AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W129.2237447.1.00
Spruch:
W129 2237447-1 /11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch die BBU – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 06.11.2020, Zahl: 1261412607-200203281, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF), ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 20.02.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am folgenden Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Wesentlichen an, dass er am XXXX von der syrischen Armee angehalten und danach verhört und geschlagen worden sei. Nach seiner Freilassung habe er gewusst, dass er rekrutiert und in den Krieg geschickt werden würde. Da er das nicht gewollt habe, habe er seine Heimat verlassen. Bei einer Rückkehr in seine Heimat würde er wegen seiner Flucht vor ein Kriegsgericht gestellt und danach zum Kriegsdienst gezwungen werden.
2. Am 22.10.2020 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt), bei der er zu seinen Fluchtgründen zusammenfassend vorbrachte, dass er einerseits wegen der Einberufung geflohen sei, andererseits würde allen Bewohnern des Dorfes XXXX die Todesstrafe drohen. Das Dorf sei auch dem Erdboden gleichgemacht worden. Schließlich verwies er auf die schlechte Sicherheitslage. Es würde auch Bombardierungen geben und er hätte zwei kleine Kinder. Er habe von namentlich genannten Verwandten bzw. Bekannten in den entsprechenden Stellen erfahren, dass er einberufen wird. Er sei im Jahr 2016 oder 2017 telefonisch darüber informiert worden und habe bezüglich der Einberufung immer wieder Informationen erhalten. Als die Regierung das Heimatdorf eingenommen habe, sei er mit seiner Familie in ein namentlich bekanntes Dorf in der Umgebung von Aleppo gezogen. Er habe seine Heimat verlassen, weil er gesucht wird. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst vor der Todesstrafe.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkte II. und III.).
4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF am 26.11.2020 Beschwerde. Die Beschwerde wurde, samt bezugshabenden Verwaltungsakt, dem Bundesverwaltungsgericht (in Folge: BVwG) am 03.12.2020 vorgelegt.
5. Am 18.10.2021 führte das BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, bei der der BF im Beisein seines rechtsfreundlichen Vertreters und unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers für Arabisch ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der BF führt den im Spruch genannten Namen und ist an dem oben genannten Datum geboren. Seine Identität steht fest. Er ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Arabisch.
Der BF ist in XXXX , Provinz Hama geboren und hatte im Wesentlichen dort seinen Lebensmittelpunkt. Während seines Landwirtschaftsstudiums hielt er sich von 2006 bis 2008 in Homs, Provinz Homs und in den Monaten vor seiner Ausreise in XXXX , Provinz Aleppo auf. Er besuchte sechs Jahre die Grund-, vier Jahre die Mittelschule und danach drei Jahre das landwirtschaftliche Gymnasium. Anschließend studierte er zwei Jahre an der landwirtschaftlichen und drei Jahre an der Verwaltungsakademie. Er war bis zu seiner Ausreise in der eigenen Landwirtschaft tätig und bestritt so seinen Lebensunterhalt.
Der BF ist verheiratet und hat zwei Kinder, die mit seiner Frau, seinen Eltern, seinen vier Brüdern und sechs Schwestern nach wie vor in Syrien leben. Er hat im Bundesgebiet einen Onkel väterlicherseits und mehrere Cousins väter- und mütterlicherseits. Der BF verfügt über einen syrischen Personalausweis (ID-Card), ausgestellt am XXXX , Nr. XXXX .
Der BF verließ seine Heimat am XXXX illegal in Richtung Türkei. Nach 25 Tagen reiste er mit dem Schlauchboot nach Griechenland (Insel Kos, Athen) weiter, von wo aus er nach zweieinhalb Monaten in einem Camp über Albanien, den Kosovo, Serbien und Ungarn schließlich am 20.02.2020 illegal ins Bundesgebiet einreiste. Am 20.02.2020 stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 06.11.2020 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die Stellung des Antrags auf internationalen Schutz durch den BF in Österreich ist dem syrischen Regime bzw. den syrischen Behörden nicht bekannt geworden.
1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF hat das Land hauptsächlich wegen des herrschenden Krieges verlassen.
