BVwG W101 2231911-1

BVwGW101 2231911-15.5.2021

B-VG Art133 Abs4
GEG §6c Abs2
GGG Art1 §1 Abs1
GGG Art1 §32 TP1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W101.2231911.1.00

 

Spruch:

 

W101 2231911-1/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Eisenberger & Herzog RechtsanwaltsGmbH, gegen den Bescheid der Präsidentin des Handelsgerichtes Wien vom 04.05.2020, Zl. 400 Jv 181/20g-33, betreffend Rückzahlung von Gerichtsgebühren zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 6c Abs. 2 GEG als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Am 13.01.2020 brachte die Beschwerdeführerin in einem insolvenzrechtlichen Verfahren zu 33Cg 3/20w vor dem Handelsgericht Wien (im Folgenden: HG) eine Klage über einen Streitwert von € 1.482.106,52 ein. Hierfür fiel eine Pauschalgebühr nach Tarifpost (TP) 1 Gerichtsgebührengesetz (GGG) in der Höhe von € 21.274,00 an, welche von der Beschwerdeführerin durch Gebühreneinzug vom Konto ihres Rechtsvertreters entrichtet worden war. Am 20.01.2020 war die Klage an die im gegenständlichen Grundverfahren beklagte Partei aktenkundig zugestellt worden.

 

2. Mit Schriftsatz vom 12.02.2020 zog die Beschwerdeführerin die Klage zurück.

 

3. Mit am 26.02.2020 eingebrachten Schriftsatz beantragte die Beschwerdeführerin die Rückzahlung der halben entrichteten Pauschalgebühr.

 

4. Mit Bescheid vom 04.05.2020 (zugestellt am 08.05.2020), Zl. 400 Jv 181/20g-33, wies die Präsidentin des HG (im Folgenden belangte Behörde genannt) den Rückzahlungsantrag der Beschwerdeführerin ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus: Die Novelle des Gerichtsgebührengesetzes durch BGBl. Nr. I 2019/81 sei im Wesentlichen getragen von verfahrensökonomischen Erwägungen. Zwar möge ein Größenschluss die Anwendung dieser Bestimmung auch auf außergerichtliche, vor der ersten Tagsatzung erzielte Vergleiche oder außergerichtliche Vereinbarungen, die zu einer Klagszurückziehung führen würden, nahelegen, zumal sich dadurch der Aufwand des Gerichts ebenfalls vermindere. Ein Größenschluss setze dem gegenüber aber eine planwidrige Lücke des Gesetzes voraus. Eine solche Planwidrigkeit liege hier aber nicht vor. Die Einbeziehung vorprozessualer Vergleiche in die Anm. 2 zu TP 1 GGG in Form der Gesetzesanalogie stünde zunächst in offenem Widerspruch zur Ruhensanzeige wegen außergerichtlicher Einigung, zumal selbst die Anzeige eines sogenannten „ewigen Ruhens“ nach außergerichtlicher Einigung die Streitanhängigkeit nicht aufhebe. Ferner sei mit Blick auf Rechtssicherheitserwägungen zu betonen, dass solcherart gerichtliche Vergleiche einen Exekutionstitel iSd § 1 Z 5 EO darstellen würden, ohne das es hierfür weiterer Anträge oder Bescheinigungsmittel der Parteien bedürfte. Eine Ausdehnung dieser Bestimmung auf vor der ersten Verhandlung erzielte außergerichtliche Vergleiche scheide letztlich auch deshalb aus, weil es für den Gesetzgeber ein leichtes gewesen wäre, gleichzeitig auch diese – praktisch durchaus naheliegenden – Fall der „Klagsrückziehung unter Anspruchsverzicht auf Grund vorprozessualen Vergleichsabschlusses“ gesetzlich zu verankern. Das eine ausdehnenden Auslegung eines Gesetzes im Sinne des Antrags der Beschwerdeführerin allenfalls wünschenswert wäre, reiche für die Annahme einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht aus.

Bleibe aus Gründen der Vollständigkeit anzumerken, dass sich ein Rückzahlungsanspruch der Beschwerdeführerin auch nicht aus Anm. 3 zu TP 1 GGG ableiten lasse, da die Klage erst nach Zustellung an die beklagte Partei zurückgezogen worden sei.

