BVwG W187 2195740-1

BVwGW187 2195740-128.5.2018

BVergG §12 Abs1 Z3
BVergG §131 Abs1
BVergG §131 Abs3
BVergG §2 Z16 lita
BVergG §2 Z8
BVergG §291
BVergG §292 Abs1
BVergG §3 Abs1 Z2
BVergG §312 Abs2
BVergG §320 Abs1
BVergG §322 Abs1
BVergG §328 Abs1
BVergG §328 Abs2
BVergG §329 Abs1
BVergG §329 Abs3
BVergG §329 Abs4
BVergG §4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W187.2195740.1.00

 

Spruch:

W187 2195740-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER über den Antrag der XXXX vertreten durch Keschmann Rechtsanwalts-GmbH, Servitengasse 4/20, 1090 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Erweiterungsneubau der SGKK (Turm 2) - Bauträgersuche" der Auftraggeberin Salzburger Gebietskrankenkasse, Engelbert-Weiß-Weg 10, 5020 Salzburg, vertreten durch finkrecht - Dr. Christian Fink, Rechtsanwalt, Stiftgasse 21/16, 1070 Wien, vom 18. Mai 2018 beschlossen:

A)

Das Bundesverwaltungsgericht weist den Antrag der XXXX , das Bundesverwaltungsgericht möge

"mit einstweiliger Verfügung der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens (in eventu: für die Dauer von sechs Wochen) als vorläufige Maßnahme

* das gesamte Vergabeverfahren aussetzen;

• in eventu: der Auftraggeberin (i) die Fassung einer Zuschlagsentscheidung und (ii) die Zuschlagserteilung untersagen;

gemäß §§ 328 Abs 1 und 329 Abs 1 BVergG ab.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

BEGRÜNDUNG

I. Verfahrensgang

1. Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2018 beantragte die XXXX , vertreten durch Keschmann Rechtsanwalts-GmbH, Servitengasse 4/20, 1090 Wien, in der Folge Antragstellerin, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die Nichtigerklärung der sonstige Festlegung während der Verhandlungsphase ("Scoringentscheidung") und die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch unter A) wiedergegeben sowie den Ersatz der Pauschalgebühr. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren "Erweiterungsneubau der SGKK (Turm 2) - Bauträgersuche" der Auftraggeberin Salzburger Gebietskrankenkasse, Engelbert-Weiß-Weg 10, 5020 Salzburg, vertreten durch finkrecht - Dr. Christian Fink, Rechtsanwalt, Stiftgasse 21/16, 1070 Wien.

1.1 Nach der Darstellung des Sachverhalts, Bezeichnung des Vergabeverfahrens, der angefochtenen Entscheidung, der Auftraggeberin, macht die Antragstellerin Ausführungen zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags. Sie behauptet das Interesse am Vertragsabschluss durch die Abgabe eines ausschreibungskonformen Angebots, Ausarbeitung aller geforderten Konzepte, Teilnahme am Verhandlungsverfahren sowie durch Einbringung des vorliegenden Nachprüfungsantrages samt Antrag auf einstweilige Verfügung und nicht zuletzt durch Entrichtung der dafür erforderlichen Gebühren. Sie nennt als drohenden Schaden die im Antrag näher bezifferten bisher entstandenen Kosten für die Angebotserstellung, erzielbaren Gewinn und den Verlust eines Referenzauftrags für zukünftige Bewerbungen. Sie erachtet sich ihrem subjektiven Recht auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens und Teilnahme daran, insbesondere auf Gleichbehandlung aller Bieter, Einhaltung der bestandfesten Ausschreibungsbestimmungen sowohl durch die Bieter als auch durch den Auftraggeber, insbesondere in Hinblick auf die bekanntgegebenen Zuschlagskriterien, Ausscheiden von Angeboten, die mit (wenn auch nur) einem Ausscheidungsgrund belastet sind, infolge Bewertung der Angebote, insbesondere in den Qualitätskriterien, wie in der Ausschreibungsunterlage festgelegt, Fassung der Scoringentscheidung zu Gunsten der Antragstellerin, Führung der Endverhandlungen mit ihr und Zuschlagsentscheidung in allen anderen subjektiven Rechten der Antragstellerin, mögen sie auch nicht an dieser Stelle des Nachprüfungsantrages genannt sein, sich aber aus der Gesamtheit des Vorbringens Ergeben, und letztlich Zuschlagserteilung an sie sowie verletzt.

1.2 Zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung für die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass der Nachprüfung einerseits zugänglich sei, ob eine Bewertung in Hinblick auf die Anforderungen der Ausschreibung (gegenständlich "Aufgabenstellung" genannt) hätte erfolgen dürfen (mit der Konsequenz entweder des Ausscheidens oder der Bewertung mit "nicht genügend" = null Punkte), und anderseits, ob sich die erteilte Note mit der dafür gegebenen Begründungen im Sinne der Nachvollziehbarkeit in Einklang bringen lasse. Unter Berücksichtigung der zur Verfügung gestellten Kommissionsbewertung sei beim Angebot des für die exklusiven Endverhandlungen ausgewählten Bieters ersteres der Fall beim Qualitätskriterium "Ausarbeitung ‚Termin- & Ablaufkonzept'" und zweiteres der Fall beim Qualitätskriterium "Ausarbeitung ‚Qualitäts- und Arbeitssicherungskonzept'".

1.3 Beim Qualitätskriterium "Ausarbeitung ‚Termin- & Ablaufkonzept'" enthalte das Konzept des für die exklusiven Endverhandlungen ausgewählten Bieters entgegen der Ausschreibung keinen detaillierten Balkenterminplan, weshalb das Vorliegen des jeweiligen Erläuterungsberichts zum Balkenterminplan zumindest zweifelhaft sei. Daher sei das Angebot gemäß § 129 Abs 1 Z 7 BVergG auszuscheiden oder zumindest mit null Punkten zu bewerten. Die Bewertung mit "gut" sei nicht nachvollziehbar. Schon dadurch käme es zum Bietersturz.

1.4 Beim Qualitätskriterium "Ausarbeitung ‚Qualitäts- und Arbeitssicherungskonzept'" lasse sich die gegebene Note für das Konzept des für die exklusiven Endverhandlungen ausgewählten Bieters aus der Begründung der Kommission nicht nachvollziehen. Zur "Übereinstimmung mit den inhaltlichen Rahmenvorgaben" sei die Ausarbeitung anscheinend derart dünn, dass nicht einmal Widersprüche zur Ausschreibung feststellbar wären. Zur "Inhaltlichen Vollständigkeit und Stimmigkeit" fehlten alle Aspekte, die in der Aufgabenstellung angesprochen seien, insbesondere die Unterscheidung der auf der Baustelle direkt tätigen Personen, den Besuchern der SGKK und den Anrainern. Bei der "Anwendbarkeit für den Auftraggeber im Hinblick auf notwendige Abstimmungs-, Prüfung- und Entscheidungsfristen" sei gerade auf deren Darstellung "verzichtet" worden, mit anderen Worten: diese sei nicht geliefert worden. Die bloße Ankündigung der einvernehmlichen Festlegung mit dem Auftraggeber sei nicht ausschreibungskonform. Bei der "Anwendbarkeit für den Auftraggeber im Hinblick auf allfällige Einschränkungen im laufenden Betrieb der SGKK" fehle ebenfalls deren Darstellung unter Hinweis des Bieters, dass diese schon in der Ausschreibung beschrieben wären. Das könne freilich auch als Widerspruch des Bieters gegen eine Ausschreibungsfestlegung gewertet werden, weil die Auftraggeberin klar gerade die nicht gelieferte Darstellungausgehend von ihren Ausschreibungsunterlagen - gefordert habe. Wie angesichts dieser Begründungen die Kommission zu einer Bewertung mit "gut" kommen könne, lasse sich nicht nachvollziehen. Bei einer Bewertung des Konzepts des für die exklusiven Endverhandlungen ausgewählten Bieters mit "genügend" komme es zum Bietersturz.

1.5 Die Angebote wären nach Auffassung der Antragstellerin auch einer rechtlichen Würdigung seitens der Auftraggeberin zu unterziehen gewesen, die üblicherweise nicht der kommissionellen Bewertung zugänglich sei. Selbst wenn also aus fachlicher Sicht die Kommission zB das "Termin- & Ablaufkonzept" des für die exklusiven Endverhandlungen ausgewählten Bieters für "gut" befunden habe, hätte immer noch die Prüfung stattfinden müssen, ob in Hinblick auf die Festlegungen der Ausschreibung ("hat folgende Inhalte aufzuweisen") "alles da" sei, um eine solche Bewertung überhaupt vornehmen zu können und dann die jeweilige Entscheidung zu treffen. Insoweit sei die Angebotsprüfung unvollständig geblieben.

1.6 Während man sich nach Durchsicht der Begründungen der Beurteilung des für die exklusiven Endverhandlungen ausgewählten Bieters des Eindrucks eher wohlwollender Bewertung nicht verwehren könne, sei es bei der Antragstellerin gerade umgekehrt: Ihre detaillierte Ausarbeitung gereiche ihr zum Nachteil, während beim für die exklusiven Endverhandlungen ausgewählten Bieter eine so geringe Detailtiefe, dass Widersprüche zur Ausschreibung nicht einmal feststellbar wären, noch positiv vermerkt werde. Beim "Termin- & Ablaufkonzept" werde bei der Antragstellerin negativ vermerkt, dass eine sanitätsrechtliche Bewilligung für den Turm 2, aber nicht für die Bestandsadaptierung vorgesehen sei, obwohl sich aus der abgegebenen Ausarbeitung ergebe, dass die sanitätsrechtliche Einreichung als "gesamt" durchgeführt werde und somit auch die Bestandsadaptierung beinhalte. Bemängelt werde, dass angeblich Abhandlungen über Abstimmungs-, Prüf- und Entscheidungsfristen fehlten, obwohl sich diese aus dem Balkenterminplan ergäben, wo die jeweiligen Freigabetermine eingetragen seien und zudem ein eigenes Dokument zur Darstellung der Kommunikations- und Abstimmungsprozesse abgegeben worden sei. Vernachlässigbare Unstimmigkeiten im - durchaus - detaillierten Balkenterminplan würden hervorgehoben, während beim für die exklusiven Endverhandlungen ausgewählten Bieter großzügig darüber hinweggesehen werde, dass dieser erst gar keinen Balkenterminplan vorgelegt und dadurch das Risiko allfälliger Unstimmigkeiten in seiner Ausarbeitung erst gar nicht auf sich genommen habe. Dies betreffe das Gebot der Gleichbehandlung der Bieter. Bei kommissioneller Bewertung dürfe aber die Kommission nicht an einen Bieter strengere Maßstäbe anlegen als an einen anderen, mit anderen Worten, sie dürfe nicht einen Bieter strenger und den anderen milder beurteilen.

1.7 Die Antragstellerin macht das Vorbringen zum Nachprüfungsantrag auch zum Vorbringen zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und führt im Wesentlichen aus, dass dem Nachprüfungsantrag keine aufschiebende Wirkung zukomme und die Auftraggeberin ungehindert mit dem Vergabeverfahren fortfahren und vollendete Tatsachen schaffen könne. Jedenfalls könnte die Auftraggeberin durch Durchführung der Endverhandlungen und Mitteilung der Zuschlagsentscheidung die Antragstellerin dazu zwingen, auch diese anzufechten und die dafür erforderliche Gebühren- und Kostenlast zu tragen. Zudem könnte sich die Auftraggeberin gegenüber dem für die exklusiven Endverhandlungen ausgewählten Bieter schadenersatzpflichtig machen, wenn diesem im Zuge der Endverhandlungen Aufwände entstünden, dann aber die Scoringentscheidung wegen Rechtswidrigkeit für nichtig erklärt würde. Die Verhinderung der Endverhandlungen sei daher erforderlich, damit die - jedenfalls im Provisorialverfahren nicht von vornherein zu verwerfende - Rechtsposition der Antragstellerin geschützt bleibe. Diese Rechtsposition der Antragstellerin könne nur wirksam gesichert werden, wenn das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Hauptsache in einem Stand gehalten werde, der eine spätere Scoringentscheidung und - erfolgreiche Endverhandlungen vorausgesetzt - Zuschlagsentscheidung zugunsten der und Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermögliche. Es seien keine Interessen ersichtlich, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprächen. Es bestehe ein öffentliches Interesse an der Sicherstellung der vergaberechtskonformen Auftragserteilung. Im Zweifel sei dem provisorischen Rechtsschutz der Vorrang einzuräumen. Das Interesse der Antragstellerin an der Erlassung der einstweiligen Verfügung sei als überwiegend anzusehen. Die Auftraggeberin treffe die Behauptungslast für gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hätte die Dauer des Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung berücksichtigen müssen. Allfällige finanzielle Interessen der Auftraggeberin seien nicht zu befürchten. Die begehrte Maßnahme stelle auch die gelindeste noch zum Ziel führende geeignete Maßnahme dar: Es stehe der Auftraggeberin - selbst bei Aussetzung des gesamten Vergabeverfahrens - insbesondere frei, durch Zurücknahme der Scoringentscheidung die Antragstellerin im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht klaglos zu stellen.

2. Am 23. Mai 2018 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte und nahm zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung Stellung.

2.1 Darin führt sie im Wesentlichen aus, dass die Errichtung des Erweiterungsneubaus (Turm 2) auf einem Grundstück erfolge, das sich im Eigentum der Österreichischen Post Aktiengesellschaft befinde. Die Post habe mit eigenen Mitarbeitern und externen Konsulenten eine Projektentwicklung zur Errichtung eines Büroturms durchgeführt. In einer zwischen der Auftraggeberin und der Post getroffenen Vereinbarung sei festgelegt, dass die Auftraggeberin spätestens mit Ablauf des 31. Juli 2018 verbindlich den Käufer des Grundstücks bekannt zu geben habe. Andernfalls erfolge kein Verkauf und die Auftraggeberin habe die Planungskoten von € 199.999 ohne USt zu tragen. Von der Auftraggeberin seien bereits Projektentwicklungskosten von € 165.000 und Ausschreibungskosten von € 339.000 jeweils ohne USt getragen. In Summe wären daher rund €

700.000 frustriert, wenn eine rechtzeitige Bekanntgabe des Käufers an die Post scheitere. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger habe einer Umsetzung des Vorhabens mit maximalen Kosten von € 15.433.674,55 ohne UST zugestimmt. In der Ausschreibungsunterlagen 2. Fassung sei eine Kostenobergrenze von €

15.029.520,50 ohne USt festgelegt. Das damalige Bundesministerium für Gesundheit und Frauen habe zugestimmt. Bei Wegfall des Zustimmungsbescheids sei keine neuerliche Genehmigung eines derartigen Vorhabens in Salzburg zu erwarten. Das Vergabeverfahren sei zum frühestmöglichen Zeitpunkt, dem 21. Juli 2017 eingeleitet worden. Der letzte Termin für eine Zuschlagserteilung im Rahmen der letzten Vorstandssitzung der Auftraggeberin sei der 4. Juli 2018. Die Zustimmung zur Post sei am 31. Juli 2018 zu erteilen. Spätestens 14 Tage vor Beschlussfassung seien Beschlussanträge dem Vorstand vorzulegen. Aufgrund von "politischen" Faktoren, die nicht unmittelbar der Auftraggeberin zugerechnet werden könnten, müsse spätestens am 19. Juni 2018 die Perons des Auftragnehmers feststehen. Bei einem Scheitern drohe der Auftraggeberin ein Verlust von € 700.000.

2.2 Im Rahmen einer einstweiligen Verfügung sei die gelindeste noch zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen. Keine der beantragten Maßnahmen sei nötig und geeignet, um eine Schädigung von Interessen der Antragstellerin hintanzuhalten. Ihr Angebot sei nicht ausgeschieden worden. Ihr sei nach Abschluss der Exklusivverhandlungen die Zuschlagsentscheidung bekanntzugeben. Die Konstellation sei mit der Anfechtung einer Ausscheidensentscheidung vor Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung vergleichbar. Die Antragstellerin sei eine im Vergabeverfahren verbliebene Bieterin. Im Rahmen der Interessenabwägung sprächen die Gefahr des endgültigen Scheiterns des Projekts, der Verlust des Auftrags für den für die Exklusivverhandlungen ermittelten Bieters, der finanzielle Verlust von € 700.000 für die Auftraggeberin sowie als öffentliches Interesse der Entfall des Ausbaus der zahnmedizinischen Versorgung durch Erweiterung des Zahngesundheitszentrums zu berücksichtigen. Sollte das Bundesverwaltungsgericht die Erlassung einer einstweiligen Verfügung für nötig erachten, könne mit der Untersagung der Zuschlagserteilung das Auslangen gefunden werden. Auch durch die Führung von Verhandlungen werde keine Situation geschaffen, die in allfälligen Exklusivverhandlungen die Position der Antragstellerin beeinträchtigen könne. Die Auftraggeberin legt die Grundsatzvereinbarung zwischen ihr und der Post über den Erwerb des Grundstücks und den Genehmigungsbescheid der Bundesministerin für Frauen und Gesundheit vom 25. September 2017, BMGF-93501/0023-II/A/6/2017, vor. Die Auftraggeberin beantragt, von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gänzlich abzusehen und die betreffenden Anträge zurück- bzw abzuweisen, in eventu die beantragen Maßnahmen der (a) Aussetzung des gesamten Vergabeverfahrens, (b) Aussetzung der Scoringentscheidung, (c) die Untersagung der Aufnahme/Fortsetzung der Exklusivverhandlungen, (d) die Untersagung der Fassung einer Zuschlagsentscheidung als nicht gelindeste noch zum Ziel führende Maßnahmen zurück- bzw abzuweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1 Die Auftraggeberin und die Österreichische Post Aktiengesellschaft haben die Grundsatzvereinbarung über den Erwerb des Grundstücks abgeschlossen, um das gegenständliche Projekt zu realisieren. Darin ist festgelegt, dass die Auftraggeberin der Post bis 1. August 2018 schriftlich mitteilen muss, ob die Post das Grundstück an den Bauträger veräußern soll. (Beilage ./1 zu W187 2195740-2/6)

1.2 Mit Bescheid vom 25. September 2017, BMGF-93501/0023-II/A/6/2017, genehmigte die Bundesministerin für Frauen und Gesundheit die Beschlüsse des Vorstands der Auftraggeberin über die Erweiterung des Kunden- und Zahngesundheitszentrums der Salzburger Gebietskrankenkasse in Salzburg, der Kontrollversammlung der Auftraggeberin und des Verbandsvorstandes des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger zur eine Erweiterung und dem Umbau der Hauptstelle in Salzburg-Stadt. (Beilage ./2 zu W187 2195740-2/6)

1.3 Die Salzburger Gebietskrankenkasse schreibt unter der Bezeichnung "Erweiterungsneubau der SGKK (Turm 2) - Bauträgersuche" einen Bauauftrag mit dem CPV-Code 70121000-8 - Dienstleistungen von Architektur-, Konstruktions- und Ingenieurbüros und Prüfstellen im Oberschwellenbereich in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung nach dem Bestangebotsprinzip aus. Vergebende Stelle ist Dr. Christian Fink, Rechtsanwalt. Die Zielkostenvorgabe nach den Ausschreibungsunterlagen 2. Fassung beträgt € 15.029.520,29 ohne USt. Die Auftraggeberin veröffentlichte die Ausschreibung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 21. Juli 2017, 2017/S 140-286915, und in der Online-Ausgabe des Amtlichen Lieferanzeigers vom 24. Juli 2017 sowie der Druckausgabe des Amtlichen Lieferanzeigers vom 26. Juli 2017, jeweils abgesandt am 21. Juli 2017. (Auskünfte der Auftraggeberin)

1.4 Die Zweit- und vorläufigen Letztangebote langten am 2. Mai 2018 ein. Es fand keine formalisierte Angebotsöffnung statt. Die beiden Angebote waren folgende:

* für die Exklusivverhandlungen ausgewählte Bietern € 15.022.458,63

* Antragstellerin € 15.563.767,09

(Auskünfte der Auftraggeberin)

1.5 Am 8. Mai 2018 schloss die Kommission die Prüfung und Beurteilung der Zeitangebote. Am selben Tag wurde die Scoringentscheidung den Bietern mitgeteilt, der Name des für die Exklusivverhandlungen ausgewählten Bieters jedoch nicht mitgeteilt. (Auskünfte der Auftraggeberin)

1.6 Die Auftraggeberin hat weder das Vergabeverfahren widerrufen noch den Zuschlag erteilt. (Auskünfte der Auftraggeberin)

1.7 Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in der Höhe von €

9.234. (Verfahrensakt)

2. Beweiswürdigung

Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Anzuwendendes Recht

3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl I 2013/10, idgF lauten:

"Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist."

3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl I 2013/33 idgF, lauten:

"Anwendungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

...

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) ...

Beschlüsse

§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.

(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

...

Inkrafttreten

§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt.

(3) ..."

3.1.3 Zu Bestimmungen gemäß § 58 Abs 2 VwGVG zählt der 4. Teil des BVergG, der die Bestimmungen über den Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht enthält und daher als lex specialis den Bestimmungen des BVergG vorgeht. Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2006 - BVergG 2006), BGBl I 2006/17 idgF, lauten:

"4. Teil

Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht

1. Hauptstück

Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

§ 291. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.

Senatszuständigkeit und -zusammensetzung

§ 292. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 291, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz gemäß § 319 Abs. 3 oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungsantrages handelt, in Senaten.

(2) ...

2. Hauptstück

Besondere Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Anzuwendendes Verfahrensrecht

§ 311. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.

Zuständigkeit

§ 312. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig

1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie

2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

(3) ...

2. Abschnitt

Nachprüfungsverfahren

Einleitung des Verfahrens

§ 320. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern

1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und

2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(2) ...

3. Abschnitt

Einstweilige Verfügungen

Antragstellung

§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:

1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers und des Antragstellers einschließlich deren Faxnummer oder elektronischer Adresse,

2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 320 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,

3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,

4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,

5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und

6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

(3) ...

Erlassung der einstweiligen Verfügung

§ 329. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar."

3.2 Zu Spruchpunkt A) - Abweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweilige Verfügung

3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages

3.2.1.1 Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 8 BVergG ist die Salzburger Gebietskrankenkasse. Sie ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 3 Abs 1 Z 2 BVergG (st Rspr, zB VwGH 10. 12. 2009, 2005/04/0201, VwSlg 17801 A/2009; BVwG 23. 8. 2017, W187 2163208-2/18E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 4 BVergG. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtvorhabens liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 3 BVergG, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.

3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 312 Abs 2 BVergG iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit a B-VG ist sohin gegeben.

3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 312 Abs 2 BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig. Die angefochtene Scoringentscheidung ist als sonstige Festlegung während der Verhandlungsphase eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 16 lit a sublit dd BVergG.

3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 322 Abs 1 BVergG geforderten Inhalte.

3.2.1.5 Im Ergebnis ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 328 Abs 1 BVergG zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 328 Abs 2 BVergG vorliegen.

3.2.2 Inhaltliche Beurteilung des Antrages

3.2.2.1 Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 329 Abs 1 BVergG sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Öffnung der Angebote, die Angebotsprüfung, die Auswahl eines Angebots für den Zuschlag und die Zuschlagserteilung beabsichtigt sind. Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zutreffen und sie daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihr auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher - bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 329 Abs 1 BVergG - Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesvergabeamt in einem Stand gehalten werden, der eine allfällige spätere Angebotslegung und Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht (BVwG 29. 1. 2015, W187 2017416-1/3E).

3.2.2.2 Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des geltend gemachten drohenden Schadens und im Erhalt des Auftrags.

3.3.2.3 Die Auftraggeberin machte zusammengefasst den Erhalt der Möglichkeit der Durchführung des ausgeschriebenen Projekts, die Abwendung eines drohenden Schadens bei Scheitern des Projekts, das Interesse der für die Exklusivverhandlungen ausgewählten Bieterin am Erhalt des Auftrags und das öffentliche Interesse an der Verbesserung der Gesundheitsvorsorge geltend.

3.2.2.4 Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208-1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 329 Abs 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).

3.2.2.5 Öffentliche Interessen, die eine sofortige Vergabe des Auftrags erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich.

3.2.2.6 Zu berücksichtigen ist, dass die Auftraggeberin der Verkäuferin des Projektgrundstücks bis 31. Juli 2018 den Käufer des Grundstücks bekanntgeben muss und bei Unterbleiben der fristgerechten Bekanntgabe das Scheitern des Projekts droht. Zweifellos liegt eine Verbesserung der medizinischen Versorgung für die Öffentlichkeit im öffentlichen Interesse. Andererseits wiegen die finanziellen Interessen der am Vergabeverfahren beteiligten Parteien einander insofern auf, als der drohende Schaden der Antragstellerin dem Schaden der für die Exklusivverhandlungen ausgewählten Bieterin entsprechen. Die jeweiligen Schäden entsprechen einander, da nur eine der beiden Bieterinnen den Auftrag erhalten kann und der Bieterin, die den Auftrag nicht erhält, naturgemäß die Frustration des Aufwands für die Beteiligung am Vergabeverfahren, der entgangene Gewinn und der Verlust eines Referenzprojekts drohen. Den Eintritt dieser Schäden nimmt jeder Bieter mit der Beteiligung am Vergabeverfahren in Kauf, wenn er sich an einem Vergabeverfahren beteiligt und nicht das beste Angebot legt. Es begründet zwar den Anspruch auf die Nachprüfung behauptet rechtswidriger Entscheidungen, vermag jedoch kein Überwiegen des Interesses am Unterbleiben einer einstweiligen Verfügung begründen. Auch wenn der Auftraggeberin ein Schaden droihgt, vermag dieser lediglich ihr Interesse an einer allfälligen Fortführung des Vergabeverfahrens zu begründen, nicht jedoch am Unterbleiben jeglichen vergaberechtlichen Rechtsschutzes. Es ist nämlich zwischen dem Interesse der Auftraggeberin und öffentlichen Interessen zu unterscheiden und auf die Verpflichtung der Auftraggeberin, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen. Auch liegen die zeitlichen Einschränkungen wie der Termin einer Vorstandssitzung, die eine Entscheidung spätestens am 4. Juli 2018 und damit nahezu vier Wochen vor Ende der Frist zur Bekanntgabe des Käufers des Grundstücks als letztmöglichen Termin darstellen, ausschließlich im Bereich der Auftraggeberin. Dies wird durch die genannte Vorlauffrist von zwei Wochen vor der Vorstandssitzung verschärft. Eine Organisation der Auftraggeberin, die einer Beschlussfassung und damit Bekanntgabe des Käufers zum Stichtag zeitnahe nicht sicherzustellen vermag, kann nicht zu Lasten des Rechtsschutz suchenden Bieters gehen. Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen des Auftraggebers gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten.

3.2.2.7 Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 329 Abs 3 BVergG die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

3.2.2.8 Die Scoringentscheidung ist kein Ausscheiden des Angebots der Antragstellerin, sodass die Auftraggeberin ihr die Zuschlagsentscheidung mitteilen muss. In Anbetracht des Drohens des Scheiterns des Projekts, soll es jedoch der Auftraggeberin möglich sein, auf ihr Risiko alle notwendigen Schritte zu setzen, um eine Realisierung des Projekts möglich zu machen. Damit muss sie die Möglichkeit haben, Exklusivverhandlungen zu führen, selbst wenn sie dies nur unter dem Risiko machen kann, dass die Scoringentscheidung später für nichtig erklärt wird und sie eine neue Scoringentscheidung treffen muss und allenfalls die Exklusivverhandlungen mit einem anderen Bieter wiederholen muss. Ein unwiderruflicher Schaden für die Antragstellerin tritt dadurch nicht ein, weil durch eine allfällige Nichtigerklärung der Scoringentscheidung die Auftraggeberin mit ihr Exklusivverhandlungen führen muss. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Scoringentscheidung ist jedoch im Hauptverfahren zu klären. Die einzige Entscheidung, die die Antragstellerin abschließend belastet und den Eintritt des drohenden Schadens herbeiführt, ist die Zuschlagsentscheidung.

3.2.2.9 Die Auftraggeberin ist gemäß § 131 Abs 3 BVergG verpflichtet, den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern nachweislich die Zuschlagsentscheidung mitzuteilen. Die Erläuterungen zur BVergG-Novelle 2009 weisen darauf hin, "dass ein Bieter dann als im Vergabeverfahren verblieben gilt, wenn sein Angebot nicht ausgeschieden wurde bzw das Ausscheiden des Angebotes noch nicht bestandsfest geworden ist (Art. 2a Abs. 2 zweiter Unterabsatz der RMRLen spricht von einem ‚endgültigen' Ausschluss). Dies ist der Fall, wenn das Ausscheiden des Angebotes von der zuständigen Vergabekontrollbehörde für rechtmäßig erkannt wurde oder wenn es keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann" (RV 327 BlgNR XXIV. GP , 24 unter Bezugnahme auf RV 1171 BlgNR XXII. GP , 85). Gemäß Art 2a Abs 2 der RMRL ist die Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter abzusenden. Bieter gelten demnach als betroffen, wenn sie noch nicht endgültig ausgeschlossen wurden. Ein Ausschluss ist endgültig, wenn er den betroffenen Bietern mitgeteilt wurde und entweder von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle als rechtmäßig anerkannt wurde oder keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann. Die bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2007/66/EG bestehende Verpflichtung zur Zuschlagsentscheidung gemäß § 131 Abs 1 BVergG steht damit in Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Verbliebene Bieter sind (neben jenen Bietern, die nicht ausgeschlossen wurden bzw deren Angebot nicht ausgeschieden wurde) auch jene Bieter, welche die sie betreffende Ausscheidenentscheidung noch fristgerecht bekämpfen können oder welche die Ausscheidensentscheidung rechtzeitig angefochten haben und das betreffende Nachprüfungsverfahren noch nicht beendet ist (J. Aicher in Schramm/?Aicher/?Fruhmann/??Thienel, § 131 Rz 16). Selbst unter der Annahme, dass die Auftraggeberin eine Zuschlagsentscheidung treffen würde, wäre diese somit verpflichtet, diese Entscheidung der Antragstellerin als im Vergabeverfahren verbliebener Bieterin - bei sonstiger Bekämpfbarkeit des nachfolgenden Zuschlags und Vertrags - mitzuteilen, zumal mit den Worten der RMRL der "Ausschluss" bislang nicht seitens des zur Vergabekontrolle zuständigen Bundesverwaltungsgerichtes als rechtmäßig erkannt wurde (Abweisung oder Zurückweisung des gegen das Ausscheiden gerichteten Nachprüfungsantrages) und die antragstellende Bietern daher noch nicht endgültig ausgeschlossen wurde (J. Aicher in Schramm/?Aicher/?Fruhmann/?Thienel, § 131 Rz 17; siehe dazu überdies die oben zitierten Entscheidungen des BVA).

3.3.2.10 Daher ist im konkreten Fall eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen entstandene oder sonstige unmittelbar drohende Schädigung von Interessen der Antragstellerin, die im Sinne des § 328 Abs 1 BVergG zu beseitigen oder zu verhindern wären, nicht ersichtlich. Ohne Bekanntgabe, welchem Bieter die Auftraggeberin gedenkt, den Zuschlag zu erteilen, ist die Auftraggeberin nicht in die Lage versetzt, rechtmäßig den Zuschlag zu erteilen. Vielmehr müsste sie zuvor noch eine Zuschlagsentscheidung bekannt geben. Die Untersagung der Zuschlagserteilung ist zur Absicherung des Nichtigerklärungsbegehrens und des potentiell bestehenden Anspruches auf Abschluss des Vertrags nicht notwendig (in diesem Sinne auch R. Madl in Heid/?Preslmayr, Handbuch Vergaberecht³, Rz 2058).

3.2.2.11 Zusammenfassend ist beim derzeitigen Stand des Vergabeverfahrens keine drohende Schädigung der rechtlich geschützten Interessen erkennbar, die die Erlassung einer einstweiligen Verfügung erfordern würde.

3.3 Zu Spruchpunkt B) - Nichtzulassung der Revision

3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138;

30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254;

29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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