Der BF hat seinen verpflichtenden syrischen Wehrdienst von XXXX bis XXXX ohne besonderem Rang (vgl. Verhandlung vom 18.10.2021: „Ich habe diesen Rang nur erhalten, weil ich ein Maturazeugnis habe. […] Ich musste dann keinerlei Prüfung ablegen, sondern erhielt nach diesen sechs Monaten automatisch den Rang Leutnant.“) und in untergeordneter Rolle bei der Luftabwehr abgeleistet und ist seiner staatsbürgerlichen Pflicht damit nachgekommen. Er ist mittlerweile XXXX Jahre alt. Im konkreten Fall konnte weder das Vorliegen eines Einberufungsbefehls (vgl. Verhandlung vom 18.10.2021: „Dass ich keinen schriftlichen Einberufungsbefehl habe, heißt jedoch nicht, dass ich nicht eingezogen werde.“) noch die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Gefahr, als Reservist zur syrischen Armee eingezogen zu werden, festgestellt werden. Folglich wird auch eine Gefahr, durch das syrische Regime wegen einer Wehr- oder Reservedienstverweigerung als oppositionell eingestuft zu werden, nicht festgestellt. Ebenso wird eine Gefährdung, im Fall einer Rückkehr nach Syrien durch andere Gruppierungen zwangsrekrutiert zu werden, nicht festgestellt.
Ferner gibt es keinen Hinweis darauf, dass der BF jemals an (exil)politischen gegen das syrische Regime gerichteten Aktivitäten, wie z.B. Demonstrationen innerhalb oder außerhalb seines Landes teilgenommen hat oder auch nur eine derartige regimekritische Gesinnung hat bzw. öffentlich kundtun würde, sodass ihm bei einer Rückkehr auch deswegen keine Verfolgung durch das Regime oder durch sonstige Gruppen droht.
Das Herkunftsgebiet des BF ist aktuell in der Hand des syrischen Regimes bzw. regimetreuer Gruppierungen (vgl. https://syria.liveuamap.com/ ), dem BF droht weder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Zwangsrekrutierung durch oppositionelle Gruppierungen, noch eine Verfolgung durch das Regime, die syrische Armee oder andere Organe des Regimes.
Schließlich kann nicht festgestellt werden, dass der BF einer konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Syrien aus anderen in der Genfer Flüchtlingskonvention enthaltenen Gründen ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.
In diesem Zusammenhang ist letzten Endes darauf hinzuweisen, dass es sich vor dem Hintergrund der Zuerkennung des subsidiären Schutzes an den BF dabei ohnehin lediglich um eine hypothetische Beurteilung der Rückkehrsituation handelt.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsland:
Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst
Letzte Änderung: 30.09.2021
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend (ÖB 29.9.2020). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 17.8.2021; vgl. FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Die syrische Regierung arbeitet daran, Milizen zu demobilisieren oder sie in ihre regulären Streitkräfte zu integrieren, während sie gleichzeitig aktive militärische Operationen durchführt (CIA 17.8.2021).
Wehrpflicht
Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020).
Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (STDOK 8.2017).
Vor 2011 lag die Dauer der Wehrpflicht zwischen eineinhalb und zweieinhalb Jahren. Seit 2011 leisten die meisten Reservisten und Militärangehörigen ihren Dienst auf unbestimmte Zeit (NMFA 6.2021), nachdem die syrische Regierung die Abrüstung von Rekruten einstellte (DIS 5.2020; vgl. ÖB 7.2019). Nachdem die Regierung große Teile des Gebiets von bewaffneten Oppositionellen zurückerobert hatte, wurde mit der Entlassung der ältesten Rekrutenklassen begonnen, welche seit 2011 im Dienst waren. Zahlreiche Männer leisten ihren Wehrdienst jedoch weiterhin über den verpflichtenden Zeitraum hinaus ab (DIS 5.2020, vgl. NMFA 6.2021)
Reservedienst
Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden (TIMEP 22.8.2019; vgl. STDOK 8.2017). Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise angehoben und auch Männer bis zu einem Alter von 55 oder sogar 62 Jahren, abhängig vom Rang, eingezogen, bzw. konnten Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen (ÖB 29.9.2020; vgl. FIS 14.12.2018, vgl. NMFA 5.2020). Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Gemäß anderen Quellen soll es jedoch zu Einberufungen von über-42-jährigen Rückkehrern aus dem Libanon und Jordanien als Reservisten gekommen sein, wobei es sich nicht um Zwangsrekrutierungen handelte (DIS 5.2020).
Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018). Die syrische Regierung hat das syrische Militärdienstgesetz während des Konflikts mehrfach geändert, um die Zahl der Rekruten zu erhöhen (DIS 10.2019). Glaubhaften Berichten zufolge gibt es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet. Der Personalbedarf des syrischen Militärs bleibt unverändert hoch, und seit Dezember 2018 haben sich die Rekrutierungsbemühungen aufgrund dessen sogar noch verstärkt (AA 4.12.2020). Während ein Abkommen zwischen den überwiegend kurdischen Syrian Democratic Forces (SDF) und der syrischen Regierung vom November 2019 die Stationierung von Truppen der syrischen Streitkräfte in vormals kurdisch kontrollierten Gebieten vorsieht, hat die syrische Regierung aufgrund von mangelnder Verwaltungskompetenz bislang keinen verpflichtenden Wehrdienst in diesen Gebieten wiedereingeführt (DIS 5.2020) [Anm.: zum Wehrdienst bei Einheiten der SDF siehe Kapitel Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen - „Nordost-Syrien“.]
