BVwG W169 1439289-2

BVwGW169 1439289-218.10.2016

AsylG 2005 §3
B-VG Art.130 Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §8 Abs1
AsylG 2005 §3
B-VG Art.130 Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §8 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W169.1439289.2.00

 

Spruch:

W169 1439288-2/2E

W169 1439235-2/2E

W169 1439289-2/2E

W169 2131422-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX, geb. XXXX, 2.) XXXX, geb. XXXX, 3.) mj. XXXX, geb. XXXX und 4.) mj. XXXX, geb. XXXX, alle StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Nadja LORENZ, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend die am 17.05.2013 bzw. am 14.08.2014 zu Zahlen 830644109-1654530 (ad 1.), 830644207-2269464 (ad 2.), 830644403-2272015 (ad 3.) und 1028979903-14891606 (ad 4.), gestellten Anträge auf internationalen Schutz, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer stellten am 17.05.2013 Anträge auf internationalen Schutz. Am 17.05.2013 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin einer Erstbefragung unterzogen und anschließend wurden die Erst- bis Drittbeschwerdeführer zum Asylverfahren zugelassen.

2. Am 08.07.2013 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

3. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 04.12.2013 wurden die Anträge der Erst-bis Drittbeschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und die Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

4. In Erledigung der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerden wurden mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.03.2014, Zahlen W109 1439235-1/6E, W109 1439288-1/4E, W109 1439289-1/5E, die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurückverwiesen.

5. Am 14.08.2014 stellte der Erstbeschwerdeführer für seine am 03.08.2014 in Österreich geborene Tochter, die Viertbeschwerdeführerin, im Rahmen eines Familienverfahrens einen Antrag auf internationalen Schutz.

6. Am 18.08.2015 wurde der Erstbeschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl neuerlich niederschriftlich einvernommen.

7. Mit Schriftsatz vom 02.06.2016, eingelangt beim BFA am 04.06.2016, brachten die Beschwerdeführer die gegenständlichen Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG wegen Verletzung der Entscheidungspflicht beim BFA mit dem Inhalt ein, dass die Erst-bis Drittbeschwerdeführer am 17.05.2013 Anträge auf internationalen Schutz gestellt hätten, welche mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 04.12.2013 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und die Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen wurden. In Erledigung der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerden wurden mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.03.2014, Zahlen W109 1439235-1/6E, W109 1439288-1/4E, W109 1439289-1/5E, die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das BFA zurückverwiesen, dies unter Heranziehung aktueller Judikatur zur geschlechtsspezifischen Verfolgung in Afghanistan und mit der Maßgabe, dass das BFA - aufgrund des Vorbringens der Zweitbeschwerdeführerin und der notorisch bekannten prekären Situation von Frauen, insbesondere solchen mit westlicher Gesinnung - weitere Ermittlungen zur Situation von Frauen in Afghanistan und bezüglich der konkreten Lebensumstände der Zweitbeschwerdeführerin in Afghanistan und in Österreich zu tätigen habe. In der Folge sei der Erstbeschwerdeführer vom BFA am 18.08.2015 neuerlich einvernommen worden. Zudem sei für die am 03.08.2014 in Österreich geborene Tochter des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin am 14.08.2014 im Rahmen eines Familienverfahrens ebenfalls ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden, wobei entsprechende Befürchtungen in Bezug auf geschlechtsspezifische Verfolgung in Afghanistan geltend gemacht worden seien.

Weiters wurde ausgeführt, dass das Verfahren der Erst-bis Drittbeschwerdeführer seit Ende März 2014 neuerlich anhängig sei und bisher in den gegenständlichen Asylverfahren keine Entscheidung vom BFA getroffen worden sei.

Die Beschwerdeführer stellten die Anträge, das BFA möge gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG entsprechende Bescheide über die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz erlassen, in eventu die gegenständlichen Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vorlegen, welches unter Berücksichtigung des gesamten bisherigen Vorbringens der Beschwerdeführer eine Entscheidung über die Anträge auf internationalen Schutz erlassen möge.

8. Mit Schreiben vom 28.07.2016, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 01.08.2016, übermittelte das BFA die gegenständlichen Säumnisbeschwerden samt den Verwaltungsakten. Darin wurde ausgeführt, dass nach individueller Prüfung der Verwaltungsakte in den vorliegenden Fällen eine Erledigung nicht innerhalb der dreimonatigen Frist erfolgen könne, weshalb die Akten in Vorlage gebracht werden würden.

9. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.05.2016, Ro 2006/01/0001 bis 0004-3, wurde die Revision der (näher bezeichneten) revisionswerbenden Parteien gegen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes, W151 2117713-1/11E ua., als unbegründet abgewiesen. Darin wurde u.a. ausgeführt, dass "dem

Verwaltungsgericht ... nicht entgegen getreten werden [kann], wenn

es - wie im vorliegenden Fall, d.h. eines spätestens ab dem Jahr 2015 bei der belangten Behörde anhängig gewordenen Asylverfahrens - bei der Verschuldensbeurteilung die dargestellte außergewöhnliche Belastungssituation der belangten Behörde in besonderer Weise ins Kalkül zieht und dabei berücksichtigt, dass die Verletzung der sechsmonatigen Entscheidungsfrist alleine auf diese Belastungssituation zurückzuführen ist."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführer stellten am 17.05.2013 bzw. am 14.08.2014 Anträge auf internationalen Schutz und wurden am 21.05.2013 bzw. am 19.08.2014 zum Asylverfahren zugelassen.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.03.2014 wurden die von den Erst - bis Drittbeschwerdeführern bekämpften Bescheide des Bundesasylamtes vom 04.12.2013, mit denen die Anträge der Erst - bis Drittbeschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und die Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen wurden, behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das BFA zurückverwiesen.

Die Beschwerdeführer brachten am 02.06.2016 Säumnisbeschwerden ein. Die oben genannten Anträge waren bis zu diesem Zeitpunkt nicht erledigt.

1.2. In Österreich kam es aufgrund der erheblich erhöhten Antragszahlen im Bereich des Asylrechts - im Jahr 2013 haben 17.503, im Jahr 2014 haben 28.027 Fremde in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, im Jahr 2015 waren es rund 90.000 Personen, was in etwa einer Verdreifachung der Asylanträge gegenüber dem Jahr 2014 entspricht, in dem wiederum um 60,1 % mehr Anträge als im Jahr 2013 gestellt wurden - zu einer außergewöhnlichen Mehrbelastung des BFA; diese Mehrbelastung führte zu erheblichen, auch in anderen Verfahren zu beobachtenden Verzögerungen.

Festzustellen ist, dass die monatlichen Antragszahlen im Jahr 2014 zwischen 1.500 bis - zu Jahresende - maximal rund 4.200 schwankten. Insbesondere im zweiten Halbjahr 2015 hat die Anzahl der Anträge pro Monat oftmals deutlich über 10.000 betragen. Daraus ergibt sich, dass die im Laufe des Jahres 2015 erreichten Antragszahlen bereits ab dem zweiten Halbjahr 2014 kontinuierlich angestiegen sind.

Im Jahr 2014 kam es zu ersten Personalerweiterungsmaßnahmen im BFA, die sich in den Jahren 2015 und 2016 fortgesetzt haben (2014: 134 neue Mitarbeiter, 2015: 206 neue Mitarbeiter, 2016: 500 neue Mitarbeiter). Zudem wurden laufend intensive Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen gesetzt.

Der seit etwa September 2014 im Wesentlichen andauernde, erhebliche Zustrom von Asylwerbern stellt ein unbeeinflussbares und unüberwindliches Hindernis dar, das notwendige Sachverhaltsfeststellungen sowie bescheidmäßige Erledigungen innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsfrist in einer Vielzahl von Verfahren verhindert (hat).

1.3. Die Verzögerung der Erledigung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz ist nicht auf ein überwiegendes Verschulden des BFA zurückzuführen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen hinsichtlich der Einbringung der Anträge auf internationalen Schutz, der Behebung der Bescheide des Bundesasylamtes bezüglich der Erst-bis Drittbeschwerdeführer durch das Bundesverwaltungsgericht sowie der Säumnisbeschwerden und der Nichterledigung der Anträge auf internationalen Schutz zum Zeitpunkt der Stellung der Säumnisbeschwerden ergeben sich aus der Aktenlage.

