BVwG L510 2003867-1

BVwGL510 2003867-18.4.2019

B-VG Art.133 Abs4
GSVG §18
GSVG §2 Abs1 Z4
GSVG §27
GSVG §4
GSVG §7
VwGVG §28 Abs3 Satz2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:L510.2003867.1.00

 

Spruch:

L510 2003867-1/5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von XXXX vom 27.06.2011, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

 

A)

 

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 1 wird gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz (GSVG) iVm § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

 

II. In Fortsetzung des Verfahrens der Landeshauptfrau von XXXX hinsichtlich des Aussetzungsbescheides vom 25.07.2011, Zl. XXXX , betreffend Spruchpunkt 2 des Bescheides der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle

XXXX (SVA) vom 14.07.2010, wird dieser Spruchpunkt behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Spruchpunktes (Bescheides) an die SVA, Landesstelle XXXX , zurückverwiesen.

 

B)

 

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang

 

1. Mit Schreiben vom 31.05.2010 beantragte der Beschwerdeführer (folgend kurz BF) die bescheidmäßige Absprache hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge für die Jahre 2008 und 2009.

 

2. Mit Bescheid vom 14.07.2010, zugestellt per Hinterlegung am 27.07.2010, stellte die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle XXXX (folgend kurz SVA), fest, dass der BF gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 "aufgrund seiner Tätigkeit als juristischer Gutachter von 01.01.2008 bis 31.12.2009 in der Krankenversicherung nach dem GSVG pflichtversichert" sei (Spruchpunkt 1).

 

Mit Spruchpunkt 2 sprach die SVA aus, der BF sei gemäß § 27 GSVG verpflichtet, monatliche Beiträge zur Krankenversicherung von

 

a. 01.01.2008 bis 31.12.2008 in Höhe von EUR 264,01 und

 

b. 01.01.2009 bis 31.12.2009 in Höhe von vorläufig EUR 27,37 zu entrichten.

 

Verwiesen wurde dazu auf die Rechtsgrundlagen Art. 14a VO (EG) 1408/71; §§ 2 Abs. 1 Z 4, 25, 25a, 27, 229a, 274 Abs. 4 GSVG.

 

Begründend wurde auf das Wesentliche zusammengefasst ausgeführt, der Mittelpunkt der Lebensinteressen des BF sei in Österreich, weshalb gemäß Art. 14a VO (EG) 1408/71 Österreich zuständig sei. Der BF sei in den Jahren 2008 und 2009 als juristischer Gutachter selbständig erwerbstätig gewesen und habe dabei die relevanten Versicherungsgrenzen in diesen Jahren überschritten. Es sei sohin die Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in der Krankenversicherung festzustellen gewesen.

 

Weiters wurde festgehalten, dass lt. Einkommensteuerbescheid vom 26.11.2009 im Kalenderjahr 2008 folgende Einkünfte vorliegen würden:

 

 

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit

EUR 9.720,88

Einkünfte aus selbständiger Arbeit

EUR 9.986,55

Grenzgängereinkünfte

EUR 2.250,46

Progressionseinkünfte

EUR 237.902,50

  

 

Die Progressionseinkünfte würden bestehen aus EUR 112.640,45 an Schweizer Rente und aus EUR 125.262,05 an Einkünften aus selbständiger Tätigkeit. Die Schweizer Rente sei bei der Berechnung auszuscheiden, die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit seien zu berücksichtigen, da für den BF in der Schweiz keine Versicherungspflicht bestanden habe und daher auch keine Beiträge abgeführt worden seien. Eine bestehende private Krankenversicherung in Deutschland sei dabei außer Betracht zu lassen. Bei den Grenzgängereinkünften handle es sich um Einkünfte aus Publikationserlösen in Deutschland, weshalb diese zur Beitragsgrundlagenbildung heranzuziehen seien. Auszuscheiden seien die Schweizer Rente und die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Das maßgebliche Gesamteinkommen betrage daher EUR 137.499,06 und übersteige die Höchstbeitragsgrundlage des Jahres 2008 in Höhe von EUR 55.020,00.

 

Für das Jahr 2008 würden die Beitragsgrundlagen auf Basis des Einkommensteuerbescheides in Höhe von EUR 3.834,59 endgültig ermittelt werden haben können, die Beitragsgrundlagen für das Jahr 2009 in Höhe von EUR 357,74 würden lediglich vorläufig festgestellt worden sein. Die monatlichen Beiträge für das Jahr 2008 würden sich daher auf EUR 264,01 und jene des Jahres 2009 vorläufig auf EUR 27,37 belaufen.

