BVwG W131 2196151-2

BVwGW131 2196151-222.6.2018

BVergG 2006 §106 Abs6
BVergG 2006 §129 Abs1 Z2
BVergG 2006 §129 Abs1 Z7
BVergG 2006 §291
BVergG 2006 §292 Abs1
BVergG 2006 §320 Abs1
BVergG 2006 §325 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
UGB §189a Z5
UGB §201 Abs2 Z4
UGB §221
UGB §231 Abs2 Z1
UGB §231 Abs2 Z2
UGB §232 Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §29 Abs2a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W131.2196151.2.00

 

Spruch:

W131 2196151-2/26E

 

Schriftliche Ausfertigung des am 20.06.2018 verkündeten Erkenntnisses

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Vorsitzenden, durch die fachkundige Laienrichterin MMag Dr Annemarie Mille als Beisitzerin der Auftragnehmerseite und durch den fachkundigen Laienrichter Mag Franz Pachner als Beisitzer der Auftraggeberseite über den Antrag der anwaltlich vertretenen Antragstellerin, der Bietergemeinschaft bestehend aus XXXX , XXXX und XXXX (= ASt), auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 14.05.2018 zu Gunsten der XXXX (= MB = MBP) im Vergabeverfahren der Auftraggeberin Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (= AG) "S7 Fürstenfelder Schnellstraße, Abschnitt West, Baulos 01 - Erdbau und Kunstbauten Knoten A2/S7" nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Zuschlagsentscheidung vom 14.05.2018 wird hiermit für nichtig erklärt.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die AG führt gegenständlich unter Beiziehung einer Konzerngesellschaft als vergebender Stelle das im Entscheidungskopf ersichtliche Vergabeverfahren durch. IdZ hat die Ast die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der MB angefochten, dies mit zwei Nachprüfungsgründen.

 

1.1. Einerseits würde die MB eine iZm Abfall erforderliche Berufsbefugnis nicht nachweisen können.

 

1.2. Andererseits könnte die MB den eignungsrelevant geforderten Mindestumsatzerlös von mehr als 10 Mio Euro im diesbezüglich unstrittig relevanten Geschäftsjahr 2015 nicht nachweisen.

 

2. Nach Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit einem

Zuschlagsverbot und Erhebung von Einwendungen nach § 324 BVergG

sowie diversen Schriftsatzwechseln fand am 20.06.2018 eine mündliche

Verhandlung vor dem BVwG statt, nach welcher die Nichtigerklärung

der Zuschlagsentscheidung mündlich verkündet wurde und die in den

hier interessierenden Teilen wie folgt verlief [AGV = Vertreterin

der Auftraggeberin, MbV = Vertreter der in Aussicht genommenen

Zuschlagsempfängerin MBP; AStV = Vertreter der Antragstellerin]:

 

[...] Festgehalten wird, dass die wechselseitigen Schriftsätze und insbesondere auch der Schriftsatz der ASFINAG vom 19.06.2018 allseitig bekannt sind.

 

AGV wird ersucht, zu konkretisieren, anhand welcher Vergabeunterlagen bei der XXXX die Mindestumsatzerlöse geprüft wurden.

 

AGV: Zum einen wurden von der präs Zuschlagsempfängerin ANKÖ Auszüge eingeholt. Schon daraus lassen sich die geforderten Gesamtumsätze nachweisen. Zudem liegt im Akt eine Bestätigung des zuständigen Steuerberaters der präs Zuschlagsempfängerin der ebenso die Umsatzzahlen der präs Zuschlagsempfängerin bestätig[t]. Zudem wurden die internen Umsatzzahlen der ASFINAG in Bezug auf die präs Zuschlagsempfängerin ausgehoben. Auch diese Zahlen befinden sich im Akt.

 

VR: Gibt es ein Formular in der Ausschreibung zum Nachweis der Mindestumsatzerlöse?

 

AGV: Es gibt kein konkretes Formular in der Ausschreibung, gem. Pos. 00B104b war lediglich eine Erklärung der Bieter erforderlich.

 

VR: Aus dem Akt wird festgehalten, dass in der zitieren Steuerberaterbestätigung für das Jahr 2015 ein Mindestumsatzerlös von weniger als 10 Mil. Euro ausgewiesen ist.

 

Es ergeht daher die Umfrage, ob strittig ist, dass der Umsatzerlös gem. Rechnungslegungsvorschriften gem. UGB bei der XXXX im Jahr 2015 weniger als 10 Mill. Euro betragen hat.

