BVwG W178 2111326-1

BVwGW178 2111326-112.6.2017

ASVG §344
ASVG §347a
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W178.2111326.1.00

 

Spruch:

W178 2111326-1/7E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterinnen Drin Jutta ADLBRECHT und Drin SCHILLER-FRÜHWIRTH und die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef PROBST und Dr. Jörg PRUCKNER als Beisitzer/innen über die Beschwerde der Frau Drin XXXX, vertreten durch RA Dr. Peter Ringhofer, gegen den Bescheid der Paritätischen Schiedskommission vom 26.05.2015, Zl. W-PSK01/2015, zu Recht erkannt:

 

A)

 

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG keine Folge gegeben.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Frau Drin XXXX (Beschwerdeführerin-Bf) beantragte bei der Paritätischen Schiedskommission (PK) mit 23.01.2015 die "Mithilfe" in Zusammenhang mit der Aufforderung der Wiener Gebietskrankenkasse vom 18.12.2014 zur Übermittlung einer Kopie der kompletten Krankengeschichte der Patientin XXXX. Diese Aufforderung verstoße mehrfach gegen den mit der Antragsgegnerin abgeschlossenen Gesamtvertrag sowie gegen den Einzelvertrag und gegen das Gesetz. Die von der Antragsgegnerin (WGKK) zugestellte Aufforderung, eine komplette Krankengeschichte vorzulegen, betreffe eine nicht nur bei der Wiener Gebietskrankenkasse versicherte Person. Der Ausdruck "komplette Krankengeschichte" ziele darauf ab, die Antragstellerin zur Preisgabe von persönlichen Gesundheitsdaten zu verleiten, deren Übermittlung ihr gemäß § 54 Ärztegesetz verwehrt sei. Handlungen, die Versicherten der Kasse unter Verrechnung an andere gesetzliche Pflichtkrankenversicherungen geleistet worden seien, seien von vorne herein außerhalb des Umfangs, der für die Kasse als Empfängerin von Mitteilungen oder Befunden eine Voraussetzung für eine Wahrnehmung von Aufgaben bilden könne. Im Übrigen verstoße die Aufforderung gegen die Bestimmung des § 44 Abs. 3 Gesamtvertrag (kurz GV), worin die Kasse darauf Bedacht zu nehmen habe, dass die administrative Belastung des Vertragsarztes auf das unumgänglich notwendige Mindestmaß beschränkt bleibe. Vorsorglich werde von der Antragstellerin die Behandlungsdokumentation betreffend die im Anforderungsschreiben der Kasse genannte Patientin samt eingeholten Befund vorgelegt.

 

Der Befund sei nicht einer administrative Abteilung der Kasse vorzulegen gewesen. Bei Frau Drin XXXX fehle die Zugehörigkeit zur ärztlichen Direktion der Kasse. Die Auskunft sei von der unzuständig eingeschrittenen administrativen Abteilung der Kasse nachgefragt worden. Der Paritätischen Schiedskommission werde alles vorgelegt, was der Kasse gemäß § 54 Ärztegesetz ohne Bruch der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht mitteilbar sei.

 

2. Im Schriftsatz vom 20.5.2015 wurde der Antrag an die PK dahingehend modifiziert, dass das Schreiben der Antragsgegnerin vom 18.12.2014 an die Bf in Bezug auf die Vorlage der Krankengeschichte der XXXX der Rechtfertigung (rechtlichen Grundlage) entbehre und dass sie zur Befolgung dieser Aufforderung nicht verpflichtet gewesen sei oder sei.

 

3. Die PK hat mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid entschieden, dass der Antrag der Antragstellerin, festzustellen, dass die mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 18.12.2014 bezüglich der Krankengeschichte XXXX gerichtete Forderung der Ermächtigungsgrundlage entbehre und dass die Antragstellerin nicht zur Befolgung dieser Aufforderung verpflichtet sei, abgewiesen werde.

