BVwG W279 2247929-2

BVwGW279 2247929-222.12.2021

BVergG 2018 §20
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §344 Abs1
BVergG 2018 §347 Abs1
BVergG 2018 §6
B-VG Art133 Abs4
GewO 1994 §94
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W279.2247929.2.00

 

Spruch:

 

 

W279 2247929-2/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter KOREN als Vorsitzender sowie Dr. Barbara SEELOS als fachkundige Laienrichterin der Auftraggeberseite und MMag. Dr. Günther FEUCHTINGER als fachkundiger Laienrichter der Auftragnehmerseite, im Nachprüfungsverfahren betreffend das Vergabeverfahren "Versorgung mit saugenden Inkontinenzartikeln – Abschluss einer Rahmenvereinbarung," der Auftraggeberin Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, vertreten durch Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH, Mölker Bastei 5, 1010 Wien, aufgrund des Antrages der XXXX , vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH, vom 04.11.2021 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

 

A)

Dem Antrag „das Bundesverwaltungsgericht möge die Ausschreibung für nichtig erklären“ wird stattgegeben.

Das Bundesverwaltungsgericht erklärt die Ausschreibung im Vergabeverfahren „Versorgung mit saugenden Inkontinenzartikeln – Abschluss einer Rahmenvereinbarung“ für nichtig.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Vorbringen der Parteien:

Mit Schreiben vom 04.11.2021, beim BVwG eingebracht am selben Tag, begehrte die Antragstellerin die Ausschreibung für nichtig zu erklären, in eventu die Bestimmungen in 2.12 Bewerbergemeinschaft, 2.14 Mehrfachbeteiligung, 2.15 Rügepflicht, Schadenersatz, 3.1.3 Berufliche Zuverlässigkeit, 3.1.4 Finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (von Teil A –Allgemeine Teilnahmebedingungen - V1) für nichtig zu erklären, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen sowie der Auftraggeberin aufzutragen, der Antragstellerin die entrichteten Pauschalgebühren für den Nachprüfungsantrag zu ersetzen.

Ferner stellte die Antragstellerin die gegenständlichen Anträge, das BVwG möge der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagen, das Vergabeverfahren fortzusetzen, in eventu die Teilnahmeantragsfrist auszusetzen, in eventu die Öffnung der Teilnahmeanträge zu untersagen sowie der Auftraggeberin auftragen, der Antragstellerin die entrichtete Pauschalgebühr für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu ersetzen.

Die Antragstellerin sieht in der Ausschreibung mehrere Rechtswidrigkeiten und erachtet dadurch kleine und mittlere Unternehmen als diskriminiert.

Die Auftraggeberin übermittelte am 09.11.2021 die allgemeine Auskunftserteilung, die die Angaben der Antragstellerin hinsichtlich des Ausschreibungsgegenstandes bestätigen, sowie eine Stellungnahme zur einstweiligen Verfügung.

Die Auftraggeberin beantragte den aus ihrer Sicht überschießenden Hauptantrag der Antragstellerin auf Untersagung der Fortsetzung des Vergabeverfahrens abzuweisen.

Mit Beschluss W279 2247929-1/2E wurde der Auftraggeberin untersagt, im gegenständlichen Vergabeverfahren die Teilnahmeanträge zu öffnen. Die Anträge auf Untersagung der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie auf Aussetzung der Teilnahmeantragsfrist wurden als unbegründet abgewiesen.

Die Auftraggeberin führte zwei Berichtigungen, am 10.11.2021 sowie am 16.11.2021 durch.

Neben zahlreichen anderen Streichungen, wurde mit der 2.Berichtigung eine Konkretisierung der Zuschlagskriterien (Preis, Serviceleistung, Erreichbarkeit der Servicehotline) bei gleichbleibender Gewichtung (80%, 15% und 5%) vorgenommen. Ferner wurde die Beschränkung von Bietergemeinschaften auf höchstens zwei Mitglieder sowie die zuvor untersagte mehrfache Beteiligung eines Unternehmens gestrichen.

Am 16.11.2021 nahm die Auftraggeberin zum Nachprüfungsverfahren Stellung. Sie negiert die von Antragstellerin behauptete Verpflichtung zur losweisen Vergabe, erachtet eine Losvergabe mit einer Rahmenvereinbarung als rechtlich nicht möglich, eine Gesamtvergabe aufgrund der vom sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben als geboten, negiert die behauptete künstliche Einschränkung des Wettbewerbs, rechtfertigt die geforderte Haftplichtversicherung mit dem Risiko von fehlerhaften oder verunreinigten Produkten und erläutert die mit der 2.Berichtigung vom 16.11. geänderten Teile der Ausschreibung.

Freitag, 26.11.2021 brachte die Antragstellerin um 14:44 Uhr ein ergänzendes Vorbringen ein. Sie sieht auch nach der Streichung der zahlreichen Bestimmungen weiterhin einen Verstoß gegen das Gebot der Ermöglichung der Beteiligung von KMU. Eine Beteiligung der Orthopädietechniker (§ 94 Z 4 Gewerbeordnung 1994) wäre nur bei einer losweisen Regionalvergabe möglich. Die in Punkt 1.5. der allgemeinen Teilnahmeunterlagen geschätzten 120.000 Einzellieferungen pro Jahr ließen für KMU eine Teilnahme als aussichtslos erscheinen. Die Eignungskriterien in Punkt 3.1.5. der Lieferung an mindestens 10.000 Patienten im Jahr widersprächen den KMU-freundlichen Anforderungen des § 20 Abs. 8 BVergG 2018 und sieht darin eine überschießende Anforderung an die technische Leistungsfähigkeit und darin einen Verstoß gegen die Grundsätze der Fairness, Transparenz und Nichtdiskriminierung des §20 BVergG 2018. Die Gewichtung des Zuschlagskriteriums „Preis“ mit 80% stehe einer Beteiligung von KMU unsachlich im Wege. Die Begründungspflicht für eine Gesamtvergabe nach §28 Abs. 6 sei verletzt worden. Durch die umfangreiche Berichtigung sieht die Antragstellerin eine im Vergleich zur ursprünglichen Ausschreibung wesentlich andere Ausschreibung als gegeben an und geht von einer unzulässigen Berichtigung und einem zwingenden Widerruf aus.

Montag, 29.11.2021 fand eine mündliche Verhandlung der Sache statt. Die Antragstellerin sieht sich in weiten Teilen klaglos gestellt und erachtet die Nichtigerklärung der gesamten Ausschreibung als verfahrensgegenständlich.

Aufgrund der umfangreichen Ausführungen im ergänzenden Vorbringen der Antragstellerin vom 26.11.2021 wurde der Auftraggeberin dahingehend eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme gewährt.

