BVwG I413 2220944-1

BVwGI413 2220944-16.3.2020

BEinstG §14
BEinstG §2
BEinstG §3
B-VG Art. 133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2220944.1.00

 

Spruch:

I413 2220944-1/15E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Richterin Dr. Heike MORODER als Beisitzer über die Beschwerde von mj. XXXX, vertreten durch die gesetzliche Vertreterin XXXX, vertreten durch die Arbeiterkammer für Tirol, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 11.06.2019, Zl. 45898837900013, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

 

A)

 

Der Beschwerde wird gemäß §§ 2, 3 und § 14 Abs 1 und 2 BEinstG stattgegeben. XXXX gehört seit 28.03.2019 dem Kreis der begünstigten Behinderten an. Der Grad der Behinderung beträgt 50 v.H.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin vertretene mj. Beschwerdeführer stellte am 28.03.2018 (eingelangt am 28.03.2019) einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten behinderten gemäß den Bestimmungen der §§ 2 und 14 BEinstG.

 

2. Die von der belangten Behörde beigezogene amtliche Sachverständige XXXX erstattete am 13.05.2019 auf der Aktenlage ein Gutachten mit folgendem Ergebnis: "Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

 

 

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern würden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes

Pos.Nr.

Gdb %

1

Cerebrale Lähmungen, cerebrale Lähmungen leichten Grades analog - Z.n. SHT 12/2014, diskrete Halbseitensymptomatik rechts, diskrete Gleichgewichtsstörungen, sehr geringgradiges posttraumatisches organisches Psychosyndrom mitberücksichtigt

04.01.01

40

    

 

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Der Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich aus Leiden 1. [...]

 

 

X

Dauerzustand

.

Nachuntersuchtung -

  

 

[...] Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Keine, lt. den vorliegenden Unterlagen ist davon auszugehen, dass trotz der funktionellen Einschränkungen kurze Wegstrecken aus eigener Kraft und ohne Fremdhilfe zurücklegbar sind, das Ein- und Aussteigen sowie ein sicherer Transport gewährleistet ist. [...]"

 

3. Mit Schreiben vom 13.05.2019 teilte die belangte Behörde dem mj Beschwerdeführer das Ergebnis der Beweisaufnahme mit und verwies darauf, dass die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten erst ab einem Grad der Behinderung von 50 % vorliegen. Sie räumte ihm eine Frist von 14 Tagen zur Stellungnahme ein.

 

4. Mit Bescheid vom 11.06.2019, OB: 45898837900013, wies die belangte Behörde den Antrag vom 28.03.2019 auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ab. Der Grad der Behinderung beträgt 40 von Hundert.

 

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 27.06.2019.

 

6. Mit Schreiben vom 05.07.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

 

7. Mit Schreiben vom 11.07.2019 zog das Bundesverwaltungsgericht den amtlichen Sachverständigen XXXX dem Verfahren bei und beauftragte ihn mit der Erstattung eines Gutachtens aus dem Fachbereich Neurologie nach vorangehender persönlicher Untersuchung des mj Beschwerdeführers zu nachstehendem Beweisthema: "1. Gemäß dem Beschwerdevorbringen liegen beim Beschwerdeführer nicht nur motorische Störungen im Bereich der rechten Hand und des rechten Armes vor, sondern ist er aufgrund einer vorliegenden Halbseitensymptomatik generell motorisch eingeschränkt. Trifft dieses Vorbringen aus medizinischer Sicht zu? 2. Wie ist die motorische Einschränkung beim Beschwerdeführer nach der EVO aus fachlicher Sicht zu bewerten? 3. Nach dem Beschwerdevorbringen leidet der Beschwerdeführer zudem unter kognitiven Einschränkungen einhergehend mit Konzentrationsstörungen. Weiters gibt der Beschwerdeführer an, durch häufige Kopfschmerzen sowie Rückenschmerzen beeinträchtigt zu sein und bei körperlicher Anstrengung Doppelbilder wahrzunehmen. Können diese Leiden medizinisch verifiziert werden? 4. Sollten vorgenannte Leiden festgestellt werden können, welcher Grad der Behinderung ist nach der EVO diesen Leiden aus medizinischer Sicht festzustellen?"