 

Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass die Antragstellerin der Aufforderung zur Übermittlung einer Kopie der kompletten Krankengeschichte betreffend die Patientin XXXX nicht nachgekommen sei, erst der Kommission sei die Behandlungsdokumentation vorgelegt worden. Sie habe damit die Vorlageaufforderung so verstanden wie sie objektiv von einem Vertragspartner verstanden werden könne, nämlich dahin, dass natürlich nur die Dokumentation verlangt wurde, die zu Überprüfung der verrechneten Leistungen erforderlich sei. Mehr zu verlangen, insbesondere über andere, nicht mit der Antragsgegnerin, sondern mit anderen Krankenversicherungsträgern abgerechnete Krankenbehandlungen zu erhalten, sei die Kasse nicht berechtigt gewesen und ungeachtet des vielleicht missverständlichen Ausdruckes "komplette Krankengeschichte" auch ihrem Begehren nicht zu entnehmen. Von einem Begehren, dass die Verletzung datengeschützter Interessen der XXXX bedeutet hätte, könne somit keine Rede sein. § 43 GV regle die Pflicht des Vertragsarztes zur Auskunftserteilung, die kein Selbstzweck sei, sondern den Krankenversicherungsträger die Beurteilung erleichtere, ob das Maß des notwendigen überschritten worden bzw. eine Leistung tatsächlich erbracht worden sei. Eine Krankengeschichte enthalte naturgemäß auch Diagnosen, sodass dabei auch medizinische Fragen betroffen seien. Dass diese medizinischen Auskünfte einer Ärztin der Antragsgegnerin zu erteilen gewesen seien, die nicht ordnungsgemäß ausgewiesen oder bevollmächtigt gewesen sei, sei nicht behauptet worden. Die Kasse habe die Krankengeschichte gesamtvertragskonform begehrt, so dass die Antragstellerin zur Vorlage derselben auch verpflichtet war und das Begehren keine Verschwiegenheitspflicht verletze. Da die Verpflichtung zur Vorlage der Krankengeschichte vertragskonform sei, sei auch davon auszugehen, dass die administrative Belastung des Vertragsarztes das unumgänglich notwendige Mindestmaß des § 44 GV nicht überschritten habe. Wenn die Antragstellerin meine, dass die Vorlage nur an den chefärztlichen Dienst verlangt werden könne, übersieht sie, dass § 43 GV nur von ordnungsgemäß ausgewiesenen bevollmächtigten Ärzten spricht. Dies sei aber nicht nur der Chefarzt, sondern jeder ordnungsgemäß ausgewiesene und bevollmächtigte Arzt des Versicherungsträgers, wie hier.

 

Der Antrag sei daher abzuweisen gewesen.

 

4. Frau Drin XXXX hat gegen diesen Bescheid Beschwerde an das BVwG erhoben. Als Beschwerdegründe verweist sie im Wesentlichen auf § 1 Datenschutzgesetz sowie die §§ 43 und 49 GV.

 

Verfehlt sei der Lösungsansatz, eine Abgrenzung mittels Ersetzung des Begriffes "Krankengeschichte" durch den Begriff "Dokumentation" zu versuchen. Die einzige in sich stimmige und praktisch handhabbare Einschränkung bestehe darin, dass der Abrechnungsstelle nur bekanntzugeben sei, was sie brauche und wozu sie keine medizinischen Kenntnisse benötige und dass sei die Angabe eines im Katalog enthaltenen Begriffes für die vom Vertragsarzt erbrachte Einzelleistung. Alles andere sei eine medizinische Angelegenheit und dürfe einerseits überhaupt nur gefragt werden, wenn es dafür einen zureichenden besonderen Grund gebe und sei andererseits im Sinne des § 49 GV auf den chefärztlichen Dienst beschränkt. Nur so werde zwei Wesentlichen hier gegebenen Erfordernissen entsprochen, nämlich einerseits dem Erfordernis der Vermeidung einer nicht gerechtfertigten Belastung des Vertragsarztes und andererseits den Erfordernissen des Datenschutzes. Datenschutzrechtlich habe der Grundsatz eine nachhaltige Konsequenz, dass nur das Notwendige zulässig sei; das Notwendige könne hier ausschließlich darin erblickt werden, dass eine Stelle bzw. Organisationseinheit die den Datenschutz durchbrechende Auskunft erhalten müsse und nicht eine Dispersion auf mehrere Stellen erfolge. Die Interpretation des Begriffes "komplette Krankengeschichte" durch die belangte Behörde hätte auch in den Spruch aufgenommen werden müssen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Im hier relevanten Zeitraum - von der Aufforderung durch die Kasse und der Antragstellung bzw. Vorlage durch die Bf - war die Bf Vertragspartnerin der Wiener Gebietskrankenkasse als Ärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten (Vertragsärztin). Frau XXXX war Patientin, die Leistungen der WGKK in Anspruch genommen hat, die von der Bf erbracht worden sind. Frau XXXX war in diesem Zeitraum auch bei anderen Einrichtungen leistungsberechtigt in der Krankenversicherung.