 

5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter am 04.06.2020 fristgerecht eine Beschwerde.

Begründend führte sie darin im Wesentlichen Folgendes aus: Durch das Anerkenntnis der Klagsforderung im Insolvenzverfahren sei die Beschwerdeführerin gegenüber der Insolvenzverwalterin klaglos gestellt worden, weil das Klagebegehrung im Prüfungsprozess gerade auf die Anerkennung der Forderung gerichtet gewesen wäre. In der Hauptsache hätte die Beschwerdeführerin nicht mehr bekommen können als das Anerkenntnis der Forderung im Insolvenzverfahren, das durch Rückziehung der Forderungsbestreitung umgesetzt worden sei. Durch die nachfolgende Klagszurückziehung sei der Prüfungsprozess beendet. Ein Fortsetzungsantrag sei prozessrechtlich nicht möglich. Aufgrund der Klagszurückziehung sei sowohl die Streitanhängigkeit aufgehoben als auch der materiell rechtliche Anspruch der Entscheidung des Gerichts im Prüfungsprozess entzogen.

Die Konstellation im vorliegenden Fall sei jedenfalls einem Vergleichsabschluss in der vorbereitenden Tagsatzung gleichzuhalten, zumal das Gericht weder mit einer Klagebeantwortung noch mit vorbereitenden Schriftsätzen und auch nicht mit einer Verhandlung belastet werde und daher durch die Beschwerdeführerin ein ganz erheblicher Beitrag zur Entlastung des Gerichts und zur Prozessökonomie geleistet worden sei, der jedenfalls durch die Anwendung der Ermäßigung der Pauschalgebühr iSd Anm. 2 zu TP 1 GGG zu honorieren sei.

 

6. In der Folge legte die belangte Behörde mit Schreiben vom 08.06.2020 die Beschwerde samt dem dazugehörenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführerin sind mit Einbringung der Klage am 13.01.2020 zu 33 Cg 3/20w beim HG Pauschalgebühren nach TP 1 GGG iHv € 21.274,00 (Streitwert € 1.482.106,52) entstanden, welche durch Gebühreneinziehung vom Konto des Rechtsvertreters entrichtet worden sind.

 

Maßgebend ist, dass die Klage der beklagten Partei des Grundverfahrens am 20.01.2020 zugestellt wurde und die Klagszurückziehung am 12.02.2020 (aufgrund eines Vergleichs) vor der ersten Tagsatzung bei Gericht stattgefunden hat. Folglich kann der Beschwerdeführerin eine Rückzahlung der halben entrichteten Pauschalgebühr daher nicht gewährt werden.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen hinsichtlich der Zahlungspflicht ergeben sich aus dem – unstrittigen – Akteninhalt.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

3.2. Zu A)

 

3.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

3.2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gerichtsgebührengesetzes (GGG), BGBl. Nr. 501/1984 idgF, lauten:

Gemäß § 1 Abs. 1 GGG unterliegt den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren im Sinne dieses Bundesgesetzes die Inanspruchnahme der Tätigkeit der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizverwaltungsbehörden einschließlich der an diese gerichteten Eingaben sowie die Führung der öffentlichen Bücher, Urkundensammlungen sowie einsichtsfähigen Register nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen und des angeschlossenen, einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs.

 

Tarifpost (TP) 1 GGG legt Pauschalgebühren in zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz in abgestufter Höhe nach dem Wert des Streitgegenstandes fest.

Gemäß TP 1 GGG, idF BGBl. I Nr. 130/2017, beträgt die Gebühr für einen Streitwert über € 350.000,00 (zum Zeitpunkt der Klagseinbringung am 13.01.2020) 1,2 Prozent vom jeweiligen Streitwert zuzüglich € 3.488,00.

Gemäß Anm. 2 zu TP 1 GGG ermäßigt sich u.a. die Pauschalgebühr nach TP 1 für prätorische Vergleiche (§ 433 ZPO) auf die Hälfte.

