die Einführung eines gemeinsamen Asylverfahrens in der Union und, wie sich aus den Erwägungsgründen 2 und 4 der Richtlinie 2008/115 ergibt, die Einführung einer wirksamen Rückkehr- und Rückübernahmepolitik unter vollständiger Achtung der Grundrechte und der Würde der Betroffenen (vgl. zur Richtlinie 2008/115 Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C-181/16, EU:C:2018:465, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). Den Erwägungsgründen dieser Richtlinien lässt sich dagegen nicht entnehmen, dass diese die Mitgliedstaaten zur Schaffung eines zweiten Rechtszugs verpflichten sollen.

25 Ferner bezieht sich, was die Richtlinie 2013/32 betrifft, die Vorgabe, dass der Rechtsbehelf wirksam sein muss, nach Art. 46 Abs. 3 dieser Richtlinie ausdrücklich auf "Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht". Soweit danach eine umfassende Ex-nunc-Prüfung erforderlich ist, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt, betrifft diese Vorgabe ausschließlich den Ablauf des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens. Sie kann daher nicht mit Blick auf das Ziel dieser Richtlinie dahin ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten zur Schaffung eines zweiten Rechtszugs verpflichtet wären oder dass dieser in bestimmter Weise auszugestalten wäre.

26 Somit hindert das Unionsrecht, wie das Wort "zumindest" in Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 in Bezug auf Entscheidungen, mit denen ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wird, bestätigt, die Mitgliedstaaten zwar nicht daran, für Rechtsbehelfe gegen abschlägige Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz und gegen Rückkehrentscheidungen einen zweiten Rechtszug vorzusehen. Die Richtlinien 2013/32 und 2008/115 enthalten jedoch keine Vorschriften über die Schaffung und Ausgestaltung eines solchen Rechtszugs. Insbesondere lassen, wie der Generalanwalt in Nr. 41 seiner Schlussanträge ausführt, weder der Wortlaut noch die Systematik oder der Zweck dieser Richtlinien den Schluss zu, dass, wenn ein Mitgliedstaat einen zweiten Rechtszug gegen derartige Entscheidungen vorsieht, das damit geschaffene Rechtsmittelverfahren dem vom Antragsteller eingelegten Rechtsmittel zwingend kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung verleihen muss.

27 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2008/115 ebenso wie die Richtlinie 2013/32 , wie sich aus dem 24. Erwägungsgrund der Ersteren und dem 60. Erwägungsgrund der Letzteren ergibt, unter Beachtung der insbesondere in der Charta anerkannten Grundrechte und Grundsätze auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C-181/16, EU:C:2018:465, Rn. 51).

28 Wenn ein Staat entscheidet, eine Person, die internationalen Schutz beantragt, in ein Land abzuschieben, bei dem ernsthafte Gründe befürchten lassen, dass tatsächlich die Gefahr einer Art. 18 der Charta in Verbindung mit Art. 33 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der durch das entsprechende Protokoll geänderten Fassung oder Art. 19 Abs. 2 der Charta widersprechenden Behandlung dieser Person besteht, verlangt das in Art. 47 der Charta vorgesehene Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass der Antragsteller über einen Rechtsbehelf mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung gegen den Vollzug der Maßnahme verfügt, die seine Abschiebung ermöglicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C-181/16, EU:C:2018:465, Rn. 54).

29 Der Gerichtshof hat ferner präzisiert, dass bei einer Rückkehrentscheidung und einer etwaigen Abschiebungsentscheidung der mit dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und dem Grundsatz der Nichtzurückweisung verbundene Schutz dadurch zu gewährleisten ist, dass der Person, die internationalen Schutz beantragt hat, das Recht zuzuerkennen ist, vor mindestens einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, der kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat. Außerdem haben die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, dass der Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz seine volle Wirksamkeit entfaltet, indem sie während der Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs und, falls er eingelegt wird, bis zur Entscheidung über ihn alle Wirkungen der Rückkehrentscheidung aussetzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C-181/16, EU:C:2018:465, Rn. 56, 58 und 61 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 5. Juli 2018, C u. a., C-269/18 PPU, EU:C:2018:544, Rn. 50).