 

AGV: Jene Umsatzerlöse in der Bestätigung des Steuerberaters beziehen sich lediglich auf jene Umsatzerlöse nach § 201 Abs 2 Zif 4 UGB. Dh in dieser Spalte der Erklärung werden lediglich die schlussgerechneten Bauvorhaben angeführt. Der Gesamtumsatz an sich wird in der letzten bzw. vorletzten Spalte dieser Erklärung bestätigt und liegt dieser über 20. Mill. Euro. In weiteren wird auf die Stellungnahme vom 19.06.2018 verwiesen.

 

MBV: Wir schließen uns den Ausführungen der AGV an.

 

AStV: Ich verweise auf die Schriftsätze.

 

Es ergeht die Umfrage, ob über die Schriftsätze etwas hinaus vorzubringen ist.

 

MBV: Geboten ist eine Interpretation der Ausschreibung anhand der maßgeblichen vergaberechtlichen Bestimmungen. Die Auslegung hat in vergaberechtlicher Form zu erfolgen. Dabei ist folgendes von

Bedeutung:

 

1: Die für die Leistungsfähigkeit relevanten Eignungskriterien sind im Unterschied zu den Merkmalen der Befugnis und Zuverlässigkeit, die maßgeblich auf Umstände in der Person des Unternehmens abstellen, sach- und betriebsbezogene Eignungskriterien. Ein Bieter ist dann als finanziell und wirtschaftlich leistungsfähig anzusehen, wenn sein Betrieb in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht so ausgestattet ist, dass er Gewähr für die Erbringung der geforderten Leistungen innerhalb der Vertragsfrist bietet. Bei der Beurteilung der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geht es darum bzw. wird geprüft, ob das Unternehmen über ausreichend finanzielle und wirtschaftliche Mittel verfügt, die ihm eine laufende Pflichterfüllung gegenüber dem Auftraggeber ermöglich. Genau das hat die Auftraggeberin mit ihrer Festlegung im Pkt. 00B104B unter "Gesamtumsatz" der Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis abgefragt. Es wurde unmissverständlich ein Nachweis dafür gefordert, dass die Unternehmen der Bieter so ausgestattet sind, dass sie Gewähr für die Erbringung der geforderten Leistungen innerhalb der Vertragsfrist bieten bzw. dass die Bieter über ausreichend Mittel verfügen, dass eine laufende Pflichterfüllung möglich ist.

 

Dass es dabei (vor allem bei Straßenbauvorhaben wie dem gegenständlichen, dass sich regelmäßig über mehrere Jahre hinzieht) nicht auf die Legung von Schlussrechnungen, die ausschließlich für den Jahresabschluss Relevanz haben und ein verzerrtes Bild innerhalb eines Jahres tatsächlich erbrachten Leistungen bzw. den tatsächlichen Umsätzen wiedergeben ankommen kann, sondern ausschließlich auf die operativen Leistungen [...] während eines Kalenderjahres, über die (wie hier) vereinbarungsgemäß Teilrechnungen entsprechenden Leistungsfortschritt innerhalb der Vertragsfrist zu legen bzw zu fakturieren sind und für die unterjährig auf die Umsatzsteuer auf die Teilrechnungen abzuführen ist, ankommt, ist einleuchtend und liegt auf der Hand. Jedes andere Verständnis dieser Festlegung würde bedeuten, dass bei mehrjährigen Straßenbauvorhaben in den Jahren vor der Schlussrechnung überhaupt keine Umsätze bzw. Umsatzerlöse lukriert werden, obwohl auch in diesen Jahren operative Bauleistungen erbracht, mittels Teilrechnungen abgerechnet, diese Teilrechnungen auch versteuert und auftraggeberseits bezahlt werden.

 

Ein derartiges Verständnis des Eignungskriteriums der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist denkunmöglich und auch nicht aus dem objektiven Erklärungswert des Pkt. 00B104B "Gesamtumsatz" der Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis abzuleiten.

 

2: In der unternehmensrechtlichen Literatur wird der Begriff Umsatz eher für den Vorgang, d.h. die Erbringung der Lieferung/Leistung, aber auch synonym verwendet. Wirtschaftswissenschaftlich werden Umsatz- und Umsatzerlös synonym verwendet. Als Umsatz ist der Vorgang an sich, und als Umsatzerlös der mit dem Umsatz erzielte Erlös zu bezeichnen. Da beides aber unmittelbar zusammenhängt wird der der Begriff auch für den lukrierten Betrag an sich verwendet.

