Normen
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
32008L0115 Rückführungs-RL Art13;
32013L0032 IntSchutz-RL Art46;
62001CJ0013 Safalero VORAB;
62010CJ0069 Samba Diouf VORAB;
62017CJ0180 X und Y VORAB;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
MRK Art13;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §30;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018140348.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 1. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er im Wesentlichen damit begründete, dass er und seine Familie von den Taliban bedroht worden seien.
2 Mit Bescheid vom 3. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Die Behörde erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung. Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 28. Mai 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 25. September 2018, E 2631/2018-8, dem Verwaltungsgerichtshof über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 19. Oktober 2018, E 2631/2018-10, zur Entscheidung abgetreten wurde.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, dass das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende Neuerungsverbot keine Prüfung der Voraussetzungen des § 8 AsylG im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erlaube. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof stelle daher keinen "wirksamen Rechtsbehelf" im Sinne des Art. 46 VerfahrensRL iVm Art. 47 GRC dar. Diesbezüglich erfolgte auch der Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge eine näher genannte Vorlagefrage an den Gerichtshof der Europäischen Union richten. Zudem seien die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Gefahrenlage in Kabul und Mazar-e Sharif vor dem Hintergrund einer Art. 3 EMRK Verletzung krass fehlerhaft, weshalb eine Rückkehrmöglichkeit dorthin nicht bestehe. Das angefochtene Erkenntnis weiche darüber hinaus von - näher genannter - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage der Beweiswürdigung ab.
9 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
10 Insofern der Revisionswerber in der Zulassungsbegründung vorbringt, das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot und das Revisionssystem würden Art. 47 GRC verletzen und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof stelle daher keinen "wirksamen Rechtsbehelf" (iSd Art. 46 VerfahrensRL iVm Art. 47 GRC) dar, ist auf die Rechtsprechung zu verweisen, wonach das vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Revisionsmodell sowohl mit Art. 47 GRC als auch mit Art. 13 EMRK in Einklang steht (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0107, mit zahlreichen Verweisen zur Judikatur des VwGH, EGMR und EuGH).
11 Der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall mittels Beschwerde angerufen worden ist und entschieden hat, hindert die Zurückweisung der Revision gegen das angefochtene Erkenntnis somit nicht, wenn - wie im vorliegenden Fall - von der Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird (vgl. erneut VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0107; sowie VwGH 4.8.2016, Ra 2016/18/0123; 14.9.2016, Ra 2016/18/0081 bis 0082).
12 Im Hinblick auf das Zulässigkeitsvorbringen, die (außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof stelle keinen wirksamen Rechtsbehelf dar, ist auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache X,Y, zu verweisen, in dem der Gerichtshof festgehalten hat, dass Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die für ein Rechtsmittel gegen ein die Rückkehrentscheidung bestätigendes Erkenntnis eines Gerichts keine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes vorsieht (EuGH 26.9.2018, X,Y, C-180/17 ).
13 Ausgehend davon sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, dem Europäischen Gerichtshof - wie vom Revisionswerber angeregt - die in der Revision angeführten Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorzulegen (vgl. zu all dem erneut VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0107, mwN).
14 Die Revision, die sich in ihrem Zulässigkeitsvorbringen auch gegen die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene innerstaatliche Fluchtalternative für den Revisionswerber insbesondere in Kabul und Mazar-e Sharif wendet, gelingt es damit nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Die Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative, bei der die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und die persönlichen Umstände des Asylwerbers als anzuwendender Maßstab zu berücksichtigen sind, ist letztlich eine Entscheidung im Einzelfall (vgl. VwGH 15.3.2018, Ra 2018/20/0096).
15 Fallbezogen war die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, der Revisionswerber finde - als junger, erwerbsfähiger Mann mit Arbeitserfahrung, unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes - in Kabul bzw. Mazar-e Sharif eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vor, auf Grundlage der im Zeitpunkt des Erkenntnisses vorliegende Berichtslage und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu beanstanden (vgl. zur insoweit einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001; 28.6.2018, Ra 2018/19/0266 und VfGH 12.12.2017, E 2068/2017, mwN). Wenn in der Revision in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, dass sich die Gefahrenlage im Heimatland des Revisionswerbers verändert habe, ist darauf zu verweisen, dass die angefochtene Entscheidung am 28. Mai 2018 erlassen wurde. Das auf danach stattgefundene Ereignisse abstellende Vorbringen ist somit als im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung (§ 41 VwGG) anzusehen. Mit einem Vorbringen, das unter das Neuerungsverbot fällt, kann aber das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht begründet werden (vgl. VwGH 26.9.2018, Ra 2018/14/0108, mwN).
16 Soweit die Revision sich gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 5.11.2018, Ra 2018/14/0166, mwN).
17 Eine solche Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und ist in einer nicht als unschlüssig zu bezeichnenden Beweiswürdigung zum Ergebnis gekommen, das Vorbringen des Revisionswerbers sei nicht glaubhaft.
18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. Dezember 2018
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