 

8. Am 28.10.2019 erstattete der amtliche Sachverständige XXXX das Gutachten und gelangte zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:

"Gutachterliche Stellungnahme: XXXX leidet vier-dreiviertel Jahre nach seinem Unfall (erhebliches Schädelhirntrauma) an einer posttraumatischen neurologischen Residualsymptomatik leichten Grades mit einer geringen Parese (Feinmotorikminderung) der rechten oberen Extremität, intermittierendem Bewegungs-Zittern an der linken oberen Extremität, einer minimalen Augenbewegungsstörung (optomotorische Störung) mit intermittierenden Doppelbildern, Gefühlsstörungen der rechten oberen Extremität, sowie einer leichtgradigen neurokognitiven Störung mit konzentrations- und Gedächtnis- sowie Lernstörungen und psychomotorischer Verlangsamung. Die Beschwerden sind glaubwürdig, sind mit der Art und dem Schweregrad der Hirnverletzung in Übereinstimmung und auch aus der detaillierten neurologischen Untersuchung nachvollziehbar. Die sich im Alltag, vor allem unter beruflicher Belastung manifestierenden neurokognitiven Leistungseinschränkungen sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unfallkausal und glaubhaft, auch wenn in den vorgelegten neuropsychologischen Tests vom 07.09.2017 Univ. Klinik

f. Pädiatrie I, XXXX, in der Mehrzahl der Tests ein Normalbefund erhoben wurde. Bei dieser Untersuchung erfolgte jedoch keine ausdrückliche Testung der Dauerbelastbarkeit. Neuropsychologische Untersuchungen bilden Leistungen unter Laborbedingungen ab, es kann auch bei normalem testpsychologischen Leistungsprofil eine Leistungsschwäche unter Alltagsanforderungen (Beruf, Zeitdruck, Mehrfachbeanspruchung, ...) vorliegen. Die Angeführten neurologischen und neurokognitiven Störungen sind als Dauerschädigung anzusehen. Die vom Patienten angegebenen Kopfschmerzen sind wahrscheinlich multifaktoriell und großteils unfallkausal (Kopfschmerz nach Schädelhirntrauma=post-traumatischer Kopfschmerz, und stressbedingter Kopfschmerz vom Spannungstyp), auch eine somatoforme Komponente des Kopfschmerzes aufgrund einer dringend zu vermutenden (psychischen) Anpassungsstörung an das Erleben des Unfalls und aller körperlicher und psychosozialer Unfallfolgen. Kopfschmerzen können aber auch als Folge einer Körper-Fehlhaltung vorkommen (häufiges Computerspiel des Pat., mangelnder sportlicher Ausgleich?). Beantwortung der gestellten Fragen: 1. Gemäß dem Beschwerdevorbringen liegen beim Beschwerdeführer nicht nur motorische Störungen im Bereich der rechten Hand und des rechten Armes vor, sondern ist er aufgrund einer vorliegenden Halbseitensymptomatik generell motorisch eingeschränkt. Trifft dieses Vorbringen aus medizinischer Sicht zu? Eine generelle motorische Einschränkung liegt nicht vor, wohl aber eine Einschränkung der Motorik beider oberer Extremitäten, eine zumindest subjektiv empfundene Gefühlsstörung der rechten oberen Extremität und zwischenzeitliche Doppelbilder. Alle dieser Symptome sind in Einklang mit dem zerebralen Verletzungsmuster. 2. Wie ist die motorische Einschränkung beim Beschwerdeführer nach der EVO aus fachlicher Sicht zu bewerten? 2.1. Eine feinnmotorische Störung und Schwäche "einzelner Muskelgruppen" (EVO 04.01.01), zusammen mit den Doppelbildern, die auch eine motorische Störung sind, 20 % GdB 2.2. Chronisch wiederholende Kopfschmerzen, leichte Verlaufsfomr (EVO 01.11.01), 10 % GdB 2.3. Eine intellektuelle Teilleistungsschwäche geringen Grades (EVO 03.01.01), 20 % GdB

 

2.4. Eine depressive (affektive) Störung leichten Grades (EVO 03.06.01), 10 % GdB Gesamtgrad des Grades der Behinderung: 30 % (da sich die einzelnen GdB nur teilwiese Überlappen): Führend ist 2.1 (20 %), Steigerung des GdB um 10 % va aufgrund der Störung 2.3.

