B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:I403.2144576.3.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerden der XXXX, geb. am XXXX, des XXXX, geb. am XXXX sowie des minderjährigen XXXX, geb. am XXXX und der minderjährigen XXXX, geb. am XXXX, alle Staatsangehörige des Sudan, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Harald BURMANN, Dr. Peter WALLNÖFER und Dr. Roman BACHER, Meraner Str. 1, 6020 Innsbruck, betreffend die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Tirol, vom 14.06.2017, Zl. 15-1088268605; Zl. 14-1019431200; Zl. 15-1088268703 sowie Zl. 16-1121064601 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG idgF iVm § 71 Abs 1 AVG 1991 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführer stellten am 22. Mai 2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz bzw. wurde für die am XXXX nachgeborene Tochter im Anschluss ein Asylantrag gestellt. Die Verfahren sind als Familienverfahren gemäß § 34 AsylG zu führen, da es sich um ein Ehepaar mit zwei minderjährigen Kindern handelt.
Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), RD Niederösterreich, vom 7. Oktober 2016 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gem. § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG wurden die Anträge auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sudan abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihnen gem. § 57 AsylG nicht erteilt. Gem. § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen. Es wurde gem. § 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 Fremdenpolizeigesetz in den Sudan zulässig sei (Spruchpunkt III). Mit Spruchpunkt IV wurde gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde von 10. Oktober 2016 wurde den Beschwerdeführern gem. § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
Die Bescheide wurden am 13. Oktober 2016 bzw. im Falle der minderjährigen Tochter am 17. Oktober 2016 durch Hinterlegung zugestellt.
Gegen diese Bescheide wurde am 9. Jänner 2017 Beschwerde erhoben, eine Vollmacht für die Vertretung durch den MigrantInnenverein St. Marx, datiert mit dem 19. Oktober 2016, vorgelegt sowie ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 71 AVG gestellt. Als Grundlage des Antrages auf Wiedereinsetzung wurde der Umstand vorgebracht, dass die Beschwerdeführer mit dem "westlichen Rechtssystem" nicht vertraut seien und den MigrantInnenverein zwar bevollmächtigt, aber nicht über die negativen Entscheidungen informiert haben würden.
Beschwerden und Anträge auf Wiedereinsetzung wurden von der belangten Behörde unerledigt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und zwar am 11. Jänner 2017.
Mittels verfahrensleitenden Beschlüssen vom 23. Jänner 2017, Zl. I403 2144321-2/2E, Zl. I403 2144573-2/2E, I403 2144578-2/2E, I403 2144576-2/2E, wurden die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl rückübermittelt.
Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. Februar 2017, Zl. I403 2144321-2/3E, Zl. I403 2144573-2/3E, I403 2144578-2/3E, I403 2144576-2/3E wurden die gegen die Bescheide vom 7. Oktober 2016 erhobenen Beschwerden als verspätet zurückgewiesen.
Am 12. April 2017 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) eine Vollmacht für die Vertretung durch die Rechtsanwälte Dr. Harald BURMANN, DR. Peter WALLNÖFER und Dr. Roman BACHER, Meraner Str. 1, 6020 Innsbruck vorgelegt.
Am 22. Mai 2017 wurde beim BFA ein Schriftsatz, betitelt mit "Anregung auf amtswegige Abänderung bzw. Behebung eines Bescheides sowie neuerlicher Asylantrag", eingebracht. Es wurden Fehler in den Einvernahmeprotokollen und in den Asylbescheiden bemängelt und die amtswegige Aufhebung und Abänderung der Bescheide vom 7. Oktober 2016 gefordert. Zudem sei auf die der minderjährigen XXXX drohende Genitalverstümmelung nicht eingegangen worden, dies stelle daher einen neu vorgetragenen Asylgrund dar.
Das BFA teilte der rechtsfreundlichen Vertretung mit Schreiben vom 12. Juni 2017 mit, dass dem Ansuchen auf amtswegige Aufhebung und Abänderung der Bescheide nicht entsprochen werde und dass die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes für die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz zuständig seien. Der Antrag sei bereits an die zuständige Landespolizeidirektion übermittelt worden.
Mit gegenständlich angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14. Juni 2017 wurden die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Den Anträgen wurde allerdings die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II.). Der Entscheidung lag zugrunde, dass eine auffallende Sorglosigkeit der Beschwerdeführer zum Versäumen der Beschwerdefrist geführt habe.
