BVwG W211 2163546-1

BVwGW211 2163546-15.7.2019

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W211.2163546.1.00

 

Spruch:

W211 2163546-1/14E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

 

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Somalias, stellte am XXXX .2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und gab bei ihrer Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX 2016 als Fluchtgrund an, einem Minderheitenstamm anzugehören. Ihr Mann sei von Islamisten entführt worden, und habe auch sie Angst, entführt zu werden. Die Familie ihres Mannes habe ihr die Kinder weggenommen.

 

2. Am XXXX .2017 wurde die Beschwerdeführerin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, wobei sie angab, aus Qoryooley zu kommen und außerhalb der Stadt im Busch gelebt zu haben. Sie sei eine Madhibaan und habe sechs Kinder. Ihr Mann sei von der Al Shabaab verschleppt worden. Ihr Mann sei Hawiye gewesen; zwischen ihrer Familie und der ihres Mannes habe es Streitereien gegeben. Ihre Mutter, ihre Kinder und ihre Schwestern würden noch im Busch leben. Nach dem Ausreisegrund befragt gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr Mann eines Nachts von Al Shabaab mitgenommen worden sei. Sie habe Angst gehabt, dass auch sie mitgenommen werden würde. Außerdem habe sie Angst gehabt, dass die Familie ihres Mannes sie für dessen Mitnahme beschuldigen würde. Ihre Kinder seien ein Monat nach der Verschleppung des Mannes von dessen Familie abgeholt worden; sie und auch ihre Mutter seien von der Familie ihres Mannes geschlagen worden. Die Kinder seien seit Mai 2017 wieder bei der Mutter der Beschwerdeführerin.

 

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III).

 

Gegen Spruchpunkt I. des Bescheids wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht.

 

4. Am XXXX .2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung mit der Beschwerdeführerin, ihrer Vertreterin und einer Dolmetscherin für die somalische Sprache durch. Ein_e Vertreter_in der belangten Behörde entschuldigte sich für die Teilnahme an der Verhandlung.

 

Eine schriftliche Stellungnahme zu den aktualisierten Länderberichten langte nicht ein.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Beschwerdeführerin:

 

Die Beschwerdeführerin ist eine Staatsangehörige Somalias, gehört den Madhibaan an und stammt aus der Umgebung von Qoryooley.

 

Die Beschwerdeführerin hat keine Schule besucht und arbeitete am Feld. Sie heiratete im Jahr 2001 ihren Mann und lebte mit diesem bis zu dessen Verschleppung Mitte 2015. In Somalia leben die Mutter der Beschwerdeführerin, ihre zwei Töchter und vier Söhne, sowie ein Adoptivsohn bzw. ihr Neffe. Zwei Schwestern leben mit ihren Familien ebenfalls in der Umgebung. Die Beschwerdeführerin steht mit ihrer Mutter in Kontakt.

 

Die Beschwerdeführerin leidet an einem lateralen Diskusprolaps L5/S1 M51.2 rechts medio und erhielt eine analgetische Therapie bei einem stationären Krankenhausaufenthalt vom XXXX 10.2016 (Entlassungsbrief XXXX vom XXXX .2016). Am 06.10.2017 wurde ein neuerliches MRT durchgeführt und folgendes diagnostiziert: Osteochondrose Modic II L5/S1, Retrospondylose in diesem Segment, medianer Prolaps (siehe Befundbericht vom XXXX 2017). Am XXXX .2018 wurde im XXXX eine CT-gezielte Nervenwurzelblockade L5 und S1 rechts mit Xyloneural und Volon A 80mg behandelt (Bestätigung vom XXXX .2018).

 

Am XXXX 2019 hatte die Beschwerdeführerin einen Unfall und verblieb bis XXXX .2019 unter Bekanntgabe einer Reihe von Diagnosen in stationärer Behandlung. Als Therapievorschlag wurde im Arztbrief angeführt: neurologische Untersuchung am XXXX .2019; auswärtige Heilgymnastik und Rezept für Seractil und Neurontin 300mg (Schmerzmittel, Nervenschmerzmittel) (Arztbrief XXXX vom XXXX .2019).