Rekrutierung und Verfolgung
Die Regierung hat in vormals unter der Kontrolle der Oppositionskräfte stehenden Gebieten, wie zum Beispiel Ost-Ghouta, Zweigstellen zur Rekrutierung geschaffen. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in diesen Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. In vormaligen Oppositionsgebieten werden Listen mit Namen von Personen, welche zur Rekrutierung gesucht werden, an lokale Behörden und Sicherheitskräfte an Checkpoints verteilt (DIS 5.2020).
Unbestätigten Berichten zufolge wird der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit informiert, wenn die Gründe für einen Aufschub nicht mehr gegeben sind, und diese werden auch digital überprüft. Früher mussten die Studenten den Status ihres Studiums selbst an das Militär melden, doch jetzt wird der Status der Studenten aktiv überwacht. Generell werden die Universitäten nun strenger überwacht und sind verpflichtet, das Militär über die An- oder Abwesenheit von Studenten zu informieren (STDOK 8.2017). Berichten zufolge wurden Studenten trotz einer Ausnahmegenehmigung gelegentlich an Kontrollpunkten rekrutiert (FIS 14.12.2018).
Ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet (FIS 14.12.2018). In Homs führt die Militärpolizei beispielsweise stichprobenartig unvorhersehbare Straßenkontrollen durch. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden (EB 3.6.2020). Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden (DIS 5.2020). Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z.B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden (DIS 5.2020; vgl. EB 3.6.2020), berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden. Weiters rekrutieren die syrischen Streitkräfte in Lagern für Binnenvertriebene (DIS 5.2020).
Mitte Oktober 2018 berichteten regierungsnahe Medien, dass etwa 800.000 Männer nicht mehr für den Reservedienst benötigt werden. Eine Reihe Syrer kehrten daraufhin nach Syrien zurück, wobei manche über Beziehungen in der Heimat ihren Wehrdienststatus überprüfen ließen und sich versicherten, dass sie tatsächlich nicht mehr gesucht werden. Zumindest manche der Rückkehrer wurden wenige Wochen später eingezogen, nachdem das Verteidigungsministerium im Dezember 2018 neue Einberufungslisten für den Reservedienst veröffentlichte und so die vorherige Entscheidung aufhob. Die Gründe für diese Verkettung von Ereignissen ist jedoch laut International Crisis Group schwer zu ermitteln (ICG 13.2.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt ,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-berichtueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf , Zugriff 18.8.2020
• CIA - Central Intelligence Agency [USA] (17.8.2021): The World Factbook: Syria - Military and Security, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/syria/#military-and-security , Zugriff 23.8.2021
• DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (5.2020): Syria - Military Service, Report based on a fact-finding mission to Istanbul and Beirut (17-25 February 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2031493/Report_Syria_Military_Service_may_2020.pdf , Zugriff 22.7.2020
• DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (10.2019): Syria - Issues Regarding Military Service, COI report based on written sources, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018870/COI_syria_report_military_service_oct_2019.pdf , Zugriff 24.8.2020
• EB - Enab Baladi (3.6.2020): Fear of forced military conscription looms over northern rural Homs again, https://english.enabbaladi.net/archives/2020/03/fear-of-forced-military-conscription-looms-over-northern-rural-homs-again/ , Zugriff 24.8.2020
• FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf , Zugriff 22.7.2020
• ICG - International Crisis Group (13.2.2020): Easing Syrian Refugees‘ Plight in Lebanon, https://d2071andvip0wj.cloudfront.net/211-easing-syrian-refugees-plight-in-lebanon.pdf , Zugriff 24.8.2020
• NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (6.2021): Country of origin information report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038451/2020_05_MinBZ_NLMFA_COI_Report_Syria_Algemeen_ambtsbericht_Syrie.pdf , Zugriff 30.8.2021
• NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (5.2020): Country of origin information report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038451/2020_05_MinBZ_NLMFA_COI_Report_Syria_Algemeen_ambtsbericht_Syrie.pdf , Zugriff 17.8.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien 2020,https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf , Zugriff 12.10.2020
• ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Report_2019_07.pdf , Zugriff 17.8.2020
• PAR - Webseite des Parlaments [Syrien] (12.5.2007): نوناق 2007 ماعل 30 يعيرشتلاموسرملاملعلاةمدخ] Legislativdekret Nr. 30 von 2007 Militärdienstgesetz], http://parliament.gov.sy/arabic/index.php?node=201&nid=4921& , Zugriff 24.8.2020
• STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien- mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf , Zugriff 24.7.2020
• TIMEP - The Tahrir Institute for Middle East Policy (22.8.2019): TIMEP Brief: Conscription Law, https://timep.org/reports-briefings/timep-brief-conscription-law/ , Zugriff 24.8.2020
• TIMEP - The Tahrir Institute for Middle East Policy (6.12.2018): TIMEP Brief: Legislative Decree No. 18: Military Service Amnesty, https://timep.org/wp-content/uploads/2018/12/LegislativeDecree 18SyriaLawBrief2018-FINAL12-6-18a.pdf, Zugriff 24.8.2020
Wehrdienstverweigerung / Desertion
Letzte Änderung: 28.09.2021
Als der syrische Bürgerkrieg 2011 begann, hatte die syrische Regierung Probleme Truppen bereitzustellen, um bewaffneten Rebellengruppen entgegentreten zu können. Die Zahl der Männer, die den Wehr- oder Reservedienst verweigerten, nahm deutlich zu. Eine große Zahl von Männern im wehrfähigen Alter floh entweder aus dem Land, schloss sich der bewaffneten Opposition an, oder tauchte unter (DIS 5.2020). Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt und relativ wenige werden derzeit deswegen verhaftet (Landinfo 3.1.2018).