 

3. Mit Schreiben vom 24.08.2010, eingelangt bei der SVA am selben Tag, wurde Einspruch gegen den Bescheid der SVA eingebracht. Begründend wurde zusammengefasst dargelegt, dass Einkünfte aus einer ausländischen Betriebsstätte nicht der Besteuerung im Wohnsitzland unterliegen würden, was das zuständige Finanzamt richtig erkannt habe und daher lediglich das österreichische Einkommen aus Rente sowie aus selbständiger Arbeit zur Besteuerung herangezogen habe. Alle übrigen Einkünfte seien richtigerweise lediglich zur Ermittlung des Steuersatzes, nicht jedoch zur Besteuerung herangezogen worden. Die SVA habe somit rechtsirrig auf die Einkünfte der Schweizer Betriebsstätte in Höhe von EUR 125.262,05 zugegriffen. Auch sei es unrichtig, dass die private deutsche Krankenversicherung des BF außer Betracht geblieben sei, da der BF durch diese private Krankenversicherung der Versicherungspflicht in der Schweiz nachgekommen sei. Auch habe der wesentliche Teil der selbständigen Tätigkeit des BF und seiner früheren unselbständigen Beschäftigung in der Schweiz gelegen, weshalb die schweizerischen Vorschriften zur Anwendung zu gelangen haben würden. Hilfsweise beantragte der BF, lediglich die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Österreich (EUR 9.986,85 im Jahr 2008) zu Grunde zu legen. Dies sei zwar problematisch, da ausschließlich im Nachhinein ermittelt werden könne, ob solche Einkünfte in einem Jahr erzielt worden seien, und da sich die Beiträge auf eine Zeitperiode beziehen würden, für die Leistungen der Krankenversicherung nicht mehr in Anspruch genommen werden könnten. Es sei zudem nicht sinnvoll, neben der bestehenden Pflichtversicherung bei der Gebietskrankenkasse nach dem ASVG auf Grund der Rentenbezüge in Österreich und der privaten deutschen Krankenversicherung noch eine dritte Krankenversicherung hinzuzufügen.

 

4. In einer Stellungnahme des BF vom 19.01.2011 ergänzte dieser seine bisherigen Angaben damit, dass der Schluss von der Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Schweiz auf die Zulässigkeit der Heranziehung der Schweizer Einkünfte für die österreichische Krankensozialversicherung verfehlt sei. In der Schweiz bestehe nämlich keine öffentlich-rechtliche Krankensozialversicherung, sondern sei die Krankenversicherungspflicht privat organisiert. Gegenstand der VO EWG 1408/71 sei lediglich der Zugriff auf Einkünfte, die der Sozialversicherungspflicht in beiden Ländern unterliegen würden, was für die Krankenversicherung nicht gelten könne, für etwa die Rentenversicherung schon.

 

5. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid der Landeshauptfrau von XXXX (folgend kurz LH) vom 27.06.2011, Zl. XXXX , zugestellt am 30.06.2011, wurde der Einspruch des BF hinsichtlich Spruchpunkt 1 des Bescheides der SVA als unbegründet abgewiesen.

 

Begründend wurde zusammengefasst dargelegt, dass Inhalt des Einspruchsverfahrens betreffend die Versicherungsflicht(en) in der Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG laut Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides die Klärung der Frage sei, aus welcher konkreten Tätigkeit bzw. aus welchen konkreten Erwerbstätigkeiten sich diese ergebe. Die Versicherungspflicht stelle eine Vorfrage für die Beitragspflicht im Sinn des Spruchpunktes 2 dar. Gemäß Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides sei der BF - jedenfalls - "aufgrund seiner Tätigkeit als juristischer Gutachter" gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in der Krankenversicherung pflichtversichert. Diese rechtliche Beurteilung werde im Ergebnis nicht bestritten. Nichts desto trotz erscheine es im Hinblick auf die aufgezeigte Vorfragenproblematik geboten, rechtlich zu erörtern, aus welchen hier strittig (weiteren) Erwerbstätigkeit(en) die in der Folge beitragsgrundlagenbegründenden Einkünfte entspringen würden. Diesbezüglich folgten weitere Ausführungen der LH.

 

6. Mit Schreiben vom 14.07.2011, eingelangt bei der SVA am selben Tag, erhob der BF fristgerecht Berufung [nunmehr Beschwerde] gegen den Bescheid der LH.

