B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs3
FPG §70 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2218516.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Schweiz, vertreten durch XXXX, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2019, Zl. XXXX, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid
ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Mit Schreiben an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27.08.2018 regte das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer (BF) an. Dies wurde damit begründet, dass er eine führende Funktion im XXXX (XXXX) einnehme und an der Produktion von Videos mit dschihadistisch-propagandistischen Material beteiligt sei.
Der BF wurde mit Schreiben des BFA vom 19.11.2018, adressiert an die vom BVT im oben angeführtem Bericht genannte Wohnadresse in der Schweiz, aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu äußern.
Am 07.12.2018 erfolgte die Benachrichtigung, dass der BF unter der angegebenen Adresse nicht ermittelt werden konnte. Die oben angeführte Verständigung wurde sodann durch öffentlichen Aushang zugestellt.
Mit dem oben angeführtem Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 3 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 Abs. 3 Z 3 FPG aufgrund des Berichtes des BVT begründet. Als Präsident des XXXX sei er für das durch die Mitglieder des XXXX gesetzte Verhalten in Videos und in der Öffentlichkeit, konkret in XXXX, verantwortlich. Der BF habe sich bisher nicht nachweislich in Österreich aufgehalten und lebe in der Schweiz. In Österreich bestehe kein Familienleben und auch kein schützenswertes Privatleben. Der BF sei in keinster Form integriert, weder sprachlich, noch beruflich, noch familiär. In Österreich wurde der BF bislang noch nicht strafgerichtlich verurteilt und seien keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremden und Einwanderungsrechts evident.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den BF einzuvernehmen, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Sache zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Zusammengefasst wird vorgebracht, dass das BFA keine Ermittlungen bezüglich des Berichtes des BVT durchgeführt habe.
Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo diese am 08.05.2019 einlangten.
Feststellungen:
Der BF führt die im Spruch angeführte Identität.
Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich der BF jemals im Bundesgebiet aufgehalten hat.
Der BF weist in Österreich keine strafgerichtlichen Verurteilungen auf und war im Bundesgebiet auch noch nie erwerbstätig.
Familiäre oder soziale Bindungen des BF in Österreich können nicht festgestellt werden, ebenso wenig eine berufliche oder gesellschaftliche Integration.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche bestehen nicht.
Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf den Angaben im angefochtenen Bescheid, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.
Es gibt keine Beweisergebnisse, dass sich der BF jemals im Bundesgebiet aufgehalten hat. Laut ZMR liegen keine Daten über den BF vor.
Dass der BF in Österreich noch nie strafgerichtlich verurteilt wurde, ergibt sich aus der Einsicht in das Strafregister.
Zusätzlich wurde das Zentrale Fremdenregister eingesehen sowie der Sozialversicherungsdatenauszug.
Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte für eine Integration oder Anbindung des BF in Österreich ergeben.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
§ 41 FPG lautet:
"(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Fremde, die versuchen, nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet einzureisen, an der Einreise zu hindern.
(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Fremde, die versuchen, in das Bundesgebiet einzureisen oder die eingereist sind, bei Landgrenzübergangsstellen anlässlich der Grenzkontrolle sowie auf Flugplätzen, in Häfen und im Zugsverkehr innerhalb des Grenzkontrollbereiches an der Einreise oder Weiterreise zu hindern (Zurückweisung), wenn
1. deren Einreise nicht rechtmäßig ist;
2. gegen sie ein gültiges Einreiseverbot oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot besteht und ihnen kein Visum zur Wiedereinreise (§ 26a) oder keine Wiedereinreisebewilligung (§ 27a) erteilt wurde;
3. ein Vertragsstaat mitgeteilt hat, dass ihr Aufenthalt im Gebiet der Vertragsstaaten die öffentliche Ordnung oder nationale Sicherheit gefährden würde, es sei denn, sie hätten einen Aufenthaltstitel eines Vertragsstaates oder einen von Österreich erteilten Einreisetitel;
4. sie zwar zur rechtmäßigen Einreise berechtigt sind, aber bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass
a) ihr Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit oder die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat gefährden würden;
b) sie ohne die hierfür erforderlichen Bewilligungen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet beabsichtigen;
c) sie im Bundesgebiet Schlepperei begehen oder an ihr mitwirken werden;
5. sie keinen Wohnsitz im Inland haben und nicht über die Mittel zur Bestreitung der Kosten ihres Aufenthaltes und ihrer Wiederausreise verfügen;
6. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, sie wollten den Aufenthalt im Bundesgebiet zur vorsätzlichen Begehung von Finanzvergehen, mit Ausnahme von Finanzordnungswidrigkeiten, oder zu vorsätzlichen Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften benützen.
(3) Über die Zulässigkeit der Einreise ist nach Befragen des Fremden auf Grund des von diesem glaubhaft gemachten oder sonst bekannten Sachverhaltes zu entscheiden. Die Zurückweisung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Verwaltungsgericht des Landes festgestellt worden ist."
§ 41a FPG lautet:
"(1) Die Zurückweisung eines EWR-Bürgers, Schweizer Bürgers oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ist zulässig, wenn
1. Zweifel an seiner Identität besteht oder er der Pass- und gegebenenfalls der Visumpflicht auch nach Einräumung einer angemessenen Frist und unter Verfügungstellung angemessener Möglichkeiten zur Einholung der dazu erforderlichen Dokumente nicht genügt,
2. gegen ihn ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot besteht und kein Visum zur Wiedereinreise (§ 26a) oder keine Bewilligung zur Wiedereinreise während der Gültigkeitsdauer eines Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes (§ 27a) erteilt wurde,
3. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, er werde im Bundesgebiet Schlepperei begehen,
4. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, er wolle den Aufenthalt im Bundesgebiet zur vorsätzlichen Begehung von Finanzvergehen, mit Ausnahme von Finanzordnungswidrigkeiten, oder zu vorsätzlichen Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften benützen, oder
5. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet.
(2) Die Zurückweisung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen ist ferner dann zulässig, wenn ein Vertragsstaat mitgeteilt hat, dass sein Aufenthalt im Gebiet der Vertragsstaaten die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, es sei denn, er hätte einen Aufenthaltstitel eines Vertragsstaates oder einen von Österreich erteilten Einreisetitel.
§ 67 FPG lautet:
"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise."
Art. 27 RL2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) lautet:
"(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Kapitels dürfen die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken. Diese Gründe dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden.
(2) Bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen.
Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.
(3) Um festzustellen, ob der Betroffene eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, kann der Aufnahmemitgliedstaat bei der Ausstellung der Anmeldebescheinigung oder - wenn es kein Anmeldesystem gibt - spätestens drei Monate nach dem Zeitpunkt der Einreise des Betroffenen in das Hoheitsgebiet oder nach dem Zeitpunkt, zu dem der Betroffene seine Anwesenheit im Hoheitsgebiet gemäß Artikel 5 Absatz 5 gemeldet hat, oder bei Ausstellung der Aufenthaltskarte den Herkunftsmitgliedstaat und erforderlichenfalls andere Mitgliedstaaten um Auskünfte über das Vorleben des Betroffenen in strafrechtlicher Hinsicht ersuchen, wenn er dies für unerlässlich hält. Diese Anfragen dürfen nicht systematisch erfolgen. Der ersuchte Mitgliedstaat muss seine Antwort binnen zwei Monaten erteilen.
(4) Der Mitgliedstaat, der den Reisepass oder Personalausweis ausgestellt hat, lässt den Inhaber des Dokuments, der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit aus einem anderen Mitgliedstaat ausgewiesen wurde, ohne jegliche Formalitäten wieder einreisen, selbst wenn der Personalausweis oder Reisepass ungültig geworden ist oder die Staatsangehörigkeit des Inhabers bestritten wird."
Art. 28 RL2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) lautet:
(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.
(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Die belangte Behörde hat die Zulässigkeit des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes gegen den BF damit begründet, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG auch gegen Fremde die sich niemals im Bundesgebiet aufgehalten haben oder sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten zulässig sei. Diese Bestimmung knüpfe nämlich nicht, wie etwas § 52 Abs. 1 FPG, an einen zumindest einmaligen Aufenthalt im Bundesgebiet an, sondern nur an eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.
Die Bestimmung des § 67 FPG dient der Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/38 /AG. Die Freizügigkeitsrichtlinie, welche unter anderem mit den §§ 66 ff FPG in nationales Recht umgesetzt wurde, bezieht sich aber nur auf Sachverhalte, die sich bei Inanspruchnahme des Freizügigkeitsrechts durch einen Unionsbürger ergeben. Daher kann ein Aufenthaltsverbot nach § 67 FPG nur nach Inanspruchnahme des Freizügigkeitsrechts verhängt werden, zumal es sich bei einem Aufenthaltsverbot gerade um eine Einschränkung dieses aus der Freizügigkeitsrichtlinie ergebenden Freizügigkeitsrechts handelt und der betreffende Unionsbürger andernfalls nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie und damit, implizit im Sinne einer richtlinienkonformen Interpretation, des § 67 FPG fällt (vgl. EuGH 05.05.2011, Rs C-434/9 [RZ 35-37]; VwGH 12.12.2012, 2012/18/0160).
Für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist es demnach Voraussetzung, dass sich der Fremde im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten haben muss. Dies ergibt sich auch daraus, dass aus dem abgestuften System der Gefährdungsprognosen, wonach auf die Aufenthaltsdauer Bezug genommen wird. Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG verlangt ebenso, dass vor Verfügung einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen zu berücksichtigen ist.
Für diese Interpretation spricht schließlich auch der Wortlaut § 67 Abs. 4 zweiter Satz FPG, wonach die Frist des Aufenthaltsverbotes mit Ablauf des Tages der Ausreise beginnt.
Auch eine Ausweisungsentscheidung gemäß § 66 FPG setzt zwingend einen Inlandsaufenthalt voraus (vgl VwGH vom 25.01.2018, Ra 2017/21/0237). In Sinne einer richtlinienkonformen sowie verfassungskonformen Interpretation ist eine Anwendung eines weniger strengen Maßstabes für ein Aufenthaltsverbot im Vergleich zu einer Ausweisung nicht gerechtfertigt (vgl VwGH vom 12.03.2013, 2012/18/0228). Daraus ergibt sich im Sinne eines Größenschlusses, dass der von einem Aufenthaltsverbot Betroffene sich zumindest einmal im Bundesgebiet aufgehalten haben muss (auch wenn er sich zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht mehr im Bundesgebiet aufhält).
Auch wenn § 67 FPG - entgegen § 52 FPG - nicht ausdrücklich einen Aufenthalt des Betroffenen im Bundesgebiet als (eine) Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes normiert, so ergibt sich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes aus den obigen Ausführungen insgesamt, dass ein solcher Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist.
Im Umstand, dass bei Drittstaatsangehörigen Voraussetzung für die Erlassung eines Einreiseverbotes die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist und diese aber wiederum ex lege voraussetzt, dass sich der Betroffene zumindest einmal im Bundesgebiet aufgehalten hat, könnte bei Annahme der Zulässigkeit eines "präventiven" Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger, Schweizer-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen, der sich noch nie im Bundesgebiet aufgehalten hat, auch eine unsachliche Benachteiligung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten darstellen.
Im Ergebnis kommt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG ohne Inlandsaufenthalt nicht in Betracht.
Gegebenenfalls kann der betreffende EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige gemäß § 41a Abs. 1 Z 5 FPG zurückgewiesen werden, sollte der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden. Nur wenn er sich schon im Bundesgebiet befindet, kann er mit einer Ausweisung nach § 66 FPG oder einem Aufenthaltsverbot nach § 67 FPG belegt werden (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151).
Die Schweiz hat die Richtlinie 2004/38/EG zwar nicht in das Freizügigkeitsabkommen EG-Schweiz (Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, ABl.Nr. L114 vom 30.04.2002 S. 6) übernommen. Da § 67 FPG aber auch Schweizer-Bürger umfasst, sind die für die Auslegung dieser Bestimmung gewonnenen Überlegungen auch auf den BF anzuwenden.
Es liegen keine objektivierten Beweise vor, dass sich der BF jemals im Bundesgebiet aufgehalten hat.
Da die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den BF im Ergebnis nicht vorliegen, ist der angefochtene Bescheid in Stattgebung der Beschwerde aufzuheben.
Dementsprechend erübrigen sich auch weitere Ausführungen zur Nichtgewährung des Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, kann eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu Spruchteil B):
Die ordentliche Revision ist zulässig, da gegenständlich eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das BFA hat gegen einen noch nie im Bundesgebiet aufhältigen Schweizer Bürger ein Aufenthaltsverbot erlassen. Es liegt gegenständlich keine, diese konkrete Fallkonstellation betreffende, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor und hatte das Bundesverwaltungsgericht weiters auf die Auslegung von Unionsrecht zurückzugreifen, wobei die Freizügigkeitsrichtlinie bislang nicht in das Freizügigkeitsabkommen EG-Schweiz übernommen wurde.
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