BVwG W203 2261670-1

BVwGW203 2261670-115.12.2022

AVG §17
B-VG Art133 Abs4
SchPflG 1985 §1 Abs1
SchPflG 1985 §11
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §3
SchPflG 1985 §5 Abs1
StGG Art17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W203.2261670.1.00

 

Spruch:

 

W203 2261670-1/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin XXXX , Erziehungsberechtigte der am XXXX geborenen Zweitbeschwerdeführerin XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Tirol vom 18.10.2022, GZ.: 403.01/0379-allg/2022, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Zweitbeschwerdeführerin erfüllte ihre allgemeine Schulpflicht im Schuljahr 2021/22 durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht. Zur am Ende des Unterrichtsjahres vorgesehenen Externistenprüfung trat die Zweitbeschwerdeführerin binnen der dafür vorgesehenen Frist nicht an.

2. Mit Bescheid der Bildungsdirektion für Tirol (im Folgenden: belangte Behörde) vom 18.10.2022, GZ.: 403.01/0379-allg/2022 (im Folgenden: angefochtener Bescheid), wurde die Teilnahme der Zweitbeschwerdeführerin an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2022/23 untersagt (Spruchpunkt 1.). Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde wurde ausgeschlossen (Spruchpunkt 2.).

Begründet wurde Spruchpunkt 1. damit, dass die Zweitbeschwerdeführerin nicht zur Externistenprüfung angetreten sei und daher keinen Nachweis über den zureichenden Erfolg des häuslichen Unterrichts erbracht habe.

3. Am 21.10.2022 brachte die Erstbeschwerdeführerin Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde ein und begründete diese auf das Wesentliche zusammengefasst wie folgt:

Die Zweitbeschwerdeführerin sei seit Jänner 2022 Mitglied eines Bildungs- und Forschungsvereins. Es sei auf diese daher ausschließlich das Vereinsrecht anzuwenden, insbesondere auch für die Lebensbereiche Bildung, Gesundheit und Familienfürsorge. Die Zweitbeschwerdeführerin sei somit nicht mehr als „Kind“ iSd § 1 Schulpflichtgesetz anzusehen und die belangte Behörde für die Erlassung des angefochtenen Bescheides somit nicht mehr zuständig gewesen.

Die Behörde habe unter Verletzung des Legalitätsprinzips gemäß Art. 18 B-VG ohne gesetzliche Grundlage gehandelt bzw. die anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen über deren Sinngehalt hinaus interpretiert. Dies betreffe insbesondere die Modalitäten und die Durchführung der Externistenprüfung, indem keinerlei Konkretisierung des Prüfungsstoffes erfolgt sei und die im häuslichen Unterricht erbrachten Leistungen und die Mitarbeit nicht berücksichtigt worden seien.

Die dem Bescheid zugrundeliegenden Rechtsnormen verstießen gegen das Legalitätsprinzip gemäß Art 18 B-VG und gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte gemäß Art. 17 StGG, Art 14 der Europäischen Grundrechtecharta und Art. 2, 1. Zusatzprotokoll der EMRK. Die maßgeblichen Bestimmungen des Schulpflichtgesetzes seien kurzfristig geändert worden und die Bildungsdirektionen hätten erst mit Jahresbeginn 2022 Verordnungen über die Prüfungsschulen erlassen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Schüler bereits bei einer anderen, wie bislang üblich selbst gewählten Prüfungsschule angemeldet gewesen wären und sich bereits auf die Prüfung in Abstimmung mit der (frei gewählten) Prüfungsschule vorbereitet hätten. Schon in dieser Vorgehensweise liege eine diskriminierende und gröblich benachteiligende Schlechterstellung gegenüber Schülerinnen und Schülern, die an einer Schule gemäß § 5 SchPflG unterrichtet würden.

Die einschlägige Bestimmung des § 11 SchPflG greife in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf häuslichen Unterricht ein und verletze den Gleichheitsgrundsatz, indem diese festlege, dass der zureichende Erfolg des Unterrichts jährlich ohne Einbindung der die Schüler unterrichtenden Personen durch eine Prüfung vor einer Kommission an einer zugewiesenen Schule nachgewiesen werden müsse. Dies stelle eine Gefährdung des Kindeswohls dar.

