BVwG W170 2250888-1

BVwGW170 2250888-13.2.2022

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §20
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W170.2250888.1.00

 

Spruch:

 

W170 2250888-1/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2021, Zl. 1282527900/211133769, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß §§ 28 Abs. 2 VwGVG, 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) stellte am 12.08.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen des Administrativverfahrens brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er habe in Damaskus, im Dorf XXXX gelebt und Syrien wegen des Krieges und der Unsicherheit im Land verlassen. Die Familie habe das Dorf verlassen müssen und sei der beste Freund des Beschwerdeführers vor seinen Augen getötet worden. Im Rahmen des Administrativverfahrens legte der Beschwerdeführer unter anderem einen syrischen Personalausweis vor.

3. Nach Durchführung des oben dargestellten Ermittlungsverfahrens wurde der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 21.12.2021, erlassen am 29.12.2021, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde diesem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht vorgebracht habe.

4. Mit am 18.01.2022 bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides Beschwerde erhoben.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als Reservist die Einberufung zum syrischen Militär befürchte. Der Beschwerde war die Kopie einer „Datenerhebung“ der syrischen Armee beigelegt, nach der der Beschwerdeführer am 06.03.2021 wegen Versäumnis des Reservedienstes zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden sei.

5. Die Beschwerde wurde samt den bezugnehmenden Verwaltungsakten am 21.01.2022 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

 

 

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger syrischer Staatsangehöriger, der sich inzwischen im XXXX Lebensjahr befindet, dessen Identität feststeht und der in Österreich unbescholten ist.

1.2. Der Beschwerdeführer ist 2015 rechtswidrig aus Syrien ausgereist; er ist nicht im Besitz eines syrischen Reisepasses.

Der Beschwerdeführer in Syrien seinen Grundwehrdienst abgeleistet.

1.3. Der Beschwerdeführer hat – zu seinen Fluchtgründen befragt – im Rahmen der Erstbefragung am 13.08.2021 angegeben, es herrsche Krieg und Unsicherheit in seinem Heimatland, sein bester Freund sei im Krieg gestorben und habe sich der Beschwerdeführer entschlossen, darum das Land zu verlassen. In Jordanien – wohin er ausgereist sei – habe er nicht so viel verdienen können, um sein Leben und das seiner Familie zu finanzieren, er wolle für seine Ehefrau, seine Kinder und sich ein besseres Leben aufbauen. Er habe „hiermit“ alle seine Gründe und die dazugehörigen Ereignisse angegeben, warum er nach Österreich gereist sei und habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung. Im Falle der Rückkehr fürchte der Beschwerdeführer um sein Leben.

In der behördlichen Einvernahme am 21.12.2021 stellt sich die Befragung zu den Fluchtgründen wie folgt dar (LA = Leiter der Amtshandlung, VP = Verfahrenspartei):

„LA: Aus welchem Grund haben Sie Ihren Heimatstaat verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt?

VP: Erstens wegen dem Krieg. Wir mussten weg aus unserem Dorf. Die Hisbollah hatte dort die Macht. Mein Freund ist vor meinen Augen getötet worden.

LA: Wann haben Sie denn Ihr Dorf verlassen?

VP: Im Jahr 2015.

LA: Und wo sind Sie dann hin?

VP: Wir sind nach Jordanien ausgereist. Wir haben dort ein Haus gemietet.

LA: Wollen Sie noch weitere Gründe geltend machen?

VP: Nur die Gründe, die ich jetzt genannt habe.“

Die weitere Befragung handelt vom Leben in Syrien und in Jordanien, im Falle der Rückkehr habe der Beschwerdeführer Angst um seine Kinder. Eine auf ihn bezogene Rückkehrbefürchtung wurde nicht formuliert. Er wisse nicht, was im Falle der Rückkehr passieren würde, es gebe keine Möglichkeit, in Syrien zu leben.