 

Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen führte der BF darin aus, er unterliege nicht der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG, da er am 01.01.1998 das 55. Lebensjahr bereits vollendet gehabt habe. Die belangte Behörde vertrete die unrichtige Auffassung, dass sich die altersbedingte Ausnahme nur auf die Sparte der Pensionsversicherung beziehe. Die Sanitätsdirektion Zürich habe im Jahr 1997 zunächst einen Nachweis einer Schweizer Krankenversicherung vom BF verlangt. Daraufhin habe der BF eingewendet, dass er seit Jahrzehnten eine Versicherung in Deutschland habe. Die Schweizer Behörde habe diese Versicherung als ausreichend anerkannt und den BF von der Versicherungspflicht in der Schweiz befreit. Am grundsätzlichen Bestehen einer Versicherungspflicht des BF in der Schweiz ändere dies nichts. Es habe allein an der Sanitätsdirektion gelegen zu beurteilen, ob die deutsche Versicherung ausreiche; dass die SVA und die LH dies nun entscheiden würden, sei nicht korrekt. Das Argument, dass die gewerbliche Sozialversicherung in Österreich zuständig sei, da der BF keine Beitragszahlungen in der Schweiz nachweisen könne, sei hinfällig. Da der BF seit 1989 ausschließlich in der Schweiz eine abhängige Beschäftigung ausgeübt habe und lediglich in den Jahren 2008 und 2009 in Österreich selbständig tätig war, könne diese kurzzeitige Tätigkeit das Merkmal "gewöhnlich" nicht begründen. Gemäß Art 14c VO EWG 1408/71 bestehe für den Beschwerdeführer nur in der Schweiz eine Versicherungspflicht.

 

7. Mit Bescheid der LH vom 25.07.2011, Zl. XXXX , zugestellt am 27.07.2011, wurde das hinsichtlich Spruchpunkt 2 des Bescheides der SVA vom 14.07.2010 anhängige Einspruchsverfahren bis zum rechtskräftigen Abspruch über die Versicherungspflicht des Einspruchswerbers in der Krankenversicherung nach dem GSVG während des Zeitraumes 01.01.2008 bis 31.12.2009, ausgesetzt.

 

8. Am 10.03.2014 wurde der Verfahrensakt der Gerichtsabteilung L510 zugewiesen.

 

9. Über Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes legte die SVA den Einkommensteuerbescheid betreffend den BF für das Jahr 2009 vor.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

 

1. Feststellungen

 

1.1. Der BF hat seit dem Jahr 1978 seinen Hauptwohnsitz am selben Ort ist Österreich. Jedenfalls in den Jahren 2008 und 2009 hatte der BF seinen Lebensmittelpunkt in Österreich.

 

1.2. Der BF erwirtschaftete im Jahr 2008 Einkünfte aus selbständiger Arbeit als juristischer Gutachter in der Höhe von EUR 9.986,55 in Österreich.

 

1.3. Der BF erwirtschaftete im Jahr 2009 Einkünfte aus selbständiger Arbeit als juristischer Gutachter in der Höhe von EUR 65.996,18 in Österreich.

 

1.4. Der BF war in den Jahren 2008 und 2009 auch in der Schweiz selbständig tätig, jedoch nicht als "juristischer Gutachter".

 

1.5. Der Spruch des Bescheides der SVA vom 14.07.2010 lautet wie folgt:

 

"1. Sie sind gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG aufgrund Ihrer Tätigkeit als juristischer Gutachter von 01.01.2008 bis 31.12.2009 in der Krankenversicherung nach dem GSVG pflichtversichert.

 

2. Sie sind gemäß § 27 GSVG verpflichtet, monatliche Beiträge zur Krankenversicherung von

 

a. 01.01.2008 bis 31.12.2008 in Höhe von € 264,01 und

 

b. 01.01.2009 bis 31.12.2009 in Höhe von vorläufig € 27,37 zu entrichten."

 

1.6. Die LH wies den Einspruch des BF gegen jenen Spruchpunkt 1 des Bescheides der SVA mit Bescheid vom 27.06.2011 als unbegründet ab. Die LH erörterte in einem, aus welchen (weiteren) Erwerbstätigkeiten die in der Folge beitragsgrundlagenbegründenden Einkünfte entspringen würden.

 

1.7. Mit Bescheid vom 25.07.2011 setzte die LH das Verfahren hinsichtlich des Einspruches gegen Spruchpunkt 2 des Bescheides der SVA vom 14.07.2010 bis zur rechtskräftigen Entscheidung hinsichtlich der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nach dem GSVG aus.

 

1.8. Die SVA hat nicht ermittelt, auf welche Höhen sich die Beitragsgrundlagen und die Versicherungsbeiträge des BF hinsichtlich dessen ausschließlicher Einkünfte aus seiner Tätigkeit als juristischer Gutachter belaufen, sondern ermittelte die SVA Beträge auf Grundlage der Gesamteinkünfte des BF (EUR 137.499,06) (=Spruchpunkt 2 des Bescheides der SVA vom 14.07.2010); mit Spruchpunkt 1 stellte die SVA jedoch ausschließlich die Versicherungspflicht hinsichtlich der Tätigkeit des BF als juristischer Gutachter fest und nicht die Versicherungspflicht hinsichtlich der gesamten selbständigen Tätigkeiten des BF.

