BVwG I412 2163263-1

BVwGI412 2163263-112.7.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:I412.2163263.1.00

 

Spruch:

I412 2163262-1/6E

 

I412 2211968-1/6E

 

I412 2163263-1/6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX, geb. XXXX, 2. XXXX, geb. am XXXX und 3. XXXX, geb. XXXX, alle StA.

NIGERIA, vertreten durch: Migrantinnenverein St. Marx RA Dr. Lennart Binder LL.M. gegen die Bescheide des BFA, RD Wien, XXXX vom 1. XXXX, Zl. XXXX, 2. XXXX, Zl. XXXXund 3. XXXX Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.07.2019 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die Verfahren von XXXX (Erstbeschwerdeführerin) und ihren minderjährigen Kindern (der am XXXX geborenen Zweitbeschwerdeführerin XXXX und des am XXXX geborenen Drittbeschwerdeführers XXXX) sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

 

2. Die Erstbeschwerdeführerin reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 15.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Befragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Erstbeschwerdeführerin an, lesbisch zu sein. Sie habe eine Freundin gehabt, und sei mit dieser vom Vermieter beim Sex erwischt worden. Sie habe sich angezogen und sei weggerannt, dann habe sie ihre Schwester XXXX angerufen, die ihr gesagt habe, dass der König angeordnet habe, ihre Freundin zu töten. Deshalb sei sie nach Lagos geflüchtet. Dort habe sie sich länger als zwei Monate versteckt gehalten. Eines Tages sei sie raus gegangen und eine Frau aus ihrem Dorf habe ihr gesagt, dass der König ihre Suche angeordnet habe. Sie sei in Nigeria nicht mehr sicher und deshalb habe sie sich entschlossen, zu fliehen.

 

3. Am XXXX wurde die Zweitbeschwerdeführerin in Wien geboren und für diese von der Mutter als gesetzlicher Vertretung am 06.04.2017 ein Antrag auf Familienverfahren gestellt. Es wurde angegeben, dass die Zweitbeschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen habe.

 

4. Am 25.04.2017 wurde die Erstbeschwerdeführerin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Die Erstbeschwerdeführerin gab zu ihrem Fluchtgrund befragt an, sie habe Nigeria verlassen, weil sie gesucht worden sei. Man habe sie töten wollen. Sie sei nach Österreich gekommen, um hier gut zu leben. Sie sei nun nicht mehr lesbisch, wolle aber nicht nach Nigeria zurück, weil sie nicht sterben wolle. Sie könne nicht mehr zurück, weil die Polizei auf eine Liste geschrieben habe, dass sie lesbisch sei. Die Polizei habe ihre Familie festgenommen, weil sie nach ihr gesucht hätten. Als sie in Lagos gewesen sei, sei ihre Familie verhaftet worden. Sie sei jedoch niemals einer konkreten Bedrohung gegen ihre Person ausgesetzt gewesen.

 

5. Mit Bescheiden vom 08.06.2017 wurden die Anträge der Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigen gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 gegen diese eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung gemäß § 46 nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.) Als Frist für eine freiwillige Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

 

Gegen diese Entscheidungen wurde mit bei der belangten Behörde am 29.06.2017 eingelangten Schriftsatz fristgerecht Beschwerde erhoben.

 

6. Am XXXX wurde der Drittbeschwerdeführer geboren und gemäß § 17a AsylG der Antrag auf internationalen Schutz durch Einlangen der Geburtsurkunde bestätigt. Mit Bescheid vom 07.12.2018 wurde für diesen eine den Bescheiden betreffend die Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen gleichlautende Entscheidung getroffen, gegen die ebenfalls, mit Schreiben vom 21.12.2018, fristgerecht Beschwerde erhoben wurde.

 

7. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 03.07.2017 (Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen) bzw. vom 28.12.2018 wurden die Verfahren dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt und der Gerichtsabteilung I412 zugeteilt. Am 02.07.2019 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht abgehalten, in welcher die Erstbeschwerdeführerin befragt wurde. Im Vorfeld war den Beschwerdeführern das Länderinformationsblatt zu Nigeria übermittelt worden.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

 

Die Beschwerdeführer sind nigerianische Staatsangehörige.

 

Die Identität der Erstbeschwerdeführerin steht nicht fest. Die Identität der Zweit- und des Drittbeschwerdeführers steht fest.

 

Es handelt sich bei den Beschwerdeführern um eine volljährige Frau (Erstbeschwerdeführerin) und ihre beiden minderjährigen Kinder (die am XXXX in Österreich geborene Zweitbeschwerdeführerin und den am XXXX in Österreich geborenen Drittbeschwerdeführer).

 

Die Erstbeschwerdeführerin stammt aus Ishan, Edo State. Die Erstbeschwerdeführerin verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und über Arbeitserfahrung in Nigeria, die sie als Friseurin gesammelt hat.

 

Die Familie der Erstbeschwerdeführerin ist in Nigeria aufhältig. Es ist davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin bei einer Rückkehr auf Unterstützung zurückgreifen könnte.

 

Die Beschwerdeführer sind gesund, die Erstbeschwerdeführerin befindet sich zudem in einem erwerbsfähigen Alter.

 

Zum Vater der Kinder, bei dem es sich ebenfalls um einen nigerianischen Staatsbürger handelt, hat die Beschwerdeführerin seit der Geburt ihres Sohnes keinen Kontakt und erhält von diesem keine Unterstützung.

 

Die Beschwerdeführer bestreiten ihren Lebensunterhalt über die staatliche Grundversorgung.

 

Die Erstbeschwerdeführerin verfügt in Österreich über keine familiären und über keine maßgeblichen privaten Anknüpfungspunkte.

 

Es liegen hinsichtlich der Beschwerdeführer keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, gesellschaftlicher sowie kultureller Hinsicht vor.

 

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

 

1.2. Zu den Fluchtmotiven und zu einer Rückkehrgefährdung der Beschwerdeführer

 

Die Beschwerdeführer werden in Nigeria nicht aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt.