Mit Replik vom 01.12.2021 sieht die Antragstellerin die Gesamtvergabe als zulässig. Die Vorbringen hinsichtlich der Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit seien präkludiert und in der Sache wären sie durch die Bemessung nach der Hälfte der zu erwartenden Jahresmenge gerechtfertigt. Das Vorbringen hinsichtlich des Zuschlagskriteriums Preis sei ebenfalls präkludiert und in der Sache durch die zu beachtenden Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Effizienz gerechtfertigt. Die Berichtigung sei als (nicht angefochtene und bestandsfeste) eigene gesondert anfechtbare Entscheidung nicht Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens. Durch die Berichtigung wären lediglich formale Aspekte der Ausschreibung berichtigt , kein anderer Bieterkreis angesprochen, keine Relevanz für den Ausgang des Vergabeverfahrens gegeben und es liege keine wesentlich anderer Ausschreibung vor.

 

II. Feststellungen (schlüssiges Beweismittel)

Der Verfahrensgang wird festgestellt.

Die Auftraggeberin führt ein Vergabeverfahren nach dem BVergG 2018 zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung betreffend die Lieferung von saugenden Inkontinenzartikel. Die Bekanntmachung des Vergabeverfahrens erfolgte am 15.10.2021 im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Union zu 2021/S 201-522312. Mit 2021/S 204-533059 vom 20.10.2021 wurden CPV-Codes berichtigt. Mit 2021/S 221-582516 vom 15.11.2021 wurde die Teilnahmeantragsfrist bis 15.12.2021 verlängert. Mit 2021/S 225-590996 vom 19.11.2021 wurden weitreichende Berichtigungen (2. Berichtigung vom 16.11.2021) bekanntgemacht und die Teilnahmeantragsfrist bis 18.01.2022 verlängert. Es handelt sich um ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich. (Vergabeakt).

 

1. Teilnahmeunterlagen

1.1. Zu den über die Berichtigungen hinweg konstanten Inhalten der Teilnahmeantragsunterlagen

„….

1.1 Ziel und Zweck des Vergabeverfahrens bzw der Teilnahmeantragsunterlagen

Ziel dieses Vergabeverfahren ist der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmer gemäß §§ 31 Abs 7 und 39 iVm § 153 ff BVergG 2018 zur Versorgung von bei der Auftraggeberin Versicherten in ganz Österreich mit saugenden Inkontinenzartikeln.

Ziel und Zweck der vorliegenden Teilnahmeantragsunterlagen ist es, Unternehmen, die an der Erbringung von Leistungen zur Versorgung von bei der Auftraggeberin Versicherten in ganz Österreich mit saugenden Inkontinenzartikeln interessiert sind, einen Überblick über die zur Ausschreibung gelangenden Leistungen zu geben.

Eine Bekanntmachung über die gegenständliche Ausschreibung wurde im Supplement S zum Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Diese Teilnahmeantragsunterlagen enthalten zusätzliche Informationen, insbesondere auch die für die erste Stufe dieses Verhandlungsverfahrens gültigen Verfahrensregeln. Diesen Teilnahmeantragsunterlagen sind die Anforderungen und vorzulegenden Nachweise zu entnehmen, die für die Auswahl der zur Angebotsabgabe einzuladenden und zur Teilnahme an der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens berechtigten Bewerber / Bieter maßgeblich sind.

….

1.4 Art des Vergabeverfahrens, Nachprüfungsinstanz

Die Vergabe der ausgeschriebenen Leistungen erfolgt nach den Bestimmungen des BVergG 2018 idgF für den Oberschwellenbereich und den dazu ergangenen Verordnungen in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung.

In der ersten Stufe des Verfahrens werden aufgrund der eingereichten Teilnahmeanträge anhand der in dieser Teilnahmeantragsunterlage festgelegten Eignungs- und Auswahlkriterien jene Bewerber ausgewählt, die in weiterer Folge zur Legung eines Angebots aufgefordert werden.

Der Zuschlag wird dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt werden (vgl Punkt 2.1.2).

1.5 Ziel des Vergabefahrens / Projektübersicht

Ausgeschrieben wird der Abschluss einer Rahmenvereinbarung über die Versorgung von Versicherten der Auftraggeberin mit saugenden Inkontinenzartikeln in ganz Österreich.

Die Rahmenvereinbarung soll für einen Zeitraum von vier Jahren abgeschlossen werden. Während der Laufzeit der Rahmenvereinbarung können Abrufe aus dieser erfolgen.

Aufgrund der abzuschließenden Rahmenvereinbarung sollen ca 20.000 versicherte Personen in ganz Österreich laufend mit saugenden Inkontinenzartikeln (Inkontinenzvorlagen, offene und geschlossene Systeme) versorgt werden. Nach ärztlicher Verordnung und entsprechendem Leistungsabruf durch die Auftraggeberin sind die Vertragsprodukte dem Anspruchsberechtigten an die von der Auftraggeberin bekannt gegebene Adresse zuzustellen. Jedem Anspruchsberechtigten sind durchschnittlich sechs Einzellieferungen pro Jahr zuzustellen; demgemäß werden rund 120.000 Einzellieferungen pro Jahr durchzuführen sein.

Neben der Lieferung und direkten Zustellung von saugenden Inkontinenzartikeln hat der Vertragspartner der Rahmenvereinbarung eine telefonische Beratung der Anspruchsberechtigten durch diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegekräfte mittels einer Service-Hotline sicherzustellen.

….

2.1 Ablauf des Vergabeverfahrens

2.1.1 Erste Stufe: Bewerberauswahl

Das gegenständliche Vergabeverfahren wird als zweistufiges Verfahren geführt. Im Rahmen der ersten Stufe werden anhand der in den vorliegenden Teilnahmeantragsunterlagen festgelegten Eignungs- bzw Auswahlkriterien die vier am besten geeigneten Bewerber für die Teilnahme an der zweiten Stufe ausgewählt.

Im Rahmen der ersten Stufe des Vergabeverfahrens werden die in den fristgerecht eingereichten Teilnahmeanträgen gemachten Angaben und vorgelegten Nachweise der Bewerber im Hinblick auf das Vorliegen von Ausschlussgründen iSd § 78 BVergG 2018 sowie auf die Erfüllung der in diesen Teilnahmeantragsunterlagen festgelegten Eignungskriterien geprüft. Das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen und die Erfüllung der Eignungskriterien sind grundsätzlich zum Stichtag des Ablaufes der Teilnahmeantragsfrist nachzuweisen.

Aus dem Kreis jener Bewerber, die keinen Ausschlussgrund verwirklicht haben und die festgelegten Eignungskriterien erfüllen, werden – sofern sich dies als notwendig erweisen sollte – anhand der in diesen Teilnahmeantragsunterlagen festgelegten Auswahlkriterien die vier am besten geeigneten Bewerber bestimmt. Hiernach erfolgt die Mitteilung an die Bewerber, ob sie zur weiteren Teilnahme am Vergabeverfahren (also: zur Abgabe eines Erstangebots) eingeladen werden oder nicht.