Erst in der Beschwerde vom 18.01.2022 (etwas mehr als ein Monat nach der behördlichen Einvernahme) – nunmehr war der Beschwerdeführer durch den im Spruch genannten Rechtsanwalt vertreten – hat der Beschwerdeführer angegeben, dass ihm Rekrutierung als Reservist zur syrischen Armee drohe, er sei auf die Reservistenliste gesetzt worden. Er sei nach seiner Ausreise vom Militärgericht in Damaskus in Abwesenheit zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er sich dem Reservedienst entzogen habe. Der Beschwerdeführer legte erst mit der Beschwerde die Kopie eines als „Datenerhebung“ bezeichneten Dokuments, nach dem Vorbringen, der Rekrutierungsstelle Al-Kiswa vor, ohne darzutun, wie und vor allem wann er zu diesem Dokument gekommen sei. Die Rückkehr nach Syrien sei mit einer Kontrolle etwa im Hinblick auf begangene strafrechtliche Delikte oder eine oppositionelle Gesinnung verbunden. Auch sei die Asylantragstellung ein Grund, als Oppositioneller angesehen zu werden. Der Beschwerdeführer sei wegen seiner Reservedienstverweigerung, seiner Verurteilung und weil er im westlichen Ausland gelebt habe, eine Person, die vom Regime als oppositionell eingestuft werde.

1.4. Der Beschwerdeführer stammt aus Damaskus, Dorf XXXX ; das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers ist in der Hand des syrischen Regimes.

Das Bundesamt hat hinsichtlich Syriens unter anderem festgestellt (ohne Quellen):

„Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst (Letzte Änderung: 30.09.2021)

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend. Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten. Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee. Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert. Die syrische Regierung arbeitet daran, Milizen zu demobilisieren oder sie in ihre regulären Streitkräfte zu integrieren, während sie gleichzeitig aktive militärische Operationen durchführt.

Wehrpflicht

Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet.

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen.

Vor 2011 lag die Dauer der Wehrpflicht zwischen eineinhalb und zweieinhalb Jahren. Seit 2011 leisten die meisten Reservisten und Militärangehörigen ihren Dienst auf unbestimmte Zeit, nachdem die syrische Regierung die Abrüstung von Rekruten einstellte. Nachdem die Regierung große Teile des Gebiets von bewaffneten Oppositionellen zurückerobert hatte, wurde mit der Entlassung der ältesten Rekrutenklassen begonnen, welche seit 2011 im Dienst waren. Zahlreiche Männer leisten ihren Wehrdienst jedoch weiterhin über den verpflichtenden Zeitraum hinaus ab

Reservedienst

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise angehoben und auch Männer bis zu einem Alter von 55 oder sogar 62 Jahren, abhängig vom Rang, eingezogen, bzw. konnten Männer nach Erreichen des XXXX Lebensjahres die Armee nicht verlassen. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht.

Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Gemäß anderen Quellen soll es jedoch zu Einberufungen von über-42-jährigen Rückkehrern aus dem Libanon und Jordanien als Reservisten gekommen sein, wobei es sich nicht um Zwangsrekrutierungen handelte.

Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Die syrische Regierung hat das syrische Militärdienstgesetz während des Konflikts mehrfach geändert, um die Zahl der Rekruten zu erhöhen. Glaubhaften Berichten zufolge gibt es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet. Der Personalbedarf des syrischen Militärs bleibt unverändert hoch, und seit Dezember 2018 haben sich die Rekrutierungsbemühungen aufgrund dessen sogar noch verstärkt. Während ein Abkommen zwischen den überwiegend kurdischen Syrian Democratic Forces (SDF) und der syrischen Regierung vom November 2019 die Stationierung von Truppen der syrischen Streitkräfte in vormals kurdisch kontrollierten Gebieten vorsieht, hat die syrische Regierung aufgrund von mangelnder Verwaltungskompetenz bislang keinen verpflichtenden Wehrdienst in diesen Gebieten wiedereingeführt [Anm.: zum Wehrdienst bei Einheiten der SDF siehe Kapitel Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen - „Nordost-Syrien“.]

Rekrutierung und Verfolgung

Die Regierung hat in vormals unter der Kontrolle der Oppositionskräfte stehenden Gebieten, wie zum Beispiel Ost-Ghouta, Zweigstellen zur Rekrutierung geschaffen. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in diesen Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. In vormaligen Oppositionsgebieten werden Listen mit Namen von Personen, welche zur Rekrutierung gesucht werden, an lokale Behörden und Sicherheitskräfte an Checkpoints verteilt.