2.2. Die Feststellungen zur Zahl der Anträge auf internationalen Schutz in Österreich zwischen 2014 und 2016 sowie zu den vom Bund in diesem Zeitraum ergriffenen organisatorischen und personellen Maßnahmen stützen sich auf die vom BFA auf seiner Homepage veröffentlichten Jahresbilanzen und auf die unter Punkt II.2.4.2. auszugweise zitierten Gesetzesmaterialien zu der in BGBl. I Nr. 24/2016 kundgemachten Änderung des AsylG 2005 (AB 1097 BlgNR, 25. GP , S. 7 f).

2.3. Einleitend ist klarzustellen, dass die Beschwerdeführer kein Verschulden an der Verzögerung des gegenständlichen Verfahrens trifft.

2.4. Festzuhalten ist, dass eine zu geringe personelle Besetzung einer Behörde gewöhnlich das Verschulden an der Verzögerung in der Verfahrensführung nicht ausschließt.

Zur Frage, ob das BFA ein überwiegendes Verschulden an den im vorliegenden Fall objektiv festzustellenden Verfahrensverzögerungen trifft, ist zunächst die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes näher zu beleuchten:

2.4.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen der Verletzung der Entscheidungspflicht zur Frage des überwiegenden Verschuldens der Behörde bereits ausgesprochen, dass der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG bzw. nach § 8 Abs. 1 VwGVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern "objektiv" zu verstehen ist, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (s. zuletzt VwGH 16.03.2016, Ra 2015/10/0063). Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ein überwiegendes Verschulden der Behörde darin angenommen, dass diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (vgl. etwa VwGH 18.12.2014, 2012/07/0087 mwN).

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der allgemeine Hinweis auf die Überlastung der Behörde die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht vereiteln kann (VwGH 18.04.1979, 2877/78 mwN).

2.4.2. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung wurde im jüngst ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.05.2016, Ro 2006/01/0001 bis 0004-3, u.a. ausgeführt, dass das BFA nach den unstrittigen Feststellungen der angefochtenen Entscheidungen mit einem - spätestens im Jahr 2015 in voller Intensität einsetzenden - als massenhaft zu bezeichnenden Neuanfall an Asylverfahren bzw. mit einer außergewöhnlich hohen Gesamtzahl an offenen Asyl- und Fremdenrechtsangelegenheiten konfrontiert sei. Die Bundesministerin für Inneres habe in der Revisionsbeantwortung ergänzend darauf hingewiesen, dass im Laufe des Jahres 2015 kontinuierlich neue "Rekordwerte" erreicht worden seien; von März bis Oktober 2015 seien die monatlichen Antragszahlen um 318 % gestiegen. Schließlich seien im Jahr 2015 insgesamt 88.340 Asylanträge in Österreich gestellt worden.

Diesbezüglich wurde seitens des Verwaltungsgerichtshofes auch auf die am 20.05.2016 im Bundesgesetzblatt kundgemachte Änderung des AsylG 2005, BGBl. I Nr. 24/2016, verwiesen. Gemäß § 19 Abs. 6 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 kann das Bundesverwaltungsgericht in einem Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) das Bundesamt mit der Einvernahme des Asylwerbers beauftragen. Die Regelung des § 22 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 sieht vor, dass über einen Antrag auf internationalen Schutz abweichend von § 73 Abs. 1 AVG längstens binnen 15 Monaten zu entscheiden ist. Gemäß dem neu eingefügten Abs. 15 des § 73 AsylG 2005 treten diese Änderungen mit 01.06.2016 in Kraft; der neue § 22 Abs. 1 AsylG 2005 tritt mit Ablauf des 31.05.2018 außer Kraft.

In den Gesetzesmaterialien, auf die der Verwaltungsgerichtshof in der Begründung seines Erkenntnisses Bezug nimmt, wird dazu u.a. Folgendes ausgeführt (AB 1097 BlgNR, 25. GP , S. 7 f):

"...