 

1.2. Es werden die folgenden Feststellungen zur relevanten Situation in Somalia getroffen:

 

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation:

 

Die al Shabaab hat 2017 einige Gebiete im Shabelle-Tal zurückgewonnen, darunter die Stadt Bariire. Regierungskräfte hatten sich von dort aus Protest gegen Rückstände bei der Auszahlung des Soldes zurückgezogen (ICG 20.10.2017). Die Bezirke Merka, Qoryooley und Afgooye sind besonders hart von der Gewalt betroffen (DIS 3.2017). Einerseits bildet das Dreieck Afgooye-Mogadischu-Merka das einsatztechnische Schwergewicht der al Shabaab (BFA 8.2017). Andererseits ist die Gewalt im Gebiet eher von Clanauseinandersetzungen geprägt, als von al Shabaab (DIS 3.2017). Die drei maßgeblichen Akteure im Dreieck sind folglich AMISOM, Milizen und al Shabaab. Dabei kommt es in und um Afgooye häufig zu Anschlägen und Angriffen (BFA 8.2017). Zwar wird Afgooye von AMISOM kontrolliert (DIS 3.2017), doch ist die al Shabaab bereits mehrfach in die Stadt eingedrungen und hat die SNA dort auch regelmäßig zurückgeworfen. Genauso regelmäßig ist die al Shabaab aus Afgooye auch wieder abgezogen. Al Shabaab hat bisher nicht erkennen lassen, dass sie die Stadt länger besetzt halten oder mit der dort stationierten AMISOM den Kampf aufnehmen möchte (BFA 8.2017).

 

Qoryooley wird zwar von AMISOM kontrolliert (DIS 3.2017), doch ist das Gebiet gefährdet. Gleichzeitig gibt es in diesem Gebiet auch Clan-Konflikte, v.a. zwischen Habr Gedir, Biyomaal und Rahanweyn. Die Fruchtbarkeit der Gegend ist ein Mitgrund für die Dichte an Gewalttätigkeiten. Es kommt häufig zum Streit über Ressourcen; und viele Clans sind involviert. Die al Shabaab und AMISOM ergreifen im Rahmen derartiger Konflikte Partei (BFA 8.2017).

 

Berufsständische Gruppen unterscheiden sich hinsichtlich Abstammung, Sprache und Kultur nicht von der Mehrheitsbevölkerung. Anders als die "noblen" Clans wird ihnen aber nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können. Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet. Die berufsständischen Gruppen stehen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie der somalischen Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten (SEM 31.5.2017). Madhiban sind in ganz Somalia zu finden, speziell aber im Norden des Landes (SEMG 8.11.2017). Ein v. a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017).

 

Dabei sind Madhiban teils schwerer Diskriminierung ausgesetzt. Ein Beispiel der Benachteiligung zeigt sich im Konflikt um Galkacyo, wo die Madhiban durch humanitäre Organisationen benachteiligt wurden. Da den Madhiban in IDP-Lagern dort die Aufnahme verweigert wurde, haben sie mit Hilfe einiger Angehöriger in der Diaspora den Kauf eines geeigneten Grundstücks in Galkacyo organisiert, um dort Madhiban-IDPs unterzubringen. Im August 2017 taten es die Tumal den Madhiban gleich (SEMG 8.11.2017).

 

Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffen oder Misshandlungen hinsichtlich der Gabooye (SEM 31.5.2017).

 

Einzig in der Frage der Mischehen besteht noch eine gesellschaftliche Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Als besonders problematisch wird es angesehen, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch. Mischehen kommen äußerst selten vor - insbesondere die zuletzt genannte Konstellation. Es bestehen aber offenbar regionale Unterschiede: Im clanmäßig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums sind Mischehen seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden. Hawiye und Rahanweyn sehen die Frage der Mischehe weniger eng. Außerdem ist der Druck auf Mischehen insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt (SEM 31.5.2017).

 

Kommt eine Mischehe zustande, dann kommt es häufig zur Verstoßung der betroffenen Person durch die eigenen Familienangehörigen (des Mehrheits-Clans). Sie besuchen sie nicht mehr, kümmern sich nicht um ihre Kinder oder brechen den Kontakt ganz ab; es kommt zu sozialem Druck. Die Gesprächspartner der Fact-Finding Mission bekräftigten, dass es unter solchen Umständen so gut wie nie zu Gewalt oder gar Tötungen kommt. Seltene Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, sind in somaliländischen Medien dokumentiert (SEM 31.5.2017).

