AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W170.2242963.1.00
Spruch:
W170 2242912-1/12EW170 2242963-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2021, Zl. 1268073700/200808701, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2021, Zl. 1268073602-200808779, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitigen und zulässigen Beschwerden erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. XXXX (in Folge: Beschwerdeführer 1) und XXXX (in Folge: Beschwerdeführer 2) sind Brüder; die beiden sind volljährig, syrische Staatsangehörige, der Volksgruppe der Araber und der Konfession der Sunniten zugehörig, in Österreich unbescholten und steht deren Identität fest.
1.2. Der Beschwerdeführer 1 und der Beschwerdeführer 2 haben jeweils am 02.09.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der jeweils hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dem jedoch jeweils hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattgegeben wurde. Dem Beschwerdeführer 1 und dem Beschwerdeführer 2 wurde der diesbezüglich Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Behörde) jeweils am 29.04.2021 zugestellt.
Beide erhoben jeweils mit Schriftsatz vom 21.05.2021, jeweils am selben Tag bei der Behörde eingebracht, Beschwerde gegen den jeweiligen Bescheid.
Die Beschwerden wurden hinsichtlich des Beschwerdeführers 1 am 31.05.2021, hinsichtlich des Beschwerdeführers 2 am 01.06.2021 beim Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
1.3. Der Beschwerdeführer 1 und der Beschwerdeführer 2 stammen aus der Stadt Raʾs al-ʿAin, wo die beiden schon vor Beginn der Unruhen in Syrien im Elternhaus gelebt haben; sie haben dieses nur verlassen, wenn dies auf Grund der sich nähernden Kampfhandlungen unbedingt notwendig war und sind bei nächster, sicherer Gelegenheit in dieses Haus in Raʾs al-ʿAin zurückgekehrt. In diesem Haus lebt immer noch der volljährige Bruder der Beschwerdeführer namens XXXX .
Raʾs al-ʿAin liegt im Nordosten Syriens, die Stadt und das umliegende Gebiet sind seit Oktober 2019 in der Hand der türkischen Streitkräfte und der mit diesen verbündeten Milizen der Freien syrischen Armee.
Das von den türkischen Streitkräften und den mit diesen verbündeten Milizen der Freien syrischen Armee besetzte Gebiet im Nordosten Syriens, also auch die Stadt Raʾs al-ʿAin, kann ohne Gefährdung der eigenen körperlichen Sicherheit weder über syrisches Gebiet – das Gebiet um das von den Türken besetzte Gebiet im Nordosten Syriens ist in der Hand der Kurden – noch über türkisches Gebiet erreicht werden, weil auf syrischen Gebiet die Frontlinie zwischen Türken und Kurden verläuft und die Türkei eine Einreise über türkisches Gebiet verhindert.
1.4. Der Beschwerdeführer 1 und der Beschwerdeführer 2 haben Raʾs al-ʿAin und in weiterer Folge Syrien verlassen, weil diese Angst hatten, dass sie von den kurdischen Kräften zur Verteidigung Raʾs al-ʿAins und des umliegenden Gebiets zwangsrekrutiert werden würden und gegen die Türken und ihre Verbündeten kämpfen müssten; die Kurden haben zu jetzigen Entscheidungszeitpunkt und – soweit heute erkennbar auf Dauer – in Raʾs al-ʿAin keinen Zugriff auf den Beschwerdeführer 1 und den Beschwerdeführer 2.
Weiters befürchten der Beschwerdeführer 1 und der Beschwerdeführer 2, dass sie in Raʾs al-ʿAin entweder von der Freien Syrischen Armee zwangsrekrutiert oder Opfer einer Entführung werden würden.
Eine Zwangsrekrutierung durch die Freie Syrische Armee im von den türkischen Streitkräften und den mit diesen verbündeten Milizen der Freien syrischen Armee besetzten Gebiet droht nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit, auch wenn diese nicht gänzlich ausgeschlossen ist.
Es ist nicht zu erkennen, dass die dem Beschwerdeführer 1 oder dem Beschwerdeführer 2 drohende Entführung – unabhängig von deren tatsächlicher Wahrscheinlichkeit – einen anderen Grund hat, als deren Familienangehörige um Geld zu erpressen.