 

Es ist nicht glaubhaft, dass die Erstbeschwerdeführerin auf Grund früherer homosexueller Neigungen in Nigeria der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist.

 

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Nigeria in eine existenzbedrohende Situation oder menschenunwürdige Lage geraten werden.

 

1.3. Zur Situation in Nigeria:

 

1.3.1 Zur allgemeinen Situation in Nigeria:

 

Hinsichtlich der Lage in Nigeria ist auf Basis des aktuellen "Länderinformationsblattes der Staatendokumentation" (Stand: 07.08.2017) zu Nigeria festzustellen:

 

1.3.2 Sicherheitslage

 

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 10.12.2018). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 10.12.2018; vgl. EASO 11.2018a) und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten, (EASO 11.2018a; vgl. AA 10.12.2018), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a). Die 2017 deutlich angespannte Lage im Südosten des Landes ("Biafra") hat sich mit dem Eingriff des Militärs und der mutmaßlichen Flucht des Anführers der stärksten separatistischen Gruppe IPOB derzeit wieder beruhigt (AA 10.12.2018).

 

In den nordöstlichen Bundesstaaten Adamawa, Borno, Gombe und Yobe kommt es häufig zu Selbstmordanschlägen (BMEIA 12.4.2019). Außenministerien warnen vor Reisen dorthin sowie in den Bundesstaat Bauchi (BMEIA 12.4.2019; vgl. AA 12.4.2019; UKFCO 12.4.2019). Vom deutschen Auswärtige Amt wird darüber hinaus von nicht notwendigen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias abgeraten (AA 12.4.2019).

 

Zu Entführungen und Raubüberfällen kommt es im Nigerdelta und einigen nördlichen Bundesstaaten. Betroffen sind: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bauchi, Bayelsa, Cross River, Delta, Ebonyi, Enugu, Imo, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Kogi, Nasarawa, Plateau, Rivers und Zamfara. Für die erwähnten nordöstlichen und nördlichen Bundesstaaten sowie jenen im Nigerdelta gelegenen gilt seitens des österreichischen Außenministeriums eine partielle Reisewarnung; Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) in den übrigen Landesteilen (BMEIA 12.4.2019).

 

Das deutsche Auswärtige Amt rät von Reisen in die Bundesstaaten Kaduna (insbesondere Süd- Kaduna), Plateau, Nasarawa, Benue, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo (insbesondere die Hauptstadt Owerri), Abia, Anambra, Ebonyi, Edo, Enugu, Delta, Kogi, den südlichen Teil von Cross Rivers, Ogun und Akwa Ibom ab (AA 12.4.2019). Das britische Außenministerium warnt (neben den oben erwähnten nördlichen Staaten) vor Reisen in die am Fluss gelegenen Regionen der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom and Cross River im Nigerdelta. Abgeraten wird außerdem von allen nicht notwendigen Reisen in die Bundesstaaten Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia, im 20km Grenzstreifen zum Niger in den Bundesstaaten Sokoto und Kebbi, nicht am Fluss gelegene Gebiete von Delta, Bayelsa und Rivers (UKFCO 29.11.2018).

 

In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist dauern diese Auseinandersetzungen nur wenige Tage und sind auf einzelne Orte bzw. einzelne Stadtteile begrenzt. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, das Sokoto (Nordteil) und Plateau (Südteil) sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen (AA 12.4.2019).

 

In der Zeitspanne April 2018 bis April 2019 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch

Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.333), Zamfara (1.116), Kaduna (662), Benue (412), Adamawa (402), Plateau (391). Folgende

Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Jigawa (2), Gombe (2), Kebbi (3) und Osun (8) (CFR 2019).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

1.3.3. Frauen

 

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 10.12.2018), kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 13.3.2019). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt, v.a. dort, wo traditionelle Regeln gelten. So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen. Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 10.12.2018). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden (BS 2018).

 

Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen kaum eine Rolle. Jene mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz, z.B. eine Richterin beim Obersten Gerichtshof und die Finanzministerin (BS 2018).

 

Rechtlich ist keine Vorschrift vorhanden, die gleiche Bezahlung für Frauen und Männer für gleichwertige Tätigkeiten festschreibt. Es gibt auch kein Diskriminierungsverbot bei der Einstellung von Angestellten. Im formalen Sektor bleiben Frauen unterrepräsentiert, während sie in der informellen Wirtschaft eine bedeutende Rolle spielen (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 13.3.2019).

 

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sexueller, körperlicher, psychologischer und sozioökonomischer Gewalt sowie mit schädlichen traditionellen Praktiken. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, Genitalverstümmelung (FGM/C) usw. Straftatbestände dar. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Mit Stand März 2018 ist das Gesetz erst im Federal Capital Territory (FCT) und den Bundesstaaten Anambra, Ebonyi und Oyo gültig, in anderen Bundesstaaten erst, sobald es dort verabschiedet wird (USDOS 13.3.2019).

 

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert, die Polizei schreitet oft nicht ein. In ländlichen Gebieten zögern Polizei und Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht übersteigt (USDOS 13.3.2019).

 

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von maximal drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 20.4.2018).

 

Vergewaltigung steht unter Strafe. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche Gerichte dazu ermächtigt, Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen. Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von 10 bis 19 Jahren eine Vergewaltigung war (USDOS 13.3.2019).

 

Das Bundesgesetz kriminalisiert seit 2015 FGM/C auf nationaler Ebene (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 10.12.2018; GIZ 4.2019b), dieses Gesetz ist aber bisher nur in einzelnen Bundesstaaten umgesetzt worden (AA 10.12.2018), nach anderen Angaben gilt es bis dato nur im Federal Capital Territory. 13 andere Bundesstaaten haben ähnliche Gesetze verabschiedet (EASO 11.2018b). Die Regierung unternahm im Jahr 2018 keine Anstrengungen, FGM/C zu unterbinden (USDOS 13.3.2019). Andererseits wird mit unterschiedlichen Aufklärungskampagnen versucht, einen Bewusstseinswandel einzuleiten. Bei der Verbreitung gibt es erhebliche regionale Unterschiede. In einigen - meist ländlichen - Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd ist die Praxis weit verbreitet, im Norden eher weniger (AA 10.12.2018). Während im Jahr 2013 der Anteil beschnittener Mädchen und Frauen noch bei 24,8 Prozent lag, waren es 2017 nur noch 18,4 Prozent (EASO 11.2018b).