 

Insgesamt ist aber die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel weniger gut organisiert sind und eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z.B. die Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum benachteiligt Minderheitenangehörige bei der Arbeitssuche, bei der ohnehin auch oft schon die Clanzugehörigkeit zu Diskriminierung führen kann. Da sie über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren Angehörige berufsständischer Gruppen zudem in geringerem Ausmaß von Auslandüberweisungen als die Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017).

 

Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige der berufsständischen Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Sie stellen zwar nach wie vor die ärmste Bevölkerungsschicht; trotzdem gibt es Minderheitenangehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft. (SEM 31.5.2017).

 

Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär. Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe - insbesondere in IDP-Lagern - ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet (AA 1.1.2017).

 

Die somalische Regierung hat 2014 einen Aktionsplan zur Bekämpfung sexueller Übergriffe verabschiedet. Die Implementierung geschieht jedoch sehr langsam (ÖB 9.2016). Außerdem wurde im Mai 2016 ein Nationaler Gender Policy Plan verabschiedet. Dieser Plan wurde von der Somali Islamic Scholars Union verurteilt; der Somali Religious Council hat die vorgesehene 30%-Quote für Abgeordnete im somalischen Parlament als gefährlich bezeichnet (USDOS 3.3.2017).

 

Auch wenn Gewalt gegen Frauen in der Verfassung verboten ist (USDOS 3.3.2017), bleiben häusliche (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 1.1.2017, ÖB 9.2016) und sexuelle Gewalt gegen Frauen ein großes Problem (UNSC 5.9.2017). Generell grassiert sexuelle Gewalt ungebremst. Im Zeitraum September 2016 bis März 2017 wurden von UNSOM alleine in den von der Dürre betroffenen Gebieten 3.200 Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt dokumentiert (UNHRC 6.9.2017). Besonders betroffen sind davon IDPs in Flüchtlingslagern (ÖB 9.2016; vgl. USDOS 3.3.2017, UNSC 5.9.2017). Im Jahr 2015 waren 75% der Opfer sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt IDPs (ÖB 9.2016). Die IDP-Lager bieten kaum physischen oder Polizeischutz (UNSC 5.9.2017). Auch Frauen und Mädchen von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen. Dabei gibt es aufgrund der mit einer Vergewaltigung verbundenen Stigmatisierung der Opfer eine hohe Dunkelziffer (USDOS 3.3.2017). Die Täter sind bewaffnete Männer, darunter auch Regierungssoldaten und Milizionäre (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017, ÖB 9.2016). Im ersten Trimester 2017 wurden 28 Fälle von konfliktbezogener sexueller Gewalt dokumentiert, im letzten Trimester 2016 waren es 13. Dieser Anstieg kann vermutlich mit der wachsenden Zahl an Dürre-bedingten IDPs erklärt werden (UNSC 9.5.2017). Von staatlichem Schutz kann - zumindest für die am meisten vulnerablen Fälle - nicht ausgegangen werden (HRW 12.1.2017; vgl. ÖB 9.2016).

 

Vergewaltigung ist zwar gesetzlich verboten (AA 1.1.2017), die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (USDOS 3.3.2017). Strafverfolgung oder Verurteilungen wegen Vergewaltigung oder anderer Formen sexueller Gewalt sind in Somalia dennoch rar (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016, USDOS 3.3.2017). Generell herrscht Straflosigkeit, bei der Armee wurden aber einige Soldaten wegen des Vorwurfs von Vergewaltigung verhaftet (USDOS 3.3.2017). Manchmal verlangt die Polizei von den Opfern, die Untersuchungen zu ihrem eigenen Fall selbst zu tätigen. Frauen fürchten sich davor, Vergewaltigungen anzuzeigen, da sie mit möglichen Repressalien rechnen (USDOS 3.3.2017).

 

Al Shabaab hat Vergewaltiger zum Tode verurteilt (USDOS 3.3.2017). Andererseits gibt es Berichte die nahelegen, dass sexualisierte Gewalt von der al Shabaab gezielt als Taktik im bewaffneten Konflikt eingesetzt wird (AA 1.1.2017).