 

2. Beweiswürdigung

 

2.1. Der festgestellte Hauptwohnsitz des BF am selben Ort in Österreich seit 1978 ergibt sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Dass der BF jedenfalls in den verfahrensgegenständlichen Jahren 2008 und 2009 seinen Lebensmittelpunkt in Österreich hatte, wurde festgestellt, da der BF der diesbezüglichen Bescheidbegründung der SVA ("laut Ihren eigenen Angaben den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen bzw. Ihren Wohnort in Österreich") in keinem seiner Schriftsätze widersprach.

 

2.2. Die Feststellung zu den Einkünften des BF im Jahr 2008 aus seiner selbständigen Arbeit in Österreich in der Höhe von EUR 9.986,55 ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahrensakt einliegenden Einkommensteuerbescheid 2008 des Finanzamtes XXXX vom 26.11.2009. Die festgestellten Einkünfte des BF im Jahr 2009 aus seiner selbständigen Arbeit in Österreich in der Höhe von EUR 65.996,18 ergeben sich aus dem eingeholten Einkommensteuerbescheid 2008 des Finanzamtes XXXX vom 03.03.2011.

 

Dass der BF diese Einkünfte in den Jahren 2008 und 2009 aus seiner Tätigkeit als juristischer Gutachter erzielte, ist unstrittig und geht aus den Verwaltungsverfahrensakten zweifelsfrei hervor.

 

2.3. Die Feststellung, dass der BF in den Jahren 2008 und 2009 auch in der Schweiz selbständig tätig war, jedoch nicht als juristischer Gutachter, geht etwa aus dem Schreiben des BF vom 31.05.2010 oder auch seinem Einspruch vom 24.08.2010 hervor. Diese selbständige Tätigkeit in der Schweiz wurde im gesamten Verfahren weder vom BF noch von Behördenseite als Tätigkeit als "juristischer Gutachter" bezeichnet.

 

2.4. Die Bescheide der SVA vom 14.07.2010 sowie der LH vom 27.06.2011 und vom 14.07.2011 sind Bestandteil des vorliegenden Verwaltungsverfahrensaktes.

 

2.5. Die Feststellungen zu Punkt II.1.8. ergeben sich aus dem sog. "Beitragsakt" der SVA, insbesondere aus dem Bescheid vom 14.07.2010 sowie dem Schreiben der SVA an den BF vom 18.05.2010. Dafür, dass insbesondere die selbständige Tätigkeit des BF in der Schweiz auch von der Bezeichnung "juristischer Gutachter" mitumfasst sein könnte, sind dem gesamten Verwaltungsverfahrensakt keine Hinweise zu entnehmen. Für das BVwG ist daher unzweifelhaft, dass die SVA die Versicherungspflicht des BF ausschließlich hinsichtlich seiner Tätigkeit als juristischer Gutachter in Spruchpunkt 1 ihres Bescheides feststellte; die Beitragsberechnung der SVA (Spruchpunkt 2) bezog sich jedoch auf sämtliche selbständige Tätigkeiten (welche für das Jahr 2008 ein Gesamteinkommen in Höhe von EUR 137.499,06 umfassen) des BF.

 

3. Rechtliche Beurteilung

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 194 Z 5 GSVG gelten hinsichtlich des Verfahrens zur Durchführung dieses Bundesgesetzes die Bestimmungen des Siebenten Teiles des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) insoweit, als § 414 Abs. 2 und 3 ASVG nicht anzuwenden ist. Gegenständlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht somit durch Einzelrichter.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Zu A) I. Abweisung der Beschwerde

 

3.1. Mit Wirksamkeit vom 01.01.2014 ging die Zuständigkeit zur Weiterführung des beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz anhängig gewesenen Verfahrens hinsichtlich Spruchpunkt 1 des Bescheides der SVA vom 14.07.2010 gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf das nunmehr zuständige BVwG über.

 

3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht - ungeachtet des durch § 27 VwGVG 2014 vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (VwGH 16.11.2015, Ra 2015/12/0026; Ra 2015/06/0011, 27.03.2018).