 

Für Opfer von FGM/C bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM/C bedroht sind, gibt es Schutz und/oder Unterstützung durch staatliche Stellen und NGOs (UKHO 2.2017). Frauen, die von FGM/ C bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, können auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO 2.2017).

 

Die Hauptaufgaben der Bundesbehörde NAPTIP (National Agency for the Prohibition of Trafficking in Person) sind Bekämpfung des Menschenhandels, Verfolgung der Täter im Bereich Menschenhandel und Schutzmaßnahmen für Opfer (temporäre Unterkunft, Beratung, Rehabilitierung, Reintegration und Zugang zur Justiz). Obwohl die Behörde im Jahr 2017 deutlich höhere Geldmittel als im Vorjahr erhielt, verfügt sie über zu geringe Ressourcen (EASO 2.2019). Oba Ewuare, König von Benin (Bundesstaat Edo) hat am 9.3.2018 alle Opfern des Menschenhandels auferlegten Flüche für nichtig erklärt, und im Gegenzug jene, welche die Flüche ausgesprochen haben, ihrerseits mit einem Fluch belegt. Bei der Zeremonie waren Priester und traditionelle Heiler sowie Vertreter von NAPTIP eingeladen (Vanguard 10.3.2018; vgl. Iroko 21.3.2018). Üblicherweise sollen Opfer von Menschenhandel durch die auferlegten Flüche dazu gezwungen werden, die Namen der Täter nicht preiszugeben. NAPTIP geht davon aus, dass nunmehr die Strafverfolgung in solchen Fällen erleichtert wird (Vanguard 10.3.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

_NGA_-_FGM_-_v_1_0.pdf, Zugriff 19.11.2018

 

 

 

1.3.4. (Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel

 

Für alleinstehende Rückkehrerinnen ist keine generelle Aussage möglich. Nigeria verfügt über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianische Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EU-Staaten bei der Reintegration, ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖB 10.2018). Die Agentur ist außerdem für die Bekämpfung des Menschenschmuggels zuständig, hat seit ihrer Gründung 2003 359 Verurteilungen von Schleppern erreicht sowie bis heute mehr als 13.000 Opfern von Menschenhandel geholfen (AA 10.12.2018). NAPTIP ist eine zentrale Anlaufstelle für Rückkehrerinnen und bietet unter anderem mehrmonatige Rehabilitierung (psychologische Betreuung) und Berufstraining für ehemalige Zwangsprostituierte an (ÖB 10.2018).

 

Es gibt viele Frauengruppen, welche die Interessen von Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016a). Vom Office of the Special Adviser to the President on Relations with Civil Society erhielt die österreichische Botschaft eine Liste mit 203 auf Seriosität/Bonität geprüften NGOs, die sich um Rehabilitierung, Fortbildung und medizinische Betreuung/Versorgung sämtlicher Bevölkerungsgruppen des Staates bemühen. Darin werden regionale bzw. das ganze Staatsgebiet umfassende Organisationen aufgelistet, die sich um Witwen, Vollwaisen, minderjährige Mütter, alleinstehende Frauen, Albinos, HIV-Positive, Ex- Häftlinge, Häftlinge, Prostituierte, Alphabetisierung, FGM oder Opfer häuslicher Gewalt bemühen. Diese Organisationen betreiben Wohn- und Bildungsmöglichkeiten für Frauen, Waisen sowie körperlich und geistig Behinderte. Zusätzlich unterstützen Gattinnen der Gouverneure eigene "pet projects". Die bekannteste Vertreterin ist Dr. Amina Titi Atiku Abubakar, Gründerin und Vorsitzende der NGO WOTCLEF, die es bis zur Akkreditierung durch die UN gebracht hat und zahlreiche Projekte im Frauenbereich unterstützt (ÖB 10.2018).

 

Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind alleinstehende Frauen oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 10.12.2018). Die Verfassung und Gesetze sehen interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation insbesondere für alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart - z.B. im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016a).

 

Eine Auswahl spezifischer Hilfsorganisationen für Frauen:

 

African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin

City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email:

info@awegng.org (AWEG o.d.a). Die AWEG ist eine ausschließlich weibliche nicht profitorientierte NGO. Zielgruppe sind Frauen und Jugendliche. Spezielle Programme zielen darauf ab, Frauen beim Erwerb von Fähigkeiten im Bildungsbereich sowie im sozialen, ökonomischen und politischen Bereich zu unterstützen. AWEG führt Studien zu geschlechtsspezifischer Gewalt durch (AWEG o.D.b).

 

Women Aid Collective (WACOL), No 9 Matthias Ilo Avenue, New Haven Extension by Akanu Ibia Airport Flyover, Enugu State. Tel:

+234-8095757590, +234-9091333000, Email: wacolnig@gmail.com , wacolnig@yahoo.com , wacolenugu@wacolnigeria.org . WACOL ist eine Wohltätigkeitsorganisation und bietet verschiedene Unterstützung an:

Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste (WACOL o.D.).

 

Women Advocates Research and Documentation Center (WARDC), 9b james Oluleye Crescent (Harmony Enclave), off Adeniyi Jones by Koko bus stop, Ikeja, Lagos State, (+234) 818 005 6401, Email:

womenadvocate@yahoo.com (WARDC o.d.a). WARDC ist eine Frauenrechts-NGO für weibliche Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt und anderer Menschenrechtsverletzungen. Ca. sechs Frauen pro Woche werden diesbezüglich in rechtlicher und sozialer Hinsicht beraten (WARDC o.d.b.).

 

Womens Health and Equal Rights Initiative (WHER), Adresse nicht online verfügbar, +234 818 645 7675, Email: wher@whernigeria.org (WHER o.d.a): WHER ist eine NGO zur Unterstützung von Frauen, die Angehörige einer sexuellen Minderheit sind (WHER o.d.b).