Gegen die Bescheide des BFA vom 14. Juni 2017 wurde fristgerecht am 7. Juli 2017 Beschwerde erhoben und auf ein Verschulden des zum Zeitpunkt der Beschwerdefrist bevollmächtigten Rechtsvertreters, dem MigrantInnenverein St. Marx, hingewiesen. Aus der dem MigrantInnenverein St. Marx am 19. Juni 2016 erteilten Vollmacht gehe hervor, dass diese auch die Erhebung von Rechtsmitteln beinhaltete. Am 17. Oktober würden die Beschwerdeführer wesentliche Teile der Bescheide an den MigrantInnenverein gefaxt haben. Die Beschwerdeführer seien auch davon ausgegangen, bei ihrem Termin beim MigrantInnenverein in Wien am 19. Oktober 2016 die Bescheide in Kopie hinterlassen zu haben. Sie seien Opfer einer organisatorischen Unzulänglichkeit beim vormaligen Vertreter. Es wurde beantragt, den Beschwerden Folge zu geben und die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen sowie über die Beschwerde inhaltlich zu entscheiden. Der Beschwerde beigelegt waren:
* der bereits erwähnte Schriftsatz des Rechtsvertreters vom 22. Mai:
"Anregung auf amtswegige Abänderung bzw. Behebung eines Bescheides sowie neuerlicher Asylantrag"
* Faxbestätigung der Gemeinde XXXX über eine Sendung am 17.10.2016
* Erklärung des früheren Unterkunftgebers, in dem bestätigt wird, dass zwei bis drei Tage vor der Reise nach Wien im Gemeindeamt umfangreiche Kopien wegen der Bescheiderlassung erstellt wurden
* Bestätigung einer Gemeindebediensteten, dass sie im Herbst 2016 für einen Asylwerber umfangreiche Unterlagen gefaxt habe
* Kopie der Vollmacht an den MigrantInnenverein vom 19. Oktober 2016
* Kopie der Überweisung des Mitgliedsbeitrages an den MigrantInnenverein
* Schilderung der Fluchtgründe
Am 13. Juli 2017 wurde eine Erklärung eines Bekannten von XXXX übermittelt, in welcher dieser erklärt, den Beschwerdeführer im Oktober 2016 zum MigrantInnenverein St. Marx begleitet zu haben, da dieser Rechtsmittel einlegen wollte.
Die Beschwerden wurden dem Bundesverwaltungsgericht ebenfalls am 13. Juli 2017 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 7. Oktober 2016 wurden den Beschwerdeführern am 13. Oktober 2016 bzw. im Falle der minderjährigen Tochter am 17. Oktober 2016 durch Hinterlegung zugestellt.
Teile der Bescheide wurden am 17. Oktober 2016 an den MigrantInnenverein St. Marx gefaxt. Am 19. Oktober 2016 fand ein persönliches Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer XXXX und einem Vertreter des MigrantInnenverein St. Marx statt.
Aufgrund eines an den MigrantInnenverein St. Marx Ende Dezember 2016 übermittelten Ladungsbescheides wurde der Umstand offensichtlich, dass noch kein Rechtsmittel eingelegt worden war. In der Folge wurden gegen die Bescheide vom 7. Oktober 2016 Beschwerden erhoben und zwar eingebracht beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 9. Jänner 2017. Die Beschwerden wurden damit nach Ende der Beschwerdefrist eingebracht.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde.
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist von einer ordnungsgemäßen Zustellung am 13. Oktober 2016 bzw. im Falle der minderjährigen Tochter am 17. Oktober 2016 auszugehen. Dies ergibt sich dadurch, dass am Rückschein der Bescheide als Beginn der Abholfrist der 13. Oktober 2016, bei dem zuletzt zugestelltem Bescheid der minderjährigen Tochter als Beginn der Abholfrist der 17.10.2016 vermerkt ist. Es handelt sich beim Rückschein (Formular 4 zu § 22 Zustellgesetz) um eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG in Verbindung mit § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit für sich hat. Diese Vermutung ist widerlegbar, wobei die Behauptung der Unrichtigkeit des Beurkundeten entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (VwGH, Erkenntnis vom 30. Jänner 2014, 2012/03/0018 bzw. vom 15. Oktober 2015, Ra 2014/20/0052). Ein entsprechendes Vorbringen wurde weder in den Beschwerden noch in den Anträgen auf Wiedereinsetzung vorgebracht, so dass von einer ordnungsgemäßen Zustellung am 13. Oktober 2016 bzw. im Falle der minderjährigen Tochter am 17. Oktober 2016 auszugehen ist.
Laut Faxbestätigung wurde der Beschwerdeschriftsatz beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 09. Jänner 2017 eingebracht.