 

Nach Auskunft der belangten Behörde ist ein Verfahren über eine Beschwerde gegen die Kündigung des Einzelvertrages beim BVwG anhängig.

 

Die Aufforderung der Kasse vom 18.12.2014 lautete wörtlich wie folgt:

 

"Betrifft: XXXX VSNR .

 

Krankengeschichte für das 4. Quartal 2013

 

Sehr geehrte Frau XXXX!

 

Wie Ihnen vermutlich bereits bekannt ist, kommt der Wiener Gebietskrankenkasse auch die verpflichtende Aufgabe zu, die zweckentsprechende Durchführung der in Rechnung gestellten Leistungen zu überprüfen. Dies erfolgt primär durch Routinemaßnahmen, im Anlassfall aber eben durch gezielte Recherchen mit Unterstützung unserer Vertragspartner/innen.

 

Anlassbezogen ist nun zur Abklärung offener Fragen im Zusammenhang mit der oben genannten Patientin ihre Mithilfe unverzichtbar. Wir erlauben uns daher, Sie um Übermittlung einer Kopie der kompletten Krankengeschichte des oben angeführten Zeitraums an die Ärztin der Wiener Gebietskrankenkasse - Frau Doktor XXXX - bis zum 23.1.2015 zu ersuchen, da dies eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung der uns übertragenen Aufgaben bildet. Für Ihre Bemühungen bedanken wir uns bereits im Voraus".

 

Die Bf hat die angeforderten Unterlagen mit dem Antrag an die Paritätischen Schiedskommission (PK) dieser vorgelegt; sie teilte dabei mit, dass sie nur der PK vorlege und weiters der Meinung sei, sie müsse nur dem chefärztlichen Dienst gegenüber der Auskunftspflicht nachkommen.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorliegenden Akten, insbesondere dem Vorbringen der Bf und der mitbeteiligten GKK und ist unbestritten.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1 Zuständigkeit

 

Nach § 347a ASVG kann gegen einen Bescheid der Paritätischen Schiedskommissionen, der Landesschiedskommissionen und der Bundesschiedskommission und wegen Verletzung ihrer Entscheidungspflicht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Nach § 347b ASVG hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Angelegenheiten nach § 347a durch einen Senat zu erfolgen, der aus dem/der Senatsvorsitzenden und vier fachkundigen Laienrichtern/Laienrichterinnen besteht, wobei davon zwei Ärzte/Ärztinnen sind und zwei spezifische Kenntnisse auf dem Gebiet des Gesundheits- und des Sozialversicherungswesens haben müssen. Die Zusammensetzung der Laienrichter/Laienrichterinnen im Senat hat das paritätische Nominierungsrecht nach Abs. 2 abzubilden.

 

Nach Abs 2 werden die fachkundigen Laienrichter/Laienrichterinnen vom Bundeskanzler auf Vorschlag der Österreichischen Ärztekammer und des Hauptverbandes bestellt. Die Österreichische Ärztekammer und der Hauptverband haben jeweils in ihren Vorschlägen Ärzte/Ärztinnen und Experten/Expertinnen mit spezifischen Kenntnissen im Gesundheits- und Sozialversicherungswesen namhaft zu machen. Für die fachkundigen Laienrichter/Laienrichterinnen sind Stellvertreter/Stellvertreterinnen in gleicher Anzahl und auf dieselbe Weise zu bestellen. Im Falle von Beschwerden gegen Bescheide der Paritätischen Schiedskommissionen dürfen Versicherungsvertreter/Versicherungsvertreterinnen und Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen jenes Versicherungsträgers sowie Angehörige und Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen jener Ärztekammer, die Vertragsparteien des Gesamtvertrages sind, auf dem ein streitgegenständlicher Einzelvertrag beruht, im jeweiligen Verfahren nicht Laienrichter/Laienrichterin sein; das Gleiche gilt für Personen, die bei der Erarbeitung der Richtlinie nach § 347 Abs. 5 mitgewirkt haben, wenn in einem Verfahren die Richtlinie anzuwenden ist."