 

3.3. Nach den getroffenen Feststellungen war der BF in den Jahren 2008 und 2009 selbständig tätig und zwar in Österreich als auch in der Schweiz. Ausschließlich in Österreich war er in diesem Zeitraum als "juristischer Gutachter" tätig, in der Schweiz übte er (eine) andere Tätigkeit(en) selbständig aus. Da Spruchpunkt 1 des Bescheides der SVA vom 14.07.2010 ausschließlich auf die Tätigkeit des BF als "juristischer Gutachter" abstellt, ist nur diese Tätigkeit des BF "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG. Die Ausführungen der SVA zu den anderen (selbständigen) Tätigkeiten des BF bzw. dessen Einkünfte, die nicht aus seiner Tätigkeit als "juristischer Gutachter" entspringen, sind nicht einschlägig für Spruchpunkt 1 jenes Bescheides der SVA und sind vom BVwG daher außer Acht zu lassen. Auch die (damals zuständige) Rechtsmittelbehörde, die LH, hielt fest, dass der BF "- jedenfalls - "aufgrund seiner Tätigkeit als juristischer Gutachter" gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in der Krankenversicherung pflichtversichert" [gewesen sei]. Diese rechtliche Beurteilung wird im Ergebnis nicht bestritten. Nichts desto trotz erscheint es in Hinblick auf die aufgezeigte Vorfragenproblematik im ggst. Verfahren betreffend die Versicherungspflicht in Hinblick auf § 25 Abs. 1 GSVG weiters geboten rechtlich zu erörtern, aus welchen hier strittig (weiteren) Erwerbstätigkeiten die in der Folge beitragsgrundlagenbegründenden Einkünfte entspringen". Demnach vertrat bereits die LH die Auffassung, wonach Spruchpunkt 1 des Bescheides der SVA ausschließlich die Tätigkeit des BF als "juristischer Gutachter" in Österreich umfasst.

 

3.4. Das Bestehen oder Nichtbestehen der Pflichtversicherung ist sowohl hinsichtlich der Sach- als auch hinsichtlich der Rechtslage zeitraumbezogen zu beurteilen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Erkenntnisse vom 3.07.2002, 2000/08/0161; 19.12.2007, 2007/08/0290).

 

3.5. Für die Frage der Anwendbarkeit österreichischen Sozialversicherungsrechts ist die Verordnung (VO) (EWG) 1408/71 maßgeblich. Die im Verfahren thematisierte VO (EG) 883/2004 galt erst ab dem 01.05.2010 und ist daher auf Sachverhalte, die die Jahre 2008 und 2009 betreffen, nicht anzuwenden. Nach Art. 14a Abs. 2 VO (EWG) 1408/71 unterliegt eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie wohnt, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Mitgliedstaats ausübt (VwGH 28.10.2015, Ra 2015/08/0103).

 

3.6. Nach den getroffenen Feststellungen hatte der BF seinen Hauptwohnsitz als auch seinen Lebensmittelpunkt in den Jahren 2008 und 2009 in Österreich und übte er jedenfalls einen Teil seiner selbständigen Tätigkeit in Österreich aus. Diese Feststellungen sind ausreichend, um nach der VO (EWG) 1408/71 die Anwendbarkeit österreichischen Sozialversicherungsrechts zu begründen (VwGH 28.10.2015, Ra 2015/08/0103).

 

3.7. Die zeitraumbezogen in Geltung gestandenen rechtlichen Grundlagen des GSVG lauten wie folgt:

 

§ 2 GSVG

 

(1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert: [...]

 

Z 4: selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. [...]

 

§ 4 GSVG

 

(1) Von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung sind ausgenommen:

 

Z 5: Personen gemäß § 2 Abs. 1 Z 4, deren Beitragsgrundlagen (§ 25) im Kalenderjahr das 12fache des Betrages gemäß § 25 Abs. 4 Z 2 lit. a aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 unterliegenden Tätigkeiten nicht übersteigen, wenn sie im betreffenden Kalenderjahr ausschließlich diese Erwerbstätigkeit(en) ausüben und keine in Z 6 lit. b angeführte Leistung beziehen; [...]

 

§ 6 GSVG

 

(4) Bei den im § 2 Abs. 1 Z 4 genannten Personen beginnt die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung

 

Z 1: mit dem Tag der Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit; hat jedoch der Versicherte die Meldung nicht innerhalb der Frist gemäß § 18 erstattet, mit Beginn des Kalenderjahres, in dem die Beitragsgrundlage die Grenzen des § 25 Abs. 4 Z 2 [EUR 537,78 bzw. EUR 349,01] übersteigt, es sei denn, der Versicherte macht glaubhaft, daß er die betriebliche Tätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt begonnen hat; [...]