Im Dezember 2019 trat eine Bestimmung in Kraft, wonach wehrfähige Männer, welche den Wehrdienst bis zu einem Alter von 42 Jahren nicht abgeleistet haben, eine Befreiungsgebühr von 8.000 USD bezahlen müssen, um einer Beschlagnahmung ihres Vermögens, bzw. des Vermögens ihrer Ehefrauen oder Kinder zu entgehen (DIS 5.2020).
Gesetzliche Lage
Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft [Anm.: die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort]. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 4.12.2020). Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte „externe Desertion“), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes kann mit lebenslanger Haftstrafe bestraft werden und in schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (STDOK 8.2017).
Konkrete Strafen
Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Eine Quelle berichtet, dass Deserteure zwar in früheren Phasen des Krieges exekutiert wurden, jedoch habe die syrische Regierung ihre Vorgehensweise in den vergangenen Jahren geändert und aufgrund des vorherrschenden Bedarfs an der Front festgenommene Deserteure zum Teil zu kurzen Haftstrafen verurteilt (DIS 5.2020). Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen (Landinfo 3.1.2018), sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden (DIS 5.2020; vgl. Landinfo 3.1.2018). Quellen berichten jedoch auch, dass gefasste Wehrdienstverweigerer riskieren, von den syrischen Behörden vor der Einberufung inhaftiert zu werden (DIS 5.2020). Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018; vgl. DIS 5.2020). Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen (STDOK 8.2017). Neben anderen Personengruppen sind regelmäßig auch Deserteure (DIS 5.2020) und Wehrdienstverweigerer Ziel des umfassenden Anti-Terror-Gesetzes (Dekret Nr. 19/2012) der syrischen Regierung (AA 4.12.2020; vgl. DIS 5.2020).
Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von „high profile“-Deserteuren der Fall sein, also z.B. solche Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018; vgl. DIS 5.2020). Weitere Einflussfaktoren sind der Rang des Deserteurs, Wohnort der Familie, der für dieses Gebiet zuständige Geheimdienst und zuständige Offizier sowie die Religionszugehörigkeit der Familie (DIS 5.2020).
In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen (STDOK 8.2017; vgl. DIS 5.2020). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 4.12.2020; vgl. FIS 14.12.2018, DIS 5.2020). Auch in den „versöhnten Gebieten“ sind Männer im entsprechenden Alter mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht den Regierungseinheiten beitreten (FIS 14.12.2018). In ehemals von der Opposition kontrollierten Gebieten landeten zudem einer Quelle zufolge viele Deserteure und Überläufer, denen durch die Versöhnungsabkommen Amnestie gewährt werden sollte, in Haftanstalten oder sie starben in der Haft (DIS 5.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt ,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=224799 18&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021
• DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (5.2020): Syria – Military Service, Report based ona fact-finding mission to Istanbul and Beirut (17-25 February 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2031493/Report_Syria_Military_Service_may_2020.pdf , Zugriff 22.7.2020
• FIS – Finnish Immigration Service [Finnland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf , Zugriff 22.7.2020
• Landinfo [Norwegen] (3.1.2018): Syria: Reactions against deserters and draft evaders, https://www.ecoi.net/en/file/local/1441219/1226_1534943446_landinfo-report-syria-reactions-against-deserters-and-draft-evaders.pdf , Zugriff 7.9.2020
• STDOK – Staatendokumentation des BFA[Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien – mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf , Zugriff 24.7.2020
Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ)
Letzte Änderung: 28.06.2021
Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) sind die bewaffneten Einheiten der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) (TNA 17.6.2020; vgl. DZO 13.1.2019). Seit 2014 gibt es in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst für Männer von 18 bis 30 Jahren (MOFANL 7.2019; vgl. EB 7.12.2019). Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung ähneln denen im von der Regierung kontrollierten Teil und umfassen Haftstrafen sowie eine Verlängerung des Wehrdienstes. Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Kontrollposten und auch zu Ausforschungen. Die Autonomiebehörden dürften laut der Österreichischen Botschaft Damaskus eine Verweigerung aber nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen (ÖB 29.9.2020). Laut UNHCR kann die Weigerung, den YPG beizutreten, Berichten zufolge schwerwiegende Konsequenzen haben, einschließlich Entführung, Inhaftierung und Misshandlung der inhaftierten Personen sowie Zwangsrekrutierung, da die Verweigerung des Kampfes als Ausdruck der Unterstützung des sogenannten Islamischen Staates oder als Opposition zu PYD/YPG interpretiert werden kann (UNHCR 3.11.2017).