 

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

 

3.2 Gesetzliche und sonstige rechtliche Grundlagen:

 

§ 344 ASVG:

 

(1) Zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, ist im Einzelfall in jedem Land eine paritätische Schiedskommission zu errichten. Antragsberechtigt im Verfahren vor dieser Behörde sind die Parteien des Einzelvertrages.

 

(2) Die paritätische Schiedskommission besteht aus einem/einer Richter/in des Ruhestandes als Vorsitzenden/Vorsitzende und vier Beisitzern/Beisitzerinnen. Der/Die Vorsitzende soll durch längere Zeit hindurch in Arbeits- und Sozialrechtssachen tätig gewesen sein. Er/Sie ist vom Bundesminister für Justiz jeweils auf fünf Jahre zu bestellen. Je zwei Beisitzer/Beisitzerinnen – von denen jeweils ein/eine Arzt/Ärztin sein muss – werden von der zuständigen Ärztekammer und vom Krankenversicherungsträger, der Partei des Einzelvertrages ist, bestellt.

 

§ 43 des Ärzte-Gesamtvertrag (kompilierte Fassung), Stand Dezember 2015, abgeschlossen gemäß §§ 338, 341 und 342 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955 in der geltenden Fassung sowie gemäß § 66a Abs.1 Z 1 des Ärztegesetzes, BGBl. I 1998/169 in der geltenden Fassung zwischen der Ärztekammer für Wien, Kurie der niedergelassenen Ärzte, kurz Wiener Gesamtvertrag einerseits und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (im Folgenden kurz Hauptverband) für die im § 2 genannten Krankenversicherungsträger andererseits, kurz Wiener Gesamtvertrag bestimmt unter der Überschrift "Auskunftserteilung" Folgendes:

 

(1) Der Vertragsarzt führt für die in seiner Behandlung stehenden Anspruchsberechtigten die notwendigen Aufzeichnungen.

 

(2) Ändert sich die Diagnose infolge deren eine Behandlung erforderlich ist, so ist dies – soweit die Kasse darüber informiert werden muss (insbesondere im Zusammenhang mit einer festgestellten Arbeitsunfähigkeit des Betreffenden) - auf den hiefür vorgesehenen Vordrucken zu vermerken. Zur Wahrung des ärztlichen Berufsgeheimnisses und zur Vermeidung einer Beunruhigung des Anspruchsberechtigten soll der Vermerk in Form einer der für die Krankheitsstatistik vorgesehenen medizinisch üblichen Abkürzungen oder sonst zwischen Kammer und Kasse vereinbarten Bezeichnungen verwendet werden

 

(3) Der Vertragsarzt ist nur gegenüber den ordnungsgemäß ausgewiesenen bevollmächtigten Ärzten der Versicherungsträger zur Erteilung von Auskünften in medizinischen Fragen, insbesondere zur Bekanntgabe der Diagnose, verpflichtet. Soweit es sich um Auskünfte in Fragen nicht medizinischer Art im Zusammenhang mit der Behandlung des Erkrankten handelt, sind diese Auskünfte auch den gehörig ausgewiesenen sonstigen Bevollmächtigten des leistungszuständigen Versicherungsträgers zu geben. Zur Auskunftserteilung ist der Vertragsarzt jedoch nur insoweit verpflichtet, als dies für die Durchführung der Aufgaben der Versicherungsträger notwendig ist.

 

(4) Die Versicherungsträger haben für die Geheimhaltung der vom Vertragsarzt erteilten Auskünfte gegenüber unberufenen Personen Sorge zu tragen.

 

(5) Wegen der Erteilung von Auskünften, die die Krankenversicherung und deren Leistungen, nicht aber medizinische Angelegenheiten betreffen, sind die Anspruchsberechtigten vom Vertragsarzt an die Kasse zu verweisen.

 

(6) Sämtliche Mitteilungen, die gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages vom Vertragsarzt bzw. der Kammer an die Kasse zu ergehen haben, können auch gemäß den geltenden Bestimmungen des Gesundheitstelematikgesetzes übermittelt werden.

 

(7) Der Vertragsarzt hat der Kasse auf dem Weg über die Kammer auf Befragen jederzeit Auskunft über die bei ihm tätigen Personen zu erteilen (Namen, Ausbildung, Tätigkeitsbereich, Wochenstunden).