2.1.2 Zweite Stufe: Ausblick

Genauere Angaben zum Ablauf der zweiten Stufe des Vergabeverfahrens werden in den Ausschreibungsunterlagen enthalten sein, die den für die Angebotsabgabe ausgewählten Bewerbern übermittelt werden. Unpräjudiziell wird bekanntgegeben, dass aus heutiger Sicht beabsichtigt ist, dass mit jedem Bieter, dessen Angebot nicht zwingend auszuscheiden ist, jedenfalls einmal verhandelt wird

2.8 Berichtigungen und Anfragen

Die Auftraggeberin behält sich vor, innerhalb der Teilnahmeantragsfrist Berichtigungen zu den Teilnahmeantragsunterlagen vorzunehmen. Sofern erforderlich, wird die Auftraggeberin die Teilnahmeantragsfrist erstrecken.

Hinweise, Bedenken sowie Anfragen eines Bewerbers iSd Punktes 2.7 sind bis spätestens zehn Tage vor Ablauf der Teilnahmeantragsfrist ausschließlich über das Vorgabeportal an die Auftraggeberin zu richten. Um die Bearbeitung der Anfragen zu erleichtern, wird jedenfalls auch um eine Übermittlung in einem Format, das eine Textverarbeitung zulässt (zB Winword), gebeten.

Die Auftraggeberin wird die Antworten auf die Anfragen, sofern dies aus ihrer Sicht erforderlich oder zweckdienlich ist, in anonymisierter Form allen Unternehmern, die die Teilnahmeantragsunterlagen heruntergeladen haben, an die ihr bekannte E-Mail-Adresse rechtzeitig übermitteln.

 

… 2.12 Bewerbergemeinschaften

Bewerbergemeinschaften können sich am gegenständlichen Vergabeverfahren beteiligen und im Falle einer Zulassung zur zweiten Verfahrensstufe ein Angebot legen. In diesem Fall ist mit dem Teilnahmeantrag zwingend (bei sonstiger Nichtberücksichtigung) eine vollständig ausgefüllte Bewerbergemeinschaftserklärung (Formblatt 2) abzugeben. Auch hat jedes Mitglied der Bewerbergemeinschaft den Nachweis des Nichtvorliegens eines Ausschlussgrundes und der gegebenen beruflichen Zuverlässigkeit wie ein Bewerber zu führen.

3.1.5 Technische Leistungsfähigkeit

Es werden nur solche Bewerber zur zweiten Stufe des Vergabeverfahrens zugelassen und damit zur Angebotslegung aufgefordert, die technisch leistungsfähig sind.

Als technisch leistungsfähig werden Unternehmen angesehen, die ein Referenzprojekt über die Erbringung der ausschreibungsgegenständlichen Leistungen (Lieferung von saugenden Inkontinenzartikeln, direkte Versorgung von Versicherten) nachweisen können. Das Referenzprojekt muss daher folgenden Mindestanforderungen genügen:

 Verkauf und Lieferung von Inkontinenzartikeln, Stomaprodukten oder Verbandsstoffen an mindestens 10.000 Patienten pro Jahr [Im Zusammenhang mit diesem zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit anzugebenden Referenzprojekt ist es unerheblich, ob die Lieferung direkt an einzelne natürliche Personen oder an Einrichtungen, wie etwa Krankenanstalten oder Heime erfolgte; relevant ist die Gesamtanzahl der versorgten Patienten pro Jahr];

 Zeitraum der Leistungserbringung: Leistungserbringung über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten innerhalb der letzten drei Jahre, gerechnet ab dem Tag der Absendung der Bekanntmachung der gegenständlichen Ausschreibung an das Amtsblatt der EU (wobei die Mindestdauer dieses Referenzauftrags 12 Monate betragen muss, diese Dauer aber nicht zur Gänze innerhalb der letzten drei Geschäftsjahre liegen muss; es genügt also, dass etwa das Ende eines zumindest 12 Monate dauernden Referenzauftrags in den Zeitraum der letzten drei Jahre fällt; klargestellt wird aber, dass Referenzaufträge, die eine Mindestdauer von 12 Monaten nicht erreichen, oder die zwar diese Dauer erreichen, aber zum Zeitpunkt der Abgabe des Teilnahmeantrags noch nicht über zumindest 12 Monate ausgeführt wurden, nicht gewertet werden)

1.2. Durch die 2. Berichtigung gestrichene Teile der Teilnahmeantragsunterlagen

„…[2.1 Ablauf des Vergabeverfahrens], und nach Abgabe von entsprechend überarbeiteten Angeboten nur mehr mit dem nach den Zuschlagskriterien Bestgereihten bei Bedarf allfällige Exklusivverhandlungen geführt werden

….

2.6 Notfallkonzept bei Ausfall des Vergabeportals

Sollte das Vergabeportal innerhalb von vier Stunden vor Ablauf der Bewerbungsfrist ausfallen, wird die Bewerbungsfrist um mindestens acht Stunden, gerechnet ab der Wiederverfügbarkeit des Vergabeportals, verlängert.

[2.12 Bewerbergemeinschaften] Um sicherzustellen, dass ein hinreichender Wettbewerb um den ausgeschriebenen Auftrag erhalten bleibt, wird die Zulässigkeit von Bewerbergemeinschaften insoweit eingeschränkt, als sich eine Bewerbergemeinschaft aus höchstens zwei Mitgliedern zusammensetzen darf….

2.14 Mehrfachbeteiligung

Die mehrfache Beteiligung eines Unternehmens am ausschreibungsgegenständlichen Vergabeverfahren ist – gleich in welcher Form (in Form der gleichzeitigen Beteiligung eines Unternehmers an mehreren Bewerber- bzw Bietergemeinschaften, der gleichzeitigen Beteiligung als einzelner Bewerber und als Mitglied einer Bewerber- bzw Bietergemeinschaft oder der gleichzeitigen Beteiligung als Bewerber bzw Mitglied einer Bewerbergemeinschaft und als Subunternehmer) − unzulässig und führt dazu, dass sämtliche Teilnahmeanträge, an denen das Unternehmen beteiligt ist, im weiteren Verfahren nicht berücksichtigt werden.

Hingewiesen wird darauf, dass es nicht schädlich ist, wenn ein Bewerber einen Subunternehmer namhaft macht, der gleichzeitig auch von einem anderen Bewerber als Subunternehmer namhaft gemacht wird. Diesfalls darf dem Subunternehmer jedoch keinesfalls Einblick in die Kalkulation der Angebote der betreffenden Bieter gewährt werden.