Arabischstämmige Syrer werden im von den türkischen Streitkräften und den mit diesen verbündeten Milizen der Freien syrischen Armee besetzten Gebiet Nordostsyriens und somit auch in Raʾs al-ʿAin nicht wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie oder zu einer bestimmten Nationalität oder Religion verfolgt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zu 1.1. gründen sich hinsichtlich der Unbescholtenheit auf vom Bundesverwaltungsgericht zeitnah eingeholte und in das Verfahren eingeführte Strafregisterauskünfte des Beschwerdeführers 1 und des Beschwerdeführers 2, ansonsten auf die vom Beschwerdeführer 1 bzw. Beschwerdeführer 2 vorgelegten unbedenklichen syrischen Ausweise, nämlich hinsichtlich des Beschwerdeführers 1 auf den kriminaltechnisch überprüften syrischen Personalausweis und hinsichtlich des Beschwerdeführers 2 auf das im Original vorgelegte syrische Militärbuch.
2.2. Die Feststellungen zu 1.2. gründen sich auf die unbedenkliche Aktenlage der jeweiligen Verwaltungs- und Gerichtsakte.
2.3. Die Feststellungen zu 1.3. ist hinsichtlich
der Feststellungen, die Beschwerdeführer würden aus der Stadt Raʾs al-ʿAin stammen und dass diese dort schon vor Beginn der Unruhen in Syrien im Elternhaus gelebt hätten, auf deren Aussagen zu verweisen. Diese Aussagen sind schlüssig und im Wesentlichen zwischen den beiden Beschwerdeführern und in den jeweiligen Verfahren gleichlautend erstattet worden und daher glaubhaft;
der Feststellungen, dass die Beschwerdeführer die Stadt Raʾs al-ʿAin nur verlassen hätten, wenn dies auf Grund der sich nähernden Kampfhandlungen unbedingt notwendig gewesen sei und diese bei nächster, sicherer Gelegenheit wieder in das Elternhaus zurückgekehrt seien sowie hinsichtlich der Feststellung, dass im Elternhaus noch der Bruder der Beschwerdeführer namens XXXX leben würde abermals auf die diesbezüglich lebensnahen Schilderungen beider Beschwerdeführer zu verweisen, denen die Behörde in der Verhandlung nicht entgegengetreten ist.
Die Feststellungen zu Raʾs al-ʿAin – wo die Stadt liegt und wer dort die Macht in der Hand hat – ergeben sich aus den übereinstimmenden Angaben in den in das Verfahren eingebrachten Länderdokumenten (siehe Länderinformation der Staatendokumentation, Version 6, 27.04.2022 [in Folge: LIB], S. 13, S. 28 ff; Anfragebeantwortung von Accord vom 23.05.2022: Sicherheitslage in Nordostsyrien, insbesondere in der Grenzregion um Semalka; Informationen zur Bewegungsfreiheit in den Gebieten unter kurdischer Selbstverwaltung, S. 1 f) sowie einer Nachschau auf https://syria.liveuamap.com/ .
Die Feststellung zur Einreisemöglichkeit in das von den türkischen Streitkräften und mit diesen verbündeten syrischen Milizen kontrollierte Gebiet ist einerseits – hinsichtlich der Einreise aus der Türkei – auf die Anfragebeantwortung von Accord vom 23.05.2022: Voraussetzung für Einreise syrischer Staatsangehöriger in Gebiete unter Kontrolle der SDF/YPG in Nordostsyrien; Legale Einreise aus dem Irak bzw. der Türkei; Informationen zum Grenzübergang Semalka – Fasyh Khabur; Kontrolle der Grenzübergänge zwischen Nordostsyrien und der Türkei/dem Irak zu verweisen, die auf einen Bericht aus dem April 2021 eines kurdischen Nachrichtendienstes verweist, der über die Schließung aller Grenzübergänge von der Türkei kommend berichtet, also auch über die zu dem von den Türken kontrollierten Gebiet in Syrien. Andererseits ist darauf zu verweisen, dass die Einreise in das gebiet von der kurdischen Seite kommend nach der Berichtslage nicht möglich ist, da hier die Front zwischen den kurdischen und den türkischen bzw. türkisch-treuen Kräften verläuft, die türkischen bzw. türkisch-treuen Kräfte durch Angriffe immer wieder versuchen, die Kurden unter Druck zu setzen und daher mit hinreichender Sicherheit ein Überqueren der Frontlinie nicht möglich ist, zumal die Türken und deren Verbündete in der Vergangenheit auch die Straße M4, die gerade noch auf kurdischen Gebiet liegt, angegriffen und gesperrt haben (siehe Anfragebeantwortung von Accord vom 23.05.2022: Sicherheitslage in Nordostsyrien, insbesondere in der Grenzregion um Semalka; Informationen zur Bewegungsfreiheit in den Gebieten unter kurdischer Selbstverwaltung, S. 5)
2.4. Die Feststellungen zu 1.4. hinsichtlich
des Grunds, warum die Beschwerdeführer Syrien verlassen haben, ergibt sich aus deren im zeitlichen Kontext nachvollziehbaren Aussagen;
der fehlenden Möglichkeit der Kurden, auf die Beschwerdeführer in Raʾs al-ʿAin zu greifen, aus dem Umstand, dass die Kurden dort nicht mehr agieren können bzw. deren Verwaltung keine Macht mehr hat, da das Gebiet von den türkischen bzw. türkisch-treuen Kräften besetzt ist und
hinsichtlich der Befürchtungen der Beschwerdeführer von der Freien Syrischen Armee zwangsrekrutiert oder Opfer einer Entführung zu werden, aus deren Vorbringen.