 

Gemäß Anm. 3 zu TP 1 GGG ermäßigen sich die Pauschalgebühren auf ein Viertel, wenn die Klage oder ein in den Anm. 1 oder 2 zur Tarifpost 1 angeführter Antrag vor Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgezogen wird. Das gleiche gilt auch, wenn die Klage oder der Antrag – ausgenommen den Fall einer Überweisung nach § 230a ZPO – von vornherein zurückgewiesen wird. Bereits entrichtete Mehrbeträge sind zurückzuzahlen.

 

§ 6c des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes (GEG), BGBl. Nr. 288/1962 idgF, lautet:

 

"Rückzahlung

 

§ 6c. (1) Die nach § 1 einzubringenden Beträge mit Ausnahme der Beträge nach § 1 Z 6 sind zurückzuzahlen

1. soweit sich in der Folge ergibt, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde und der Rückzahlung keine rechtskräftige Entscheidung entgegensteht;

2. soweit die Zahlungspflicht aufgrund einer nachfolgenden Entscheidung erloschen ist.

(2) Die Rückzahlung ist von Amts wegen oder auf Antrag der Partei, die die Beträge entrichtet hat, zu verfügen. Insoweit sich jedoch der Rückzahlungsanspruch als nicht berechtigt erweist, ist er von der Behörde (§ 6) mit Bescheid abzuweisen."

 

3.2.3. Im gegenständlichen Fall wurde die Klage der beklagten Partei aktenkundig am 20.01.2020 zugestellt und in der Folge diese wiederrum am 12.02.2020 aufgrund eines vorprozessualen Vergleichs zurückgezogen.

 

Die Beschwerdeführerin beantragt nun unter Berufung auf Anm. 2 zu TP 1 GGG eine Rückzahlung der halben entrichteten Pauschalgebühren und bringt im Wesentlichen vor, dass die gegenständliche Fallkonstellation einem Vergleichsabschluss in einer vorbereitenden Tagsatzung bei Gericht gleichzuhalten sei.

 

Diesem Antrag hat die belangte Behörde mit der Begründung, es liege weder ein Anwendungsfall nach Anm. 2 zu TP 1 GGG noch nach Anm. 3 zu TP 1 GGG vor, abgewiesen.

 

Der belangten Behörde ist aus folgenden Erwägungen zuzustimmen:

 

Eine Ermäßigung der Pauschalgebühr nach Anm. 2 zu TP 1 GGG tritt nicht ein, wenn die Zurückziehung aufgrund eines vorprozessualen Vergleichs erfolgt ist. Den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid kann insofern beigepflichtet werden, als ein vorprozessualer Vergleich nicht mit einem in der ersten Tagsatzung vom Verhandlungsleiter protokollierten Vergleich gleichzusetzten ist.

 

Ebenso kann der belangten Behörde beigepflichtet werden, dass der gegenständliche Rückzahlungsantrag auch nicht auf Anm. 3 zu TP 1 GGG gestützt werden kann, da die Klage aktenkundig erst nach Zustellung an die beklagte Partei zurückgezogen wurde.

 

Wie oben festgestellt, wurde die Klage der beklagten Partei bereits am 20.01.2020 zugestellt, aber erst am 12.02.2020 – somit zeitlich eindeutig nach Zustellung an den Verfahrensgegner – aufgrund eines vorprozessualen Vergleichs zurückgezogen, weshalb die Voraussetzungen für eine Anwendung von Anm. 2 und Anm. 3 zu TP 1 GGG in dieser Sachverhaltskonstellation nicht erfüllt sind.

 

Da sich der Rückzahlungsanspruch demnach als nicht berechtigt erweist, war der Antrag vom 26.02.2020 gemäß § 6c Abs. 2 GEG abzuweisen.

 

Aus diesen Gründen kann die Entscheidung der belangten Behörde, der Beschwerdeführerin die Rückzahlung von der halben entrichteten Pauschalgebühr zu versagen, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Da dem angefochtenen Bescheid somit eine Rechtswidrigkeit im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG nicht anhaftet, war die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

 

3.3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG entfallen (vgl. dazu auch VwGH 26.06.2003, Zl. 2000/16/0305, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung und Einbringung von Gerichtsgebühren nicht erforderlich ist). Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde nicht beantragt, was im Falle einer vertretenen Partei wie dem Beschwerdeführer als Verzicht auf eine Verhandlung zu werten ist.

 

3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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