[3.1.2. Befugnis] Für den Betrieb der Service-Hotline gilt die notwendige Befugnis als gegeben, wenn der Bewerber nachweist, dass er selbst über die entsprechenden Berechtigungen verfügt oder zumindest eine Person bei ihm angestellt ist, die über solche Berechtigungen verfügt, oder im Fall des Abschlusses der Rahmenvereinbarung von ihm angestellt würde.

Zusätzlich wurden mit der 2.Berichtigung die Bewertungen der Zuschlagskriterien (Preis, erhöhte Serviceleistungen iZm mit der Zustellung der Vertragsprodukte an die Anspruchsberechtigten sowie erweiterte Erreichbarkeit der Service-Hotline) bei gleichbleibender Gewichtung (80%, 15% und 5%) ausführlicher und transparenter formuliert. Weiters wurden unter Punkt 3.1.3. „Berufliche Zuverlässigkeit“ einige Absätze hinsichtlich Strafregisterauszüge, Kontobestätigungen sowie einer langjährigen Geschäftsbeziehung mit einem europäischen Bankinstitut gestrichen.

III. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem Vergabeakt und der hg. durchgeführten mündlichen Verhandlung.

IV. Rechtsgrundlagen

Maßgeblich ist das Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018- BVergG 2018) in der Fassung von BGBl. I Nr. 65/2018, zuletzt geändert mit BGBl. II. Nr 91/2019 (BVergG).

 

Grundsätze des Vergabeverfahrens

§ 20. (1) Vergabeverfahren sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundsätze wie insbesondere der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz sowie des freien und lauteren Wettbewerbes und unter Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.…

 

(8) Die Konzeption und Durchführung eines Vergabeverfahrens soll nach Möglichkeit so erfolgen, dass kleine und mittlere Unternehmen am Vergabeverfahren teilnehmen können.

(9) Die Konzeption oder Durchführung eines Vergabeverfahrens darf nicht den Zweck verfolgen, das Vergabeverfahren vom Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes auszunehmen, die Anwendung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes zu umgehen oder den Wettbewerb künstlich einzuschränken. Eine künstliche Einschränkung des Wettbewerbes liegt jedenfalls dann vor, wenn durch die Konzeption oder Durchführung des Vergabeverfahrens bestimmte Unternehmer auf unzulässige Weise bevorzugt oder benachteiligt werden.

 

Gesamt- oder Losvergabe

§ 28. (1) Die Leistungen eines Vorhabens können gemeinsam oder getrennt vergeben werden (Gesamt- oder Losvergabe). Eine getrennte Vergabe in Losen kann in örtlicher oder zeitlicher Hinsicht, nach Menge und Art der Leistung oder im Hinblick auf Leistungen verschiedener Gewerbe oder Fachrichtungen erfolgen. Für die Gesamt- oder Losvergabe sind wirtschaftliche oder technische Gesichtspunkte, wie zB die Notwendigkeit einer einheitlichen Ausführung und einer eindeutigen Gewährleistung, maßgebend.

(2) Ein Zuschlag in Teilen einer ausgeschriebenen Gesamtleistung ist ebenso wie ein bloßer Vorbehalt einer allfälligen Losvergabe unzulässig. Soll die Möglichkeit für eine Vergabe in Losen gewahrt bleiben, sind sowohl die Gesamtleistung als auch die allenfalls getrennt zur Vergabe gelangenden Lose auszuschreiben.

(3) Erfolgt eine Losvergabe, hat der öffentliche Auftraggeber

1. die Ausschreibung so zu gestalten, dass der Bieter Losspreise bilden kann, und

2. in der Bekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung anzugeben, ob Angebote nur für ein Los, für mehrere Lose oder für alle Lose abgegeben werden können sowie eine etwaige Höchstzahl der Lose, für die ein einzelner Bieter den Zuschlag erhalten kann.

(4) Der öffentliche Auftraggeber hat für den Fall, dass die Anwendung der Zuschlagskriterien dazu führen würde, dass ein einzelner Bieter den Zuschlag für eine größere Zahl von Losen als die gemäß Abs. 3 Z 2 festgelegte Höchstzahl erhalten würde, in den Ausschreibungsunterlagen objektive und nicht diskriminierende Kriterien oder Regeln für die Losvergabe festzulegen.

(5) Erfolgt eine Losvergabe, kann der öffentliche Auftraggeber Aufträge über mehrere oder alle Lose aufgrund einer gesamthaften Bewertung an einen Bieter vergeben, wenn er sich in der Bekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung diese Möglichkeit vorbehalten hat, er die Lose oder Losgruppen angegeben hat, die kombiniert werden können, und die gemeinsame Vergabe der Lose wirtschaftlich günstiger als eine getrennte Vergabe der Lose ist.

(6) Erfolgt keine Unterteilung des Auftrages in Lose, so hat der öffentliche Auftraggeber bei Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich dies in der Ausschreibung oder im Vergabevermerk zu begründen.

 

Berichtigung der Ausschreibung

§ 101. (1) Werden während der Angebotsfrist Änderungen der Ausschreibung erforderlich, so sind die Ausschreibungsunterlagen und erforderlichenfalls auch die Bekanntmachung zu berichtigen und die Angebotsfrist erforderlichenfalls entsprechend zu verlängern.

(2) Ist eine Berichtigung der Ausschreibungsunterlagen erforderlich, so ist allen Bewerbern oder Bietern die Berichtigung zu übermitteln bzw. bereitzustellen. Ist dies nicht möglich, so ist die Berichtigung in gleicher Weise wie die Ausschreibungsunterlagen zur Verfügung zu stellen, zu übermitteln oder bereitzustellen.

 

Nichtigerklärung von Entscheidungen des Auftraggebers

§ 347. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn

1. sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte rechtswidrig ist und

2. die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

(2) Als Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen kommt insbesondere auch die Streichung von für Unternehmer diskriminierenden Anforderungen hinsichtlich technischer Leistungsmerkmale sowie hinsichtlich der wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit in der Ausschreibung in Betracht.

(3) Erklärt das Bundesverwaltungsgericht eine gesondert anfechtbare Entscheidung für nichtig, ist der Auftraggeber verpflichtet, in dem betreffenden Vergabeverfahren mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

 

V. Judikatur

EuGH C-298/15 Borta vom 5.April 2017

„…

Rz 24 Unter diesen Umständen hat der Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof von Litauen) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Sind die Bestimmungen der Art. 37, 38, 53 und 54 der Richtlinie 2004/17 zusammen genommen oder einzeln (jedoch ohne Beschränkung auf diese Bestimmungen) so zu verstehen und auszulegen, dass

a) sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der in Fällen, in denen Unterauftragnehmer mit der Ausführung eines Bauauftrags beauftragt werden, die vom Auftraggeber bestimmte Hauptleistung vom Auftragnehmer selbst erbracht werden muss?

b) sie einer in den Auftragsunterlagen niedergelegten Regelung über die Kumulierung der beruflichen Kapazitäten von Lieferanten, so wie sie der Auftraggeber in den angefochtenen Verdingungsunterlagen festgelegt hat, entgegenstehen, nach der der Teil der beruflichen Kapazität des jeweiligen Wirtschaftsteilnehmers (Partner eines Kooperationsvertrags) dem Teil der konkreten Bauleistung entsprechen muss, die er im Rahmen des öffentlichen Auftrags tatsächlich erbringen wird?