 

3. Nach dem Beschwerdevorbringen leidet der Beschwerdeführer zudem unter kognitiven Einschränkungen einhergehend mit Konzentrationsstörungen. Weiters gibt der Beschwerdeführer an, durch häufige Kopfschmerzen sowie Rückenschmerzen beeinträchtigt zu sein und bei körperlicher Anstrengung Doppelbilder wahrzunehmen. Können diese Leiden medizinisch verifiziert werden? Diese Leiden, mit Ausnahme der Rückenschmerzen, sind als sehr wahrscheinlich unfallkausal einzustufen, die Kopfschmerzen könnten auch durch nicht-unfalls-kausale Ursachen mitbedingt sein (Körperfehlhaltung, siehe gutachterliche Stellungnahme). 4. Sollten vorgenannte Leiden festgestellt werden können, welcher Grad der Behinderung ist nach der EVO diesen Leiden aus medizinischer Sicht festzustellen? Siehe Punkt 2 (Teil- und Gesamt GdB)"

 

9. Mit Schreiben vom 31.01.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien das aufgenommen Gutachten und räumte diesen die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen einer Frist von drei Wochen ein.

 

10. Mit Schriftsatz vom 29.11.2019, eingelangt am selben Tag, legte der mj Beschwerdeführer einen klinisch-psychologischen und neuropsychologischen Befund von XXXX vor und brachte vor, dass kognitive Defizite bestünden, die eine Einordnung unter Pos.Nr. 03.01.02 - Intelligenzminderungen mit geringen bis mäßigen sozialen Anpassungsstörungen rechtfertigten. Der mj. Beschwerdeführer beantragte die Ergänzung des aufgenommenen Gutachtens und Berücksichtigung des vorgelegten Befundes.

 

11. Am 04.12.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch, in der das Gutachten von XXXX erörtert und der Beschwerdeführer als Partei einvernommen wurde. Im Hinblick auf die Ergebnisse dieser mündlichen Verhandlung und des vorgelegten Befundes von XXXX beschloss das Bundesverwaltungsgericht das aufgenommene Gutachten zu ergänzen.

 

12. Am 05.12.2019 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht XXXX um Ergänzung des Gutachtens vom 28.10.2019 betreffend die folgende Fragestellung: "Im Zuge des Parteiengehörs zu Ihrem Gutachten hat der Beschwerdeführer einen klinisch-psychologischen und neuopsychologischen Befund von XXXX vom 11.09.2019 übermittelt. Aus diesem Befund vermeint die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers, dass eine Einordnung unter die Pos.Nr. 03.01.02 zu rechtfertigen wäre. Das Bundesverwaltungsgericht ersucht Sie zu dieser Fragestellung Stellung zu nehmen und - sollten Sie diese Einschätzung nach der EVO teilen - auszuführen, welcher Grad der Behinderung hierauf entfällt und ob - und wenn ja, wie - sich der Gesamtgrad der Behinderung ändert. Ferner werden Sie gebeten mitzuteilen, ob aufgrund des vorgenannten Befundes und der Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 04.12.2019 sich aus fachlicher Sicht Änderungen an Ihrer Einschätzung der Leiden/Funktionseinschränkungen nach der EVO ergeben und gegebenenfalls wie diese Einschätzung abschließend vorzunehmen wäre."