 

(8) Im Einvernehmen mit der Kammer kann die Kasse aus wichtigem Grund eine Begehung der Ordination des Vertragsarztes vornehmen. Der Besuch ist zeitgerecht vorab anzukündigen und – soweit möglich - der Zeitpunkt dafür zu vereinbaren.

 

Nach § 49 Abs 1 des Wiener Gesamtvertrages werden die Versicherungsträger gegenüber dem Vertragsarzt in allen medizinischen Angelegenheiten durch den Chef(Kontroll)arzt der Kasse vertreten. Der Chef(Kontroll)arzt und der Vertragsarzt sind zu kollegialer Zusammenarbeit verpflichtet.

 

Nach Abs 2 leg.cit. bleibt die Eigenverantwortlichkeit des Vertragsarztes auch bei Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit unberührt. Der Chef(Kontroll)arzt ist daher nicht berechtigt, in die ärztliche Behandlung unmittelbar einzugreifen.

 

Nach § 50 Abs 1 Wiener Gesamtvertrag sollen Streitigkeiten zwischen den Parteien des Einzelvertrages zwischen den Parteien des Einzelvertrages einvernehmlich beigelegt werden. Kommt eine Beilegung der Streitigkeiten nicht zu Stande, so können die gesetzlich vorgesehenen Schiedsinstanzen angerufen werden.

 

3. 3 Zur Frage, ob über das Feststellungsbegehren in der Sache abzusprechen war:

 

Ein Feststellungsbescheid ist nach ständiger Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nur dann zulässig, wenn er entweder in einem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist, oder wenn eine gesetzliche Regelung hierüber zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse gelegen oder für eine Partei ein notwendiges Mittel zweckverfolgender Rechtsverteidigung ist (vgl. etwa VfSlg. 11764/1988 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungs- und des Verfassungsgerichtshofes, auch B2763/97, 11.10.1999, VfSlg 15612).

 

Unbestritten ist, dass im Gesetz und im Gesamtvertrag ein Feststellungsbescheid des Inhalts wie ihn die Bf beantragt hat, nicht vorgesehen ist.

 

Es ist daher zu prüfen, ob ein Feststellungsinteresse im Sinne der zitierten Judikatur bestand bzw. besteht.

 

Nach der Judikatur des OGH (vgl. Erk vom 27.09.2016, 8 Ob A 39/16t uvm) ist dann, wenn der Aufforderung nachgekommen wurde, ein Feststellungsinteresse, ob diese Aufforderung rechtens war, nicht mehr gegeben.

 

Die Bf ist der Aufforderung der Kasse zur Auskunft ausdrücklich nur zum Teil nachgekommen. Sie hat sich weiterhin geweigert, anderen Personen als dem chefärztlichen Dienst diese zu erteilen bzw. hat sie nur der PK gegenüber erteilt. Weites wird in der Beschwerde die Auskunftspflicht unter Hinweis auf den Datenschutz in Frage gestellt.

 

Es liegt daher diesem Verfahren ein anderer Sachverhalt zugrunde als in dem der OGH-Judikatur zugrunde liegenden. Es wird auf das Erk des VfGH vom 08.03.2006, Zl. B3303/05, verwiesen, mit dem das Feststellungsinteresse bei Streitigkeiten über Pflichten aus dem Vertrag mit der Kasse bejaht wird.

 

In Übereinstimmung mit der Auffassung der belangten Instanz wird vom Gericht daher das Feststellungsinteresse und die Zuständigkeit der PK und des Gerichts zur inhaltlichen Absprache über den Antrag bejaht.

 

3.4 Zur Frage, ob grundsätzlich Auskunftspflicht für Vertragsärzte besteht:

 

Nach der oben zitierten Bestimmung (Abs. 3 des § 48 Wiener Gesamtvertrag) ist der Vertragsarzt zur Erteilung von Auskünften nach den dort geregelten Modalitäten verpflichtet.

 

Diese Bestimmung hat einen klaren Wortlaut, sodass - in Übereinstimmung mit der Auffassung der belangten Kommission - die Auskunftspflicht zu bejahen ist.

 

Zur Frage der Erfüllung sonstiger aus dem EV folgender Verpflichtungen (VfGH B 2763/97, VfSlg 15.612; B 3303/05, VfSlg 17.788 = SSV-NF 20/B 1; B 495/2013.