Dass eine Zwangsrekrutierung durch die Freie Syrische Armee im von den türkischen Streitkräften und den mit diesen verbündeten Milizen der Freien syrischen Armee besetzten Gebiet den Beschwerdeführern nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, auch wenn diese nicht gänzlich ausgeschlossen sei, ergibt sich aus dem LIB, das ausführt, dass, was die oppositionellen Milizen in Syrien betreffe, zwar die Grenze zur Zwangsrekrutierung nicht klar sei, aber Nötigung und sozialer Druck, sich den Milizen anzuschließen, in von oppositionellen Gruppen gehaltenen Gebieten hoch sei, diese jedoch – anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten – keine Wehrdienstpflicht auferlegen würden und dem für einen Milizionär inzwischen nicht mehr attraktiven Alter, dieser ist 32 Jahre alt, und der gesundheitlichen Belastung – er leidet an Asthma – des Beschwerdeführers 1 sowie aus dem fortgeschrittenen Alter des Beschwerdeführers 2, dieser ist inzwischen 40 Jahre alt. Daher besteht zwar die Möglichkeit, aber nicht die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Zwangsrekrutierung der beiden Beschwerdeführer durch (türkeitreue) Milizen in deren Heimatgebiet.
Hinsichtlich der Feststellung, dass nicht zu erkennen sei, dass die den Beschwerdeführern (allenfalls) drohende Entführung einen anderen Grund haben könnte, als deren Familienangehörige um Geld zu erpressen, ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführer der arabischen Ethnie angehören, hinsichtlich der – im Gegensatz zur kurdischen Ethnie – keine Verfolgungshandlungen der Türken und der türkischtreuen Milizen berichtet wurden (siehe LIB, S. 102) und die beiden Beschwerdeführer nicht als politisch exponiert zu betrachten sind; diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet und ist daher nicht zu sehen, welchen anderen Grund eine allenfalls drohende Entführung haben könnte, als Lösegeld zu erpressen.
Dass arabischstämmige Syrer im von den türkischen Streitkräften und den mit diesen verbündeten Milizen der Freien syrischen Armee besetzten Gebiet Nordostsyriens und somit auch in Raʾs al-ʿAin nicht wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie oder zu einer bestimmten Nationalität oder Religion verfolgt werden, ergibt sich aus dem LIB, S. 102 f.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Gemäß § 3 AsylG 2005 ist einem Asylwerber auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesem im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und diesem keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall hinsichtlich des Beschwerdeführers 1 und des Beschwerdeführers 2 zweifellos Syrien.
3.2. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum AsylG 1991, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).
3.3. Die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz durch das Bundesamt steht mangels einer diesbezüglichen relevanten Änderung der Rechts- oder Tatsachenlage einer Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative entgegen (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/18/0054); es ist nicht zu erkennen, dass es seit dem 29.04.2021 (Erlassung des jeweiligen Bescheides, mit denen dem Beschwerdeführer 1 bzw. dem Beschwerdeführer 2 jeweils der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist) zu einer relevanten Änderung der Tatsachenlage gekommen ist, zumal das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers 1 und des Beschwerdeführers 2 seit Oktober 2019 in der Hand der türkischen Streitkräfte und der mit diesen verbündeten Milizen der Freien syrischen Armee ist.
Die bedeutet, dass nur zu prüfen ist, ob den Beschwerdeführer im Herkunftsgebiet in Syrien, also in der Stadt Raʾs al-ʿAin, asylrelevante Verfolgung droht, zumal die Beschwerdeführer immer in der Stadt Raʾs al-ʿAin gelebt haben und diese laut ihren Angaben nur verlassen haben, wenn dies aus Sicherheitsgründen notwendig war.