 

13. Am 28.12.2019 (eingelangt am 03.01.2020) erstattete XXXX sein ergänzendes Gutachten, in dem er zusammengefasst die detaillierte Untersuchung der neurokognitiven Leistungen, der Intelligenz und des sozialen und emotionalen Verhaltens des Beschwerdeführers durch XXXX analysierte und zum Schluss kam, dass sich gegenüber dem Vorgutachten auf Basis des Befundes von XXXX der Nachweis einer signifikanten komplexen visuell-motorischen Störung ergibt. Im Ergebnis änderte der Amtssachverständige gegenüber seinem Vorgutachten aufgrund des nunmehr hervorgekommenen Befundes von XXXX vom 11.09.2019 seine Einschätzung nach der EVO, wobei er festhielt, dass es zu einer tatsächlichen Zunahme gesundheitsbeeinträchtigender Unfallfolgen nicht gekommen ist. "Folgende Funktionsstörungen führen zu einer dauerhaften Behinderung von XXXX: 1.1. Eine feinmotorische Störung und Schwäche "einzelner Muskelgruppen" (EVO 04.01.01), zusammen mit Doppelbildern, 20 % GdB 1.2 Chronisch sich wiederholende Kopfschmerzen, leichte Verlaufsform (EVO 04.11.01), 10 % GdB 1.3. Eine intellektuelle Leistungsschwäche mittleren Grades (EVO 03.01.02), 40 % GdB, iS einer erheblichen visuell-motorischen Funktionsstörung (handlungsabhängige Apraxie) und einer geringen globalen intellektuellen Funktionsstörung. 1.4. Eine depressive (affektive) Störung leichten Grades (EVO 03.06.01), 10 % GdB Gesamtgrad der Behinderung: 50 % (da sich die einzelnen GdB nur teilweise überlappen): Führend ist 1.3. (40 %), Steigerung des GdB um 10 % va aufgrund der Störung 1.1."

 

14. Mit Schreiben vom 08.01.2020 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien das Gutachten vom 28.12.2019 zur Kenntnis und räumte diesen die Möglichkeit einer Stellungnahme binnen einer Frist von drei Wochen ein. Es langten keine Stellungnahmen ein.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der in Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt.

Darüber hinaus werden nachstehende Feststellungen getroffen:

 

Der mj. Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in Laimach.

 

Der mj. Beschwerdeführer leidet an einer feinmotorischen Störung und Schwäche "einzelner Muskelgruppen", an einer leichte Verlaufsform chronisch sich wiederholender Kopfschmerzen, an einer intellektuellen Leistungsschwäche mittleren Grades im Sinne einer erheblichen visuell-motorischen Funktionsstörung (handlungsabhängige Apraxie) und einer geringen globalen intellektuellen Funktionsstörung sowie an einer depressiven (affektiven) Störung leichten Grades.

 

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt 50 %.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Feststellung des Verfahrensganges ergibt sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts.

 

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinem Wohnort ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt einliegen Antrag sowie aus den glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 04.12.2019.

 

Die Feststellungen der Leiden und Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers ergeben sich zweifelsfrei aus dem schlüssigen und vollständigen Gutachten von XXXX vom 28.10.2019 und 28.12.2019. Dieser hat auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, seiner Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 04.12.2019 und dem Befund von XXXX vom 11.09.2019. Die vom Amtssachverständigen festgestellten Funktionseinschränkungen decken sich auch mit dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks durch den erkennenden Senat. Der Beschwerdeführer schilderte ausführlich seine - überwiegend auf seinen schweren Unfall zurückzuführenden - funktionellen Defizite. Diese sind im ausführlich begründeten Gutachten vom 28.10.2019 und vom 28.12.2019 vollständig und nachvollziehbar festgestellt worden.