Bei einer Zustellung am 13. Oktober 2016 bzw. im Falle der minderjährigen Tochter am 17. Oktober 2016 und einer zweiwöchigen Beschwerdefrist endete diese aber bereits - ausgehend von dem zuletzt zugestellten Bescheid der minderjährigen Tochter - am 31. Oktober 2016. Auch in der Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Bescheide wurde auf eine zweiwöchige Rechtsmittelfrist hingewiesen.
Im Antrag auf Wiedereinsetzung vom 9. Jänner 2017 wurde vom damaligen Rechtsvertreter der Beschwerdeführer erklärt, dass XXXX beim Termin mit dem MigrantInnenverein St. Marx nur das Vollmachtsverhältnis geregelt und vollkommen vergessen habe mitzuteilen, dass es eine negative Entscheidung gibt. Erst im Zuge weiterer Verfahrensschritte, konkret eines Ladungsbescheides, habe man am 28. Dezember 2016 festgestellt, dass eine Verfahrensfrist versäumt worden war.
Dagegen wurde in den gegenständlichen Beschwerden gegen die Bescheide, mit denen die Anträge auf Wiedereinsetzung abgewiesen wurden, vom nunmehrigen Rechtsvertreter darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführer bereits am 17. Oktober 2017 Teile der Bescheide an den MigrantInnenverein St. Marx gefaxt haben würden und am 19. Oktober 2017 auf die Bescheide hingewiesen bzw. diese in Kopie zurückgelassen haben würden. Die vorgelegten Unterlagen (Faxbestätigung, im Verfahrensgang wiedergegebene Erklärungen) sprechen für diese Version der Geschichte und erscheint es aus Sicht der erkennenden Richterin auch nicht plausibel, dass ein Asylwerber wenige Tage nach Erhalt eines negativen Asylbescheides für sich und seine Familie schlichtweg vergisst, dies gegenüber seinem genau für diese Angelegenheit neu bevollmächtigten Vertreter zu erwähnen.
Der Sachverhalt wird daher wie vom rechtsfreundlichen Vertreter in der Beschwerde geschildert der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
§ 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) lautet:
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
"§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.
(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.
(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.
(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.
(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen."
Im gegenständlichen Fall wurde unzweifelhaft eine Frist versäumt, da die Beschwerden aller Beschwerdeführer verspätet eingebracht wurden (vgl. dazu Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. Februar 2017, Zl. I403 2144321-2/3E, Zl. I403 2144573-2/3E, I403 2144578-2/3E, I403 2144576-2/3E). Die Beschwerden wurden zeitgleich mit Wiedereinsetzungsanträgen eingebracht.
Um die Wiedereinsetzung zu rechtfertigen, muss das Ereignis für den Wiedereinsetzungswerber entweder unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sein. Zu den Ereignissen, die laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führen können, kann auch Vergessen, Versehen, Irrtum etc. gehören.
Als Wiedereinsetzungsgrund wurde im Wiedereinsetzungsantrag zunächst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer XXXX (als gesetzlicher Vertreter seiner Kinder und im Auftrag seiner Ehefrau) vergessen habe, gegenüber dem damaligen rechtsfreundlichen Vertreter zu erwähnen, dass es bereits Bescheide gibt. Geht man von diesem Sachverhalt aus, läge bei den Beschwerdeführern zweifelsohne eine auffallende Sorglosigkeit vor, welche eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich ausschließen würde. Die Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrages setzt daher voraus, dass die Partei an der Versäumung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Wenn XXXX gegenüber seinem Rechtsvertreter aber nicht einmal erwähnt hätte, dass Bescheide ergangen sind, würde dies – bei aller Unkenntnis der österreichischen Rechtsordnung – jedenfalls von einer auffallenden Sorglosigkeit geprägt, welche die Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrages ausschließen würde. Die Versäumung der Frist wäre in diesem Fall XXXX vorwerfbar; sein Verhalten wäre seinen minderjährigen Kindern zuzurechnen und müsste man auch seiner Ehefrau mangelnde Sorglosigkeit vorwerfen, wenn sie sich nicht selbst um die Erhebung eines Rechtsmittels bemüht. Dies wurde von der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden auch entsprechend gewürdigt und kann dem nicht entgegengetreten werden.