 

3. 5 Zur Frage, wie weitgehend die Auskunftspflicht ist

 

Die Bf ist darauf hinzuweisen, dass die Aufforderung (Willenserklärung) der WGKK nach § 914 ABGB zu interpretieren ist und dabei zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen ist, dabei aber nicht stehenzubleiben ist, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen ist. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0017915). Die Auslegung der Erklärung ist am Empfängerhorizont zu messen, wobei die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen sind, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen zu verstehen war. Auf konkrete Umstände, namentlich auf den Geschäftszweck und die Interessenlage, ist hierbei Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0113932). Treten nach Abschluss des Geschäfts Konfliktfälle auf, die von den Parteien nicht bedacht und daher auch nicht ausdrücklich geregelt waren, dann ist unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (RIS-Justiz RS0017758), vgl. auch OGH vom 924.06.2016, ObA28/16g uvm.

 

Die Aufforderung der Kasse hat sich- bei richtiger Interpretationsomit nur auf jene Daten bezogen, die sich aus Leistungsfällen ergeben haben, die über den Einzelvertrag mit der WGKK abgerechnet wurden, nicht auf andere Krankenversicherungsträger und die dort abgerechneten Leistungen.

 

Im Übrigen wäre - bei Unklarheit, ob sich die Aufforderung der WGKK auch auf die über die weitere Krankenversorgung der Patientin abgerechneten Leistungen bezieht, eine klärende Nachfrage unter Vertragspartnern angebracht gewesen.

 

3.6 Wem gegenüber musste die Bf die Auskünfte erteilen:

 

Wie die PK ist auch das Gericht der Auffassung, dass diese nicht nur gegenüber dem chefärztlichen Dienst zu erteilen sind, sondern auch anderen ausgewiesenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kasse, je nachdem, ob medizinische Daten oder andere Daten verlangt werden, an ärztliches Personal oder an sonstige Bevollmächtigte.

 

Das ergibt sich ebenfalls aus dem- nach Auffassung des Gerichts eindeutigen Wortlaut der oben genannten Bestimmung des § 43 Abs 3 Wiener Ärztevertrages.

 

Die Aufforderung der Kasse hat dem Vertragsinhalt entsprochen.

 

§ 49 Gesamtvertrag bezieht sich nicht auf die Auskunftspflicht.

 

3.5 Zur Frage, ob Datenschutzbestimmungen verletzt wurden.

 

Die Auskunftspflicht in der oben dargelegten einschränkenden - verständigen - Interpretation der Aufforderung beruht auf den Bestimmungen der §§ 338, 341 und 342 ASVG über die Berechtigung/Verpflichtung zum Abschluss von Gesamtverträgen und auf dem oben zitierten Gesamtvertrag als Normenvertrag, an den die Einzelvertragspartner gebunden sind.

 

Damit beruhen die Auskunftspflicht und die Datenweiterleitung auf einer entsprechenden rechtlichen Grundlage für die Auskunftserteilung, diese ist nach Auffassung des Gerichts nicht überschießend: Es ist der leistungserbringenden Kasse ein Recht auf Nachprüfung der abgerechneten Leistungen zuzubilligen; die unterstellte Absicht, auch über die mit einem anderen Leistungserbringer abgerechneten Leistungen für die Patientin wäre Auskunft verlangt worden, ist - wie oben ausgeführt und wie bereits die PK ausführlich darlegt hat– eine falsche Interpretation der Aufforderung.

 

3.6 Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung:

 

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

 

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

 

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht zudem von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt ist und in der Beschwerde und dem Vorlageantrag nicht bestritten wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 2. September 2004, 68.087/01 [Hofbauer/Österreich ], wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jegliche Anhörung [im Originaltext "any hearing at all"] erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 29.April 2015, Zl. Ro 20015/08/0005. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt.

 

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Zur Frage, wann ein Feststellungsbescheid zu erlassen ist, gibt es eine umfangreiche Judikatur beider Gerichtshöfe öffentlichen Rechts, die oben zitiert wurde.

 

Die Frage der Auskunftspflicht wurde auf Basis einer eindeutigen Norm entschieden. Auch wenn keine diesbezügliche Judikatur vorliegt, ist die Revision nicht zuzulassen.

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