3.4. Der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist zu entnehmen, wie mit dem Umstand, dass die Beschwerdeführer die Stadt Raʾs al-ʿAin zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt nicht erreichen können, umzugehen ist, zumal es sich hier eben nicht um den Einwand einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative handelt sondern um die – durch die Gewährung des subsidiären Schutzes – einzig offen bleibende Prüfung hinsichtlich der Örtlichkeit im Herkunftsstaat, nämlich der Prüfung, ob eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsgebiet droht. Es kommt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nämlich auf Feststellungen zur Sicherheitslage, Rückkehrsituation und Erreichbarkeit der Herkunftsregion der Beschwerdeführer für die Klärung des Sachverhalts im Hinblick auf den Asylstatus nicht an (VwGH 27.05.2015, Ra 2015/18/0041). Allerdings geht der Verwaltungsgerichtshof in diesem (zurückweisenden) Beschluss nicht näher auf den Prüfungsmaßstab ein.
Man könnte argumentieren, dass eine Verfolgung in einem unerreichbaren Gebiet jedenfalls nicht möglich ist und daher der Antrag auf die Gewährung von Asyl schon aus diesem Grund abzuweisen ist. Ebenso könnte man argumentieren, dass die Unerreichbarkeit des Gebiets einer asylrelevanten Verfolgung gleichkommt, wenn es auf Grund staatlicher oder dem Staat zuzurechnender Maßnahmen, die ihren Grund in einem asylrelevanten Verfolgungsgrund haben, nicht möglich ist, das Gebiet zu erreichen, andernfalls eine Verfolgung aber nicht vorliegt. Jedenfalls sind keine auf einem asylrelevanten Verfolgungsgrund aufbauende, dem Herkunftsstaat zuzurechnende Gründe zu erkennen, warum die Beschwerdeführer ihr Herkunftsgebiet nicht erreichen können, weil dies (innersyrische) der nicht oder kaum zu überquerenden Frontlinie zwischen Kurden und Türken geschuldet ist – hier liegt eine asylrelevante Begründung für die Sperre nicht vor sondern ist diese nicht diskriminierend und betrifft jedermann – und von der Türkei kommend die Nichterreichbarkeit einerseits einer Maßnahme eines anderen als des Herkunftsstaates, nämlich der Türkei, geschuldet ist und andererseits die Sperre der Grenze für alle Personen gilt und daher wieder nicht diskriminierend bzw. nicht auf einen asylrelevanten Verfolgungsgrund aufbaut.
Schließlich könnte argumentiert werden, dass hinsichtlich der Gewährung des Status des Asylberechtigten (anders wäre dies hinsichtlich der Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu sehen, siehe abermals VwGH 27.05.2015, Ra 2015/18/0041) die Anreise außer Bedacht zu bleiben hat und es nur darauf ankommt, ob den Beschwerdeführern Verfolgung im Herkunftsgebiet – hier: in der Stadt Raʾs al-ʿAin – droht.
3.5. Dies ist aber nicht der Fall: Die zum Zeitpunkt ihrer Flucht reale Gefahr, von den Kurden zwangsrekrutiert zu werden, besteht nicht mehr. Die Kurden können in der Stadt Raʾs al-ʿAin nicht auf die Beschwerdeführer greifen. Ebenso besteht zwar die Möglichkeit, nicht aber die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Zwangsrekrutierung durch die türkeifreundlichen Milizen in der Stadt Raʾs al-ʿAin, eine solche reine Möglichkeit kann – unabhängig von der Frage, ob es sich bei der Zwangsrekrutierung dann um eine asylrelevante Verfolgung handeln würde – keine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründen.
Schließlich kann die Gefahr einer rein aus kriminellen Motiven allenfalls erfolgenden Entführung keine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründen, da dieser an der hiefür notwendigen Asylrelevanz mangelt.
Andere asylrelevante Verfolgungsgründe wurden weder vorgebracht noch sind diese von Amts wegen zu erkennen, insbesondere werden arabischstämmige Syrer von den Türken und deren Verbündete – anders als kurdisch stämmige Syrer – nicht einer Gruppenverfolgung unterworfen.
3.6. Daher sind die Beschwerden jeweils abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Einerseits ist auf den oben zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 27.05.2015, Ra 2015/18/0041) zu verweisen und andererseits, dass es für das jeweilige Ergebnis keine Relevanz hat, welchem Pürfschema man folgt. Es liegt gegenständlich jeweils jedenfalls keine asylrelevante Verfolgung vor.
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