 

3: Die Mitbeteiligte Partei (=MBP) hat der AG durch Vorlage des ANKÖ-Nachweises und einer Bestätigung des Steuerberaters nachgewiesen, dass sie in der Lage ist, bzw.in den Jahren 2014 bis 2017 jeweils in der Lage war, operative (Bau‑) Leistungen zu erbringen, die den georderten Betrag von Euro 10. Mil. Übersteigen bzw. überstiegen haben. Damit hat die MBP den geforderten Nachweis für die Erfüllung des Mindestkriterium Gesamtumsatz erbracht. Daran vermögen die gegenteilige Ausführung der AG zum Jahresabschluss 2015 und zum Lagebericht 2016 nichts zu ändern. Mit anderen Worten: Da die MBP in den Jahren 2014-2017 jeweils Bauleistungen im Gegenwert von mehr als Euro 10. Mil. erbracht hat, verfügt sie über ausreichende finanzielle und wirtschaftliche Mittel, um eine laufende Pflichterfüllung im Rahmen des hier gegenständlichen Auftrages zu ermöglichen. Das Unternehmen der MBP ist nachgewiesener Maßen so ausgestattet, dass sie der Antragsgegner bzw. Auftraggeberin Gewähr für die Erbringung der geforderten Leistungen innerhalb der Vertragsfrist bietet. Beweis der Vergabeakt.

 

VR: Liegt eine Unklarheit bzw ein Widerspruch vor, wenn in der Ausschreibung einerseits Mindestumsatzerlöse verlangt werden und andererseits Gesamtumsatznachweise zum Nachweis der Umsatzerlöse verlangt werden.

 

AGV: Ich verweise auf die Stellungnahme vom 19.06.2018.

 

VR: Hat die MBP hier betreffend einen allfälligen Widerspruch bzw einer allfälligen Unklarheit nachgefragt?

 

MBV: Nein.

 

AGV: Nachgefragt wurde von niemand. Aufgrund der Vielzahl von durchgeführten Vergabeverfahren (zum Teil auch vor dem BvwG behandelten Verfahren) wurde diese Bestimmung von sämtlichen Bietern immer so verstanden, dass es sich bei dem Gesamtumsatz um die tatsächlich (operativ) erbrachten Leistungen handelt. Auch vom BVwG wurde in diesen Fällen immer die ANKÖ-Auszüge anerkannt.

 

VR: Waren diese Begrifflichkeiten (Umsatz und Umsatzerlös) bereits einmal konkret strittig?

 

AGV: Nein.

 

AStV: Wir haben es noch nie bekämpft.

 

VR: Vorbehaltlich einer Wiedereröffnung wird das Ermittlungsverfahren für eine Senatsberatung geschlossen und werden die Anwesenden ersucht, vor dem Verhandlungssaal zu warten.

 

Dr. M***: Wieso haben Sie sich für die gegenständliche Textierung entschieden?

 

AGV: Es handelt sich bei der Position 00B104B "Gesamtumsatz" um eine Standardbestimmung der ASFINAG. Diese wird im ASFINAG internen Beschaffungsprozess geführt und wird für den Fall, dass die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit über den Gesamtumsatz abgefragt wird, von den jeweiligen Ausschreibungserstellern herangezogen. Jedenfalls nicht gefordert wurden auf Grund der bestandsfest gewordenen Position Umsatzerlöse nach § 201 UGB. Dies würde auch bei einer BVergG-konformen Interpretation den Intensionen insbesondere des BVergG (Nov. 2015) wonach Klein- und mittlere Unternehmen gefördert werden sollen.

 

[DI F***]: Klargestellt wird, dass der strittige Text ein Text ist, den der jeweilige Projektleiter bei der Erstellung nach festgelegten Kriterien verwenden kann.

 

AStV: Bei der S36 war das nicht der Fall.

 

Nach informeller Erörterung Beginn der Verhandlungspause um 10:55 Uhr.

 

Um 11:33 Uhr wird fortgesetzt.

 

Ermittlungsverfahren und Verhandlung bleiben geschlossen.

