BVwG W240 2136396-1

BVwGW240 2136396-12.12.2016

AsylG 2005 §5 Abs1
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61 Abs1
AsylG 2005 §5 Abs1
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W240.2136396.1.00

 

Spruch:

W240 2136396-1/5E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2016, Zl. 1104402902-160180050, beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG

stattgegeben und der bekämpfte Bescheid wird behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatangehöriger, stellte am 04.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er behauptete am XXXX geboren zu sein.

Zur Person des Beschwerdeführers liegen keine EURODAC-Treffermeldungen vor.

Im Verlauf seiner Erstbefragung am 04.02.2016 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, seine Reisebewegungen vor 18 Tagen begonnen zu haben und aus seinem Herkunftsstaat illegal über den IRAN in die TÜRKEI ausgereist zu sein. Von dort habe er sich ebenso illegal nach BULGARIEN begeben. Seine weiteren Reisebewegungen hätten ihn über SERBIEN, KROATIEN und SLOWENIEN nach Österreich geführt. An der österreichisch-deutschen Grenze sei ihm durch die deutschen Behörden die Einreise verweigert worden. Ein bestimmtes Reiseziel habe er nicht gehabt. Er habe in den durchreisten Ländern keinen Asylantrag gestellt. In BULGARIEN und SLOWENIEN habe Behördenkontakt bestanden und er sei erkennungsdienstlich behandelt worden. Er sei überall nur durchgereist. Familienangehörige würden sich in Österreich nicht aufhalten.

Mit Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 AsylG wurde der Beschwerdeführer davon in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt ist seinen Asylantrag in Österreich zurückzuweisen und dass das Bundesamt Konsultationen in Form einer Anfrage führt und die 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen in seinem Verfahren nicht mehr gelte.

Mit Ladung vom 10.02.2016 wurde der Beschwerdeführer zur ärztlichen Untersuchung betreffend Altersfeststellung für den 17.02.2016 geladen.

Diese am 17.02.2016 durchgeführte Untersuchung brachte einen Volljährigkeitsbefund (Schmeling 4, GP 31).

Mit Ladung vom 14.03.2016 wurde der Beschwerdeführer für weitere ärztliche Untersuchungen betreffend Altersfeststellung für den 04.05.2016 geladen. Es wurde diesbezüglich ein medizinisches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben

Am 13.04.2016 wurde ein Aufnahmeersuchen gem. Art. 13 Abs. 1 der Dublin-III-VO an KROATIEN gestellt. Der Umstand, dass beim Beschwerdeführer eine Altersfeststellungsuntersuchung durchgeführt wird, wurde den kroatischen Behörden auf diesem Wege mitgeteilt.

Ebenfalls am 13.04.2016 wurden Informationsersuchen gem. Art. 34 der Dublin-III-VO an BULGARIEN und SLOWENIEN versandt.

Mit Schreiben vom 14.04.2016 teilten die slowenischen Behörden mit, dass der Beschwerdeführer dort unbekannt sei.

Mit Schreiben vom 18.05.2016 teilten die bulgarischen Behörden mit, dass der Beschwerdeführer dort unbekannt sei.

Am 27.06.2016 langte das gerichtsmedizinische Gutachten, datiert vom 28.05.2016, ein. In diesem wurde beim Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Asylantragstellung (04.02.2016) ein Mindestalter von 21,35 Jahren festgestellt. Das daraus errechnete fiktive Geburtsdatum lautet XXXX .

Mit Schreiben vom 30.06.2016 wurde dem Beschwerdeführer und seinem bisherigen gesetzlichen Vertreter mit Verfahrensanordnung gem. § 7 VwGVG das Ergebnis des Altersfeststellungsverfahrens mitgeteilt. Dieses Schriftstück wurde am 05.07.2016 nachweislich zugestellt. Ebenso wurden die kroatischen Behörden am 01.07.2016 von der festgestellten Volljährigkeit in Kenntnis gesetzt.

Mit Schreiben vom 11.07.2016 wurde Kroatien vom Eintritt der Zuständigkeit durch Fristablauf gem. Art. 22 Abs. 7 iVm Art. 25 Abs. 2 der Dublin-III-VO ab 15.06.2016 in Kenntnis gesetzt.

Am 08.09.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA, Erstaufnahmestelle West, in Gegenwart eines Rechtsberaters im Zulassungsverfahren einvernommen. Der Beschwerdeführer behauptete drei bis vier Medikamente, welche ihm verschrieben worden seien, einzunehmen. Über Befunde verfüge er nicht. Der Beschwerdeführer behauptete erneut, am XXXX in Afghanistan geboren zu sein. Er sei ledig und habe keine Kinder.