Im Jahr 2015 hat sich die Anzahl an Anträgen auf internationalen Schutz im Vergleich zum Vorjahr mit rund 90.000 Anträgen verdreifacht. Insbesondere im zweiten Halbjahr 2015 hat die Anzahl der Anträge pro Monat oftmals deutlich über 10.000 betragen; im Jahr 2014 schwankten die monatlichen Antragszahlen hingegen zwischen

1.500 bis - zu Jahresende - maximal rund 4.200. Im Jahr 2015 traf das Bundesamt mit 36.227 Statusentscheidungen nach dem Asylgesetz bereits doppelt so viele Entscheidungen wie im Jahr 2014. Dies konnte insbesondere durch eine Personalaufstockung von 206 neuen Mitarbeitern ermöglicht werden. Unbeschadet dieser Personalaufstockung hat sich aufgrund des starken Zustroms Schutzsuchender im Jahr 2015 die Anzahl an offenen Verfahren mehr als verdoppelt (31.000 offene Asylverfahren zu Beginn des Jahres 2015 im Vergleich zu 80.000 offene Asylverfahren Ende Februar 2016). Die Abarbeitung dieser Verfahren bedarf daher trotz der erfolgten Personalaufstockung bereits aus derzeitiger Sicht jahrelanger Arbeit, weshalb ein erneuter Zustrom Schutzsuchender in einem vergleichbaren Ausmaß den bestehenden ‚Rückstau' an Asylverfahren weiter verstärken würde. Vor diesem Hintergrund und den allgemeinen organisatorischen Rahmenbedingungen wie etwa die Personalausstattung und die zur Verfügung stehenden nichtamtlichen Dolmetscher kann daher eine Entscheidung innerhalb von sechs Monaten nicht gewährleistet werden.

..."

Der Verwaltungsgerichtshof schließt daraus, dass auch aus Sicht des Gesetzgebers infolge des starken Zustroms Schutzsuchender im Jahr 2015 "eine Entscheidung innerhalb von sechs Monaten nicht gewährleistet werden kann", weshalb er die Verlängerung der Entscheidungsfrist (auf 15 Monate) für geboten erachtet habe.

Die dargestellt extrem hohe Zahl an Verfahren stelle für die belangte Behörde (BFA) - ungeachtet der vom Bund getroffenen bzw. weiterhin zu treffenden personellen Maßnahmen zur Verfahrensbewältigung - sohin unzweifelhaft eine extreme Belastungssituation dar, die sich in ihrer Exzeptionalität von sonst allenfalls bei (anderen) Behörden auftretenden, herkömmlichen Überlastungszuständen ihrem Wesen nach, und sohin grundlegend, unterscheide.

Für den Verwaltungsgerichtshof sei es - auch mit Blick auf die erwähnten Gesetzesmaterialien - notorisch, dass sich in einer derartigen Situation die Einhaltung von gesetzlichen Erledigungsfristen in bestimmten Fällen als schwierig erweisen könne, zumal die Verpflichtung der belangten Behörde, dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich sei, in der dargestellten Ausnahmesituation zwangsläufig an Grenzen stoßen müsse.

Nach dem Gesagten könne "dem Verwaltungsgericht ... nicht entgegen

getreten werden, wenn es - wie im vorliegenden Fall, d.h. eines spätestens ab dem Jahr 2015 bei der belangten Behörde anhängig gewordenen Asylverfahrens - bei der Verschuldensbeurteilung die dargestellte außergewöhnliche Belastungssituation der belangten Behörde in besonderer Weise ins Kalkül zieht und dabei berücksichtigt, dass die Verletzung der sechsmonatigen Entscheidungsfrist alleine auf diese Belastungssituation zurückzuführen ist."

2.4.3. Die Entwicklung der Zahl der Anträge auf internationalen Schutz in Österreich zwischen 2014 und 2016 sowie die in diesem Zeitraum vom Bund ergriffenen organisatorischen und personellen Maßnahmen wurden bereits unter Punkt II.1.2. dargelegt.

Bei der schrittweise erfolgten Aufstockung des im BFA für die Bearbeitung von Asylanträgen eingesetzten Personals darf auch nicht übersehen werden, dass in einem so sensiblen Bereich wie dem Fremden- und Asylwesen nicht ungeschulte Mitarbeiter einsetzbar sind bzw. die eingesetzten Mitarbeiter einer besonderen Schulung bedürfen, sodass etwa auch von anderen Behörden übernommene Mitarbeiter erst nach intensiven Schulungen einsetzbar sind; immerhin ist das Fremden- und Asylwesen eine erheblich eingriffsintensive und menschenrechtsrelevante Materie.