 

Die Feststellungen des Gesamtgrades der Behinderung des Beschwerdeführers mit 50 % GdB beruht auf dem schlüssigen Gutachten des amtlichen Sachverständigen XXXX vom 28.12.2019. Gegenüber seinem Vorgutachten vom 29.10.2019 berücksichtigte er insbesondere die funktionellen Defizite des Beschwerdeführers in seiner Handfertigkeit sowie in seiner Intelligenz. Nachvollziehbar erkennt der Amtssachverständige, dass die Apraxie als schwere Beeinträchtigung zu werten ist und nicht - wie dies die Rechtsvertretung des mj. Beschwerdeführers in ihrem Schriftsatz vom 20.11.2019 vermeinte - sich als ein Funktionsdefizit der globalen Intelligenz. Dies deckt sich auch mit den Aussagen des mj Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 04.12.2019, wo er deutlich schildert, dass er bestimmte Aufgaben, wie zB das Montieren eines Steckers in der Dose, nicht schaffen kann. Der persönliche Eindruck des erkennenden Senats vom mj Beschwerdeführer war auch der, dass dieser nicht so sehr an einer Intelligenzminderung leidet, sondern bei bestimmten Aufgaben im Handlungsablauf gestört ist. Der erkennende Senat hatte auch den Eindruck vom Beschwerdeführer, dass dieser mit seinen Defiziten gelernt hat umzugehen und damit weit besser zurechtkommt, als seine gesetzliche Vertreterin. Der Feststellung im Gutachten vom 28.12.2019, dass der von der Rechtsvertretung mit offensichtlicher Billigung der gesetzlichen Vertreterin des mj Beschwerdeführers verwendete Begriff einer erworbenen "Intelligenzminderung" für den mj. Beschwerdeführer auf Dauer problematisch ist und für seine berufliche und soziale Entwicklung sicherlich nachteilig ist, schließt sich der erkennende Senat ausdrücklich vollinhaltlich an.

 

Die gutachterliche Einschätzung erfolgte nach den Regeln der EVO und entspricht den zu den jeweiligen Positionsnummern der Anlage zur EVO festgesetzten Rahmensätzen bzw fixen Sätzen. Die Gesamtbewertung der Funktionseinschränkungen des mj. Beschwerdeführers durch den Amtssachverständigen in seinem Gutachten vom 28.12.2019 ist nachvollziehbar, zumal das führende Leiden (intellektuelle Leistungsschwäche mittleren Grades, Apraxie) nachvollziehbar durch die feinmotorische Störung und Schwäche einzelner Muskelgruppen negativ beeinflusst wird, weshalb sich die Erhöhung des Grades der Behinderung um eine Stufe auf insgesamt 50 % unzweifelhaft ergibt.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gemäß § 19b Abs 1 BEinstG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Angelegenheiten des § 14 Abs 2 BEinstG durch Senat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

 

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

 

3.2. Gemäß § 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), BGBl Nr 22/1970 idF BGBl I Nr 32/2018, sind begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes österreichischer Staatsbürger (oder diesen gleichgestellte Personen) mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H.

 

Gemäß § 2 Abs 2 BEinstG gelten behinderte Personen nicht als begünstigt behinderte im Sinne des Abs 1, die sich in Schul- und Berufsausbildung befinden oder das 65. Lebensjahr überschritten haben und nicht mehr in Beschäftigung stehen, oder nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften Geldleistungen wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit (dauernder Berufsunfähigkeit) bzw Ruhegenüsse oder Pensionen aus dem Versicherungsfall des Alters beziehen und nicht in Beschäftigung stehen, oder nicht in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis stehen und in Folge des Ausmaßes ihrer Funktionsbeeinträchtigungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch auf einen geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb nicht in der Lage sind. Gemäß § 3 BEinstG gilt als Behinderung im Sinne dieses Gesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren, zu verstehen. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gelten Bescheide der in § 14 Abs 1 BEinstG bezeichneten Behörden, in denen über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH. entschieden wurde.