 

The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel: +234 8033188767, +234 8037190133, +234 8033347896, Email:

 

wocon95@yahoo.com , info@womenconsortiumofnigeria.org (WOCON o.D.a). WOCON ist eine gemeinnützige NGO, die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Ziel ist die Aufklärung bezüglich Menschenhandel und der Kampf gegen den Menschenhandel (WOCON o.D.b).

 

Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA): 19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja, Tel.:

08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com , wrapa399@yahoo.com . WRAPA ist eine Organisation, die bundesweit für Frauenrechte eintritt. Aktivitäten umfassen kostenfreie Rechtsberatung, Ausbildung, Mobilisation, Sensibilisierung und Meinungsbildung bezüglich rechtlicher Reformen. Jede Frau, die in irgendeiner Form einen Eingriff in ihre Rechte bzw. eine Diskriminierung erlitten hat, kann in den Genuss der Unterstützung von WRAPA kommen (WRAPA, o.D.).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 13.11.2018

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.3.5. Kinder

 

Die Rechte des Kindes werden in Nigeria nur unzureichend gewährleistet. Der Child Rights Act, mit dem die UN-Kinderrechtskonvention in nationales Recht umgesetzt werden soll, wurde bislang lediglich von 24 (AA 10.12.2018; vgl. UNICEF o.D.), nach anderen Angaben von 25 der 36 Bundesstaaten ratifiziert (USDOS 13.3.2019). Insbesondere die nördlichen Bundesstaaten sehen in einigen Bestimmungen (Rechte des Kindes gegenüber den eigenen Eltern, Mindestalter für Eheschließungen) einen Verstoß gegen die Scharia (AA 10.12.2018).

 

Der Child Rights Act sieht bei einer Eheschließung ein Mindestalter von 18 Jahren vor. Jene Bundesstaaten, die das Gesetz nicht ratifiziert haben, kennen kein Mindestalter für eine Eheschließung. Vor allem die nördlichen Bundesstaaten halten sich nicht an das offizielle Mindestalter auf Bundesebene (USDOS 13.3.2019). Kinderehen, in denen Mädchen in jungen Jahren mit zumeist älteren Männern verheiratet werden, sind folglich vor allem im Norden des Landes verbreitet (AA 10.12.2018; vgl. UNICEF o.D.). Insgesamt heiraten schätzungsweise 43 Prozent der Mädchen unter 18 Jahren und 17 Prozent unter 15 Jahren (AA 10.12.2018).

 

Mit traditionellen Glaubensvorstellungen verbundene Rituale und der in Bevölkerungsteilen verbreitete Glaube an Kinderhexen, führen zu teils schwersten Menschenrechtsverletzungen (Ausgrenzung, Aussetzung, Mord) an Kindern, insbesondere an Kindern mit Behinderungen (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Entsprechende Fälle werden überwiegend aus der südlichen Hälfte Nigerias berichtet, besonders gehäuft aus dem Südosten und den Bundesstaaten Akwa Ibom und Edo (AA 10.12.2018).

 

Gesetzlich sind die meisten Formen der Zwangsarbeit verboten, und es sind ausreichend harte Strafen vorgesehen. Die Durchsetzung der Gesetze bleibt jedoch in weiten Teilen des Landes ineffektiv. Daher ist Zwangsarbeit - u.a. bei Kindern - weit verbreitet. Frauen und Mädchen müssen als Hausangestellte, Buben als Straßenverkäufer, Diener, Minenarbeiter, Steinbrecher, Bettler oder in der Landwirtschaft arbeiten (USDOS 13.3.2019).

 

Quellen:

 

 

 

 

1.3.6. Grundversorgung

 

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 4.2019c).

 

Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 10.12.2018). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat - gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 4.2019c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 10.12.2018). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 4.2019c).

 

Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über 90 Prozent (AA 9 .2018c). Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 4.2019c; vgl. AA 9 .2018c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 9 .2018c) und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe - v.a. von Reis - angewiesen (ÖB 10.2018; vgl. AA 9 .2018c). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben (AA 9 .2018c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt (ÖB 10.2018).

 

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2018; vgl. GIZ 4.2019b). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2018; vgl. ÖB 10.2018), fast 50 Prozent unter der Armutsgrenze (GIZ 4.2019b).

 

Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei Jugendlichen wird sie auf über 20 Prozent geschätzt (GIZ 4.2019b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent - in erster Linie unter 30-jährige - mit großen regionalen Unterschieden (ÖB 10.2018). Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2018). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 4.2019b).

 

Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2018). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2018). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).

 

Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Nur eine geringe Anzahl von Nigerianern (2016 ca. fünf Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2018).

 

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 4.2019c).

 

Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205790 , Zugriff 22.11.2018

 

 

 

 

 

1.3.7. Medizinische Versorgung

 

Insgesamt kann die Gesundheitsversorgung in Nigeria als mangelhaft bezeichnet werden (GIZ 4.2019b). Zwischen Arm und Reich sowie zwischen Nord und Süd besteht ein erhebliches Gefälle: Auf dem Land sind die Verhältnisse schlechter als in der Stadt (GIZ 4.2019b); und im Norden des Landes ist die Gesundheitsversorgung besonders prekär (GIZ 4.2019b; vgl. ÖB 10.2018). Die medizinische Versorgung ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 12.4.2019). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor (AA 10.12.2018).

 

Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser (AA 10.12.2018). Krankenhäuser sind bezüglich Ausstattung, Qualifikation des Personals und Hygiene nur in städtischen Zentren vereinzelt mit europäischem Standard vergleichbar. In größeren Städten ist ein Großteil der staatlichen Krankenhäuser mit Röntgengeräten ausgestattet, in ländlichen Gebieten verfügen nur einige wenige Krankenhäuser über moderne Ausstattung. Religiöse Wohltätigkeitseinrichtungen und NGOs bieten kostenfrei medizinische Versorgung (ÖB 10.2018).