Vor diesem Hintergrund habe man unter Rücksicht auf das Kindeswohl von der „Teilnahme an der gesetzlich vorgeschriebenen Externistenprüfung Abstand genommen“.

Der Gesetzgeber habe in § 11 SchPflG nicht klar festgelegt, was unter „Gleichwertigkeit des Unterrichts“ zu verstehen sei und nach welchen Kriterien diese festgestellt werde. Der in § 11 Abs. 4 SchPflG vorgesehene Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichts lasse keine Rückschlüsse darüber zu, ob tatsächlich Gleichwertigkeit des Unterrichts vorliege. Von einer Gleichwertigkeit des Unterrichts sei aber auszugehen, solange die Behörde nicht Gegenteiliges feststelle, die Beweislast treffe also insofern die Behörde.

Außerdem sei das Schulunterrichtsgesetz auf Kinder im häuslichen Unterricht nicht anzuwenden und der Gesetzgeber habe es bewusst ermöglicht, auch andere Nachweise als die Ablegung einer Externistenprüfung als Nachweis über den zureichenden Erfolg des Unterrichts zuzulassen. In diesem Sinn sei die Erstbeschwerdeführerin vor dem Hintergrund der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und der Gefahr der Verletzung des Kindeswohls ihrer Bildungsverantwortung nachgekommen und habe auf eigene Kosten einen „alternativen Gleichwertigkeitsnachweis“ für die Zweitbeschwerdeführerin besorgt. Dieser sei aber von der belangten Behörde in keinster Weise berücksichtigt oder gewürdigt worden.

Man beantrage, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen und eine komplette Aktenabschrift postalisch zur Verfügung zu stellen.

4. Einlangend am 02.11.2022 wurde die Beschwerde von der belangten Behörde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die am XXXX geborene Zweitbeschwerdeführerin erfüllte im Schuljahr 2021/22 ihre allgemeine Schulpflicht durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht.

Ein Nachweis über den zureichenden Erfolg des Unterrichts der Zweitbeschwerdeführerin im Schuljahr 2021/22 in Form eines positiven Externistenprüfungszeugnisses wurde von den Beschwerdeführern nicht vorgelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122 (im Folgenden: VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

3.2. Zu Spruchpunkt A) (Abweisung der Beschwerde)

3.2.1. Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten wie folgt:

Gemäß Art. 17 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867 (auszugsweise), ist jeder Staatsbürger, der seine Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat, berechtigt, Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht zu ertheilen.

Der häusliche Unterricht unterliegt keiner solchen Beschränkung.

Dem Staate steht rücksichtlich des gesamten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu.

Gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Schulpflicht, BGBl. Nr. 76/1985 idgF (Schulpflichtgesetz 1985 – SchPflG), besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.

Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.

Gemäß § 3 SchPflG dauert die allgemeine Schulpflicht neun Jahre.

Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen zu erfüllen.

Gemäß § 11 Abs. 1 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht – unbeschadet des § 12 – auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich zwischen dem 1. Juni und dem Ende des Unterrichtsjahres durch eine Prüfung an einer in § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Ergänzend dazu hat bei Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs. 2, ein Reflexionsgespräch über den Leistungsstand bis spätestens zwei Wochen nach Ende der Semesterferien an jener Schule, die bei Untersagung des häuslichen Unterrichts zu besuchen wäre, stattzufinden. Wenn das Kind vor dieser Frist aus dem Sprengel dieser Schule verzogen ist, so hat das Reflexionsgespräch mit der Prüfungskommission gemäß Abs. 5 zu erfolgen.

Gemäß § 11 Abs. 5 SchPflG muss die Prüfung des zureichenden Erfolges gemäß Abs. 4 erster Satz an einer Schule im örtlichen Zuständigkeitsbereich jener Schulbehörde abgelegt werden, die für die Einhaltung der Schulpflicht zuständig ist. Die Schulbehörden haben mit Verordnung gemäß § 42 Abs. 4 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) zumindest zwei Prüfungskommissionen einzurichten.