 

Auch traditionelle bzw. informelle Streitschlichtungsverfahren können das schwache Durchgreifen des Staates nicht ersetzen, da sie dazu neigen, Frauen zu diskriminieren und Täter nicht zu bestrafen (ÖB 9.2016). Dabei werden Vergewaltigungen oder sexuelle Übergriffe meist vor traditionellen Gerichten abgehandelt, welche entweder eine Kompensationszahlung vereinbaren oder aber eine Ehe zwischen Opfer und Täter erzwingen (USDOS 3.3.2017; vgl. UNHRC 6.9.2017). Auch Gruppenvergewaltigungen werden hauptsächlich zwischen Ältesten verhandelt. Die Opfer erhalten keine direkte Entschädigung, diese geht an die Familie (UNHRC 6.9.2017). Das patriarchalische Clansystem und xeer an sich bieten Frauen keinen Schutz. Wird ein Vergehen gegen eine Frau gemäß xeer gesühnt, dann wird zwar die Familie des Opfers finanziell kompensiert, der Täter aber nicht bestraft (SEM 31.5.2017).

 

Auch unter der neuen Verfassung gilt in Somalia weiterhin das islamische Scharia-Recht, auf dessen Grundlage auch die Eheschließung erfolgt. Polygamie ist somit erlaubt, ebenso die Ehescheidung (ÖB 9.2016). Laut Übergangsverfassung sollen beide Ehepartner das "age of maturity" erreicht haben; als Kinder werden Personen unter 18 Jahren definiert. Außerdem sieht die Verfassung vor, dass beide Ehepartner einer Eheschließung freiwillig zustimmen müssen. Trotzdem ist die Kinderehe verbreitet. In ländlichen Gebieten verheiraten Eltern ihre Töchter manchmal schon im Alter von zwölf Jahren. Insgesamt wurden 45% der Frauen im Alter von 20-24 Jahren bereits mit 18 Jahren, 8% bereits im Alter von 15 Jahren verheiratet (USDOS 3.3.2017).

 

Zu von der al Shabaab herbeigeführten Zwangsehen kommt es auch weiterhin (SEMG 8.11.2017), allerdings nur in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten (DIS 3.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Das Ausmaß ist unklar. Manchmal werden die Eltern der Braut bedroht. Zwangsehen der al Shabaab in städtischen Zentren sind nicht bekannt (DIS 3.2017). Die Gruppe nutzt zusätzlich das System der Madrassen (Religionsschulen), um potentielle Bräute für die eigenen Kämpfer zu identifizieren (SEMG 8.11.2017). Immer mehr junge Frauen werden radikalisiert und davon angezogen, eine "Jihadi-Braut" werden zu können (SEMG 8.11.2017; vgl. BFA 8.2017).

 

Al Shabaab setzt Frauen - manchmal auch Mädchen - zunehmend operativ ein, etwa für den Waffentransport in und aus Operationsgebieten; für die Aufklärung und zur Überwachung (SEMG 8.11.2017); oder als Selbstmordattentäterinnen (DIS 3.2017).

 

Sowohl im Zuge der Anwendung der Scharia als auch bei der Anwendung traditionellen Rechtes sind Frauen nicht in Entscheidungsprozesse eingebunden (USDOS 3.3.2017). Zudem gelten die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivilrechts und Strafrechts, die Frauen tendenziell benachteiligen bzw. einem (übersteigerten) paternalistischen Ansatz folgen. Für Frauen gelten entsprechend andere gesetzliche Maßstäbe als für Männer. So erhalten beispielsweise Frauen nur 50% der männlichen Erbquote. Bei der Tötung einer Frau ist im Vergleich zur Tötung eines Mannes nur die Hälfte des an die Familie des Opfers zu zahlenden "Blutgeldes" vorgesehen (AA 1.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Erwachsene Frauen und viele minderjährige Mädchen werden zur Heirat gezwungen (AA 1.1.2017). Insgesamt gibt es hinsichtlich der grundsätzlich diskriminierenden Auslegungen der zivil- und strafrechtlichen Elemente der Scharia keine Ausweichmöglichkeiten, die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivil- und Strafrechts gelten auch in Puntland und Somaliland. Gleichwohl gibt es politische Ansätze, die mittel- bis langfristig eine Annäherung des Status von Mann und Frau anstreben. In den von der al Shabaab kontrollierten Gebieten werden die Regeln der Scharia in extremer Weise angewandt - mit der entsprechenden weitergehenden Diskriminierung von Frauen als Folge (AA 1.1.2017).