Mehrfach ist es zu Fällen gekommen, in denen Männer von der YPG rekrutiert werden, die älter als 30 Jahre waren. Dabei handelte es sich um Personen, die PYD-kritisch politisch aktiv waren, und die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Rekrutierung abgestraft werden sollten (Savelsberg 3.11.2017).
Frauen können freiwilligen Militärdienst in den kurdischen Einheiten [YPJ - Frauenverteidigungseinheiten] leisten (AA 4.12.2020), wobei es gleichzeitig Berichte von Zwangsrekrutierungen von Frauen (AA 4.12.2020; vgl. SNHR 26.1.2021) und minderjährigen Mädchen gibt (Savelsberg 3.11.2017; vgl. HRW 11.10.2019, UNGASC 20.6.2019). Darüber hinaus sind Fälle bekannt, in denen kurdische Frauen, die der YPG zunächst freiwillig beitraten, daran gehindert wurden, diese wieder zu verlassen (IWPR 29.3.2018; vgl. Savelsberg 3.11.2017).
Die Wehrpflicht hat seit Anfang des Jahres 2021 in verschiedenen Teilen Nordostsyriens, insbesondere in den östlichen ländlichen Gouvernements Deir ez-Zour und Raqqa, Proteste ausgelöst. Lehrer haben sich besonders gegen die Einberufungskampagnen der Syrian Democratic Forces (SDF) gewehrt, was zur Verhaftung und Entlassung einer großen Anzahl von Pädagogen durch die Sicherheitskräfte der SDF geführt hat. Der Militärdienst ist jedoch nur einer von vielen Missständen. Die unzureichende Bereitstellung von Dienstleistungen und die Korruption oder Unfähigkeit der autonomen Verwaltungseinheiten haben ebenfalls zu lokaler Unzufriedenheit geführt (COAR 7.6.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt ,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021
COAR – Center for Operational Analysis and Research (7.6.2021): Deadly SDF Crackdown as Conscription Sparks Menbij Unrest, https://coar-global.org/2021/06/07/deadly-sdf-crackdown-as-conscription-sparks-menbij-unrest/ , Zugriff 14.6.2021
DZO – Die Zeit Online (13.1.2019): Assad ist der lachende Dritte, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-01/ypg-syrien-russland-baschar-al-assad/komplettansicht , Zugriff 7.9.2020
EB – Enab Baladi (7.12.2019): Compulsory military recruitment in Jazira Region: SDF imposing their authority, https://english.enabbaladi.net/archives/2019/07/compulsory-military-recruitment-in-jazira-region-sdf-imposing-their-authority/# , Zugriff 7.9.2020
HRW – Human Rights Watch (11.10.2019): Turkey/Syria: Civilians at Risk in Syria Operation, https://www.hrw.org/news/2019/10/11/turkey/syria-civilians-risk-syria-operation , Zugriff 7.9.2020
IWPR – Institute for War and Peace Reporting (29.3.2018): Underage Girls Recruited to Kurdish Forces, https://iwpr.net/global-voices/underage-girls-recruited-kurdish-forces , Zugriff 7.9.2020
MOFANL - Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands – Department for Country of Origin Information Reports [Niederlande] (7.2019): Country of Origin Information Report Syria – The security situation, per E-Mail am 27.8.2019
ÖB – Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf , Zugriff 12.10.2020
Savelsberg, Eva [Vorsitzende des Europäischen Zentrum für Kurdische Studien] (3.11.2017): Informationen per E-Mail
SNHR – Syrian Network for Human Rights (26.1.2021): The Bleeding Decade - Tenth Annual Report: The Most Notable Human Rights Violations in Syria in 2020, https://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/Tenth_Annual_Report_The_Most_Notable_Human_Rights_Violations_in_Syria_in_2020_en.pdf , Zugriff 3.2.2021
TNA – The New Arab (17.6.2020): Turkey sends reinforcements into northern Syria, anticipating reprisal attacks from Kurdish militias, https://english.alaraby.co.uk/english/news/2020/6/17/turkey-bolsters-reinforcements-in-northern-syria , Zugriff 11.8.2020
UNGASC – United Nations General Assembly (20.6.2019): Report of the Secretary-General [A/73/907–S/2019/509], https://www.ecoi.net/en/file/local/2013574/A_73_907_E.pdf , Zugriff 7.9.2020
UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (3.11.2017): International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic; Update V, https://english.alaraby.co.uk/english/news/2020/6/17/turkey-bolsters-reinforcements-in-northern-syria , Zugriff 9.10.2020
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, den Gerichtsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, und das Grundversorgungs-Informationssystem.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum) des BF ergeben sich aus dem vorgelegten syrischen Personalausweis (ID-Card) Nr. XXXX , ausgestellt am 25.10.2003. Die Identität wurde bereits vom Bundesamt festgestellt.
Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, sowie zur Muttersprache des BF gründen auf den diesbezüglich glaubhaften und stets gleichbleibenden Angaben des BF. Auch seinen Lebenslauf (Aufenthaltsorte, Schuldbildung und Berufserfahrungen) und den Verbleib seiner Angehörigen konnte der BF im Verfahren glaubwürdig und widerspruchsfrei schildern, und sieht das Gericht keinen Anlass die Angaben des BF hierzu in Zweifel zu ziehen.
Der Zeitpunkt der Antragstellung und dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, ergibt sich aus der Aktenlage. Die Antragstellung ist den syrischen Behörden nicht bekannt geworden, da es den österreichischen Behörden verboten ist, solche Informationen mit ausländischen Behörden zu teilen und kein Anzeichen für einen Bruch dieser Norm zu sehen ist, sowie der BF nicht vorgebracht hat, dass er dieses Faktum den syrischen Behörden mitgeteilt hat.
2.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF hat glaubhaft vorgebracht, dass er seinen Wehrdienst bei der syrischen Armee ohne nennenswertem Dienstrang und in untergeordneter Rolle bei der Luftabwehr abgeleistet hat. Er hat damit keine militärische Spezialausbildung und auch keine Ausbildung erhalten, die ihn gerade in der aktuellen Situation eines schwer überschaubaren Bürgerkrieges für die syrischen Streitkräfte unentbehrlich machen würde. Er wurde vielmehr für die Verteidigung des Luftraums gegen das Eindringen feindlicher Flugzeuge und anderer Flugkörper und nicht für Aufgaben der Infanterie ausgebildet. Es ist daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr von den syrischen Militärbehörden oder von anderen, oppositionellen Gruppierungen als Frontsoldat an vorderster Kampflinie herangezogen werden könnte. Hierzu hat der BF nämlich keine nachvollziehbaren und glaubwürdigen Angaben machen können, welche eine Verfolgung seitens des syrischen Regimes wegen einer allfälligen Wehrdienstverweigerung tatsächlich nahelegen würden. Es besteht daher zwar die bloße Möglichkeit aber nicht die hinreichende Wahrscheinlichkeit bzw. das reale Risiko einer Einziehung des BF zum Reservemilitärdienst.
Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass Reservisten in Syrien laut den Länderberichten bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden können, wobei einzelne Berichte vorliegen, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat. Der BF befindet sich aktuell im XXXX Lebensjahrs, daher noch grundsätzlich im wehrfähigen Alter und ist Reservist.
Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Die Behörden ziehen [jedoch] vornehmlich Männer bis zum 27. Lebensjahr ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Gemäß anderen Quellen soll es jedoch zu Einberufungen von über-42-jährigen Rückkehrern aus dem Libanon und Jordanien als Reservisten gekommen sein, wobei es sich [jedoch] nicht um Zwangsrekrutierungen handelte (DIS 5.2020).
Aus der Funktion des BF beim Militärdienst oder seiner Berufstätigkeit kann nicht abgelesen werden, dass er früher bei seinem regulären Militärdienst eine besondere Fähigkeit erworben oder eine besondere Position eingenommen hat, noch lässt sich aus seiner Berufstätigkeit auf dem landwirtschaftlichen Sektor bzw. seiner (zivilen) Ausbildung ableiten, dass er heute über wesentliche Fähigkeiten verfügt, die ihn für die abermalige Musterung besonders attraktiv erscheinen lassen. Sein Wehrdienst liegt zeitlich bereits lange zurück. Vor dem Hintergrund der individuellen Eigenschaften des BF (Beruf, Rang und Funktion beim Militärdienst) sowie der Länderberichte, die eine entsprechend systematische und generelle Einberufung von Reservisten nicht dokumentieren bzw. von einem hohen Maß an Willkür dabei ausgehen, wird daher auch keine Feststellung zu einer entsprechend wahrscheinlich drohenden Einberufung als Reservist getroffen.