Aus einer Zusammenschau der - in dieser Höhe nicht zu erwartenden - Steigerung der Asylantragszahlen sowie der nachvollziehbaren und an die bisherige Situation hinreichend angepassten Organisation des BFA ist zu schließen, dass der seit etwa September 2014 im Wesentlichen andauernde, erhebliche Zustrom von Asylwerbern, die das BFA nicht nur administrativ zu betreuen, sondern auch im Rahmen der Grundversorgung unterzubringen hat, ein unbeeinflussbares und unüberwindliches Hindernis darstellt, das notwendige Sachverhaltsfeststellungen sowie bescheidmäßige Erledigungen innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsfrist in einer Vielzahl von Verfahren verhindert (hat).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Derartige Regelungen kommen für das vorliegende Verfahren nicht zur Anwendung, weshalb es der Einzelrichterzuständigkeit unterliegt

Zu Spruchpunkt A)

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.05.2016, Ro 2006/01/0001 bis 0004-3, wurde klargestellt, dass bei Beurteilung des Verschuldens einer beim BFA eingetretenen Verfahrensverzögerung die außergewöhnliche Belastungssituation der Behörde im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung vom Verwaltungsgericht ins Kalkül gezogen werden kann.

Diese - aus Anlass von "spätestens ab dem Jahr 2015" beim BFA anhängig gewordenen Asylverfahren angestellten - Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofes sind auch im hier zu beurteilenden Fall zu berücksichtigen, zumal der Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz am 14.8.2014 bzw. der erneuten Zuständigkeit des BFA zur Erlassung neuer Bescheide hinsichtlich der Anträge der Erst- bis Drittbeschwerdeführer (aufgrund der Behebung der Bescheide des Bundesasylamtes durch das Bundesverwaltungsgericht am 20.03.2014) mit dem seit September 2014 andauernden, erheblichem Zustrom von Asylwerbern und dem damit verbundenen massiven Anstieg der Antragszahlen zusammenfällt.

3.2. Gemäß § 73 Abs. 1 1. Satz 1. Fall AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Bis zum In-Kraft-Treten des § 22 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 war das BFA - in Ermangelung einer von § 73 Abs. 1 AVG abweichenden Entscheidungsfrist - verpflichtet, in einem durch einen Antrag auf internationalen Schutz eingeleiteten Verfahren binnen sechs Monaten nach dessen Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Die Regelung des § 22 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 sieht demgegenüber vor, dass über einen Antrag auf internationalen Schutz abweichend von § 73 Abs. 1 AVG längstens binnen 15 Monaten zu entscheiden ist. Gemäß § 73 Abs. 15 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 tritt § 22 Abs. 1 leg.cit. mit 01.06.2016 in Kraft und mit Ablauf des 31.05.2018 außer Kraft.

Die 15-monatige Entscheidungsfrist für das BFA gilt mangels Übergangsbestimmungen für alle am 01.06.2016 dort anhängigen Verfahren.

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Im vorliegenden Fall traf das BFA - bezogen auf den nach § 8 Abs. 1 VwGVG maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerden am 02.06.2016 - gemäß § 22 Abs.1 AsylG idgF iVm § 73 Abs. 1 AVG eine Pflicht zur Entscheidung der am 17.05.2013 bzw. 14.08.2014 eingebrachten Anträge auf internationalen Schutz innerhalb von 15 Monaten.

Diese Frist ist in den gegenständlichen Verfahren abgelaufen und die Säumnisbeschwerden daher zulässig.

3.3. Gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG ist die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Im vorliegenden Fall trifft das BFA - wie im Rahmen der Beweiswürdigung näher dargelegt wurde - angesichts des Zeitpunkts der Einbringung der Anträge auf internationalen Schutz und der damals gerade entstandenen außergewöhnlichen Belastungssituation der Behörde kein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung des Verfahrens; diese ist im Wesentlichen auf unbeeinflussbare und unüberwindbare Hindernisse zurückzuführen.

Die Säumnisbeschwerden waren daher spruchgemäß abzuweisen.

3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die Verhandlung kann entfallen, wenn die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG).

Im vorliegenden Fall wird gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.05.2016, Ro 2006/01/0001 bis 0004-3, wurde klargestellt, dass bei Beurteilung des Verschuldens einer beim BFA eingetretenen Verfahrensverzögerung die außergewöhnliche Belastungssituation der Behörde im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung vom Verwaltungsgericht ins Kalkül gezogen werden kann.

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