 

Eigentlich wären für das Parlament 30% Sitze für Frauen vorgesehen. Bis zur Neuwahl des Parlaments stellten diese aber nur 14% von 275 Abgeordneten (USDOS 3.3.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Im neuen Unterhaus und im Oberhaus des Parlaments stellen Frauen nunmehr 24% der Abgeordneten. 23% der Mitglieder des Ministerkabinetts sind Frauen (UNSC 9.5.2017; vgl. UNHRC 6.9.2017). 13 von 54 Abgeordneten im Oberhaus sind Frauen (NLMBZ 11.2017). Im Ältestenrat von Puntland war noch nie eine Frau vertreten, im 66sitzigen Repräsentantenhaus sind es zwei, es gibt auch zwei Ministerinnen (USDOS 3.3.2017).

 

Generell haben Frauen nicht die gleichen Rechte, wie Männer, und sie werden systematisch benachteiligt (USDOS 3.3.2017). Frauen leiden unter schwerer Ausgrenzung und Ungleichheit in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten (ÖB 9.2016), und unter Diskriminierung bei Kreditvergabe, Bildung und Unterbringung. Laut einem Bericht einer somaliländischen Frauenorganisation aus dem Jahr 2010 besaßen dort nur 25% der Frauen Vieh, Land oder anderes Eigentum. Allerdings werden Frauen beim Besitz und beim Führen von Unternehmen nicht diskriminiert - außer in den Gebieten der al Shabaab (USDOS 3.3.2017).

 

1.3. Die Beschwerdeführerin heiratete im Jahr 2001 einen Angehörigen der Hawiye und lebte mit diesem bis zu seiner Verschleppung Mitte 2015 zusammen. Das Paar hat sechs gemeinsame Kinder. Die Beschwerdeführerin lebte in der Nähe bzw. neben ihrer Mutter; zwei Schwestern mit ihren Familien leben ebenfalls in der Umgebung, und die Familie ihres Mannes ca. eine Stunde oder etwas mehr zu Fuß entfernt. Mit ihrer Mutter steht die Beschwerdeführerin in Kontakt.

 

Mitte 2015 wurde der Mann der Beschwerdeführerin verschleppt, möglicherweise von Al Shabaab. Davor hatte die Beschwerdeführerin keine Probleme mit Al Shabaab, sie selbst machte auch keine Erfahrungen mit der Miliz. Warum ihr Mann von möglicherweise dieser verschleppt wurde, weiß die Beschwerdeführerin nicht.

 

Mit der Familie ihres Mannes hat sich die Beschwerdeführerin nicht verstanden; sie wurde von diesem als Madhibaan nicht akzeptiert. Ein Monat, nachdem der Mann der Beschwerdeführerin verschleppt wurde, nahm die Familie des Mannes gegen den Willen der Beschwerdeführerin deren Kinder zu sich, wo sie bis Juli 2017 blieben. Im Juli 2017 kehrten die Kinder zur Mutter der Beschwerdeführerin zurück, wo sie bis jetzt leben, wobei zuerst die älteren Kinder von sich aus zurückkehrten, und die Schwiegerfamilie dann die jüngeren Kinder nachbrachte.

 

Die Beschwerdeführerin verließ ihre Heimatgegend Ende Jänner 2016. Für die Reise verkaufte ihre Mutter einen Teil ihrer Tiere.

 

Eine Gefährdung der Beschwerdeführerin durch Al Shabaab kann nicht festgestellt werden.

 

Eine Gefährdung der Beschwerdeführerin durch die Familie ihres Mannes wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Madhibaan kann ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Die Beschwerdeführerin verfügt in ihrer Heimatgegend über ihre Mutter, ihre sechs Kinder, ein Ziehkind sowie in der Umgebung über zwei Schwestern, die mit ihren Männern und Familien dort leben. Sie kann daher nicht als alleinstehend und als gezwungen angesehen werden, sich im Falle einer Rückkehr in ein IDP Camp begeben zu müssen.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden.

 

Das Datum der Antragstellungen und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

 

2.2. Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit, zur Herkunftsregion und zum Clan, zur fehlenden Schulbildung und Arbeit in Somalia, zur Heirat im Jahr 2001 und Ehe, zu den verbliebenen Familienangehörigen in Somalia und zum Kontakt zu diesen, beruhen auf den Angaben der Beschwerdeführerin im Laufe des Verfahrens.

 

Die Feststellungen zu den gesundheitlichen Problemen der Beschwerdeführerin gründen sich auf die dort in Klammer angeführten und aktenkundigen Unterlagen.