Insoweit er im Verfahren daher eine Einberufung als Reservist in den Raum gestellt bzw. davon gesprochen hat, dass ihm Verwandte und Bekannten in den entsprechenden Stellen von einer geplanten Einberufung seiner Person berichtet hätten, konnte er diesen Umstand letztlich nicht nachvollziehbar und glaubwürdig darlegen. Zum einen hat sich seine Befürchtung bis zu seiner Ausreise nicht realisiert, obwohl er sich danach noch (mehrere) Jahre an seiner Wohnadresse bzw. in seiner Heimat aufgehalten hat (vgl. Einvernahme vom 22.10.2020: „[…] Die Landwirtschaft ist im Dorf XXXX in der Provinz Hama. LA: Haben Sie dort bis zur Ausreise gearbeitet? VP: Ja, bis zur Ausreise. […] LA: Seit wann sind Ihre Eltern und Geschwister umgezogen. VP: Es war im Juli 2019.“), zum anderen konnte er nicht einmal ein ungefähres Datum für die angebliche Vorinformation über seine baldige Einziehung nennen (vgl. Verhandlung vom 18.10.2021: „R: Wann haben Sie denn diese inoffizielle Nachricht erhalten? BF: Das war 2013, ich weiß nicht, ob es Ende 2013 oder Anfang 2014 war. R: Vorhalt AS 185: Beim BFA war es noch 2016 oder 2017? BF: Ich kann mich an das Jahr nicht mehr erinnern.“) bzw. hat er vor Gericht plötzlich davon gesprochen, dass es sich beim angeblichen Informanten eigentlich um einen Bekannten seines Verwandten gehandelt hat (vgl. Einvernahme vom 22.10.2020: „Es sind Verwandte und Bekannte von mir.“). Jedenfalls wäre bei der Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls mit Sicherheit mit (weiteren) Maßnahmen seitens der syrischen Militärbehörden, insbesondere mit einer Kontaktaufnahme zu rechnen gewesen. Derartiges wurde vom BF jedoch nicht erwähnt. Unabhängig davon ist es nur schwer vorstellbar, dass seine drei jüngeren Brüder nicht mit ähnlichen Schwierigkeiten wie der BF konfrontiert sind und ohne erwähnenswerten Vorfällen weiterhin in der Heimat leben können (vgl. Einvernahme vom 22.10.2020: „Ich habe fast jeden Tag mit meiner Familie über Whats App kontakt. […] Es geht Ihnen gut.“). Auch auf Vorhalt konnte der BF diesen Umstand nicht näher erläutern (vgl. Einvernahme vom 22.10.2020: „Wie gesagt die Wehrpflicht gilt für die Regierungszone. Meine kleinen Brüder haben noch keine Familie. Wenn ich umkomme, dann ist die ganze Familie abhängig.“). Er konnte eine derartige Gefährdung daher nicht glaubhaft machen. Schließlich handelt es sich, wie bereits ausgeführt, vor dem Hintergrund der Zuerkennung des subsidiären Schutzes an den BF dabei ohnehin nur um eine hypothetische Beurteilung der Rückkehrsituation.
Was die Teilnahme an Demonstrationen betrifft, hat der BF im Verfahren bloß von Kundgebungen gegen die Al-Nusra-Front, entgegen den Ausführungen in der Beschwerde aber nie von regimekritischen Protestmärschen berichtet. Hinsichtlich der diesbezüglichen Festnahme hat er letztlich selbst zugestanden, dass er wieder freigelassen wurde, nachdem er schriftlich bestätigt hat, nicht mehr an derartigen Veranstaltungen teilzunehmen (vgl. Verhandlung vom 18.10.2021: „Man ließ mich erst frei, nachdem ich eine Verpflichtungserklärung unterschrieben habe, in der ich mich verpflichtete, an keinen solchen Aktivitäten mehr teilzunehmen.“). Also ist auch aus diesem Grund keine asylrelevante Bedrohung oder Verfolgung des BF ersichtlich bzw. zu befürchten.
Das Gericht verkennt nicht, dass die Schwelle, von Seiten des syrischen Regimes als oppositionell betrachtet zu werden, niedrig ist sowie, dass Personen aus unterschiedlichen Gründen und teilweise willkürlich als regierungsfeindlich angesehen werden. Es übersieht auch nicht, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt. In Bezug auf den BF ergaben sich jedoch im Verfahren keine Hinweise darauf, dass diese allgemeinen Berichte und die darauf fußenden Möglichkeiten einer asylrelevanten Behandlung im gegenständlichen Falle auf die konkrete Situation des BF anzunehmen sind.