Findet das Reflexionsgespräch gemäß Abs. 4 zweiter Satz nicht statt, wird der Nachweis des zureichenden Erfolges nicht erbracht oder treten Umstände hervor, wodurch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Teilnahme an häuslichem Unterricht gemäß Abs. 2 dem Besuch einer öffentlichen Schule nicht mindestens gleichwertig ist, so hat gemäß § 11 Abs. 6 SchPflG die zuständige Behörde anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat. Treten Umstände hervor, die eine Gefährdung des Kindeswohls befürchten lassen, so sind, wenn nicht gemäß § 78 der Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975 vorzugehen ist, die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung oder die Kinder- und Jugendhilfe zu informieren.

3.2.2. Mit 1. Mai 2022 (Inkrafttretensdatum) erfuhr § 11 SchPflG durch die Änderungen im BGBl. I Nr. 232/2021 einige Neuerungen.

Grundsätzlich gleichgeblieben sind die (Grob-)Prüfung, ob eine Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts gegeben ist (ex ante Prüfung), und die Externistenprüfung zum Nachweis des zureichenden Erfolges (ex post Prüfung). Für die Externistenprüfung wurde nun eine örtlich zuständige Kommission eingeführt. Die Regelung des Abs. 5 leg.cit. soll dabei sicherstellen, dass die Prüfung von mit der besonderen Situation, in der sich die Kinder befinden, vertrauten und erfahrenen Lehrpersonen durchgeführt wird und in ganz Österreich nach einem vergleichbaren Standard erfolgen. Dazu dient insbesondere die Schaffung einer ausschließlich örtlichen Zuständigkeit (siehe 1245 dBNR, XXVII. GP, S 3).

Weiters sieht § 11 Abs. 6 SchPflG nach wie vor die zwingende Anordnung („hat […] anzuordnen“) vor, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 SchPflG zu erfüllen hat, wenn der Nachweis des zureichenden Erfolges gemäß Abs. 4 nicht erbracht wird.

Folglich sind die wesentlichen Bestimmungen grundsätzlich inhaltsgleich geblieben, weshalb die Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts weiter herangezogen werden kann.

Die Freiheit des häuslichen Unterrichts beschränkt nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht und kann daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden. Art. 17 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (siehe VfGH 06.03.2019, G377/2018).

Zur Externistenprüfung gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG, die nur von Kindern im häuslichen Unterricht abzulegen ist, hat der Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass es dabei zu keiner Verletzung des Gleichheitssatzes kommt, weil der häusliche Unterricht nicht mit dem Unterricht in Privatschulen - weder mit solchen nach §5 Abs1 SchPflG noch mit solchen nach §12 SchPflG iVm §14 Abs2 PrivSchG - zu vergleichen ist. Eine grundlegende Unterscheidung zwischen diesen Arten der Ausbildung ist schon durch Art17 StGG gegeben, der in den Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 Schulen und häuslichen Unterricht gerade nicht gleich regelt. Im Bereich von Schulen (einschließlich Privatschulen) ist es staatlichen Organen laufend möglich, die Einhaltung schulrechtlicher Bestimmungen zu überprüfen (siehe VfGH vom 10.03.2015, E1993/2014).

Für den Fall, dass der erforderliche Nachweis nicht erbracht wird, ist zwingend der Besuch einer Schule gemäß § 5 SchPflG anzuordnen. Dies sieht §11 Abs. 4 (nunmehr Abs. 6) SchPflG ausdrücklich vor und bestehen aus Sicht des Verfassungsgerichtshofes auch dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (siehe ebenso VfGH vom 10.03.2015, E1993/2014).

Darüber hinaus ist Art. 4 BVG Kinderrechte nicht dahingehend zu verstehen, dass das Kind ein Recht hätte, der Anwendung von es treffenden, zwingenden gesetzlichen Bestimmungen zu widersprechen, die mit dem BVG Kinderrechte in Einklang stehen (siehe ebenso VfGH vom 10.03.2015, E1993/2014).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der „Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichts“ im Sinne des § 11 Abs. 4 SchPflG nur durch eine entsprechend den Bestimmungen über die Externistenprüfungen abgelegte Prüfung erbracht werden, deren Gesamtbeurteilung in dem über die Prüfung auszustellenden Zeugnis wenigstens mit „bestanden“ beurkundet wurde (siehe dazu etwa VwGH 29.05.1995, 94/10/0187; 25.04.2001, 2000/10/0187; 27.03.2014, 2012/10/0154).