Auf Vorhalt, dass das gerichtsmedizinische Gutachten ergeben hat, der Beschwerdeführer hat zum Zeitpunkt des Asylantrages in Österreich ein Mindestalter von 21,35 Jahren gehabt, weshalb von einem fiktiven berechneten Geburtsdatum von XXXX auszugehen sei, entgegnete der Beschwerdeführer, er habe das von ihm genannte Geburtsdatum von seinen Eltern erfahren. Der Beschwerdeführer stellte in Aussicht, seine Tazkira zu besorgen und vorzulegen.

In Österreich erhalte er von niemandem Unterstützung.

Auf Vorhalt, weshalb der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Erstbefragung bestätigt hatte, alles verstanden zu haben, gab dieser an, er sei unter Druck gewesen und es sei lange über sein Alter diskutiert worden. Er habe unterschrieben, um nicht zurückgeschoben zu werden.

Er könne nicht angeben, aus welchem Land er nach Kroatien gereist sei. Zusammen mit ihm seien mehrere Araber gereist, unterwegs habe er Landsleute getroffen. Seit seiner Abreise aus Afghanistan sei er 18 bis 20 Tage unterwegs gewesen.

Dem Beschwerdeführer wurde vorgehalten, dass er anlässlich der Erstbefragung eine Registrierung Sloweniens vorgelegt hatte. Der Beschwerdeführer entgegnete, dass er mit den anderen an einer Stelle ausgestiegen sei, um Versorgung zu erlangen. Dort sei dieses Dokument ausgestellt worden. Es habe auf der Reise Verpflegung gegeben. Es habe dort ein Zelt gegeben, durch das sie gehen hätten müssen. Sie seien dort lediglich ein paar Stunden gewesen. Er habe nirgendwo einen Asylantrag gestellt auf seiner Reise weiter nach Österreich, es habe auch keine Information darüber gegeben.

Auf Vorhalt, dass Kroatien aufgrund des Aufnahmeersuchens der Republik Österreich im Wege der Zustimmung durch Fristablauf zuständiger Staat sei und beabsichtigt sei, den in Österreich gestellten Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen sowie die Außerlandesbringung nach KROATIEN zu veranlassen, gab der Beschwerdeführer an, er wolle dorthin nicht zurück. Sein Zielland sei Österreich gewesen.

Angaben zur Reiseroute konnte er auf Nachfrage keine angeben.

Am 22.09.2016 langte eine von der Rechtsberatung verfasste Stellungnahme zur Altersfeststellungsuntersuchung ein.

Der Beschwerdeführer brachte folgende Beweismittel in Vorlage:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig sei, sowie II. gem. § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers. Im Wesentlichen wurde darin ausgeführt, dass die Altersfeststellung nicht eindeutig sei und Kroatien nicht zuständig sei. Selbst wenn man zum Schluss käme, dass Kroatien zuständig sei, könne Kroatien aufgrund des fehlenden Kriteriums der "illegalen Einreise" keine Zuständigkeit iSd Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung zukommen. Verwiesen wurde darauf, dass der Beschwerdeführer über die "Balkanroute" eingereist sei. Der Beschwerdeführer sei staatlich organisiert an die serbisch-kroatische Grenze gelangt, wo er von serbischen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes kroatischen Organen übergeben worden sei und wiederum weiter an die slowenische Grenze gebracht worden sei, von wo aus ein Transport an die österreichische Grenze erfolgt sei.

Am 11.10.2016 langten beim BVwG Kopien des Personalausweises samt einer Übersetzung in englischer Sprache ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 144/2013 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

Im vorliegenden Fall ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates ("Dublin III-VO") anzuwenden:

Zu A) Behebung des bekämpften Bescheides:

§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:

"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 16.11.2016, Ra 2016/18/0172 bis 0177, in einem gleichgelagerten Fall, in dem Antragsteller über die Balkanroute nach Österreich gelangt sind, wobei über die näheren Umstände, wie sich die Ein- bzw. Durchreise in die EU, insbesondere nach Kroatien gestaltet hat, keine Feststellungen getroffen wurden, die nachstehende Erwägungen getroffen:

"Die Revision wendet sich gegen die Rechtsansicht des BVwG, dass der Grenzübertritt der revisionswerbenden Parteien aus einem Drittstaat kommend in die Republik Kroatien illegal erfolgt sei und die Zuständigkeit der Republik Kroatien für die Prüfung der gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß Art 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung begründe. Sie weist mit ausführlicher Begründung darauf hin, dass die revisionswerbenden Parteien von den staatlichen Sicherheitsbehörden der betroffenen Mitgliedstaaten organisiert und geduldet über die "Balkanroute" nach Österreich gelangt seien. Ein in diese Richtung gehendes Vorbringen hatten die revisionswerbenden Parteien bereits bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Protokoll gegeben. Daraus folgert die Revision, dass von einem illegalen Grenzübertritt in die Republik Kroatien iSd Art 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung nicht ausgegangen werden könne.