 

In den letzten Jahren hat sich die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten allerdings sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor deutlich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine gute medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Es sind zunehmend Privatpraxen und -kliniken entstanden, die um zahlungskräftige Kunden konkurrieren. Die Ärzte haben oft langjährige Ausbildungen in Europa und Amerika absolviert und den medizinischen Standard angehoben. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 10.12.2018).

 

Die Gesundheitsdaten Nigerias gehören zu den schlechtesten in Afrika südlich der Sahara und der Welt (ÖB 10.2018). Mit 29 Todesfällen pro 1.000 Neugeborenen hat Nigeria weltweit die elfthöchste Todesrate bei Neugeborenen (GIZ 2.2019). Die aktuelle Sterberate für Kinder unter fünf Jahren beträgt 109 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten. Die Prozentsätze der Unterernährung (Global Acute Malnutrition) liegen in den nördlichen Staaten konstant über der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen mehr als 1,3 Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2018).

 

Psychische bzw. psychiatrische Erkrankungen werden in der großen Mehrheit der Bevölkerung immer noch als spiritueller Natur entspringend angesehen. Dementsprechend werden die entsprechenden Patienten besonders im ländlichen Bereich spirituellen Heilern zugeführt. Betreut werden sie in der Regel in der Familie, wenn vorhanden. Viele psychisch Kranke leben auf der Straße, in abgelegenen Regionen werden als gefährlich angesehene Personen in den Dörfern auch gelegentlich noch angekettet. Für die stationäre Unterbringung gibt es in ganz Nigeria acht staatliche psychiatrische Kliniken, die einen Langzeitbereich haben, außerdem sind zahlreiche psychisch Langzeitkranke in gesonderten Bereichen in Gefängnissen untergebracht. Im Wesentlichen findet dort eine reine Verwahrung unter ausgesprochen ärmlichen Bedingungen statt (WPA o.D.). Es existiert also kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau. Dort werden Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht, können aber nicht adäquat behandelt werden (AA 10.12.2018).

 

Insgesamt gibt es für die inzwischen annähernd 200 Millionen Einwohner 100 Hospitäler mit psychiatrischer Abteilung (VAÖB 23.1.2019). Laut anderen Angaben gibt es psychiatrische Abteilungen in 15 Universitätskliniken, acht staatlichen psychiatrischen Spitälern und sechs Allgemeinen Spitälern sowie 15 psychiatrischen Privatkrankenhäusern (WPA o.D.). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an. Die Kosten für einen Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 195.000 Naira (ca. 570 Euro). Zudem ist an diesem Krankenhaus auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 10.12.2018).

 

Nigeria verfügt über 110 registrierte Psychiater (WPA o.D.); nach anderen Angaben sind es derzeit 130 für 200 Millionen Einwohner (Österreich 2011: 20 Psychiater/100.000 Einwohner). Bei Psychologen ist die Lage noch drastischer, hier kamen im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner 0,02 Psychologen (Österreich 2011: 80 Psychologen/100.000 Einwohner). Aufgrund dieser personellen Situation ist eine regelrechte psychologische/psychiatrische Versorgung für die große Mehrheit nicht möglich, neben einer basalen Medikation werden die stationären Fälle in öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen "aufbewahrt". Die Auswahl an Psychopharmaka ist aufgrund der mangelnden Nachfrage sehr begrenzt (VAÖB 23.1.2019).

 

Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten jedoch als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 10.12.2018). Nur weniger als sieben Millionen der 180 Millionen Einwohner Nigerias sind beim National Health Insurance Scheme leistungsberechtigt (Punch 22.12.2017). Eine Minderheit der erwerbstätigen Bevölkerung ist über das jeweils beschäftigende Unternehmen mittels einer Krankenversicherung abgesichert, die jedoch nicht alle Krankheitsrisiken abdeckt (VAÖB 27.3.2019).

 

Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 4.2019b). Selbst in staatlichen Krankenhäusern muss für Behandlungen bezahlt werden (AA 10.12.2018). Die Kosten medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden. Die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von umgerechnet 10 bis 25 Cent ein: Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, sofern vorhanden (ÖB 10.2018). Eine basale Versorgung wird über die Ambulanzen der staatlichen Krankenhäuser aufrechterhalten, jedoch ist auch dies nicht völlig kostenlos, in jedem Fall sind Kosten für Medikamente und Heil- und Hilfsmittel von den Patienten zu tragen, von wenigen Ausnahmen abgesehen (VAÖB 27.3.2019).

 

Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 10.12.2018). In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 10.12.2018). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/AIDS können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben. Schutzimpfaktionen werden von internationalen Organisationen finanziert, stoßen aber auf religiös und kulturell bedingten Widerstand, überwiegend im muslimischen Norden (ÖB 10.2018).

 

Die Qualität der Produkte auf dem freien Markt ist jedoch zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25% aller verkauften Medikamente). Diese wirken aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt. Es gibt zudem wenig zuverlässige Kontrollen hinsichtlich der Qualität der auf dem Markt erhältlichen Produkte (AA 10.12.2018). Gegen den grassierenden Schwarzmarkt mit Medikamenten gehen staatliche Stellen kaum vor (ÖB 10.2018).

 

Der Glaube an die Heilkräfte der traditionellen Medizin ist nach wie vor sehr lebendig. Bei bestimmten Krankheiten werden eher traditionelle Heiler als Schulmediziner konsultiert (GIZ 4.2019b). Gerade im ländlichen Bereich werden "herbalists" und traditionelle Heiler aufgesucht (ÖB 10.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.3.8. Rückkehr

 

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).

 

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 10.12.2018). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation" (ÖB 10.2018). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 10.12.2018).

 

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 10.12.2018). Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2018). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 10.12.2018) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2018) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2018).

 

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten (AA 10.12.2018). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets "overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2018).

 

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen hat im Herbst 2018 in Lagos das Migrationsberatungszentrum der GIZ seinen Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 10.12.2018).

 

Quellen:

 

 

 

2. Beweiswürdigung:

 

Zu A)

 

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

 

2.1. Zum Verfahrensgang:

 

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt sowie eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

 

2.2. Zur Person der Beschwerdeführer:

 

Die Feststellungen zu den Lebensumständen, dem Gesundheitszustand und der Herkunft der Beschwerdeführer gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung.