Für den Fall, dass kein Nachweis über den zureichenden Erfolg erbracht wird, schreibt das Gesetz (vgl. § 11 Abs. 4 zweiter Satz SchPflG [Anmerkung: nunmehr § 11 Abs. 6, erster Satz, zweite Fallkonstellation SchPflG]) der Schulbehörde vor, die Anordnung zu treffen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 SchPflG, also durch den Besuch einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule (vgl. § 4 SchPflG), zu erfüllen hat. Aus der Formulierung „hat zu“ ergibt sich zweifelsfrei, dass es sich dabei um zwingendes Recht handelt, sodass der Behörde keinerlei Ermessen zukommt, im Einzelfall von dieser Rechtsfolge abzusehen (siehe VwGH 27.03.2014, 2012/10/0154; 24.04.2018, Ra 2018/10/0040; 29.05.2020, Ro 2020/10/0007, jeweils m.w.N.).

Der Besuch des häuslichen Unterrichts in einem Schuljahr, welches direkt auf jenes Schuljahr folgt, in welchem vor Schulschluss kein Nachweis über den zureichenden Erfolg erbracht wurde, scheidet ex lege aus (siehe VwGH 27.03.2014, 2012/10/0154; ferner auch VwGH 27.06.2017, Ra 2017/10/0077).

3.2.3. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführer gegen die Regelungen des § 11 Schulpflichtgesetz ist Folgendes festzuhalten:

Inkrafttretend mit 01.05.2022 erfuhr § 11 SchPflG durch die Änderungen im BGBl. I Nr. 232/2021 einige Neuerungen. Grundsätzlich gleichgeblieben ist eine ex ante (Grob-)Prüfung, ob eine Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts gegeben ist und eine abschließende Überprüfung am Ende des Unterrichtsjahres durch eine Externistenprüfungskommission zum Nachweis des zureichenden Erfolges. In diesem Bereich wurde nun eine örtlich zuständige Kommission eingeführt. Die Regelung des Abs. 5 leg.cit. soll dabei sicherstellen, dass die Prüfung von mit der besonderen Situation, in der sich die Kinder befinden, vertrauten und erfahrenen Lehrpersonen durchgeführt wird und in ganz Österreich nach einem vergleichbaren Standard erfolgen. Dazu dient insbesondere die Schaffung einer ausschließlich örtlichen Zuständigkeit (siehe 1245 dBNR, XXVII. GP, S3).

Nachdem sich keine maßgebenden Änderungen in der grundsätzlichen Systematik des § 11 SchPflG ergeben haben, sondern nur die Schaffung einer örtlichen Zuständigkeit – die im Übrigen der Rechtssicherheit dient und willkürlichem Prüfungstourismus entgegenwirkt – sowie die Möglichkeit eines frühzeitigen Eingreifens bei Missständen – wobei es dem Wohle des schulpflichtigen Kindes dient, wenn nicht bis zum Ende des Unterrichtsjahres gewartet werden muss – ist die als gesichert anzusehende Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts weiterhin anzuwenden, bzw. besteht seitens des Bundesverwaltungsgerichts auch keine Veranlassung von dieser abzugehen. Insbesondere sieht § 11 Abs. 6 SchPflG nach wie vor die zwingende Anordnung („hat […] anzuordnen“) vor, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 SchPflG zu erfüllen hat, wenn der Nachweis des zureichenden Erfolges gemäß Abs. 4 nicht erbracht wird.

Da der Verfassungsgerichtshof die damit zusammenhängenden Rechtsfragen mit der obzitierten Judikatur bereits hinreichend geklärt hat, können die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführer dahingestellt bleiben.

3.2.4. Dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde sei zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zuständig gewesen, da die Zweitbeschwerdeführerin seit ihrer Mitgliedschaft in dem zitierten Verein aufgehört habe, „Kind“ iSd des Schulpflichtgesetzes zu sein, ist entgegenzuhalten, dass die diesbezüglichen Regelungen des Schulpflichtgesetzes (vgl. §§ 1 bis 3 SchPflG) klar und eindeutig besagen, wer in Österreich als schulpflichtiges Kind gilt, wobei ausschließlich auf die Kriterien „Lebensalter“ und „dauernder Aufenthalt“ abgestellt wird. Die Mitgliedschaft eines Kindes zu einem Verein nach dem Vereinsgesetz führt demnach keineswegs dazu, dass die Bestimmungen des Schulpflichtgesetzes nicht mehr anzuwenden wären.

