AlVG §25
AlVG §38
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W228.2200714.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter KommR Walter PLATTETER sowie Franz KOSKARTI als Beisitzer in der Beschwerdesache von XXXX , SV XXXX , vertreten durch die Rechtsanwältin Dr.XXXX, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Dresdner Straße (im Folgenden: AMS) vom 24.01.2018 wurde gemäß 24 Abs. 2 AlVG der Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum 01.01.2016 bis 29.03.2016 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und wurde XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 2.997,52 verpflichtet. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum 01.01.2016 bis 29.03.2016 zu Unrecht bezogen habe, da er einer selbständigen Tätigkeit nachgegangen sei, welche der Pensionsversicherung unterliege und dies nicht rechtzeitig dem AMS gemeldet habe.
Mit Bescheid des AMS ebenfalls vom 24.01.2018 wurde gemäß § 38 iVm 24 Abs. 2 AlVG der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum 30.03.2016 bis 30.04.2016 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und wurde der Beschwerdeführer zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von € 991,68 verpflichtet. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum 30.03.2016 bis 30.04.2016 zu Unrecht bezogen habe, da er einer selbständigen Tätigkeit nachgegangen sei, welche der Pensionsversicherung unterliege und dies nicht rechtzeitig dem AMS gemeldet habe.
Gegen diese beiden Bescheide erhob die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 12.02.2018 jeweils fristgerecht Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer jedenfalls rechtzeitig seine Erklärungen über das Bruttoeinkommen sowie den Umsatz mitgeteilt und die entsprechenden Erklärungen an das AMS übermittelt habe. Er habe seine selbständige Tätigkeit niemals verschwiegen. Für den Zeitraum 01.01.2016 bis 30.04.2016 sei sein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit bzw. sein Umsatz unter dem Geringfügigkeitsbetrag geblieben, sodass ihm der Anspruch auf Arbeitslosengeld/Notstandshilfe jedenfalls zustehe.
Im Verfahren über die Beschwerden erließ das AMS als belangte Behörde am 18.04.2018 gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG eine Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerden abgewiesen wurden. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Empfänger des Arbeitslosengeldes auch zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen verpflichtet werden könne, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommenssteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte.
Mit Schreiben vom 26.04.2018 stellte die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht einen Antrag auf Vorlage.
Der Vorlageantrag und die Beschwerde wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 11.07.2018 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 13.07.2018 der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers das Beschwerdevorlageschreiben vom 11.07.2018 übermittelt und die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.
Mit Schriftsatz vom 07.08.2018 hat die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine Stellungnahme abgegeben. Darin wurde ausgeführt, dass die Berechnungen des AMS falsch seien, weil vom Bruttoumsatz ausgegangen werde und auch die Einkommenssteuer unrichtig angesetzt werde. Der Beschwerdeführer habe von 01.03.-31.03.2016 ein Bruttoeinkommen von € 398,00 und von 01.04.-30.04.2016 ein Bruttoeinkommen von € 325 erzielt, also keinesfalls den Tagsatz an Arbeitslosengeld und Notstandshilfe überschritten.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Zl. W228 2200714-1/5E, der Beschwerde stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 18.04.2018 gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.
Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.11.2018 hat das AMS Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 25.04.2019, Ro 2019/08/0005, das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.11.2018 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer war von 01.01.2016 bis 31.12.2016 in der Pensionsversicherung nach GSVG pflichtversichert.
Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2016 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 18.306,65 erzielt. Topf-Sonderausgaben wurden in der Höhe von € 500,00 angeführt.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2016 durchgehend selbstständig erwerbstätig war.
Es lag im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von 01.01.2016 bis 30.04.2016 keine Arbeitslosigkeit vor.
2. Beweiswürdigung:
Die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers in der Pensionsversicherung nach GSVG im Jahr 2016 ist nicht strittig.
Die Feststellung betreffend die Einkünfte des Beschwerdeführers im Jahr 2016 ergibt sich aus dem rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2016, datiert mit 26.06.2017.
Hinsichtlich des Nichtvorliegens von Arbeitslosigkeit im verfahrensgegenständlichen Zeitraum wird auf die rechtlichen Ausführungen verwiesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin das AMS Wien Dresdner Straße.
§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 56 Abs. 2 AlVG normiert ist, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören, zu entscheiden ist, liegt im vorliegenden Fall Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.
Aufgrund von Rücktritten von Laienrichtern im November 2018 musste eine Neuzusammensetzung des Laienrichtersenats für diese Entscheidung erfolgen.
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AlVG iVm § 12 AlVG unter anderem das Vorliegen von Arbeitslosigkeit. Eine Person, deren Einkommen aus selbständiger, unselbständiger oder freier Tätigkeit die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet, gilt nicht als arbeitslos.
Die im § 36a Abs. 5 Z. 1 AlVG enthaltene Anordnung, dass das Einkommen durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides nachzuweisen ist, bedeutet eine zwecks Erleichterung des praktischen Vollzuges angeordnete Bindung der Behörden der Arbeitsmarktverwaltung an das Einkommensteuerrecht, wobei das im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Einkommen insoweit heranzuziehen ist, als es aus Einkünften aus selbständiger Tätigkeit resultiert (VwGH 17.02.2010, 2008/08/0054, mwH).
Als monatliches Einkommen eines selbständig Erwerbstätigkeiten gilt gemäß § 36a Abs. 7 AlVG bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit das anteilsmäßige Einkommen in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag.
Wie festgestellt war der Beschwerdeführer im Jahr 2016 durchgehend selbständig erwerbstätig.
Das Einkommen, das der Beschwerdeführer im Jahr 2016 erzielte, ist daher, unabhängig davon, wann im Jahr 2016 es erzielt wurde, auf den Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit aufzuteilen und daraus, durch Division des Jahreseinkommens durch 12 Monate, das monatliche Einkommen zu ermitteln.
Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2016 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 18.306,65 erzielt. Nach Abzug der Topf-Sonderausgaben in Höhe von € 500,00 verbleibt ein Jahreseinkommen in Höhe von €
17.805,65, woraus sich ein monatliches Einkommen in Höhe von €
1.483,89 errechnet. Der Beschwerdeführer verfügte somit im verfahrensgegenständlichen Zeitraum über ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze und lag gemäß § 12 Abs. 1 AlVG Arbeitslosigkeit nicht vor. Der Widerruf des Arbeitslosengeldes/der Notstandshilfe gemäß § 38 iVm. § 24 Abs. 2 AlVG erfolgte somit zu Recht, weil die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes/der Notstandshilfe gesetzlich nicht begründet war.
Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 AlVG ist der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen.
Der Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 Satz 3 ermöglicht bei Vorliegen des rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheids, den Empfänger der un- oder übergebührlichen Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen unabhängig davon zu verpflichten, ob ihn ein Verschulden (am unberechtigten Empfang) trifft.
Da es auf das Verschulden des Beschwerdeführers nicht ankam, erfolgte die Rückforderung des Arbeitslosengeldes/der Notstandshilfe zurecht. Das AMS legte seine Berechnungen betreffend die Rückforderung nachvollziehbar offen und waren diese nicht zu beanstanden (vgl. auch VwGH 26.05.2004, 2001/08/0124).
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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