2. Sind die Bestimmungen der Art. 10, 46 und 47 der Richtlinie 2004/17 zusammen genommen oder einzeln (jedoch ohne Beschränkung auf diese Bestimmungen) so zu verstehen und auszulegen, dass

a) die Grundsätze der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz nicht verletzt werden, wenn der Auftraggeber:

– vorab in den Auftragsunterlagen grundsätzlich die Möglichkeit gewährt, die beruflichen Kapazitäten von Lieferanten zu kumulieren, aber keine Regelungen für die Umsetzung dieser Möglichkeit vorsieht;

– dann, im Laufe des öffentlichen Vergabeverfahrens die Anforderungen zur Beurteilung der Qualifikation der Lieferanten näher definiert, indem er bestimmte Beschränkungen bei der Kumulierung der beruflichen Kapazitäten von Lieferanten vorsieht;

– aufgrund dieser näheren Definition des Inhalts der Anforderungen an die Qualifikation die Frist für die Abgabe von Angeboten verlängert und diese Verlängerung im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt macht?

b) eine Beschränkung bei der Kumulierung der Kapazitäten von Lieferanten nicht im Vorhinein klar angegeben werden muss, wenn die besonderen Merkmale der Betätigungsfelder des öffentlichen Auftraggebers und die Besonderheiten der öffentlichen Auftragsvergabe eine solche Beschränkung vorhersehbar machen und rechtfertigen?

Rz 74 Dieses Erfordernis bedeutet erstens, dass die betreffenden Änderungen, wenngleich sie erheblich sein können, nicht so wesentlich sein dürfen, dass sie potenzielle Bieter angezogen hätten, die ohne diese Änderungen kein Angebot abgeben könnten. Dies könnte u. a. der Fall sein, wenn die Änderungen den Auftrag gegenüber seiner ursprünglichen Beschreibung seiner Art nach merklich verändern.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

1. In Bezug auf einen öffentlichen Auftrag, der nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1336/2013 der Kommission vom 13. Dezember 2013 geänderten Fassung fällt, aber an dem ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht, sind die Art. 49 und 56 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie Art. 24 Abs. 5 des Lietuvos Respublikos viešųjų pirkimų įstatymas (Gesetz der Republik Litauen über die Vergabe öffentlicher Aufträge) entgegenstehen, die vorsieht, dass dann, wenn für die Ausführung eines Auftrags Unterauftragnehmer eingesetzt werden, der Auftragnehmer die vom Auftraggeber angegebene Hauptleistung selbst erbringen muss.

 

2. In Bezug auf einen solchen öffentlichen Auftrag sind die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung sowie das Transparenzgebot, die sich u. a. aus den Art. 49 und 56 AEUV ergeben, dahin auszulegen, dass ihnen Änderungen einer Klausel der Verdingungsunterlagen über die Bedingungen und Modalitäten der Kumulierung beruflicher Kapazitäten wie der im Ausgangsverfahren streitigen Klausel 4.3, die der Auftraggeber nach der Bekanntmachung der Ausschreibung vornimmt, nicht zuwiderlaufen, sofern erstens die vorgenommenen Änderungen nicht so wesentlich sind, dass sie potenzielle Bieter angezogen hätten, die ohne diese Änderungen kein Angebot abgeben könnten, zweitens diese Änderungen in angemessener Weise bekannt gemacht werden und drittens die Änderungen vorgenommen werden, bevor die Bieter Angebote abgegeben haben, die Frist für die Abgabe dieser Angebote, wenn die Änderungen erheblich sind, verlängert wird, die Dauer der Verlängerung sich nach dem Umfang der Änderungen richtet und diese Dauer ausreichend ist, damit die interessierten Wirtschaftsteilnehmer ihr Angebot in der Folge anpassen können. Ob es sich so verhält, ist durch das vorlegende Gericht zu überprüfen.

 

3. Art. 54 Abs. 6 der Richtlinie 2004/17 in der durch die Verordnung Nr. 1336/2013 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer Klausel der Verdingungsunterlagen wie der im Ausgangsverfahren streitigen Klausel 4.3 entgegensteht, die verlangt, dass bei Einreichung eines gemeinsamen Angebots durch mehrere Bieter der Beitrag jedes Einzelnen unter ihnen zur Erfüllung der Anforderungen an die beruflichen Kapazitäten proportional seinem Anteil an den Arbeiten entspricht, den er im Fall der Zuschlagserteilung tatsächlich ausführen wird.“

 

VwGH 2008/04/0077 vom 22.04.2010

„…Eine Streichung solcher Bestimmungen kommt dann nicht in Betracht, wenn danach kein Ausschreibungsgegenstand verbliebe, die Ausschreibung dadurch einen gänzlich anderen Inhalt bekäme oder ein anderer Bieterkreis angesprochen würde. In diesen Fällen wäre die gesamte Ausschreibung zu widerrufen (vgl. auch Reisner in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2006, Rz 20 zu § 325). …“

 

VwGH 2010/04/0119 vom 12.09.2013

„… Die Beschwerdeführerin bestreitet auch nicht, dass sie die Ausschreibung bis zum Ende der ursprünglich bestehenden Antragsfrist (nach § 24 Abs. 4 WVRG 2007 ausgehend von der ursprünglichen Angebotsfrist) nicht bekämpft hat. Ausgehend davon hat die belangte Behörde zu Recht angenommen, dass die Ausschreibung bestandsfest geworden ist.…

Durch die Berichtigung wird somit die Ausschreibung nicht zur Gänze neu gefasst, sondern nur - in bestimmten Punkten - abgeändert. Vor diesem Hintergrund ist aber nicht davon auszugehen, dass mit einer Berichtigung und einer damit verbundenen Verlängerung der Angebotsfrist die bereits eingetretene Bestandskraft der Ausschreibung zur Gänze wieder beseitigt wird. Vielmehr besteht eine Anfechtungsmöglichkeit nur hinsichtlich des Inhalts der Berichtigung, die eine sonstige Festlegung während der Angebotsfrist gemäß § 2 Z. 16 lit. a sublit. aa BVergG 2006 und somit eine - eigenständige - gesondert anfechtbare Entscheidung darstellt (siehe etwa Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006 - Kommentar, 2. Lfg. (2012) § 312 Rz 156/1). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin können diese unterschiedlichen, gesondert anfechtbaren Entscheidungen auch voneinander abgegrenzt werden.“

 

VI. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Zulässigkeit der Antragstellungen

Die Anträge wurden rechtzeitig gestellt und leiden auch sonst an keinem formellen Mangel. Durch die Streichung einer Vielzahl von Ausschreibungsbestimmungen wurde die Antragstellerin weitestgehend klaglos gestellt. Sämtliche Bestimmungen, deren Nichtigerklärung mit einleitendem Antrag von 04.November 2021 (Seite 34 von 36) beantragt wurde, wurden mit der 2.Berichtigung durch die Auftraggeberin aus der Ausschreibung gestrichen. Gegenständlich ist lediglich die Nichtigerklärung der gesamten Ausschreibung.