 

Da die Erstbeschwerdeführerin den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht ihre Identität nicht zweifelsfrei fest. Die Identität der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers steht aufgrund der vorgelegten österreichischen Geburtsurkunden fest. Dass es sich bei den minderjährigen Kindern der Erstbeschwerdeführerin ebenfalls um nigerianische Staatsbürger handelt, ergibt sich daraus, dass sich die nigerianische Staatsbürgerschaft laut Verfassung durch einen Elternteil ableitet; die nigerianische Staatsbürgerschaft wurde im Verfahren auch nie bestritten.

 

Dass die Beschwerdeführerin keinen Kontakt zum Vater ihrer Kinder hat, von dem sie angibt, dass es sich ebenfalls um einen nigerianischen Staatsangehörigen handelt, gründet sich ebenfalls auf ihre diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung, dieser scheint auch in der Geburtsurkunde der Kinder nicht auf.

 

Die Erstbeschwerdeführerin legte ein Zeugnis für die Integrationsprüfung A2 vom 19.07.2018, sowie zwei Empfehlungsschreiben und eine Einstellungszusage vom 18.06.2019 vor. Für die Zweitbeschwerdeführerin wurde eine Anmeldung im Kindergarten ab September 2019 vorgelegt. Es liegen insgesamt keine Hinweise vor, dass die Beschwerdeführerin in Hinblick auf ihren noch nicht ganz fünf Jahre andauernden Aufenthalt einen maßgeblichen und überdurchschnittlichen Grad an Integration erlangt hätte, der ihren persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde.

 

2.3. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:

 

Die Erstbeschwerdeführerin stützt ihr Fluchtvorringen in erster Linie darauf, dass sie in Nigeria eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft gehabt habe. Da sie beim Sex erwischt worden seien, habe sie fliehen müssen. Mittlerweile sei sie allerdings nicht mehr homosexuell.

 

Während sie in der Erstbefragung angab, der König habe (nachdem er angeordnet habe, ihre Freundin zu töten) ihre Suche angeordnet, weshalb sie sich entschlossen habe, zu fliehen, änderte sie dies in der Einvernahme vor dem BFA dahingehend ab, sie könne nicht mehr zurück, weil die Polizei auf eine Liste geschrieben habe, dass sie lesbisch sei. Darüber hinaus ergänzte sie, dass ihre Familie festgenommen worden sei, weil sie nach ihr gesucht hätten.

 

Die Frage, ob es zutreffend sei, dass sie Nigeria aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe, bejahte die Erstbeschwerdeführerin anlässlich ihrer Einvernahme am 11.04.2017.

 

Die belangte Behörde stellte in ihrer bekämpften Entscheidung beweiswürdigend fest, dass die Erstbeschwerdeführerin keine asylrelevanten Gründe vorgebracht habe, sondern lediglich wirtschaftliche Gründe für das Verlassen ihres Herkunftslandes habe.

 

Dieser Einschätzung schließt sich die erkennende Richterin nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung an.

 

Es ist der Beschwerdeführerin nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass sie irgendwelchen Gefahren auf Grund einer früheren homosexuellen Beziehung bei einer Rückkehr nach Nigeria ausgesetzt wäre

 

Widersprüchlich gab die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeführerin an, sie seien von einer Nachbarin "erwischt" worden, die zu schreien begonnen habe, während sie in der Erstbefragung noch angab, es habe sich um den Vermieter gehandelt.

 

Während sie vor der belangten Behörde davon sprach, dass sie nicht mehr zurückkönne, weil die Polizei "auf eine Liste" geschrieben habe, dass sie lesbisch sei, und auch ihre Familie verhaftet habe, als sie nach ihr gesucht hätten, sprach sie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung davon, dass es die Leute des King (of Edo State) seien, die sie finden und umbringen würden, wenn sie wieder zurückkehren würde.

 

Zusammengefasst verharrte die Erstbeschwerdeführerin während der gesamten Einvernahme in einer wortkargen Darlegung einiger weniger Eckpunkte einer Schilderung, die Antworten auf die gestellten Fragen waren grundsätzlich kurz und total vage - eine detaillierte oder umfassende Schilderung der Ereignisse war ihr im Zuge der gesamten Einvernahme nicht möglich. Obwohl die Beschwerdeführerin seitens des erkennenden Richterin aufgefordert wurde, die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen, wurden die, für den Gang der Fluchtgeschichte erforderlichen Fragen, von ihr lediglich in äußerst knappster Weise und total pauschal beantwortet. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist jedoch davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend zu schildern, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist. Die knappen, vagen und inhaltsleeren Angaben der Erstbeschwerdeführerin waren jedoch nicht geeignet, eine Verfolgung glaubhaft zu machen, die sie dazu getrieben hätte, ihr Heimatland zu verlassen.

 

Auffällig ist in diesem Zusammenhang ebenso, dass sie an keiner Stelle nähere Umstände zum Mord an ihrer Freundin, mit der angeblich ein Jahr und acht Monate zusammen gewesen sei, ausführte, sondern lediglich vage angab, gehört zu haben, dass diese getötet werden sollte (Erstbefragung) bzw. getötet wurde (BFA).

 

Abschließend ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin selbst zugestanden hat, nunmehr nicht mehr homosexuell zu sein, weshalb schon aus diesem Grund eine Verfolgung ausgeschlossen werden kann.

 

Für die minderjährigen Kinder der Erstbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

 

2.4. Zu einer etwaigen Rückkehrgefährdung der Beschwerdeführer:

 

In Bezug auf eine gegen eine schwangere Frau aus Nigeria erlassene Rückkehrentscheidung führte der Verwaltungsgerichtshof kürzlich aus, dass den Länderfeststellungen zu Nigeria zu entnehmen sei, dass "Frauen ohne Partner oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt sind und diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen können". Der Verwaltungsgerichtshof betonte in weiterer Folge, dass alleinstehende Frauen in Nigeria besonderen Schwierigkeiten gegenüberstehen würden und dass es auch einer Bewertung aus der Perspektive des noch ungeborenen Kindes bedürfe. Die existentiellen Bedürfnisse des Kindes seien bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in den Blick zu nehmen (VwGH, 07.03.2019, Ra 2018/21/0141).