Unbestätigten Berichten zufolge wird der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit informiert, wenn die Gründe für einen Aufschub nicht mehr gegeben sind, und diese werden auch digital überprüft. Früher mussten die Studenten den Status ihres Studiums selbst an das Militär melden, doch jetzt wird der Status der Studenten aktiv überwacht. Generell werden die Universitäten nun strenger überwacht und sind verpflichtet, das Militär über die An- oder Abwesenheit von Studenten zu informieren. Berichten zufolge wurden Studenten trotz einer Ausnahmegenehmigung gelegentlich an Kontrollpunkten rekrutiert.

Ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. In Homs führt die Militärpolizei beispielsweise stichprobenartig unvorhersehbare Straßenkontrollen durch. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden. Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden. Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z.B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden, berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden. Weiters rekrutieren die syrischen Streitkräfte in Lagern für Binnenvertriebene.

Mitte Oktober 2018 berichteten regierungsnahe Medien, dass etwa 800.000 Männer nicht mehr für den Reservedienst benötigt werden. Eine Reihe Syrer kehrten daraufhin nach Syrien zurück, wobei manche über Beziehungen in der Heimat ihren Wehrdienststatus überprüfen ließen und sich versicherten, dass sie tatsächlich nicht mehr gesucht werden. Zumindest manche der Rückkehrer wurden wenige Wochen später eingezogen, nachdem das Verteidigungsministerium im Dezember 2018 neue Einberufungslisten für den Reservedienst veröffentlichte und so die vorherige Entscheidung aufhob. Die Gründe für diese Verkettung von Ereignissen ist jedoch laut International Crisis Group schwer zu ermitteln.“

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage, hinsichtlich der Feststellungen zu 1.1. ist auf die Angaben des Beschwerdeführers, den vorgelegten Ausweis sowie die eingeholte Strafregisterauskunft zu verweisen.

Die Feststellungen zu 1.2. ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Feststellungen zu 1.3. und 1.4. aus der klaren Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Gemäß § 3 AsylG 2005 ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Syrien.

2. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 76/1997, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).

In seinen Einvernahmen vor der Polizei und dem Bundesamt hat der Beschwerdeführer nur auf die allgemeine (Kriegs-)Situation verwiesen, er hat auf eine andere Verfolgung, etwa als Reservist oder als verurteilter Militärdienstverweigerer nicht einmal hingewiesen, obwohl in das Bundesamt mit einer offenen Frage („LA: Wollen Sie noch weitere Gründe geltend machen? VP: Nur die Gründe, die ich jetzt genannt habe.“) die Möglichkeit gegeben hat, weitere Fluchtgründe vorzubringen oder auch nur anzudeuten. Auch hat der Beschwerdeführer seine Rückkehrbefürchtungen vor allem hinsichtlich der Zukunft seiner Kinder dargestellt, eine auf ihn bezogene Rückkehrbefürchtung wurde nicht verbalisiert.

Aus dem Vorbringen vor dem Bundesamt und der festgestellten Situation in Syrien kann nicht erkannt werden, warum dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung droht; der Beschwerdeführer befindet sich am theoretischen Ende des Alters hinsichtlich der Dienstpflicht für Reservisten, er hat nicht vorgebracht, dass er zum Reservedienst einberufen wurde oder eine solche Einberufung fürchtet und auch ansonsten eine Verfolgung nicht im Ansatz geschildert.

Daher kann der Behörde im Hinblick auf das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens nicht entgegengetreten werden, wenn sie ausführt, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung vorgebracht hat und deshalb den gegenständlichen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abweist.

4. Gemäß § 20 Abs. 1 BFA-VG dürfen in einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesamtes neue Tatsachen und Beweismittel nur vorgebracht werden, (1.) wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach der Entscheidung des Bundesamtes maßgeblich geändert hat, (2.) wenn das Verfahren vor dem Bundesamt mangelhaft war, (3.) wenn diese dem Fremden bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes nicht zugänglich waren oder (4.) wenn der Fremde nicht in der Lage war, diese vorzubringen.