 

2.3. Die Feststellungen zur relevanten Situation in Somalia basieren auf dem Landesinformationsblatt der Staatendokumentation vom 12.01.2018 und dabei auf den folgenden Detailquellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf , Zugriff 10.11.2017

 

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, an der Aktualität, Verlässlichkeit und Relevanz der Informationen zu zweifeln.

 

2.4. Betreffend die Sorgen, die die Beschwerdeführerin im Laufe des Verfahrens in Bezug auf Somalia ausgedrückt hat, werden unter 1.3. Feststellungen zu den Lebensumständen der Beschwerdeführerin dort getroffen, die auf ihren eigenen Angaben beruhen - vgl. dazu insbesondere das Protokoll der Einvernahme bei der belangten Behörde vom XXXX .2017 (AS 87ff) und das Verhandlungsprotokoll vom XXXX .2019.

 

Zum Wohnort der Schwestern meinte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung zuerst, dass diese in der Nähe der Mutter leben würden, um erst in weiterer Folge, als sie gefragt wurde, warum sie deren Schutz nicht in Anspruch genommen hat, zu sagen, dass diese weit entfernt leben würden (vgl. S. 9 des Verhandlungsprotokolls). Im Lichte dessen, dass die Beschwerdeführerin die Verortung anderer Verwandten, die sie nicht kennt oder die sie lange nicht mehr gesehen hat, "woanders" annimmt (vgl. Verhandlungsprotokoll S. 6) und ihre Schwestern und Mutter hingegen zusammen nannte und sagt, dass "sie dort am Land waren" (ebda.), geht die erkennende Richterin davon aus, dass die Schwestern mit ihren Familien in der Umgebung des ehemaligen Wohnorts der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter leben.

 

Zum Wohnort der Familie ihres Mannes machte die Beschwerdeführerin in der Verhandlung die Angabe, diese habe nicht weit weg von ihnen gelebt, weniger als eine Stunde zu Fuß (Verhandlungsprotokoll S 8); im Rahmen der Einvernahme bei der belangten Behörde meinte die Beschwerdeführerin, sie hätten nicht weit auseinander gewohnt, man könne auch schon einige Stunden zu Fuß gehen (vgl. AS 109). Die erkennende Richterin schließt aus diesen Angaben, dass die Schwiegerfamilie ca. eine Stunde, vielleicht etwas mehr, zu Fuß von der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter entfernt wohnte.

 

Dass der Mann der Beschwerdeführerin verschleppt wurde, wird nicht angezweifelt. Dass es sich dabei jedenfalls um Al Shabaab gehandelt hat, kann in dieser Form und im Lichte der vielen mitwirkenden Akteure im Konflikt in der Region (vgl. oben unter 1.2.) nicht jedenfalls festgestellt werden. Die Beschwerdeführerin selbst geht davon aus, dass Al Shabaab ihren Mann verschleppten. Auf die Frage, warum sie das annehme, meinte sie bei der belangten Behörde, dass es sonst keine Leute gebe, die Menschen verschleppen würden (AS 103). Sie selbst habe nicht mitbekommen, wer die Männer bei jenem Überfall gewesen seien (ebda.). Daher wird die Feststellung dahingehend getroffen, dass der Mann der Beschwerdeführerin verschleppt wurde, möglicherweise von Al Shabaab.

 

Die Feststellungen zu fehlenden früheren Kontakten und Problemen mit Al Shabaab und dazu, dass der Grund für die Verschleppung nicht bekannt war, gründen sich auf den Angaben der Beschwerdeführerin in der Verhandlung (vgl. S. 8 des Verhandlungsprotokolls).

 

Die Feststellungen zu den Problemen mit der Familie ihres Mannes und zur Mitnahme der Kinder sowie zu deren Rückkehr zur Mutter der Beschwerdeführerin gründen sich auf die Angaben der Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung (vgl. zB AS 95, AS 101, AS 107ff des Einvernahmeprotokolls und S. 7 ff des Verhandlungsprotokolls).

 

Die Feststellung zum Ausreisezeitpunkt und zur Finanzierung basiert ebenfalls auf den Angaben der Beschwerdeführerin im Laufe des Verfahrens (S. 7 des Verhandlungsprotokolls und AS 97 und 99f des Einvernahmeprotokolls).