 

Wenn ein Nachweis im Sinne dieser Bestimmung nicht vorliegt, hat gemäß § 14 Abs 2 BEinstG das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr Sozialministeriumservice) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2), sowie den Grad der Behinderung (Abs 3) festzustellen. Die Gesamteinschätzung der Funktionsbeeinträchtigung hat durch die Behörde unter Hinzuziehung eines oder mehrerer Sachverständiger zu erfolgen (vgl 14 Abs 2 BEinstG). Einem Antragsteller steht es frei, zu versuchen, dass im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens einen Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften, hierbei ist allerdings die Voraussetzung, dass das Gutachten des Sachverständigen und zwar sein gesamter Inhalt dem Beschwerdeführer im Verfahren zur Kenntnis gebracht wird (vgl VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 21/01.02.2012, 2009/11/0111; 22.01.2013, 2011/11/0209; 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, RO2014/11/0023).

 

Nach § 2 der Einschätzungsverordnung (EVO), BGBl II Nr 261/2010 idF BGBl II 251/2012, sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der einen Bestandteil der EVO bildenden Anlage dieser Verordnung festgelegt. Der Gesamtgrad der Behinderung wird bei Bestehen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen entsprechend den Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen untereinander ermittelt (§ 3 Abs 1 EVO). Hierbei ist nach § 3 Abs 2 EVO bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneiden von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen. Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt, zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen (§ 3 Abs 3 EVO). Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine (§ 3 Abs 4 EVO).

 

3.3. Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten und Ergänzungsgutachten des amtlichen Sachverständigen XXXX erweist sich als schlüssig, vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Es bestehen keine Gründe, der fachärztlichen Einschätzung in Bezug auf die Festlegung des Grades der Behinderung von 50 % nicht zu folgen.

 

Der Einschätzung des Sachverständigen der festgestellten Funktionseinschränkungen erfolgte hinsichtlich der feinmotorischen Störung und Schwäche "einzelner Muskelgruppen" zusammen mit Doppelbildern auf Basis der Pos.Nr. 04.01.01 (Cerebrale Lähmungen leichten Grades der Anlage zur EVO), wobei der für eine feinmotorische Störung und Schwäche "einzelner Muskelgruppen" mögliche Rahmensatz zwischen 10 % - 20 % beträgt. Der Amtssachverständige schätzte die Funktionsstörung mit 20 % GdB ein. Die nach Pos.Nr. 04.11.01 (chronisches Schmerzsyndrom leichte Verlaufsform) mit 10 % GdB eingeschätzten chronisch sich wiederholende Kopfschmerzen, leichte Verlaufsform, entsprechen dem hierfür möglichen Rahmensatz von 10 %. Die festgestellte intellektuelle Leistungsschwäche mittleren Grades iS einer erheblichen visuell-motorischen Funktionsstörung (handlungsabhängige Apraxie) und einer geringen globalen intellektuellen Funktionsstörung schätzte der Amtssachverständige nach Pos.Nr. 03.01.02 der Anlage zur EVO (Intelligenzminderungen mit geringen bis mäßigen sozialen Anpassungsstörungen) schätzte er mit einem GdB von 40 %; der Rahmensatz beträgt 30 % - 40 %. Die depressive (affektive) Störung leichten Grades wurde auf Basis der Pos.Nr. 03.06.01 (Depressive Störung - Dysthymie - leichten Grades Manische Störung - Hypomanie - leichten Grades) mit einem GdB von 10 % (Rahmensatz zwischen 10 % - 40 %) eingeschätzt, was angesichts der festgestellten Symptome beim mj Beschwerdeführer nachvollziehbar ist. Der gesamte Grad der Behinderung von 50 % wurde auf Basis des § 3 EVO ermittelt, weshalb diesem ermittelten Grad der Behinderung nicht entgegenzutreten ist.

 

Es liegt daher ein Grad der Behinderung von mindestens 50 % im Sinne des § 2 BEinstG vor. Bei der Funktionsbeeinträchtigung handelt es sich um einen Dauerzustand. Ausschlussgründe im Sinne des § 2 Abs 2 BEinstG sind nicht gegeben. Damit liegen die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten weiterhin vor.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Die gegenständliche Entscheidung betrifft einen Einzelfall, der für sich keine Rechtsfrage von Bedeutung aufwirft. Es ist auch sonst keine Rechtsfrage von Bedeutung hervorgekommen.

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