 

Der VR verkündet nach Durchführung der nichtöffentlichen Beratung des Senates gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG das nachfolgende Erkenntnis samt wesentlichen Entscheidungsgründen und erteilt die Rechtsmittelbelehrung:

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Vorsitzenden, durch die fachkundige Laienrichterin MMag Dr Annemarie MILLE als Beisitzerin der Auftragnehmerseite und durch den fachkundigen Laienrichter Mag Franz PACHNER als Beisitzer der Auftraggeberseite über den Antrag der anwaltlich vertretenen Antragstellerin, der Bietergemeinschaft bestehend aus XXXX , XXXX und XXXX GmbH (=ASt), auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 14.05.2018 zu Gunsten der XXXX im Vergabeverfahren der Auftraggeberin Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (= AG) "S 7 Fürstenfelder Schnellstraße, Abschnitt West, Baulos 01 - Erdbau und Kunstbauten Knoten A2/S7"nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Zuschlagsentscheidung vom 14.05.2018 wird hiermit für nichtig erklärt.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Tragende Entscheidungsgründe:

 

Bei der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin sind entgegen der Ausschreibung für das Jahr 2015 weniger als 10 Mio Euro Umsatzerlöse nachgewiesen, wobei die Ausschreibung objektiv und gesetzeskonform auszulegen ist und daher der Begriff der Umsatzerlöse rechnungslegungsrechtlich zu verstehen ist. Dies zumal § 221 UGB bei den Größenklassen der Unternehmen gleichfalls auf Umsatzerlöse iSd UGB abstellt.

 

Zum gebotenen Begriffsverständnis des Umsatzbegriffs und des Begriffs der Umsatzerlöse siehe VwGH Zl 2011/03/0027 bzw. danach nunmehr § 189a UGB.

 

Dass die ASFINAG in der nicht angefochtenen Ausschreibung iZm den abgefragten Umsatzerlösen allenfalls untaugliche Nachweismittel vorgesehen hat, kann bei der objektiv auszulegenden Ausschreibung nichts an diesem Ergebnis ändern.

 

Gleichfalls hat gegenständlich eine nicht unplausibel erscheinende KMU - Feindlichkeit der strittigen Ausschreibung wegen deren Nicht - Anfechtung unberücksichtigt zu bleiben.

 

Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich dieses Erkenntnis auf eine gesicherten Rsp des VwGH gründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diese Entscheidung kann innerhalb von sechs [...]

 

Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG:

 

Die Parteien werden gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG belehrt [...]

 

3. Die AG und die MB beantragten bereits nach Verkündung eine schriftliche Erkenntnisausfertigung.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Über den Verfahrensgang hinaus ist vorerst die streitentscheidende Mindestumsatzerlösklausel der unangefochten gebliebenen und damit bestandfest gewordenen Ausschreibung festzustellen wie folgt:

 

00B104B Gesamtumsatz

 

Zum Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bieters ist ergänzend zumindest folgendes nachzuweisen:

 

Die gesamten Umsatzerlöse der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre für die der Jahresabschluss festgestellt ist, wobei der Bieter jährliche Umsatzerlöse in Höhe von zumindest EUR 10 Mio netto (des Bieters bzw aller Mitglieder der Bietergemeinschaft zusammen) nachzuweisen hat. Die Umsatzerlöse sind für jedes der letzten drei Geschäftsjahre nachzuweisen. Die Umsatzerlöse sind nur dann für einen kürzeren Tätigkeitszeitraum nachzuweisen, falls das Unternehmen des Bieters oder eines Mitglieds der Bietergemeinschaft noch nicht so lange besteht, da in diesem Fall die Umsatzerlöse seit dem Bestehen anzugeben sind, wobei pro Monat seit dem Bestehen im Schnitt ein Zwölftel des vorgenannten Umsatzes anzugeben ist (siehe Formblatt "Erklärung Mindestumsatz").

 

Dieser Nachweis ist durch die Beilage folgender Unterlagen zu führen:

 

Erklärung, dass die angegebene Schwelle über den Gesamtumsatz der letzten drei Geschäftsjahre bzw für einen kürzeren Tätigkeitszeitraum, für die der Jahresabschluss festgestellt ist, falls das Unternehmen des Bieters oder eines Mitglieds der Bietergemeinschaft noch nicht so lange besteht, jedenfalls überschritten ist. Dabei wird klarstellend festgehalten, dass im letzteren Fall die Gesamtumsatzerlöse für die Geschäftsjahre seit Bestehen anzugeben sind.

 

1.2. Unstrittig bzw nicht substantiiert bestritten ist, dass die MBP im Geschäftsjahr 2015 als einem insoweit für den Eignungsnachweis relevanten Jahr knapp weniger als acht Mio Euro Umsatzerlöse iSd Rechnungslegungsvorschriften des UGB aufweist, wobei sich die Umsatzerlöszahl für 2015 einerseits aus einer Steuerberaterbestätigung, wie von der MBP an die AG vorgelegt, ergibt, und andererseits auch aus dem für das Jahr 2016 beim Firmenbuch eingereichten Jahresabschluss, Blg ./G der Beilagen der ASt.

 

Der Steuerberater der MBP hat insoweit in dieser Bestätigung, die seitens der AG an das BVwG vorgelegt wurde, selbst zwischen Umsatzerlösen, Bestandsveränderungen, der aus den Umsatzerlösen und den Bestandsveränderungen errechenbaren Gesamtleistung und dem Gesamtumsatz differenziert, womit objektiviert ist, dass auch in der Sphäre der MBP der Begriff der Umsatzerlöse anders verstanden wurde als der Begriff des Umsatzes.

 

1.3. Die AG und die MBP argumentierten im Verfahren dahin, dass vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Ausschreibungsklausel nicht auf Umsatzerlöse iSd Rechnungslegungsvorschriften abzustellen wäre, sondern auf Umsatzzahlen, weil dies in Hinblick auf die abgefragte Leistungsfähigkeit gemäß BVergG derart zu sehen wäre.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus der Aktenlage und va der verhandlung vom 20.06.2018. Insb wurde nicht substantiiert bestritten, dass die MBP für das Geschäftsjahr 2015 weniger als 10 Mio Euro Umsatzerlöse iSd Rechnungslegungsvorschriften nachweisen konnte.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Das BVwG hatte gegenständlich in der im Entscheidungskopf ersichtlichen Senatsbesetzung zu entscheiden - § 292 BVergG iVm § 6 VwGVG.

 

Als Verfahrensrecht waren dabei abseits der Sonderverfahrensvorschriften des BVergG das VwGVG und die in § 311 BVergG verwiesenen Teile des AVG anzuwenden.

 

Das BVergG = BVergG 2016 findet dabei idgF zum Entscheidungszeitpunkt Anwendung.

 

Zu A)

 

3.2. Nach der stRsp des VwGH, wie zB zu Zl 2013/04/0029 ersichtlich, ist eine Ausschreibung als präkludiert und bestandfest auch dann anzuwenden, wenn die Ausschreibung vergaberechtswidrig sein kann, aber deren allfällige Rechtswidrigkeiten nicht innerhalb der dafür zur Verfügung stehenden Anfechtungsfrist bei der zuständigen Vergabekontrollinstanz angefochten wurden.

 

Aus VwGH Zl 2006/04/0024 ist iZm der gebotenen Ausschreibungsauslegung entsprechend der stRsp des VwGH festzuhalten:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt bei der Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen, somit hinsichtlich der Willenserklärungen des Auftraggebers, den objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt für maßgebend erachtet (Hinweis E vom 19. November 2008, 2007/04/0018, mit Verweis auf die Vorjudikatur). Dass der objektive Erklärungswert maßgeblich ist, gilt auch für die Auslegung der Willenserklärung des Bieters.

 

3.3. Der VwGH hat zum Begriff des Umsatzes und dem davon verschiedenen Begriff des Umsatzerlöses, wie in den Rechnungslegungsvorschriften des UGB verwendet, zu Zl 2011/03/0027 ausgeführt wie folgt:

 

Als "Umsatz" wird im allgemeinen Sprachgebrauch der in der Betriebswirtschaftslehre verwendete "Veräußerungswert der in der Verfolgung des Unternehmenszieles abgesetzten Sachgüter und Dienstleistungen bezogen auf einen Zeitraum" bezeichnet (vgl etwa Brockhaus-Enzypklopädie 21 (2006), S 280).

 

Im juristischen Kontext findet sich dieser Begriff in zahlreichen Gesetzen, darunter vor allem auch in den Bestimmungen über die Rechnungslegung (§ 231f Unternehmensgesetzbuch - UGB, früher: HGB) und im Umsatzsteuerrecht. § 232 Abs 1 UGB umschreibt als

"Umsatzerlöse ... die für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit des

Unternehmens typischen Erlöse aus dem Verkauf und der Nutzungsüberlassung von Erzeugnissen und Waren sowie aus Dienstleistungen nach Abzug von Erlösschmälerungen und Umsatzsteuer". Die Definition der Umsatzerlöse nach dieser Norm stellt somit auf Leistungsbeziehungen des Unternehmens mit Dritten ab (vgl Göth in Straube, HGB II2/RLG § 193 Rz 2).

 

Der Gesetzgeber hat dieses Begriffsverständnis zwischenzeitig im Wesentlichen in § 189a Z 5 UGB übernommen.

 

Damit ist der Umsatzerlös jener Erlös, der sich durch den Umsatz, also aus der Lieferung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen ergibt. Der Umsatzerlös ist damit die Folge des Umsatzes und nicht der Umsatz selbst.

 

3.4. Wenn die AG in der hier strittigen Ausschreibungsbestimmung nach deren objektivem Wortlaut einen Mindestumsatzerlös über 10 Mio Euro (bei der MBP gegenständlich) auch für das Jahr 2015 verlangt hat, hat die AG nach dem objektiven Wortlaut eine andere Kennzahl verlangt, als wenn zB ein Mindestumsatz von 10 Mio Euro verlangt gewesen wäre.

 

3.5. Dass gegenständlich das rechnungslegungsrechtlich gebotene Begriffsverständnis des Begriffs der Umsatzerlöse zu Grunde zu legen ist, ergibt sich dabei zusätzlich daraus, dass die AG in der hier relevanten Ausschreibungsklausel gleichzeitig auch den rechnungslegungsrechtlichen Begriff des Geschäftsjahrs verwendet; und zusätzlich mit der Normierung des Mindestumsatzerlöserfordernisses genau jenes Kriterium heranzieht, das der Gesetzgeber in § 221 UGB selbst zur Klassifizierung von Unternehmen als klein, mittel oder Groß verwendet. Es ist damit systematisch und objektiv davon auszugehen, dass die AG hier die rechnungslegungsrechtliche Begriffswelt verwendet hat.

 

Wenn der Gesetzgeber zusätzlich in § 231 Abs 2 Z 1 und Z 2 UGB genau zwischen Umsatzerlösen einerseits und den für die Umsatzzahl zusätzlich relevanten Bestandsveränderungen andererseits differenziert und zudem der Steuerberater der MBP bei der Erstellung der vorgelegten Angebotsbeilage dieses Begriffsverständnis nachvollzieht, führt dies zum Ergebnis, dass das rechnungslegungsrechtliche Begriffsverständnis jedenfalls dasjenige ist, das bei der Auslegung der gegenständlichen Ausschreibung heranzuziehen ist. Nicht gefolgt werden kann damit - bereits nach dem objektiven Ausschreibungswortlaut - der Argumentation, der Begriff des Umsatzes und derjenige des Umsatzerlöses wären bei dieser Vergabe gleichbedeutend.

 

Da die MBP für das hier rechtserhebliche Geschäftsjahr 2015 weniger als 10 Mio Euro Umsatzerlöse (iSd Rechnungslegungsvorschriften) nachweisen konnte, wäre daher deren Angebot gemäß § 129 Abs 1 Z 2 und Z 7 BVergG auszuscheiden gewesen.

 

Die Zuschlagsentscheidung war daher gemäß § 325 Abs 1 BVergG für nichtig zu erklären, da ohne diese Rechtswidrigkeit ein anderer Vergabeverfahrensausgang jedenfalls möglich ist.

 

3.6. Dass die AG in der strittigen Ausschreibungspassage auch Umsatzzahlen als Nachweis verlangt haben dürfte, ist nach der Bestandfestigkeit der gegenständlichen Ausschreibung unerheblich und ändert nichts daran, dass die AG das Eignungserfordernis an Hand von Umsatzerlöszahlen formuliert hat.

 

Wegen der Ausschreibungspräklusion war auch nicht mehr auf die potentielle KMU - Benachteiligung durch die strittige Ausschreibungspassage einzugehen.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis konnte jedenfalls auch dahinstehen, ob die Bieter dieses Vergabeverfahrens zuverlässige Bieter sind, wenn sie, wie in der Verhandlung kurz hinterfragt, die hier strittige Ausschreibungspassage iZm Umsatzerlös und Umsatz offenbar nicht gemäß Punkt 1.1.8. der Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen bzw gemäß 106 Abs 6 BVergG fristgerecht gerügt haben, obwohl dies - präkludiert - verlangt worden war.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision war gegenständlich nicht zuzulassen, da die Entscheidung auf der oben zitierten gefestigten Rsp des VwGH beruht.

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