30 Allerdings schreibt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Art. 47 der Charta im Licht der in ihrem Art. 18 und Art. 19 Abs. 2 enthaltenen Garantien ebenso wenig wie Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 vor, dass es zwei Rechtszüge geben muss. Denn allein entscheidend ist, dass es einen Rechtsbehelf vor einem Gericht gibt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Juli 2011, Samba Diouf, C-69/10, EU:C:2011:524, Rn. 69, und vom 19. Juni 2018, Gnandi, C-181/16, EU:C:2018:465, Rn. 57).

31 In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass mit Art. 52 Abs. 3 der Charta, soweit diese Rechte enthält, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, die notwendige Kohärenz zwischen den in der Charta verankerten Rechten und den entsprechenden, durch die EMRK garantierten Rechten geschaffen werden soll, ohne dass dadurch die Eigenständigkeit des Unionsrechts und des Gerichtshofs der Europäischen Union berührt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Februar 2016, N., C-601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 47, und vom 14. September 2017, K., C-18/16, EU:C:2017:680, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach den Erläuterungen zu Art. 47 der Charta stützt sich dessen Abs. 1 auf Art. 13 EMRK. Der Gerichtshof muss daher darauf achten, dass seine Auslegung von Art. 47 Abs. 1 der Charta ein Schutzniveau gewährleistet, das das in Art. 13 EMRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte garantierte Schutzniveau nicht verletzt (vgl. entsprechend Urteile vom 15. Februar 2016, N., C-601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 77, und vom 20. März 2018, Menci, C-524/15, EU:C:2018:197, Rn. 62).

32 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verlangt Art. 13 EMRK aber selbst dann, wenn geltend gemacht wird, dass die Abschiebung den Betroffenen einer echten Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung aussetzt, von den Hohen Vertragsparteien weder, zwei Rechtszüge zu schaffen, noch gegebenenfalls das Rechtsmittel mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung auszustatten (vgl. in diesem Sinne EGMR, 5. Juli 2016, A. M./Niederlande, CE:ECHR:2016:0705JUD002909409, Rn. 70).

33 Daraus folgt, dass sich der Schutz, den Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 in Verbindung mit Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta einer internationalen Schutz beantragenden Person gegen eine Entscheidung gewährt, mit der ihr Antrag abgelehnt und ihr eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird, auf einen einzigen gerichtlichen Rechtsbehelf beschränkt.

34 Die Schaffung eines zweiten Rechtszugs gegen abschlägige Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz und gegen Rückkehrentscheidungen sowie die Entscheidung, ihn gegebenenfalls mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung auszustatten, sind - entgegen dem in Rn. 17 des vorliegenden Urteils angeführten Vorbringen der belgischen Regierung - Verfahrensmodalitäten zur Umsetzung des in Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 vorgesehenen Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen solche Entscheidungen. Solche Verfahrensmodalitäten unterliegen nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zwar ihrer jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung, müssen aber, wie der Gerichtshof hervorgehoben hat, die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität wahren (vgl. entsprechend Urteil vom 17. Juli 2014, Sánchez Morcillo und Abril García, C-169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 31, 36 und 50 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 16. Juli 2015, Sánchez Morcillo und Abril García, C-539/14, EU:C:2015:508, Rn. 33).

35 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte schützen sollen, nicht weniger günstig sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen (Grundsatz der Äquivalenz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 2014, Kone u. a., C-557/12, EU:C:2014:1317, Rn. 25, und vom 6. Oktober 2015, Târsia, C-69/14, EU:C:2015:662, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36 Bei der Prüfung der Frage, ob die Anforderungen in Bezug auf die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität erfüllt sind, sind die Stellung der betroffenen Vorschriften im gesamten Verfahren, dessen Ablauf und die Besonderheiten dieser Vorschriften vor den verschiedenen nationalen Stellen zu berücksichtigen (Urteile vom 1. Dezember 1998, Levez, C-326/96, EU:C:1998:577, Rn. 44, und vom 27. Juni 2013, Agrokonsulting-04, C-93/12, EU:C:2013:432, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt der Äquivalenzgrundsatz die Gleichbehandlung auf einen Verstoß gegen das nationale Recht gestützter Rechtsbehelfe und entsprechender, auf einen Verstoß gegen das Unionsrecht gestützter Rechtsbehelfe, nicht aber die Gleichwertigkeit nationaler Verfahrensvorschriften, die für Streitsachen unterschiedlicher Natur gelten (Urteil vom 6. Oktober 2015, Târsia, C-69/14, EU:C:2015:662, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

[...]

43 Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, so verlangt dieser hier nicht mehr als die Wahrung der Grundrechte der Charta, insbesondere des Rechts auf einen wirksamen Rechtsschutz. Da sich aus Rn. 30 des vorliegenden Urteils ergibt, dass Art. 47 im Licht der Garantien in Art. 18 und Art. 19 Abs. 2 der Charta nur verlangt, dass eine internationalen Schutz beantragende Person, deren Antrag abgelehnt wurde und gegen die eine Rückkehrentscheidung ergangen ist, ihre Rechte vor einem Gericht wirksam geltend machen kann, lässt der bloße Umstand, dass ein im nationalen Recht vorgesehener zusätzlicher Rechtszug nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat, nicht den Schluss zu, dass der Effektivitätsgrundsatz verletzt wurde.

44 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 im Licht von Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die zwar ein Rechtsmittel gegen ein erstinstanzliches Urteil, das eine Entscheidung bestätigt, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird, vorsieht, diesen Rechtsbehelf jedoch nicht mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung ausstattet, obwohl der Betroffene die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung geltend macht."

 

Es steht daher fest, dass im Gegensatz zum Vorbringen der Antragsteller weder Art. 47 GRC noch Art. 46 VerfahrensRL ein Rechtsmittel gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem ein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen wird, fordert, noch, dass einem solchen, wenn es in der jeweiligen nationalen Rechtsordnung vorgesehen ist, Suspensivwirkung zukommt, sei es in Form der aufschiebenden Wirkung, sei es in Form einer einstweiligen Verfügung (s. dazu auch VwGH 25.02.2019, Ra 2018/19/0707).

 

3. Gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes sieht die österreichische Rechtsordnung die Rechtsbehelfe vor, Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben; diesen kann aufschiebende Wirkung zuerkannt werden. Es ist daher im Sinne des Urteils zu prüfen, ob der Äquivalenz- oder der Effektivitätsgrundsatz dadurch verletzt werden, dass einer Beschwerde an den VfGH die aufschiebende Wirkung nicht ex lege zukommt, sondern erst auf begründeten Antrag hin zuerkannt werden kann.

 

Dass der Äquivalenzgrundsatz verletzt wird, behaupten die Antragsteller nicht, und ist auch nicht ersichtlich, weil § 85 VfGG (wie auch § 30 VwGG) für alle Verfahren gleichermaßen gilt.

 

Das Vorbringen des rechtsfreundlichen Vertreters, das Fehlen der automatischen aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde an den VfGH bewirke einen Verstoß gegen die unionsrechtlich gebotene Effektivität des Rechtsschutzes, verneinte der VwGH bereits mehrfach mit Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 26.9.2018, Rs. X und Y, C-180/17, in dem der dieser aussprach, dass Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die für ein Rechtsmittel gegen ein die Rückkehrentscheidung bestätigendes Erkenntnis eines Gerichts keine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes vorsieht (VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0107; 20.12.2018, Ra 2018/14/0348; 25.02.2019, Ra 2018/19/0707).

 

Dadurch, dass der Beschwerde an den VfGH nicht ex lege die aufschiebende Wirkung zukommt, sondern erst nach Vorliegen einer Beschwerde zuerkannt werden kann, werden sohin weder der Effizienz- noch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt.

 

4. Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht für die Gewährung eines vorläufiges Aufenthaltsrechts bis zur Entscheidung über einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde an den VfGH war daher als unzulässig zurückzuweisen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf einer klaren Rechtslage.

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