 

§ 7 GSVG

 

(4) Bei den im § 2 Abs. 1 Z 4 genannten Personen endet die Pflichtversicherung mit dem Letzten des Kalendermonates,

 

Z 1: in dem die Beendigung der betrieblichen Tätigkeiten erfolgt; hat der Versicherte die Abmeldung nicht innerhalb der Frist gemäß § 18 erstattet, mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Beendigung der betrieblichen Tätigkeiten erfolgt, es sei denn, der Versicherte macht glaubhaft, daß er die betrieblichen Tätigkeiten zu einem früheren Zeitpunkt beendet hat;

 

Z 2: in dem die berufsrechtliche Berechtigung wegfällt;

 

Z 3: in dem der Versicherte erklärt, daß seine Einkünfte entgegen der Erklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 zweiter Satz die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z 5 oder Z 6) nicht übersteigen werden.

 

Die Pflichtversicherung endet jedenfalls mit dem Tod des Versicherten.

 

§ 18 GSVG

 

(1) Die nach diesem Bundesgesetz Pflichtversicherten haben den Eintritt der Voraussetzungen für den Beginn und das Ende der Pflichtversicherung binnen einem Monat nach deren Eintritt dem Versicherungsträger zu melden. [...]

 

§ 24 GSVG

 

(4) Die Beitragsgrundlage gemäß Abs. 2 beträgt für jeden Beitragsmonat

 

Z 2: für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs. 1 Z 4

 

b) sofern sie sonstige Erwerbstätigkeiten ausüben oder Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 6 lit. b beziehen, mindestens 349,01 [für das Jahr 2009: 357,74]; [...]

 

3.8. Einschlägige Judikatur:

 

Die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG richtet sich nach der Einkommensteuerpflicht, sodass bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides, aus dem die die Versicherungsgrenzen übersteigenden Einkünfte der in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Art hervorgehen, Versicherungspflicht nach dieser Bestimmung besteht, sofern die zu Grunde liegende Tätigkeit im betreffenden Zeitraum weiter ausgeübt wurde und auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten ist (VwGH 2004/08/0094 v. 29.03.2006). Bei den Einkünften stellt der Gesetzgeber auf die nach den steuerrechtlichen Vorschriften festgestellten Einkünfte im jeweiligen Versicherungszeitraum ab, was vom Verwaltungsgerichtshof nicht als unsachlich erkannt werden kann (VwGH 2008/08/0269 v. 21.01.2009).

 

Mit der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG hat der Gesetzgeber auch das "Ziel der Harmonisierung mit dem Steuerrecht" verfolgt und dazu ausdrücklich auf bestimmte Einkunftsarten nach dem EStG 1988 Bezug genommen, die eine selbständige, auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Erwerbstätigkeit voraussetzen, nämlich auf Einkünfte aus "selbständiger Arbeit" im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 3 iVm. § 23 EStG 1988, somit aus einer "selbständigen, nachhaltigen Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt" (§ 23 Z 1 EStG 1988). Einkünfte, die steuerlich diesen Einkunftsarten zuzuordnen sind, können daher nicht als der Privatsphäre zugehörig angesehen werden (vgl. VwGH 11.09.2008, Zl. 2006/08/0243 mwN).

 

Die Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG ("neuer Selbständiger") ist als subsidiärer Tatbestand ausgestaltet und kommt immer dann zum Tragen, wenn die Erwerbstätigkeit des Auftragnehmers unter keinen anderen (vorrangigen) Pflichtversicherungstatbestand zu subsumieren ist. Der Tatbestand des neuen Selbständigen ist dann erfüllt, wenn eine selbständig erwerbstätige Person, die eine betriebliche Tätigkeit ausübt, Einkünfte im Sinne des § 22 Z 1 bis 3 und 5 bzw. § 23 EStG 1988 erzielt und mit dieser Tätigkeit nicht bereits unter eine andere Pflichtversicherung fällt (siehe dazu ASOK, Sozialversicherung 2015, 18). Die vom neuen Selbständigen ausgeübte Erwerbstätigkeit setzt eine aktive Tätigkeit voraus, sohin eine Betätigung, die auf die Erzielung von Einkünften ausgerichtet ist (Scheiber in Sonntag, GSVG 5. Aufl., Rz. 55ff zu § 2).

 