Im Zusammenhang mit der von der Revision angesprochenen Rechtsfrage hat der Oberste Gerichtshof der Republik Slowenien (Vrhovno sodisce Republike Slovenije) am 14. September 2016 ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gestellt, das zur dortigen ZI. C-490/16 protokolliert worden ist Dem Ersuchen liegt ein Fall zugrunde, in dem ein syrischer Asylwerber zunächst von der Türkei nach Griechenland und von dort über Mazedonien, Serbien und Kroatien nach Slowenien gelangt war. Dabei durchquerte er die Republik Kroatien organisiert mit dem Flüchtlingsstrom". Serbische Behörden hatten ihn zu einem für den Grenzübertritt bestimmten Ort begleitet und dort in die Aufsicht kroatischer staatlicher Stellen übergeben, die ihm weder die Einreise in die Republik Kroatien verweigert noch ein Verfahren im Hinblick auf seine Abschiebung aus dem kroatischen Hoheitsgebiet eingeleitet oder geprüft hatten, ob er die Voraussetzungen für eine legale Einreise in die Republik Kroatien erfüllt hätte. Die kroatischen Behörden organisierten vielmehr die Beförderung zur slowenischen Staatsgrenze.

Auf der Grundlage dieses Sachverhalts fragt der Oberste Gerichtshof der Republik Slowenien beim EuGH (unter anderem) an, ob die Voraussetzung des "irregulären Grenzübertritts" nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung zu verneinen ist, wenn ein Mitgliedstaat den Grenzübertritt in sein Hoheitsgebiet hoheitlich und zum Zwecke der Durchreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union organisiert.

Nach dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien könnte die Beantwortung dieser Fragen auch für die gegenständlichen Verfahren von Bedeutung sein und dazu führen, dass der Ausgang des Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH abzuwarten wäre (vgl. dazu die maßgeblichen Kriterien nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C.I.L.F.I.T. (283/81, ECLI:E:C: 1982:335).

Allerdings hat das BVwG sich mit dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien in der angefochtenen Entscheidung nicht auseinandergesetzt Es hat insbesondere keine Tatsachenfeststellungen darüber getroffen, wie sich die Ein- bzw. Durchreise der revisionswerbenden Parteien in die Europäische Union, insbesondere nach Kroatien gestaltet hat und ob es sich dabei um staatlich organisierte Maßnahmen gehandelt hat, die mit jenen ident oder vergleichbar wären, die dem slowenischen Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegen. Derartige Schlüsse lassen sich auch aus der nicht näher begründeten rechtlichen Beurteilung des BVwG, die Einreise der revisionswerbenden Parteien in die Republik Kroatien sei "illegal" erfolgt, nicht ziehen.

Dem angefochtenen Erkenntnis haften daher Feststellungsmängel an, deren Beseitigung erforderlich ist, um klären zu können, ob die gegenständlichen Verfahren wegen ihrer im Vergleich zum slowenischen Vorabentscheidungsverfahren gleich- oder ähnlich gelagerten Sachverhalte bis zur Entscheidung über das genannte Vorabentscheidungsversuchen auszusetzen wären (vgl. § 38 AVG).

Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben."

Vor dem Hintergrund dieser jüngsten Judikatur des VwGH erweist sich der vorliegende Sachverhalt zur Ein- bzw. Durchreise des Beschwerdeführers in die EU insbesondere nach Kroatien als mangelhaft, da auch im vorliegenden Fall die diesbezüglichen näheren Umstände, insbesondere auch, ob es sich um eine staatlich organisierte Maßnahme gehandelt hat, nicht ausreichend ermittelt und folglich auch keine Tatsachenfeststellungen darüber getroffen worden sind.

Der vorliegende Sachverhalt erweist sich daher so mangelhaft, dass eine Ergänzung desselben und damit verbunden eine mündliche Verhandlung unvermeidlich erschiene, sodass der Beschwerde gem. § 21 Abs. 3, 2. Satz, BFA-VG stattzugeben war.

Der VwGH geht - nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Erläuterungen zu § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG 2014 - davon aus, dass immer dann, wenn der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes durch die Verwaltungsbehörde Ermittlungsmängel anhaften, die nicht vom BVwG in der für die Erledigung des - im Rahmen des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens abzuwickelnden - Beschwerdeverfahrens gebotenen Eile beseitigt werden können, der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG 2014 stattzugeben ist. Eine Verhandlung hat diesfalls zu unterbleiben (VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/19/0072).

Im vorliegenden Fall ist aufgrund der unterbliebenen Ermittlungen zum Reiseweg des Beschwerdeführers bzw. zur Ein- bzw. Durchreise des Beschwerdeführers in die EU ein derartiger Erhebungsmangel zu erkennen, der durch das BVwG schon aufgrund des zu erwartenden Ermittlungsaufwandes, nicht in der für das Zulassungsverfahren gebotenen Eile beseitigt werden kann.

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall liegen die tragenden Elemente der Entscheidung allein in der Notwendigkeit zur ergänzenden Erhebung des Sachverhalts und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf die jüngst ergangene Rechtsprechung des VwGH stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

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