 

2. Rechtmäßigkeit der Ausschreibungsunterlagen nach Berichtigung

Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist unter Annahme der Rechtmäßigkeit der Berichtigungen und der Absenz von Wurzelmängeln in der ursprünglichen Ausschreibung zunächst die Ausschreibung nach der weitreichenden, zweiten Berichtigung.

2.1. Zur KMU-freundlichen Vergabe nach §20 Abs. 8 BVergG 2018

Nach §20 Abs. 8 BVergG 2018 soll die Konzeption und Durchführung eines Vergabeverfahrens nach Möglichkeit so erfolgen, dass kleine und mittlere Unternehmen am Vergabeverfahren teilnehmen können.

In der Literatur wird dazu ausgeführt:

„Gem Abs 8 ist auf kleine und mittlere Unternehmen zumindest bei der Verfahrensauswahl Bedacht zu nehmen. Einen Rechtsanspruch auf eine KMU-gemäße Vergabe räumt Abs 8 jedoch nicht ein. In Konkretisierung dieser Verpflichtung hat der Auftraggeber im Oberschwellenbereich zumindest im (internen) Vergabevermerk gem § 28 Abs 6 zu begründen, weshalb eine Vergabe in Losen nicht erfolgte.“ [Casati in Gölles, BVergG 2018 § 20 (Stand 1.10.2019, rdb.at)]

Ein unmittelbarer Rechtsanspruch auf eine Ausgestaltung der Ausschreibung nach den Bedürfnissen eines einzelnen oder einer Vielzahl von kleineren und mittleren Unternehmungen ist aus der zitierten Norm nicht ableitbar. Eine Nichtigerklärung der Ausschreibung kann somit nicht unmittelbar auf §20 Abs. 8 BVergG 2018 gestützt werden.

2.2. Gesamtausschreibung

Die Antragstellerin geht in ihrem ergänzenden Vorbringen vom 26.November 2021 (Seite 4 von 8) von einem Gebot der Losvergabe aus. Es gibt allerdings weder den Grundsatz der Gesamtvergabe noch den Grundsatz der Losvergabe. Zudem ist eine Losvergabe beim Abschluss einer Rahmenvereinbarung ausgeschlossen. (Casati in Gölles, BVergG 2018 § 28 (Stand 1.10.2019, rdb.at)) §28 Abs. 1 letzter Satz sieht für eine Gesamt- oder Losvergabe wirtschaftliche oder technische Gesichtspunkte für maßgeblich vor. Unabhängig vom Faktum, dass fallgegenständlich eine Rahmenvereinbarung avisiert ist, überschreite die Auftraggeberin, die sich durch eine Gesamtvergabe einen geringen Verwaltungsaufwand und eine bundesweite Einheitlichkeit der Leistungserbringung verspricht, mit der Wahl der Gesamtvergabe nicht ihren durch das Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraum.

2.2.1 Verletzung der Begründungspflicht der Gesamtvergabe nach § 28 Abs. 6 BVergG

Nach §28 Abs. 6 BVergG 2018 ist bei einer Gesamtvergabe eine Begründung für die unterbliebene Unterteilung in Lose in der Ausschreibung oder im Vergabevermerk sichtbar zu machen.

In der Literatur wird dazu ausgeführt:

„Er soll die Auftraggeber zu einer Losvergabe zumindest motivieren. Auftraggeber haben sich zumindest gedanklich mit der Losvergabe vorab auseinanderzusetzen. Allein schon die Begründungspflicht im Fall einer fehlenden Losvergabe soll Auftraggeber dazu anleiten. Im Sinne von ErwGr 78 der RL 2014/24/EU ist aber festzuhalten, dass diese Entscheidung des Auftraggebers keiner nachprüfenden Kontrolle unterliegt.“ [Casati in Gölles, BVergG 2018 § 28 (Stand 1.10.2019, rdb.at) mit Verweis auf ErlRV 69 BlgNR 26. GP 62.]

In den Erläuterungen wurde zu §28 Abs. 6 BVergG 2018 festgehalten:

Gemäß Abs. 6 hat der Auftraggeber die Nicht-Unterteilung eines Auftrages in Lose zu begründen. Die Begründung ist in die Ausschreibung oder in den Vergabevermerk gemäß § 147 aufzunehmen. Diese Regelung ist eine spezifische Ausprägung der Präferenzregelung des § 20 Abs. 8. Im Sinne von EG 78 der RL ist aber festzuhalten, dass diese Entscheidung des Auftraggebers keiner nachprüfenden Kontrolle unterliegt.

Die Auftraggeberin hat die Zulässigkeit der Gesamtvergabe zwar in ihren Schriftsätzen, nicht aber in einem Vergabevermerk umfassend begründet. Nach Ansicht des Senates ist auch bei der Wahl einer Rahmenvereinbarung die Gesamtvergabe zumindest in einem Vergabevermerk festzuhalten.

2.2.2 Liefervolumen und Anforderungen an das Referenzprojekt

Die Antragstellerin moniert, dass nach Punkt 1.5. der allgemeinen Teilnahmeunterlage 120.000 Lieferungen pro Jahr durchzuführen sind, und eine Beteiligung von KMU daher aussichtslos sei. Ein auf Nichtigerklärung der gegenständlichen Bestimmung gerichteter Antrag im Schreiben vom 26.11.2021 wäre wie die Auftraggeberin ausführt als präkludiert zurückzuweisen. Jedoch stellte die Antragstellerin einen dahingehenden Antrag nicht, sondern suchte die Rechtswidrigkeit der gesamten Ausschreibung – wie rechtzeitig mit Antrag vom 4.11.2021 beantragt – darauf zu stützen. Genauso verhält es sich mit dem Punkt 3.1.5 der allgemeinen Teilnahmebedingung, wonach der Bewerber den „Verkauf und Lieferung von Inkontinenzartikeln, Stomaprodukten oder Verbandsstoffen an mindestens 10.000 Patienten pro Jahr“ vorweisen muss. Beide Kennzahlen stehen in Einklang mit der bundesweiten Gesamtvergabe und die Thematisierung dieser Kennzahlen unterstreicht zwar das Begehren der Antragstellerin nach einer losweisen Vergabe. Ein Anspruch auf eine losweise (Regional)vergabe besteht allerdings nicht. In Hinblick auf die Zulässigkeit der bundesweiten Gesamtvergabe sind somit auch keine überschießenden Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit ersichtlich.