Für das Bestehen der Pflichtversicherung kommt es nicht darauf an, ob der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid Einkünfte aus Tätigkeiten enthält, die in dem Kalenderjahr, auf das sich der Einkommensteuerbescheid bezieht, entfaltet wurden. Es ist nur erforderlich, dass im Jahr des Zuflusses der Einkünfte weiterhin eine zur Versicherungspflicht führende Tätigkeit ausgeübt wird. Bei Feststellungen über den Zeitpunkt der Aufnahme und der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit besteht keine Bindung an einen rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid (VwGH vom 26.11.2008, Zl. 2005/08/0139). Für die zeitliche Abgrenzung der Versicherungspflicht sind nur der Beginn und das Ende der betrieblichen Tätigkeit von Bedeutung. Dabei sind das bloße zeitweise Nichttätigsein, eine Betriebsunterbrechung, ja sogar die Stilllegung eines Betriebes noch keine Beendigung, wenn noch weitere betriebliche Tätigkeiten beabsichtigt werden bzw. die betrieblich eingesetzten Wirtschaftsgüter weder in das Privatvermögen übernommen noch veräußert worden sind. Wird daher z.B. ein Vortragender immer wieder tätig, so ist auch während jener Zeit eine betriebliche Tätigkeit anzunehmen, in welcher er (vorübergehend) keine Vortragstätigkeit entfaltet (VwGH vom 26.11.2008, Zl. 2005/08/0139; vom 29.03.2006, Zl. 2004/08/0094 und vom 08.12.2003, Zl. 2000/08/0068). Bei einer Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG, für die keine Berufsbefugnis benötigt wird und die ihrer Natur nach - auch wenn sie fortlaufend ausgeübt wird - nur fallweise (z.B. in Form von Vorträgen oder Veröffentlichungen) nach außen erkennbar zutage tritt, ist zu beachten, dass allein deshalb während der (auch der Vorbereitung dienenden) Zeiträume zwischen den Vorträgen oder Veröffentlichungen noch keine Unterbrechung der Tätigkeit anzunehmen ist. Ist eine auch nach außen sichtbar zutage tretende Unterbrechung der Tätigkeit auf Grund von deren Eigenart nicht hinreichend objektivierbar, lässt sich also die Periode der Ausübung einer solchen Tätigkeit von jener ihrer Unterbrechung nicht mit der erforderlichen Trennschärfe unterscheiden, dann ist die Überschreitung der Versicherungsgrenze durch die Höhe der im jeweiligen Kalenderjahr erzielten Einkünfte für die Versicherungspflicht maßgebend, die im Zweifel im gesamten Kalenderjahr besteht (VwGH vom 21.12.2005, Zl. 2003/08/0126).

 

3.9. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:

 

3.10. Mit den unbestritten in Rechtskraft erwachsenen Einkommensteuerbescheiden für die Kalenderjahre 2008 und 2009 stellte das zuständige Finanzamt fest, dass der BF in diesen Jahren Einkünfte aus selbständiger Arbeit - sohin Einkünfte iSd § 22 EStG 1988 erwirtschaftete. Für die Behörden sowie jetzt das BVwG steht mit den rechtskräftigen Einkommensteuerbescheiden bindend fest, dass der BF Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielte (VwGH vom 21.12.2011, 2009/08/0292; 13.11.2013, 2013/08/0054), eine Neubeurteilung ist ausgeschlossen (VwGH 10.04.2013, 2011/08/0122 mwN). Im Jahr 2008 erwirtschaftete der BF so EUR 9.986,55, was die in diesem Jahr maßgebliche Versicherungsgrenze in der Höhe von EUR 4.188,12 [12 x EUR 349,01] überschritt. Durch die Einkünfte im Jahr 2009 in der Höhe von EUR 65.996,18 überschritt der BF ebenso die in diesem Jahr maßgebliche Versicherungsgrenze in der Höhe von EUR 4.292,88 [12 x 357,74].

 

3.11. Unbestritten steht fest, dass die in den Jahren 2008 und 2009 bezogenen Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus der Tätigkeit des BF als juristischer Gutachter stehen. In diesem Zusammenhang ist (erneut) festzuhalten, dass die SVA in Spruchpunkt 1 ihres Bescheides ausdrücklich und ausschließlich auf die Tätigkeit des BF als juristischer Gutachter abstellte und die LH ausdrücklich und ausschließlich dies bestätigte. Dass der BF durch die Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die über den maßgeblichen Versicherungsgrenzen lagen, der Pflichtversicherung nach einer anderen Bestimmung des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz unterlegen wäre, wurde vom BF zu keinem Zeitpunkt behauptet und liegen dafür auch keine Hinweise im Akt vor. Grundsätzlich geht auch der BF davon aus, dass er mit seinen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit in Österreich der Beitragsvorschreibung (und damit der Versicherungspflicht) unterliege, da er in seinem Einspruch vom 24.08.2010 "hilfsweise beantragte", lediglich diese Einkünfte der Beitragsvorschreibung zu Grunde zu legen.

 

3.12. Hinsichtlich des (konkreten) Beginnes und des Endes der Versicherungspflicht ist festzuhalten, dass der BF der Meldeverpflichtung gemäß § 18 GSVG [ein Monat] nicht nachgekommen ist, sondern die Versicherungspflicht erst rückwirkend nach Vorliegen des Einkommensteuerbescheides 2008 festgestellt wurde. Der BF hat auch nicht geäußert oder glaubhaft gemacht, dass er erst nach Jänner 2008 seine Tätigkeit als juristischer Gutachter aufgenommen hat bzw. diese vor Dezember 2009 beendet hätte, weshalb die Versicherungspflicht sich jeweils auf die gesamten Kalenderjahre 2008 und 2009 erstreckt. Da der BF auch nicht behauptete, seine Tätigkeit unterjährig unterbrochen zu haben und dafür auch keine Anhaltspunkte aus dem Akt hervorgehen - in seiner Berufung vom 14.07.2011 gibt der BF etwa an, dass sich die "Ausnahme" seiner selbständigen Tätigkeit in Österreich lediglich für die Jahre 2008 und 2009 ergeben habe - ist von einer ganzjährigen Versicherungspflicht des BF gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG auszugehen.

 

3.13. Im Ergebnis steht somit fest, dass für den BF in den Kalenderjahren 2008 und 2009 aufgrund seiner Tätigkeit als juristischer Gutachter eine Krankenversicherungspflicht nach dem GSVG bestanden hat, weswegen spruchgemäß (Spruchpunkt A) I.) zu entscheiden war.

 

Zu A) II) Behebung von Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG

 

3.14. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2). Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

3.15. Entsprechend der Judikatur des VwGH zu § 28 VwGVG verlangt es das in § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127; 29.04.2015, Ra 2015/20/0038; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 RS29).

 

3.16. Die LH setzte mit Bescheid vom 25.07.2011, Zl. XXXX , das Verfahren zum Einspruch des BF gegen Spruchpunkt 2 des Bescheides der SVA vom 14.07.2010 bis zum rechtskräftigen Abspruch über die Versicherungspflicht des BF in der Krankenversicherung nach dem GSVG während des Zeitraumes 01.01.2008 bis 31.12.2009 aus. Mit Wirksamkeit vom 01.01.2014 ging die Zuständigkeit hinsichtlich der Weiterführung des bei der LH anhängig gewesenen Verfahrens hinsichtlich Spruchpunkt 2 des Bescheides der SVA vom 14.07.2010 gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf das BVwG über.

 

3.17. Die vorliegenden Berechnungen der SVA hinsichtlich der Beitragsgrundlagen und Beitragshöhen des BF wurden auf Grundlage der Versicherungspflicht hinsichtlich seines Gesamteinkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit (EUR 137.499,06) getätigt, ohne die Versicherungspflicht des BF hinsichtlich aller dieser Tätigkeiten geklärt zu haben. Es liegen keine Ermittlungen der Beiträge des BF vor, die ausschließlich auf die Versicherungspflicht des BF hinsichtlich seiner Tätigkeit als juristischer Gutachter abzielen würden. Es liegen daher in Bezug auf die ausgesprochene Beitragsentrichtungspflicht lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsergebnisse vor. Das Feststellen der Versicherungspflicht (als Vorfrage der Beitragspflicht) hinsichtlich der bisher nicht behandelten selbständigen Tätigkeiten des BF durch das BVwG käme der Verlagerung der Hauptlast des Ermittlungsverfahrens an das BVwG gleich. Einer Überwälzung solch hauptsächlicher Ermittlungspflicht von einer Behörde auf das BVwG soll jedoch § 28 Abs. 3 VwGVG entgegenwirken. Es liegt nicht auf der Hand, dass die Ermittlungen und Entscheidung in der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht rascher durchgeführt werden könnten oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wären.

 

3.18. Ergänzend dazu wird festgehalten, dass das Prüfen und Feststellen der Versicherungspflicht hinsichtlich aller selbständigen Tätigkeiten des BF die gegenständliche "Sache" des Verfahrens überschreiten würde (vgl. Ausführungen oben). Die Behandlung der Fragen, ob bzw. hinsichtlich welcher anderen selbständigen Tätigkeiten des BF Versicherungspflicht nach dem GSVG besteht, ist dem BVwG somit verwehrt.

 

3.19. Die SVA wird daher im fortzusetzenden Verfahren zunächst in einem ersten Schritt die noch offene(n) Versicherungspflicht(en) des BF in den Jahren 2008 und 2009 zu ermitteln und festzustellen haben und in einem zweiten Schritt die Beitragsgrundlagen und Beitragshöhen des BF in einer Gesamtschau zu berechnen haben.

 

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung hinsichtlich Spruchpunkt A)

I.:

 

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

 

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Berufung (nunmehr Beschwerde) wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, Zl. 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde seitens des BF auch nicht beantragt.

 

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung hinsichtlich Spruchpunkt A)

II.:

 

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

 

Aufgrund der Aufhebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die getroffene Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte