Schulpflichtgesetz 1985 §8 Abs1
VwGVG §28 Abs3 Satz2
B-VG Art.133 Abs4
Schulpflichtgesetz 1985 §8 Abs1
VwGVG §28 Abs3 Satz2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W227.2132864.1.00
Spruch:
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Landesschulrates für Oberösterreich vom 4. Juli 2016, Zl. 415-25/0142-BR-SE/2016, beschlossen:
A)
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG wird der bekämpfte Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Landesschulrat für Oberösterreich zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
BEGRÜNDUNG
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Landesschulrat für Oberösterreich den Antrag der Beschwerdeführerin vom 15. März 2016 auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs für ihren am
XXXX geborenen Sohn XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Schulpflichtgesetz (SchPflG) ab. Begründend führte er - ohne ein sonderpädagogisches Gutachten eingeholt zu haben - nur aus, aus dem Halbjahreszeugnis sei nicht ersichtlich, dass der sonderpädagogische Förderbedarf momentan notwendig sei; auch sei die Entscheidung vom Pflichtschulinspektor "genehmigt" worden.
2. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
3. Am 19. August 2016 legte der Landesschulrat für Oberösterreich die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch gemacht zu haben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat beschlossen:
1. Zu Spruchpunkt A)
1.1. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063; 18.5.2016, Ra 2016/20/0072 m.w.H.).
1.2. Gemäß § 8 Abs. 1 SchPflG hat der Landesschulrat den sonderpädagogischen Förderbedarf für ein Kind auf Antrag der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes, auf Antrag des Leiters der Schule, dem das Kind zur Aufnahme vorgestellt worden ist oder dessen Schule es besucht oder sonst von Amts wegen festzustellen, sofern dieses infolge physischer oder psychischer Behinderung dem Unterricht in der Volks- oder Hauptschule, Neuen Mittelschule oder Polytechnischen Schule ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag. Zuständig zur Entscheidung ist der Landesschulrat, in dessen Bereich das Kind seinen Wohnsitz hat; wenn das Kind bereits eine Schule besucht, ist der Landesschulrat, in dessen Bereich die Schule gelegen ist, zuständig. Der Landesschulrat hat zur Feststellung, ob ein sonderpädagogischer Förderbedarf besteht, ein sonderpädagogisches Gutachten sowie erforderlichenfalls ein schul- oder amtsärztliches Gutachten und mit Zustimmung der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes ein schulpsychologisches Gutachten einzuholen. Ferner können Eltern oder sonstige Erziehungsberechtigte im Rahmen des Verfahrens Gutachten von Personen, welche das Kind bisher pädagogisch, therapeutisch oder ärztlich betreut haben, vorlegen. Auf Antrag der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten ist eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Der Landesschulrat hat die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten auf die Möglichkeit der genannten Antragstellungen hinzuweisen.
1.3. Der angefochtene Bescheid ist aus folgenden Gründen mangelhaft:
Der Landesschulrat für Oberösterreich stützte seine Entscheidung ausschließlich auf das Halbjahreszeugnis des Sohnes der Beschwerdeführerin und die Genehmigung des Pflichtschulinspektors, was irrelevant ist. Ein sonderpädagogisches Gutachten holte er hingegen nicht ein.
Aus dem klaren Gesetzeswort geht jedoch hervor, dass jedenfalls ein sonderpädagogisches Gutachten einzuholen ist (vgl. dazu auch Jonak/Kövesi, Das Österreichische Schulrecht, 14. Auflage, Anm. 9 zu § 8 SchPflG). Erforderlichenfalls ist ein schul- oder amtsärztliches Gutachten und mit Zustimmung der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes ein schulpsychologisches Gutachten einzuholen.
Erst dann kann die im Verfahren nach § 8 Abs. 1 SchPflG (zunächst) ausschlaggebende Frage geklärt werden, ob der Schüler infolge physischer oder psychischer Behinderung dem Unterricht in der Volks- oder Hauptschule, Neuen Mittelschule oder in der Polytechnischen Schule ohne sonderpädagogische Förderung (weiterhin) nicht zu folgen vermag (vgl. in diesem Sinne Jonak/Kövesi, Das Österreichische Schulrecht, 14. Auflage, Anm. 5a zu § 8 SchPflG sowie VwGH 2.4.1998, 96/10/0093).
1.4. Da somit die erforderlichen entscheidungswesentlichen Feststellungen nicht getroffen wurden, ist der Sachverhalt in zentralen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben. Es kann auch nicht gesagt werden, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
2. Zu Spruchpunkt B)
2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
2.2. Die Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommt, wenn die Verwaltungsbehörde lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt hat, entspricht der oben unter Punkt
1.1. zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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