 

Eine Feststellung zu einer Gefährdung der Beschwerdeführerin durch Al Shabaab konnte hingegen nicht erfolgen: zum einen ist bereits nicht restlos geklärt, ob der Mann der Beschwerdeführerin tatsächlich von der Miliz mitgenommen wurde; ein allfälliger Grund für einen Konflikt zwischen dem Mann der Beschwerdeführerin und der Al Shabaab ist nicht bekannt. Weiter gab die Beschwerdeführerin selbst an, vor der Mitnahme ihres Mannes keine Erfahrungen mit der Miliz gemacht oder Probleme mit dieser gehabt zu haben. Wesentliche Berührungspunkte mit Al Shabaab scheint es also im Leben der Beschwerdeführerin nicht gegeben zu haben. Schließlich muss auch gesehen werden, dass die Beschwerdeführerin erst ungefähr ein halbes Jahr nach der Verschleppung ihres Mannes aus der Region ausreiste, was sich nicht mit einer akuten Furcht, auch von der Miliz belangt zu werden, vereinbaren lässt. Darüber hinaus berichtete sie von keinen Problemen mit der Miliz im Zeitraum nach der Verschleppung ihres Mannes. Dazu, dass alleinstehende Frauen von der Miliz vergewaltigt oder zwangsverheiratet werden würden, muss bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Beschwerdeführerin nicht als entsprechend schutzlos und alleinstehend angesehen werden kann: so leben zwei ihrer Schwestern, die verheiratet sind (vgl. S 9 des Verhandlungsprotokolls), mit ihren Männern und Familien in der Nähe der Mutter, also in der Umgebung der Heimatregion der Beschwerdeführerin. Einen Grund dafür, warum die Beschwerdeführerin von ihren Schwestern und deren Männern keinen Schutz und keine Unterstützung in Anspruch nehmen können würde, konnte sie in der Verhandlung nicht nennen. Dort meinte sie auf diese Frage hin, dass diese zu weit entfernt gelebt hätten, was jedoch bereits oben in der Beweiswürdigung als nicht weiter zu verfolgende Schutzbehauptung gewertet wurde. Eine sonstige Erklärung dafür, dass der Beschwerdeführerin Schutz und Unterstützung ihrer Verwandten nicht zur Verfügung stehen würde, kam im Verfahren nicht hervor. Es kann daher im Ergebnis aufgrund einerseits der fehlenden persönlichen Erfahrungen der Beschwerdeführerin mit der Miliz und ihrer konkreten Umstände nicht davon ausgegangen werden, dass sie im Falle einer Rückkehr einer Bedrohung durch die Miliz ausgesetzt wäre.

 

Ebenso wenig kann eine Bedrohung der Beschwerdeführerin durch die Familie ihres Mannes festgestellt werden: während auch die aktuellen Länderberichte ausführen, dass Mischehen zwischen Angehörigen von Mehrheitsclans (und ein solcher sind die Hawiye) und Angehörigen von insbesondere berufsständischen Minderheiten nach wie vor nicht akzeptiert werden, so geht aus diesen weiter hervor, dass es in diesem Zusammenhang so gut wie nie zu Gewalt und Tötungen kommt. Grundsätzlich ist die Toleranz Mischehen gegenüber im Süden eher höher als im Norden, und sind auch die Hawiye im Süden weniger streng in dieser Angelegenheit als zB die Isaaq im Norden. Schließlich ist es auch weniger problematisch, wenn ein Mehrheitsmann eine Minderheitenfrau heiratet - so wie im gegenständlichen Fall. Die Länderberichte erläutern weiter, dass es normalerweise im Falle einer Mischehe zu sozialer Ächtung, zum Abriss der familiären Beziehung kommt. Im Lichte dieser Ausführungen ist nachvollziehbar, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Mann von dessen Familie nicht akzeptiert worden und es zu Streitereien und vielleicht auch zu Beschimpfungen zwischen den Familien gekommen ist. Eine entsprechende Gefährdung der Beschwerdeführerin kann trotzdem nicht festgestellt werden: Dagegen spricht im konkreten Fall bereits, dass die Ehe 2001 geschlossen und bis 2015 geführt wurde, offenbar ohne schwere Eingriffe der Schwiegerfamilie in das Leben der Beschwerdeführerin und ihres Mannes. Warum es bei einer allfälligen Rückkehr der Beschwerdeführerin nunmehr zur Bedrohung mit dem Tod kommen soll, kann aus den Angaben der Beschwerdeführerin und aus den diesbezüglichen Länderberichten nicht abgeleitet werden.