 

Es ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführer alleine nach Nigeria begeben müssen, zum Vater der Kinder besteht laut der Erstbeschwerdeführerin bereits seit Geburt des Drittbeschwerdeführers kein Kontakt mehr.

 

Wie oben erwähnt, ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass die Situation für alleinstehende Frauen schwierig ist. Im Falle der Erstbeschwerdeführerin sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Beschwerdeführer von der Familie in irgendeiner Form geächtet oder diskriminiert würde. Die Erstbeschwerdeführerin stand zumindest mit ihrer Mutter und auch mit ihrem Onkel in Kontakt und hat auch nichts dergleichen vorgebracht.

 

Die Erstbeschwerdeführerin hatte zwar in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie nach dem Tod ihrer Mutter keinen Kontakt mehr mit jemanden in Nigeria habe.

 

Angesichts der nicht glaubhaften Schilderungen ist auch nicht mit Sicherheit feststellbar, ob die Erstbeschwerdeführerin tatsächlich keinen Kontakt zu ihrer Familie, die ihren eigenen Angaben zu Folge nach dem Tod ihrer Eltern noch aus Onkel und Tanten und Schwestern besteht, mehr hat.

 

Es ist jedoch davon auszugehen, dass es der Beschwerdeführerin, die bis zu ihrem 29. Lebensjahr, wie der Großteil ihrer Familie, in Ishan wohnhaft war, möglich sein sollte, diese ausfindig zu machen und zu ihr zurückzukehren und sollte diese sie und ihre Kinder zumindest die erste Zeit unterstützen können.

 

Darauf hinzuweisen ist, dass sich die Beschwerdeführerin auch an dieser Stelle in Widersprüchlichkeiten verwickelte, in dem sie zunächst angab, ihre Familie lebe (weiterhin) in Ishan, und erst auf ergänzende Nachfrage angab, dass seit dem Tod ihrer Mutter niemand mehr dort lebe, obwohl sie bis zu diesem Zeitpunkt ihr ganzes Leben dort verbracht hätten.

 

Das Bundesverwaltungsgericht geht jedenfalls davon aus, dass die Erstbeschwerdeführerin wieder auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen könnte. Eine anfängliche Unterkunft wäre dadurch gesichert und wäre wohl auch davon auszugehen, dass sie Unterstützung bei der Kinderbetreuung bekommen könnte. Darüber hinaus bieten auch verschiedene Nichtregierungsorganisationen Frauen Unterstützung an. Die Erstbeschwerdeführerin leidet auch an keinen Erkrankungen und ist erwerbsfähig. Vor diesem Hintergrund geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass sich die Erstbeschwerdeführerin für sich und ihre Kinder eine, wenn auch bescheidene, Existenz sichern können sollte.

 

Auch wenn die Situation selbstverständlich nicht mit Österreich vergleichbar ist, kann dennoch nicht davon ausgegangen werden, dass ein Kind in Nigeria sich automatisch in einer existenzbedrohenden Notlage wiederfindet. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt unter Berücksichtigung der oben wiedergegebenen Feststellungen nicht, dass Kinder in Nigeria verschiedenen Risiken ausgesetzt sein können, es liegen jedoch bei den minderjährigen Beschwerdeführern keine besonderen Vulnerabilitäten vor, die zu einer besonderen Gefährdung in Nigeria führen würden.

 

Die Erstbeschwerdeführerin ist gesund und erwerbsfähig und hat Arbeitserfahrung als Friseurin.

 

Sie sollte daher auch in der Lage sein, in Nigeria einfache Tätigkeiten durchzuführen. Insgesamt kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Nigeria in keine Situation geraten werden, welche ihre Existenz bedroht oder sie in eine menschenunwürdige Lage bringt.

 

Insgesamt ist angesichts der Tatsache, dass nicht davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerinnen bei einer Rückkehr nach Nigeria auf sich allein gestellt sind, sondern von ihrer Familie eine gewisse Form von Unterstützung zu erwarten ist, nicht zu erwarten, dass diese in eine unmenschliche Lage bzw. Notlage geraten werden und ihre in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte verletzt werden.

 

2.5. Zu den Länderberichten:

 

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen im angefochtenen Bescheid wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben.

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

Die Beschwerdeführer traten den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert entgegen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A)

 

3.1. Zum Familienverfahren:

 

§ 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 lautet:

 

"Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;"

 

§ 34 AsylG 2005 lautet:

 

"(1) Stellt ein Familienangehöriger von

 

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

 

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

 

3. einem Asylwerber

 

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

 

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

 

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

 

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

 

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

 

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

 

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

 

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

 

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

 

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

 

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

 

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

 

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

 

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

 

Die Beschwerdeführer sind Mutter und Tochter bzw. Sohn und erfüllen daher jedenfalls die Familieneigenschaft des AsylG 2005, weswegen die Verfahren unter einem zu führen sind.

 

3.2. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide):

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Die Erstbeschwerdeführerin konnte nicht glaubhaft machen, dass ihr aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention Verfolgung droht; es ist nicht glaubhaft, dass sie in Nigeria wegen einer früheren gleichgeschlechtlichen Beziehung gesucht werden würde. Für die Zweitbeschwerdeführerin und den Drittbeschwerdeführer wurden keine Fluchtgründe vorgebracht.

 

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass den Beschwerdeführern im Herkunftsstaat Nigeria keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide waren daher abzuweisen.

 

3.3. Zum Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide):

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Die belangte Behörde hatte auch den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, und dies im Wesentlichen damit begründet, dass es der Erstbeschwerdeführerin nach ihrer Rückkehr in Nigeria möglich sein sollte, sich am Arbeitsmarkt zu integrieren, da sie erwerbsfähig und gesund sei.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443). Derart exzeptionelle Umstände liegen im Falle der Beschwerdeführer nicht vor.