Der Beschwerdeführer hat in der von einem Rechtsanwalt verfassten Beschwerde, die etwa ein Monat nach der Einvernahme beim Bundesamt bei der Behörde eingebracht wurde, erstmals vorgebracht, dass ihm Rekrutierung als Reservist zur syrischen Armee drohe und er auf die Reservistenliste gesetzt worden sei. Er sei auch nach seiner Ausreise vom Militärgericht in Damaskus in Abwesenheit zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er sich dem Reservedienst entzogen habe. Wie und wann der Beschwerdeführer von dieser Verfolgungsgefahr erfahren habe, wird in der (von einem Rechtsanwalt verfassten) Beschwerde nicht dargetan.

Der Beschwerdeführer legte auch erst mit der Beschwerde die Kopie eines Dokuments, nach dem Vorbringen, der Rekrutierungsstelle Al-Kiswa, vor, ohne darzutun, wie und vor allem wann er zu diesem Dokument gekommen sei und warum er kein Original vorlegen könne.

Hinsichtlich dieser beiden Vorbringensteile ist der Beschwerdeführer auf das Neuerungsverbot des § 20 BFA-VG zu verweisen; er hat nicht einmal angedeutet, dass sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach der Entscheidung des Bundesamtes maßgeblich geändert hat, aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist dem Bundesamt auch ein Ermittlungsmangel nichts vorzuwerfen, da das Bundesamt durch seine offene Fragestellung versucht hat, weitere Fluchtgründe hervorzubringen, in der entsprechenden Antwort solche aber nicht angedeutet wurden und auch die Frage nach der Rückkehrbefürchtung keine Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer Fluchtgründe hervorgebracht hat. Dass dem Beschwerdeführer bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes diese neuen Vorbringensteile oder Beweise nicht zugänglich waren oder dieser nicht in der Lage war, diese vorzubringen, hat der Beschwerdeführer in der (von einem Rechtsanwalt verfassten) Beschwerde nicht dargetan.

Daher verstößt das neue Vorbringen in der Beschwerde, ebenso wie die Schlussfolgerung, dass wegen der mit einer Kontrolle etwa im Hinblick auf begangene strafrechtliche Delikte oder eine oppositionelle Gesinnung verbunden Rückkehr nach Syrien, bei der auch die die Asylantragstellung ein Grund sei, als Oppositioneller angesehen zu werden, der Beschwerdeführer wegen seiner Reservedienstverweigerung, seiner Verurteilung und weil er im westlichen Ausland gelebt habe, eine Person sei, die vom Regime als oppositionell eingestuft werde, gegen das Neuerungsverbot, hinsichtlich der Asylantragstellung auch, weil in der (von einem Rechtsanwalt verfassten) Beschwerde nicht im Ansatz dargestellt wurde, wie die syrischen Sicherheitsbehörden von dieser im Lichte des § 33 Abs. 4 BFA-VG erfahren sollten.

Daher sind das neue Tatsachen- und Beweismittelvorbringen in der Beschwerde unzulässig und in der Entscheidung nicht zu beachten.

5. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG – der diesbezüglich § 24 Abs. 4 VwGVG vorgeht – kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig und in ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren erhoben wurde, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes immer noch aktuell und vollständig ist und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilt. Mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber im Zuge der Schaffung des § 21 Abs. 7 BFA-VG vom bisherigen Verständnis gleichlautender Vorläuferbestimmungen ausgegangen ist, sich aber die Rechtsprechung auch bereits damit auseinandergesetzt hat, dass sich jener Rechtsrahmen, in dessen Kontext die hier fragliche Vorschrift eingebettet ist, gegenüber jenem, als sie ursprünglich geschaffen wurde, in maßgeblicher Weise verändert hat, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (zu alledem: VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017).

Das ist hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhalts hier der Fall, da wie oben dargestellt, das Ermittlungsverfahren des Bundesamtes ordnungsgemäß geführt wurde, die Entscheidung nunmehr nach etwas mehr als einem Monat immer noch hinreichend aktuell ist und dem Ermittlungsverfahren in der Beschwerde – bei Außerachtlassung des unzulässigen Vorbringens – nicht substantiiert entgegengetreten wurde. Das Bundesamt hat die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und teilt das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung.

Daher konnte trotz eines entsprechenden Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Durchführung einer solchen entschieden werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2021, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2021 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die für die Lösung des Falles relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter A) dargestellt und ist dieser gefolgt; es ist daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen.

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