Im Laufe des Verfahrens wurde allerdings vom aktuellen rechtsfreundlichen Vertreter zu Recht darauf hingewiesen, dass es nicht plausibel erscheint, dass XXXX vergessen haben sollte, gegenüber seinem Rechtsvertreter die Erlassung der Bescheide zu erwähnen. Entsprechend folgt das Bundesverwaltungsgericht unter Würdigung der vorgelegten Beweise der Darlegung in der Beschwerde gegen die Bescheide, mit denen die Anträge auf Wiedereinsetzung abgewiesen wurden. Es ist daher davon auszugehen, dass trotz ordnungsgemäßer Information des MigrantInnenvereins St. Marx über die Erlassung der negativen Asylbescheide zunächst keine Rechtsmittel erhoben wurden.
Diesbezüglich stellt sich aber die rechtliche Problematik, dass bereits im Wiedereinsetzungsantrag konkret jenes unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG zu beschreiben ist, das den Wiedereinsetzungswerber an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Infolge der Befristung des Antrags gemäß § 71 Abs. 2 AVG kommt ein "Nachschießen" von Wiedereinsetzungsgründen bzw. ihre Auswechslung durch den Wiedereinsetzungswerber nach Ablauf der gesetzlichen Frist nicht (mehr) in Betracht, weil dies der Stellung eines neuerlichen, aber anders begründeten Antrags auf Wiedereinsetzung gleichkäme, der außerhalb der Wiedereinsetzungsfrist erfolgt. Auf nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist geltend gemachte Wiedereinsetzungsgründe und neue, den Wiedereinsetzungsgrund untermauernde Argumente ist daher nicht einzugehen (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 115, 117 und VwGH vom 23. April 2015, Zl. 2012/07/0222).
Der vorgebrachte Wiedereinsetzungsgrund (das behauptete Versäumnis durch den MigrantInnenverein St. Marx) würde aber jedenfalls, auch wenn er bereits Gegenstand des Wiedereinsetzungsantrages gewesen wäre, ins Leere gehen. Es steht fest und ist unbestritten, dass der MigrantInnenverein St. Marx am 19. Oktober 2016 bevollmächtigt wurde, alle Beschwerdeführer zu vertreten. Die Beschwerdeführer (bzw. die minderjährigen Kinder im Wege ihrer gesetzlichen Vertretung) haben sich freiwillig entschlossen, den MigrantInnenverein St. Marx mit ihrer Vertretung zu betrauen. Es wäre ihnen frei gestanden, sich eine andere Rechtsvertretung zu nehmen, sich an die mit Verfahrensanordnung zugewiesene Rechtsberatung zu wenden oder selbst Beschwerde zu erheben.
Nach der zu § 71 Abs. 1 AVG ergangenen Rechtsprechung ist das Verschulden des Vertreters dem Verschulden des vertretenen Wiedereinsetzungswerbers gleichzusetzen. Es hat dieselben Rechtswirkungen wie das Verschulden der Partei. Der Machtgeber muss sich das Verschulden des Machthabers zurechnen lassen. Das Verschulden, welches den Bevollmächtigten der Partei trifft, ist so zu behandeln, als wäre es der Partei selbst unterlaufen, gleichgültig ob der Wiedereinsetzungswerber von einem Rechtsanwalt oder sonst einer Vertrauensperson vertreten wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 Rz 44, samt zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur).
Für den konkreten Fall bedeuten die dargestellten Grundsätze Folgendes:
Am 19. Oktober 2016 erteilten die Beschwerdeführer dem MigrantInnenverein St. Marx, eine schriftliche Vollmacht, sie in allen Angelegenheiten, sowohl vor Gerichts-, Verwaltungs- wie auch Finanzbehörden zu vertreten. Die konkreten Vertretungshandlungen wurden in der Folge von eben dieser Rechtsvertretung gesetzt.
Das Handeln dieser Rechtsvertretung war den Beschwerdeführern als Vertretenen zuzurechnen. Daher ist ein etwaiges Versäumnis des MigrantInnenvereins St. Marx den Beschwerdeführern zuzurechnen. Es wurde im ganzen Verfahren kein Umstand vorgebracht, der annehmen ließe, dass die Unterlassung der Beschwerdeerhebung in offener Frist durch den MigrantInnenverein St. Marx auf einem minderen Grad des Versehens beruhte. Dass bloß ein den minderen Grad des Versehens nicht übersteigendes Verschulden zur Unterlassung der Erhebung der Beschwerden in der Beschwerdefrist geführt hätte, wird im Verfahren nicht weiter behauptet und ist auch nicht zu sehen.
Somit erfolgte die Abweisung der Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist zu Recht.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Insbesondere ist zu betonen, dass auf der Sachverhaltsebene keine Fragen offen geblieben sind, sondern diese vielmehr aus den Verwaltungsakten beantwortet werden konnten. Der Sachverhalt wurde entsprechend dem Beschwerdevorbringen festgestellt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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