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass der „Nachweis des zureichenden Erfolges des häuslichen Unterrichts“ im Sinne des § 11 Abs. 4 SchPflG durch eine entsprechend den Bestimmungen über die Externistenprüfung erfolgreich abgelegte Prüfung nicht erbracht worden ist.

Eine Überprüfung des Unterrichtserfolges durch andere Methoden als die der Durchführung einer Externistenprüfung an einer entsprechenden Schule ist nicht vorgesehen. Vom rechtzeitigen Nachweis des zureichenden Erfolges im Sinne des § 11 Abs. 4 SchPflG kann nur dann gesprochen werden, wenn die Externistenprüfung bestanden wurde (VwGH vom 27.03.2014, 2012/10/0154). Insofern geht auch das Beschwerdevorbringen, der zureichende Erfolg des Unterrichts könne durch einen „alternativen Erfolgs- bzw. Gleichwertigkeitsnachwies“ belegt werden, ins Leere.

Festzuhalten ist auch, dass es nicht maßgeblich ist, aus welchem Grund eine – gesetzlich vorgesehene – Externistenprüfung nicht oder nicht erfolgreich absolviert wurde. Es lässt sich daher auch aus dem Beschwerdevorbringen, der Entschluss zum Nichtantreten zur Externistenprüfung sei vor allem im Hinblick auf das Kindeswohl gefasst worden, nichts für das Anliegen der Beschwerdeführer gewinnen.

Da jedenfalls anzuordnen ist, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat, wenn auch nur eine der in § 11 Abs. 6 SchPflG genannten Voraussetzungen – nämlich Reflexionsgespräch, Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichts und Gleichwertigkeit des Unterrichts – nicht gegeben ist, erübrigt sich ein näheres Eingehen auf das Beschwerdevorbringen, wonach ein „alternativer Gleichwertigkeitsnachweis“ vorgelegt worden sei.

3.2.5. Da – unstrittig – kein Nachweis über den zureichenden Erfolg des Unterrichts in Form einer positiv absolvierten Externistenprüfung vorgelegt wurde, hat die belangte Behörde zurecht die Teilnahme der Zweitbeschwerdeführerin an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2022/23 untersagt.

3.2.6. Durch die erfolgte Sachentscheidung erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.

3.2.7. Der Vollständigkeitshalber ist zum Antrag, eine komplette Aktenabschrift postalisch zur Verfügung zu stellen, auszuführen, dass § 17 AVG lediglich ein Recht auf Akteneinsicht normiert. Die Parteien eines Verfahrens haben ein subjektives Recht, bei der Behörde oder beim Gericht in den Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt Einsicht zu nehmen. An Ort und Stelle können die Parteien auch Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien erstellen lassen. Die Behörde und das Gericht sind aber nicht verpflichtet, Akten oder Kopien davon zu übersenden (VwGH 22.05.1996, 95/21/0083; 27.04.2000, 98/10/0003; 15.12.2011, 2011/10/0012). Daher stellt etwa die Unterlassung der Mitteilung, dass eine Aktenkopie nicht übersendet werde, für sich keine Verweigerung der Akteneinsicht dar, weil die Partei bzw. deren Vertreter weiter die Möglichkeit haben, bei der Behörde Akteneinsicht zu nehmen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG I [2. Ausgabe 2014] § 17 Rz 7).

3.2.8. Zur Unterlassung einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall konnte das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien, weil der Sachverhalt nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde festgestellt wurde. Dieser Sachverhaltsfeststellung wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend daher ausschließlich über eine Rechtsfrage zu erkennen (vgl. EGMR 20.6.2013, Appl. Nr. 24510/06, Abdulgadirov/AZE, Rz 34 ff).

3.2.9. Es war daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B) (Unzulässigkeit der Revision)

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die gegenständlich anzuwendenden gesetzlichen Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig.

3.3.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.

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