BVwG W122 2111054-1

BVwGW122 2111054-11.12.2016

BDG 1979 §15
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2
BDG 1979 §15
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W122.2111054.1.00

 

Spruch:

W122 2111054-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde von Fachoberinspektor XXXX, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Zollamtes Salzburg vom 01.07.2015, GZ BMF-00119711/009-PA-MI/2015, betreffend Versetzung in den Ruhestand, zu Recht:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid

aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG, BGBl. I Nr. 122/2013, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Zollamt Salzburg zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Am 19.05.2015 beantragte der Beschwerdeführer die Versetzung in den Ruhestand nach § 15 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 mit ungemindertem Bezug.

I.2. Mit dem gegenständlichen Bescheid vom 01.07.2015 wurde dieser Antrag von der belangten Behörde abgewiesen. Begründend wurde angeführt, dass der Beschwerdeführer am XXXX geboren sei und gemäß § 15 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 in Verbindung mit § 236d Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 der nach 1953 geborene Beamte durch schriftliche Erklärung, aus dem Dienststand ausscheiden zu wollen, seine Versetzung in den Ruhestand frühestens mit Abloauf des Monats bewirken würde, in dem er sein 62. Lebensjahr vollende, wenn er zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand eine beitragsgedeckte Gesamtdienstzeit von 42 Jahren aufweise. Nachdem der Beschwerdeführer einen ungeschmälerten Ruhegenuss erhalten wolle und er zu jenem Zeitpunkt diese Voraussetzungen nicht erfülle, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

I.3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 02.07.2015 Beschwerde, in der er anführte, dass die Novellierungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 und des Pensionsgesetzes angesichts der Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung insbesondere des Mindestalters und des Umfanges der Ruhegenussbemessung zu einer Ungleichbehandlung aufgrund des Alters führen würden. Der Verwaltungsgerichtshof hätte dazu festgestellt, dass eine Altersdiskriminierung dann nicht vorliege, wenn sie objektiv und angemessen wäre und im Rahmen des nationalen Rechtes durch legitime Ziele ihre Rechtfertigung finden würde.

Rechtfertigungsgründe wären im angefochtenen Bescheid zur Gänze unterblieben. Im Bescheid wäre nicht erkennbar, weshalb eine Ungleichbehandlung wegen des Alters zwischen den Geburtsjahrgängen 1953 und XXXX erforderlich wäre. Auch die Wahrung des rechtlichen Gehörs sei nicht eingehalten worden.

Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit und die Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf seines 60. Lebensjahres und einer beitragsgedeckten Gesamtdienstzeit von über 40 Jahren.

I.4. Die Behörde legte mit Schreiben vom 22.07.2015 die Beschwerde und den Bescheid sowie die bezughabenden Akten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom 02.09.2016 stellte der Beschwerdeführer einen Fristsetzungsantrag.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist dem Zollamt Salzburg zur Dienstleistung zugewiesen. Er wurde am XXXX geboren.

Gründe für eine Unterscheidung zwischen dem Jahrgang des Beschwerdeführers und dem Jahrgang 1953 sind aus dem Bescheid oder dem gegenständlichen vorgelegten Verwaltungsakt nicht zu erkennen.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage sowie aus den weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde ermittelte den entscheidungsrelevanten Sachverhalt hinsichtlich Rechtfertigungsgründe nicht ausführlich und stellte in der beschwerdegegenständlichen Bescheidbegründung diese nicht dar.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt mangels materienspezifischer Sonderregelung Einzelrichter-zuständigkeit vor.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 leg.cit. kann das Verwaltungsgericht, soweit das Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Letzteres ist hier der Fall. Ebenso liegen im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Entfall einer mündlichen Verhandlung allenfalls Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) oder Art. 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union entgegenstehen könnten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat etwa in seiner Entscheidung vom 5. September 2002, Speil v. Austria, no. 42057/98, unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte ("where the facts are not disputed and a tribunal is only called upon to decide on questions of law of no particular complexity, an oral hearing may not be required under Article 6 § 1"; vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.02.2014, Zl. 2013/07/0169). Eine solche Fallkonstellation lag auch im Beschwerdefall vor.

Der Unterlassung der Verhandlung steht Art. 6 EMRK nicht entgegen, weil im gegenständlichen Verfahren die maßgeblichen Fakten nicht bestritten waren und es im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nur um Rechtsfragen ohne besondere Komplexität ging. Im Hinblick auf das Erfordernis der Effizienz und Ökonomie konnte die Verhandlung daher entfallen (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 13. März 2012, Nr. 13.556/07, Efferl/Österreich).

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Im Gegensatz zum bisherigen § 66 Abs. 2 AVG ist daher nicht mehr Voraussetzung, dass zur Ermittlung des (bisher unvollständig ermittelten) Sachverhaltes eine Verhandlung notwendig wäre; vielmehr liegen die Voraussetzungen von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG vor, wenn die Behörde notwendige Sachverhaltsermittlungen nicht vorgenommen hat und soweit - diesfalls würde das Verwaltungsgericht obligatorisch meritorisch entscheiden müssen - die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

Der Geburtsjahrgang des Beschwerdeführers wird bei Pensionsantritt und Pensionshöhe durch das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (§§ 236 b und d) erheblich unterschiedlich behandelt als der Geburtsjahrgang 1953.

Das Unionsrecht erfordert im Fall von Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters eine Prüfung von Rechtfertigungsgründen (Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf).

Die Behörde hat derartige Rechtfertigungsgründe zu erheben und darauf basierend die allfällige Erforderlichkeit und Angemessenheit der Diskriminierung zu beurteilen (vgl. Verwaltungsgerichtshof, Ro 2014/12/0045, 25.03.2015).

Erforderlichkeiten aus der demographischen Entwicklung oder der Situation am Arbeitsmarkt zur Unterscheidung gegenüber dem Geburtsjahrgang 1954 sind nicht offenkundig oder aus der Aktenlage ersichtlich (vgl. Verwaltungsgerichtshof, Ro 2016/12/0014, 19.10.2016, Rz11).

Zur Nachholung dieser Prüfung ist der angefochtene Bescheid aufzuheben und an die belangte Behörde zur Erlassung einer neuen Entscheidung zurückzuverweisen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt und es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Geburtsjahrgang des Beschwerdeführers fehlt.

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