 

Dass die Schwiegerfamilie der Beschwerdeführerin vorwerfen würde, sie sei schuld an der Verschleppung des Mannes, wurde nicht weiter begründet: die Beschwerdeführerin meinte selbst auf Nachfrage der belangten Behörde, dass sie von der Familie ihres Mannes nicht beschuldigt wurde, an seinem Verschwinden Schuld zu sein (vgl. AS 107). Hinweise darauf, dass dem doch so sein würde, haben sich im Verfahren nicht ergeben.

 

Die Abnahme der Kinder - gegen den Willen der Beschwerdeführerin - nach der Verschleppung ihres Mannes muss als wesentlicher Einschnitt in das Leben der Beschwerdeführerin mit ihren Kindern und ihrer Familie gewertet werden und soll an dieser Stelle keineswegs banalisiert werden. Für die Prüfung einer aktuell drohenden Gefährdung der Beschwerdeführerin durch auch solche Übergriffe der Schwiegerfamilie muss aber dennoch zur Kenntnis genommen werden, dass die Kinder nach den Angaben der Beschwerdeführerin selbst im Juli 2017 wieder zur Mutter der Beschwerdeführerin zurückkehrten und seither dort leben (vgl. AS 111ff und S 6 des Verhandlungsprotokolls). Ein Hinweis auf drohende Eingriffe dieser Art auch in das Familienleben der Beschwerdeführerin durch ihre Schwiegerfamilie im Falle einer Rückkehr lässt sich aus ihrer konkreten Situation nicht entnehmen.

 

Ebenso wenig kann die Beschwerdeführerin als alleinstehende Minderheitenangehörige, der Gefährdung in einem IDP Lager drohen könnte, angesehen werden: wie bereits weiter oben dargestellt, leben in ihrer Herkunftsregion noch ihre Mutter mit den Kindern sowie zwei verheiratete Schwestern mit deren Familien. Gründe dafür, dass die Beschwerdeführerin durch zB die Familien ihrer Schwestern keine entsprechende Unterstützung in Anspruch nehmen könnte, kamen im Verfahren nicht hervor.

 

Dass die Beschwerdeführerin als Madhibaan Diskriminierung erlitten hat, in einem beeinträchtigten gesundheitlichen Zustand ist und aus einer ausgesprochen konfliktbehafteten Region in Somalia stammt, wird an dieser Stelle keineswegs übersehen, doch wurde ihr - wohl auch in Hinblick auf diese Faktoren - subsidiärer Schutz in Österreich erteilt.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

A) Spruchpunkt I.:

 

3.1. Rechtsgrundlagen

 

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation der Asylwerberin unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob die Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat der Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).

 

3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständlichen Beschwerden:

 

3.2.1. In Hinblick auf die getroffenen Feststellungen und die Beweiswürdigung kann keine aktuelle und maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr der Beschwerdeführerin durch die Al Shabaab wegen einer ihr auch nur unterstellten oppositionellen religiösen oder politischen Gesinnung oder wegen ihrer Mitgliedschaft zur sozialen Gruppe der Frauen angenommen werden.

 

Auch kann nicht von einer aktuellen und maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr durch die Familie ihres Mannes wegen ihrer Clanzugehörigkeit, und damit wegen ihrer Mitgliedschaft zur sozialen Gruppe der Familie bzw. Ethnie, ausgegangen werden.

 

Da die Beschwerdeführerin noch über - auch männliche - Familienangehörige in ihrer Herkunftsregion verfügt, kann in ihrem Fall auch keine aktuelle und maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr als Mitglied der sozialen Gruppe der Frauen, die in einem IDP Lager einer besonderen Gefahr der geschlechtsspezifischen Verfolgung ausgesetzt wären, festgestellt werden.

 

3.2.2. In Bezug auf die nach wie vor dokumentierte besonders volatile Sicherheitslage in der Herkunftsregion der Beschwerdeführerin, ihre Minderheitenzugehörigkeit, ihren Gesundheitszustand und die allgemeine prekäre Situation von Frauen in Somalia wurde ihr zu Recht subsidiärer Schutz in Österreich gewährt.

 

3.2.3. Sonstige asylrelevante Gründe für eine mögliche Verfolgung wurden nicht vorgebracht und ergeben sich auch für das Bundesverwaltungsgericht nicht aus der Akten- und Berichtslage. Mangels Bestehen einer aktuellen maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, kann daher der Beschwerde zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids nicht stattgegeben werden.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte