BVwG W175 2162085-2

BVwGW175 2162085-218.1.2018

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W175.2162085.2.00

 

Spruch:

W175 2162082-2/3E

 

W175 2162085-2/2E

 

W175 2180791-1/4E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. NEUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX ,

2.) XXXX , geb. XXXX und 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA Ukraine, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2017, Zlen. 1.) 1146352203-170354675, 2.) 1146351707-170354691 und 3.) 1171864105-171206593, zu Recht erkannt:

 

A) Den Beschwerden wird gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG erster Satz

stattgegeben, die Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz werden zugelassen und die bekämpften Bescheide werden behoben.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

Verfahrensgang:

 

Die Erstbeschwerdeführerin (infolge: BF1) ist die Mutter der

minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin (infolge: BF2) und des

minderjährigen Drittbeschwerdeführers (infolge: BF3).

 

Am 21.03.2017 stellte die BF1 für sich und die BF2 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Für den in Österreich nachgeborenen BF3 suchte sie am 24.10.2017 um internationalen Schutz an.

 

Am 29.03.2017 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge kurz: BFA) ein Aufnahmeersuchen gem. Art. 12 Abs. 2 bzw. 3 der VO 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (infolge Dublin-III-VO) an Polen, nachdem eine Visaauskunft ergeben hat, dass die BF1 und BF2 im Besitz eines vom 27.12.2016 bis zum 28.12.2017 gültigen polnischen Visums waren.

 

Mit Schreiben vom 04.04.2017 teilten die polnischen Behörden mit, die BF1 und die BF2 auf Grundlage von Art. 12 Abs. 2 der Dublin-IIIzu übernehmen.

 

Mit Bescheiden vom 27.05.2017 wurden I. die Anträge der BF1 und der BF2 auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 12 Abs. 2 der Dublin III-Verordnung zur Prüfung der Anträge zuständig sei, sowie II. gem. §61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung der BF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. §61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Polen zulässig sei.

 

Den dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerden wurde zunächst mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.06.2017 gem. § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit weiterem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.07.2017 wurde den Beschwerden sodann gem. § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und die bekämpften Bescheide wurden - aufgrund mangelnder Ermittlungen zum Gesundheitszustand der damals schwangeren BF1 und zu einem allfälligen Unterstützungsbedarf durch ihren vermeintlichen Ehemann in Österreich – behoben.

 

Mit Schreiben vom 27.10.2017 wurden die polnischen Behörden über die Geburt des mj. BF3 und ihre Zuständigkeit für sein Asylverfahren gem. Art. 20 Abs. 3 der Dublin-III-VO in Kenntnis gesetzt. Am 02.11.2017 stimmte Polen einer Übernahme des BF3 gem. Art. 20 Abs. 3 der Dublin-III-VO ausdrücklich zu.

 

Mit Bescheiden vom 15.11.2017 wurden I. die Anträge der BF auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 12 Abs. 2 der Dublin III-Verordnung in Hinblick auf die BF1 und die BF2 und gem. Art. 20 Abs. 3 der Dublin-III-VO in Hinblick auf den BF3 zur Prüfung der Anträge zuständig sei, sowie II. gem. §61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung der BF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. §61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Polen zulässig sei.

 

Gegen diese Bescheide richten sich die fristgerecht eingebrachten Beschwerden.

 

Aus einer schriftlichen Anfrage der zuständigen Gerichtsabteilung W175 an das BFA vom 16.01.2018 geht hervor, dass die BF bislang nicht überstellt worden seien und die Überstellungsfrist im gegenständlichen Fall am 07.01.2018 abgelaufen sei.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Die BF1 stellte am 21.03.2017 für sich und die BF2 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich, wobei sie zu diesem Zeitpunkt im Besitz eines polnischen Visums mit einer Gültigkeit vom 27.12.2016 bis zum 28.12.2017 waren.

 

Nach Einleitung eines Konsultationsverfahrens stimmten die polnischen Behörden am 04.04.2017 zu, die BF1 und die BF2 gem. Art. 12 Abs. 2 der Dublin-III- zu übernehmen.

 

Für den in Österreich nachgeborenen BF3 suchte die BF1 am 24.10.2017 um internationalen Schutz an. Nachdem die polnischen Behörden über die Geburt des BF3 und ihre Zuständigkeit für sein Asylverfahren gem. Art. 20 Abs. 3 der Dublin-III-VO in Kenntnis gesetzt wurden, teilten sie in einem Schreiben vom 02.11.2017 ausdrücklich ihre Zustimmung gem. Art. 20 Abs. 3 der Dublin-III-VO mit.

 

Obwohl die Zuständigkeit Polens zur Führung der Asylverfahren der BF unzweifelhaft vorlag, erfolgte die Überstellung der Genannten nicht binnen der in Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung festgelegten Frist.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus den Unterlagen betreffend das Konsultationsverfahren und der entsprechenden Information des BFA vom 16.01.2018.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

 

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

 

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

 

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird."

 

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

 

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

§ 21 (3) BFA-VG: Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

 

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

 

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

 

2. (2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

 

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

 

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) lauten:

 

"Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

 

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

 

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

 

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

 

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

 

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

 

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

 

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

 

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

 

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

 

Artikel 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

 

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

 

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

 

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

 

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

 

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

 

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

 

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

 

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

 

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

 

Art. 20 Einleitung des Verfahrens

 

(3) Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss.

 

Artikel 29 Dublin III – VO: Modalitäten und Fristen

 

(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme — oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.

 

Wenn Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat in Form einer kontrollierten Ausreise oder in Begleitung erfolgen, stellt der Mitgliedstaat sicher, dass sie in humaner Weise und unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte und der Menschenwürde durchgeführt werden.

 

Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat dem Antragsteller ein Laissez-passer aus. Die Kommission gestaltet im Wege von Durchführungsrechtsakten das Muster des Laissez- passer. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

 

Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenenfalls mit, dass die betreffende Person eingetroffen ist oder dass sie nicht innerhalb der vorgegebenen Frist erschienen ist.

 

(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.

 

Artikel 42 Berechnung der Fristen

 

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen werden wie folgt berechnet:

 

a) Ist für den Anfang einer nach Tagen, Wochen oder Monaten bemessenen Frist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, so wird bei Berechnung dieser Frist der Tag, auf den das Ereignis oder die Handlung fällt, nicht mitgerechnet.

 

b) Eine nach Wochen oder Monaten bemessene Frist endet mit Ablauf des Tages, der in der letzten Woche oder im letzten Monat dieselbe Bezeichnung oder dieselbe Zahl wie der Tag trägt, an dem das Ereignis eingetreten oder die Handlung vorgenommen worden ist, von denen an die Frist zu berechnen ist. Fehlt bei einer nach Monaten bemessenen Frist im letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

 

c) Eine Frist umfasst die Samstage, die Sonntage und alle gesetzlichen Feiertage in jedem der betroffenen Mitgliedstaaten."

 

Im vorliegenden Fall hat Polen am 04.04.2017 zugestimmt, die BF1 und die BF2 gem. Art. 12 Abs. 2 der Dublin-III-VO zu übernehmen. Am 22.06.2017 wurde den Beschwerden der genannten BF gegen die Bescheide des BFA vom 27.05.2017 gem. § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Die vom Bundesverwaltungsgericht in weiterer Folge getroffene Entscheidung vom 07.07.2017 nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG, wonach den Beschwerden stattgegeben und die bekämpften Bescheide behoben wurden, stellt eine Entscheidung über den Rechtsbehelf dar (vgl. VwGH vom 16.04.2009, 2007/19/0730) und begründete den Lauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist. Wie schon zutreffend vom BFA in der Mitteilung vom 16.01.2018 festgehalten, ist die Überstellungsfrist demnach am 07.01.2018 abgelaufen. Mit Verstreichen dieses Datums ohne Vornahme der Überstellung ging die Zuständigkeit zur Prüfung der Anträge der BF auf internationalen Schutz auf Österreich über.

 

Daran ändert auch nichts die während der laufenden Überstellungsfrist erfolgte Geburt des BF3, da gemäß Art. 20 Abs. 3 der Dublin III-VO die Situation von Kindern, die nach Ankunft eines Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, untrennbar mit der Situation ihrer Familienangehörigen verbunden ist und in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieser Familienangehörigen zuständig ist, fällt, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für das nachgeborene Kind eingeleitet werden muss.

 

Demnach waren die bekämpfte Bescheide zu beheben und die Verfahren in Österreich zuzulassen.

 

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben, zumal sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen, insbesondere aber die im gegenständlichen Verfahren relevante Frage hinsichtlich des Vorliegens eines Fristablaufes, eindeutig aus den vorliegenden Verwaltungsakten beantwortet werden konnten.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Im Übrigen treffen Art. 29 Dub III-VO und § 21 Abs. 3 BFA-VG klare eindeutige Regelungen (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

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