2.3. Gewichtung des Preises

Die Teilnahmeunterlagen sehen unter Punkt 2.1.2. hinsichtlich der Zuschlagskriterien eine Gewichtung von 80% für den Preis, 15 % für Erhöhte Serviceleistungen iZm mit der Zustellung der Vertragsprodukte an die Anspruchsberechtigten und 5% für eine erweiterte Erreichbarkeit der Service-Hotline vor.

Die Antragstellerin sieht sich selbst als letztes Glied der Absatzkette vor dem Konsumenten und daher nicht in der Lage, mit jenen Preisen mitzubieten, wie es Versandgroßhändler oder gar Hersteller können. Dieses Argument ist wirtschaftlich nachvollziehbar. Genauso ist aber wirtschaftlich nachvollziehbar, dass die Auftraggeberin, mit den von ihr verwalteten Mitteln sparsam umgehen will. Ein Anspruch auf eine geringe Gewichtung des Preises ist weder aus §20 Abs. 8 noch aus einer anderen Norm des BVergG ableitbar. Festgehalten wird, dass die verbleibenden 20% der Zuschlagskriterien auch eine Beteiligung von KMU ermöglichen. Ferner ist auf die Ausführungen zu §20 Abs. 8 BVergG zu verweisen.

2.4. Beteiligung von KMU

Fallgegenständlich wird die Möglichkeit der Beteiligung von Unternehmungen wie der Antragstellerin durch die Gesamtvergabe, die Gewichtung des Preises sowie (in der ursprünglichen Fassung der Ausschreibung) die Beschränkung hinsichtlich der Bewerbergemeinschaft auf höchstens zwei Mitglieder faktisch eingeschränkt.

Die Vergabe des gesamten Auftrages an eine Unternehmung wie die Antragstellerin ist in allen Ausschreibungsvarianten faktisch ausgeschlossen.

Eine Beteiligung von KMU wie der Antragstellerin ist trotz Gesamtvergabe und der Gewichtung des Preises jedoch möglich. Rechtlich möglich wäre ein Bietergemeinschaft, die durch den Zusammenschluss von mehreren KMU gebildet werden könnte. (VH Protokoll Seite 8) Die Ausschreibung hat im Wesentlichen drei Teilleistungen (Herstellung der Produkte, Auslieferung sowie telefonische Beratung) zum Gegenstand. Es wäre somit auch eine Bietergemeinschaft, in der eine KMU wie der Antragstellerin lediglich eine Teilleistung übernimmt, denkbar. Zum Beispiel könnte eine KMU wie die Antragstellerin die deutschsprachige telefonische Beratung in Zusammenarbeit mit einem Produzenten, der über keine deutschsprachige oder über gar keine telefonische Beratung verfügt bewerkstelligen (vgl. VH Protokoll Seite 7).

 

Im Ergebnis erweist sich weder eine einzelne Ausschreibungsbestimmung, noch ein Zusammenspiel einzelner Ausschreibungsbestimmungen in der Fassung nach der 2. Berichtigung als rechtswidrig. Die Verletzung der Begründungspflicht nach §28 Abs. 6 BVergG 2018 lässt die Ausschreibung nicht für rechtswidrig erachten.

Die Ausschreibungsunterlagen haben nach Ansicht des Senates in der Fassung nach der zweiten Berichtigung keinen rechtswidrigen Inhalt.

 

3. Berichtigung vom 16.11.2021 (2.Berichtigung)

3.1. Unzulässige Berichtigung - Bewerbergemeinschaften

Mit der zweiten Berichtigung ist in Punkt 2.12. der allgemeinen Teilnahmebedingung der Absatz, wonach Bietergemeinschaften maximal aus zwei Mitgliedern zusammengesetzt sein dürfen, entfallen. In der ursprünglichen Ausschreibung war somit eine Teilnahme von einem einzelnen Bieter oder einer Bietergemeinschaft aus zwei Mitgliedern möglich. Eine Teilnahme von Bietergemeinschaften, die sich aus drei, vier oder noch mehr Mitgliedern zusammensetzt, war erst mit der 2.Berichtigung möglich.

Wie die Auftraggeberin richtig ausführt, wäre es der Antragstellerin jederzeit möglich gewesen, sich in einer Bietergemeinschaft mit einem Logistik-Unternehmen oder einem Medizinproduktehändler an der Ausschreibung zu beteiligen. Nicht möglich war jedoch in der ersten Fassung der Ausschreibung die Beteiligung der Antragstellerin in einer Bietergemeinschaft mit einem Medizinproduktehändler und einem Logistik-Unternehmen. An dieser tiefgreifenden Änderung der Beteiligungsmöglichkeiten ändert auch der von Anfang an mögliche Einsatz eines Subunternehmers nichts. So berechnet sich der unter „3.1.4. Finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ normierte jährliche Gesamtmindestumsatz durch den Umsatz der Teilnehmer die Bietergemeinschaft. Der Umsatz von Subunternehmern wird hiezu nicht berücksichtigt. Es ist somit denkbar, dass eine Bietergemeinschaft mit zwei Mitgliedern und einem Subunternehmer am Gesamtmindestumsatz scheitert. Dieselben drei Unternehmen könnten jedoch nach der zweiten Berichtigung hinsichtlich des Gesamtmindestumsatzes eine erfolgreiche Bietergemeinschaft (ohne Subunternehmer) bilden.

Sowohl eine aus drei (oder noch mehr gebildeten) regional aktiven KMU (VH Protokoll Seite 8) als auch eine aus einer regionalen KMU zum Betrieb der Telefon-Hotline, einem internationalen Produzenten und einer mit der Auslieferung beauftragten Unternehmung gebildeten Bietergemeinschaft, waren in der ersten Fassung der nicht, nach der zweiten berichtigten Fassung hingegen möglich.

Durch diesen berichtigten Punkt ist auch ein anderer Bieterkreis angesprochen worden. Unternehmen, die a priori nur eine der drei Teilleistungen zu übernehmen fähig oder gewillt sind, waren in der ursprünglichen Fassung der Ausschreibung nicht angesprochen.

Dies ist auch für den Ausgang des Vergabeverfahrens von Relevanz, da insbesondere eine erfolgreiche Teilnahme einer aus drei Unternehmungen (zB Produzent, Lieferant, Servicedienstleister) Bietergemeinschaft nicht unwahrscheinlich erscheint. Prima facie erschienen durch die Erstfassung der gegenständlichen Ausschreibung vor allem Hersteller, Versandgroßhändler und Orthopädietechniker als potentielle Teile von Bietergemeinschaften als angesprochen. In einer zulässigen Dreiteilung des Ausschreibungsgegenstandes sind nach der zweiten Berichtigung jedoch zusätzlich Paket- und Lieferdienstleister als potentiell Involvierte erkennbar.

3.2. Zulässige Berichtigungen – Mehrfachbeteiligung, Punktevergabe et cetera

Mit der zweiten Berichtigung wurde das Verbot der Mehrfachbeteiligung ein und desselben Unternehmens als Bieter und als Teil von Bietergemeinschaften bzw. von mehreren Bietergemeinschaften gestrichen. Diese Änderung ist - wie die anderen gestrichenen Passagen der Ausschreibung – per se nicht schädlich. Auch die – nicht monierte – Konkretisierung der Punktevergabe für die Zuschlagskriterien hegt für sich genommen noch keine Bedenken.

 

4. Nichtigerklärung der Ausschreibung

4.1. Änderung des Bieterkreises

Durch den Entfall der Beschränkung der Bewerbergemeinschaftsmitglieder wird in der Fassung nach der zweiten Berichtigung ein deutlich größerer Kreis von Unternehmungen angesprochen. Die Rechtswidrigkeit einer solchen Berichtigung wurde bereits vom nationalen Höchstgericht (VwGH 2008/04/77 vom 22.04.2010) und auch europarechtlich (EuGH C-298/15 Borta vom 5.April 2017) festgestellt.

4.2. Verletzung des Transparenzgrundsatzes durch Vielzahl der Berichtigungspunkte

Neben der Änderung des Bieterkreises, des möglichen anderen Ausganges des Vergabeverfahrens aufgrund der nach der zweiten Berichtigung möglichen Bietergemeinschaften gründet sich die Nichtigerklärung der gegenständlichen Ausschreibung auch auf eine Verletzung des Transparenzgrundsatzes. Es ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl an kleineren und mittleren Unternehmungen an jeweils einer anderen kleinen Hürde bei Teilnahme am Vergabeverfahren gescheitert wären. Durch die Vielzahl der Streichungen einzelner Ausschreibungsbestimmungen, die - jede für sich genommen zwar keinen maßgeblichen Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens hat – lagen in der Erstfassung derart zahlreiche kleine Teilnahmehürden für interessierte Bewerber vor - deren Notwendigkeit im Einzelnen auch nicht hinreichend ersichtlich ist - dass die Ausschreibung bereits durch die Aufnahme dieser zahlreichen kleinen Teilnahmenhürden mit einem Wurzelmangel behaftet war und auch die Streichung dieser der – nun zwar in der Letztfassung vergaberechtlich konformen – Ausschreibung nicht zu einer Heilung der Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Ausschreibung zu verhelfen vermag.

4.3. Keine Bestandfestigkeit der Ausschreibung und der späteren rechtswidrigen Berichtigung

Die der von der Auftraggeberin zitierten Judikatur (VwGH 2010/04/0119 vom 12.09.2013), wonach es sich bei einer Berichtigung um eine von der Ausschreibung verschiedene, gesondert anfechtbare Entscheidung handelt, ist nicht auf den gegenständlichen Fall übertragbar. Im zitierten Fall wurden einzelne Ausschreibungsbestimmungen (bei Unterbleiben der Anfechtung der Gesamtausschreibung) angefochten und es wurden Zuschlagskriterien daraufhin gestrichen. Erst daraufhin erfolgte eine Anfechtung der gesamten Ausschreibung.

Im gegenständlich anhängigen Fall hingegen wurde von Anfang an die gesamte Ausschreibung und zusätzlich wurden hilfsweise einzelne Bestimmungen bekämpft.

Dahingehend ist auch auf die Ausführungen in der Literatur [Lehner in Gölles, BVergG 2018 § 101 (Stand 1.10.2019, rdb.at)] zu verweisen: „Erfolgt die Berichtigung jedoch vor Eintritt der Bestandsfestigkeit und bedingt die Berichtigung eine Verlängerung der Angebotsfrist, verlängert diese die Anfechtungsfrist, zumal die Anfechtungsfrist für die Ausschreibungsunterlagen vom Ende der Angebotsfrist ausgehend berechnet wird. Im Regelfall kann eine Anfechtung der Ausschreibungsunterlagen bis sieben Tage vor Ende der Angebotsfrist erfolgen (§ 343 Abs 3). Somit verlängert die Berichtigung in diesem Fall die Anfechtungsfrist für die gesamte Ausschreibung.“

Gegenständlich wurde durch die Anfechtung der Gesamtausschreibung mit einleitendem Antrag vom 4.11.2021 eine mögliche Bestandfestigkeit der Ausschreibung verhindert und ist somit Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens geblieben.

4.4. Wesentlich für den Ausgang für das Vergabeverfahren

Die Rechtswidrigkeit der zweiten Berichtigung ist auch im Sinne des § 347 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 für den Ausgang des Vergabeverfahrens wesentlich, da eine Teilnahme einer aus drei Mitgliedern geformten Bietergemeinschaft denkbar ist.

Die Rechtswidrigkeit der Vielzahl der kleinen Teilnahmehürden in der ursprünglichen Ausschreibung ist auch im Sinne des § 347 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 für den Ausgang des Vergabeverfahrens wesentlich, da bei ursprünglichem Unterbleiben der Normierung dieser kleinen Hürden von Anfang an ein größerer Bieterkreis angesprochen gewesen wäre. In Kombination mit dem Entfall der Beschränkung der Mitglieder der Bietergemeinschaft ergibt sich nach der zweiten Berichtigung ein Vielfaches an Bewerbergemeinschaftszusammensetzungsmöglichkeiten.

Dem Antrag der Antragstellerin war somit stattzugeben, dass die gegenständliche Ausschreibung gemäß §347 Abs. 1 BVergG 2018 für nichtig erklärt wird.

 

5. Zusammenfassung

Zwar sieht der erkennende Senat die nun berichtigte Fassung der Ausschreibung als mit dem Vergaberecht vereinbar an.

Die mittlerweile vergaberechtskonforme Ausschreibung war dennoch gesamt für nichtig zu erklären, da die ursprüngliche Fassung mit zu vielen kleinen Hürden für die Bieter versehen war, in Summe zu viele Punkte berichtigt wurden und durch einen berichtigten Punkt (Bewerbergemeinschaften) aber auch durch den Entfall einer Vielzahl weiterer Punkte vor und nach der zweiten Berichtigung ein jeweils anderer Bieterkreis angesprochen wurde. Diese Erweiterung des Bieterkreises war derart wesentlich, dass von einem anderen Ausgang des Vergabeverfahrens auszugehen ist.

Über den Antrag auf Gebührenersatz wird gesondert entschieden werden.

 

B) Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu VwGH Ro 2008/04/0077) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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