Er hat im gesamten Verfahren auch keine Probleme oder Schwierigkeiten aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Konfession angegeben bzw. von politischen Aktivitäten gesprochen. Auch aus den sonstigen in der GFK enthaltenen Gründen konnte keine für den BF bestehende (bzw. künftig drohende) Verfolgung in der Heimat abgeleitet werden.
2.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsland:
Die zur Situation in Syrien getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, zu dem dem Beschwerdeführer und seiner Rechtsberatung im behördlichen Verfahren Parteiengehör gewährt wurde. Zu dem Bericht wurden auch in der Beschwerde keine substantiierten Zweifel vorgebracht. Das Bundesverwaltungsgericht hat von sich aus keinen Grund, an der Aktualität, Relevanz und Verlässlichkeit dieser Berichte zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 3 AsylG 2005 ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Gemäß § 2 Abs 1 Z 17 AsylG ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Der BF 1 ist syrischer Staatsangehöriger und die BF 2 hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien. Syrien ist daher zweifellos der Herkunftsstaat beider BF.
Es ist daher zu prüfen, ob dem BF in Syrien vor seiner Ausreise Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK gedroht hat oder im Falle einer Rückkehr drohen würde, wobei auf Grund der rechtskräftigen Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten davon auszugehen ist, dass dem BF mangels hinreichender Sachverhaltsänderung eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung steht (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).
Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum AsylG 1991, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).
Nicht glaubhaft gemacht worden ist das vorgebrachte Risiko aufgrund der unterstellten oppositionellen Gesinnung verfolgt zu werden.
Der BF brachte im Wesentlichen vor, dass er von der syrischen Armee rekrutiert und in den Krieg geschickt bzw. zum Kriegsdienst gezwungen werden würde. Er habe aber auch Angst vor der Todesstrafe in Syrien. Sein diesbezügliches Vorbringen war jedoch äußerst vage und unsubstantiiert.
Alleine die Behauptungen, er würde vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Kriegsdienst gezwungen werden, bzw. er habe von Verwandten und Bekannten in den entsprechenden Stellen gehört, dass er einberufen werden wird, lassen keinen Rückschluss auf eine für den BF tatsächlich bestehende Verfolgungsgefahr zu, zumal es sich zum einen lediglich um eine Vermutung des BF handelt, für die sich in den Länderberichten keine Grundlage findet, zum anderen handelt es sich bei dieser telefonischen Information um keine Einberufung, der der BF nicht nachgekommen ist, womit ihm letztlich auch keine Wehr- bzw. Reservedienstverweigerung angelastet werden kann. Außerdem hat er diese inoffizielle Nachricht bereits mindestens zwei bis drei Jahre vor seiner Ausreise erhalten, ohne dass es bis dahin tatsächlich zu einer Einberufung oder erwähnenswerten Vorfällen mit Angehörigen der syrischen Streitkräfte gekommen ist.
In Hinblick darauf, dass weder der Erhalt eines Einberufungsbefehls zum syrischen Militär noch eine sich aus einer allfälligen Reservistenliste ergebende Einberufung als Reservist festgestellt wurde, sowie aufgrund der Eigenschaften des BF (militärische Ausbildung und Berufstätigkeit) und der Kontrolllage in seiner Herkunftsregion (im Zeitpunkt seines Wegzugs) fehlt es gemäß den relevanten Länderberichten der Annahme einer Verfolgungsgefahr durch das syrische Regime wegen einer dem BF auch nur unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung aufgrund einer möglichen Verweigerung einer Einberufung als Reservist an der nötigen Wahrscheinlichkeit (vgl. Verhandlung vom 18.10.2021: „Seit 2013 befand ich mich immer in Gebieten, die von der Opposition kontrolliert worden sind, sodass ich seit 2013 niemals auch nur einen Check Point des syrischen Regimes gesehen habe.“).
Die gegenständliche Einschätzung soll keineswegs das Ausmaß an Willkür, Menschenrechtsverletzungen und die Gefahrenpotentiale, der bzw. denen vom syrischen Regime als oppositionell angesehene Personen ausgesetzt sein können, banalisieren. In Bezug auf das allgemeine Sicherheitsrisiko wurde dem BF auch zu Recht subsidiärer Schutz gewährt. Dennoch fehlt es in seinen persönlichen Umständen an Hinweisen auf eine individuelle, ihn persönlich betreffende maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr, weshalb der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides nicht stattgegeben werden kann.
Wie festgestellt und in der Beweiswürdigung ausgeführt droht dem BF im Falle der Rückkehr nach Syrien keine Verfolgung.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem erkennenden Gericht hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen Grundlage für die zu treffende Entscheidung war.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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