 

Die Beschwerdeführer können bei einer Rückkehr nach Nigeria auf die Unterstützung der Familie der Erstbeschwerdeführerin zurückgreifen. Die Erstbeschwerdeführerin ist gesund und erwerbsfähig, auch bei der Zweitbeschwerdeführerin und dem Drittbeschwerdeführer liegen keine besonderen Vulnerabilitäten vor. Die Erstbeschwerdeführerin ist in der Lage, in Nigeria einfache Tätigkeiten durchzuführen. Insgesamt kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Nigeria in keine Situation geraten werden, welche ihre Existenz bedroht oder sie in eine menschenunwürdige Lage bringt.

 

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass den Beschwerdeführern im Herkunftsstaat Nigeria keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention droht. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide waren daher abzuweisen.

 

3.4. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III./1. Teil der angefochtenen Bescheide):

 

Gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel erforderlich ist.

 

Indizien dafür, dass die Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklichen, bei dem ihnen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen gewesen wären, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen.

 

Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war den Beschwerdeführern daher nicht zuzuerkennen.

 

3.5. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III./2. Teil der angefochtenen Bescheide):

 

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

 

Im gegenständlichen Fall verfügen die Beschwerdeführer einerseits über ein Familienleben durch ihre Beziehung zueinander. Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, so greift sie wohl in das Privatleben der Familienmitglieder ein, nicht aber in ihr Familienleben (EGMR, 9.10.2003, 48321/99, Slivenko gg Lettland, EGMR, 16.6.2005, 60654/00 Sisojeva gg Lettland).

 

Was den Vater der beiden Kinder betrifft, gab die Erstbeschwerdeführerin zwar zunächst an, mit diesem eine Beziehung zu führen, sie führte jedoch weiter aus, dass dieser in Italien lebe und sie zumindest seit der Geburt des zweiten Kindes (somit seit ca. acht Monaten) nicht mehr in Kontakt mit ihm stehe. Sie wisse nicht, wo er sich befinde.

 

Nach der Rsp. des EGMR sind Kinder aus einer Familienbeziehung im Sinne des Art. 8 EMRK zwar allein auf Grund ihrer Geburt und von diesem Zeitpunkt an ipso iure Teil dieser Familie. Mit der Trennung der Eltern endet nicht automatisch das Familienleben eines der Elternteile zu seinem minderjährigen Kind. Zur Beurteilung der Frage, ob ein "Familienleben" iSd Art 8 EMRK besteht, ist im Einzelfall auf das tatsächliche Vorliegen enger persönlicher Bindungen ("close personal ties") abzustellen, wobei es insbesondere auf das nachweisliche Interesse des betreffenden Elternteils am Kind und sein diesbezügliches Engagement ankommt (vgl. etwa das Urteil des EGMR vom 3. Dezember 2009, Zaunegger gegen Deutschland, Beschwerde Nr. 22028/04, Rdnr. 37 und 38, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR (siehe dazu auch die Entscheidung des VwGH vom 28.06.2011, Zl. 2008/01/0583).

 

Der Vater der Kinder stammt den Angaben der Beschwerdeführerin zufolge ebenfalls aus Nigeria. Umstände, die eine Aufnahme bzw. Forstsetzung des Familienlebens in Nigeria verhindern würden, wurden nicht angegeben. Der Rsp des EGMR folgend ist zum einen zweifelhaft, ob es sich bei den Kindern um "Kinder aus einer Familienbeziehung" handelt, dies kann jedoch angesichts des Umstands, dass offensichtlich keine (engen) persönlichen Bindungen vorliegen bzw. keinerlei Engagement in Form jeglicher Unterstützung besteht, dahingestellt bleiben, ein Familienleben ist daher nicht anzunehmen.

 

Eine Rückkehrentscheidung stellt daher keinen Eingriff in das Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK dar.

 

Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).

 

Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts der relativ kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes von weniger als fünf Jahren davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes der Erstbeschwerdeführerin das Interesse an der Achtung ihres Privatlebens überwiegt. Es liegen auch keine Aspekte einer außerordentlichen Integration vor; die Erstbeschwerdeführerin hat zwar begonnen, deutsch zu lernen und diesbezüglich ein Zeugnis zur Integrationsprüfung bestehend u.a. aus Inhalten zur Sprachkompetenz (Niveau A2) in Vorlage gebracht, in der mündlichen Beschwerdeverhandlung war es ihr aber praktisch unmöglich, sich ansatzweise auf deutsch zu verständigen. Ebenso legte sie eine Zusicherung für eine Stelle als Bürogehilfin vor, sobald sie über die notwendige Arbeitserlaubnis verfüge. Ohne die Bedeutung der Einstellungszusage zu verkennen, kann jene nicht als berufliche Integration im Sinne einer Erwerbsarbeit betrachtet werden (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0203 mwH) und erscheint die Möglichkeit einer derartigen Tätigkeit angesichts der fehlenden Sprachkenntnisse der Beschwerdeführerin zumindest zweifelhaft. Eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung kann daraus noch nicht geschlossen werden.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde vor etwas über zwei Jahren bzw. der Drittbeschwerdeführer vor ca. acht Monaten in Österreich geboren, beide befinden sich in einem anpassungsfähigen Alter, so dass auch aus dieser Perspektive eine Rückkehrentscheidung verhältnismäßig erscheint.

 

Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt aber nicht vor.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

 

3.6. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III./3. Teil der angefochtenen Bescheide):

 

Mit den angefochtenen Bescheiden wurde zudem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Nigeria zulässig ist. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse vom 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 - 0062).

 

Zudem liegt, wie oben dargelegt wurde, kein Grund vor, für den Fall einer Abschiebung der Beschwerdeführer nach Nigeria eine Verletzung der in Art. 2, 3 oder 8 geschützten Rechte anzunehmen.

 

Die Beschwerden waren daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. der angefochtenen Bescheide abzuweisen.

 

3.7. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide):

 

In den angefochtenen Bescheiden wurde eine Frist von zwei Wochen zur freiwilligen Ausreise festgelegt. Dass besondere Umstände, die die Beschwerdeführer bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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