B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W170.2126775.1.00
Spruch:
W170 2126775-1/10E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas MARTH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, vertreten durch dessen Onkel XXXX, dieser vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx und Rechtsanwalt Dr. Lennart BINDER, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 18.4.2016, Zl. 1068068902-150490337, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt I. des bekämpften
Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX - ein minderjähriger, syrischer Staatsangehöriger, der der Volksgruppe der Araber und der Konfession der Sunniten angehört - stellte am 12.5.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Gemeinsam mit dem Beschwerdeführer stellten dessen Onkel XXXX, StA. Syrien und XXXX, StA. Syrien gleichartige Anträge.
2. Im Rahmen des Administrativverfahrens gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung an, nicht zu wissen, warum er aus Syrien ausgereist sei, dies würden die Onkel des Beschwerdeführers wissen. Die Eltern und die zwei Brüder des Beschwerdeführers würden sich in der Türkei aufhalten.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Amstetten vom 5.8.2015, Gz. 710 Ps 66/15v-7, wurde die Obsorge über den Beschwerdeführer an dessen Onkel XXXX übertragen.
Im Rahmen einer behördlichen Einvernahme gab der Beschwerdeführer im Beisein des genannten Onkels an, dass sein Vater in einer Zuckerfabrik und seine Mutter als Lehrerin in einer syrischen Schule gearbeitet hätten. Hinsichtlich der Fluchtgründe verwies der Beschwerdeführer auf die Kriegslage in Syrien ("Es gibt Bomben und es wurde auch geschossen."), persönlich sei dem Beschwerdeführer in seiner Heimat nichts passiert.
Ergänzend gab der Vertreter an, dass der Vater des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr nach Syrien zur Armee einrücken müsse und das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers nunmehr in der Hand des IS ("Daesh") sei.
Im Administrativverfahren wurden Kopien des Reisepasses des Beschwerdeführers, der Heiratsurkunde seiner Eltern sowie Auszüge aus dem Zivilregister des Beschwerdeführers sowie seiner Eltern und Geschwister vorgelegt. Diese wurden vom Bundesamt einer Übersetzung zugeführt.
3. Nach Durchführung des oben dargestellten Ermittlungsverfahrens wurde der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 18.4.2016, erlassen am 19.4.2016, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde diesem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Nach der Begründung des Bescheides wurden neben den vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel (Urkunden) die Protokolle der niederschriftlichen Befragungen bzw. Einvernahmen des Beschwerdeführers im Asylverfahren, die "Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA" zu "Ihrem Herkunftsland Afghanistan" (sic!) sowie sämtliche weitere Bestandteile des Verwaltungsaktes herangezogen und in die Akten der unter 1. genannten Onkel des Beschwerdeführers Einsicht genommen.
Glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinen Onkel ausgereist sei und den genauen Grund hiefür nicht kenne, er habe keine individuellen Ausreisegründe glaubhaft gemacht; auch hätten sich keine Hinweise ergeben, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Verfolgung drohe.
Im Rahmen der Beweiswürdigung des Bundesamtes finden sich keinerlei Ausführungen zu den Vorbringen der Onkel des Beschwerdeführers.
Mangels einer feststellbaren asylrelevanten Verfolgung sei der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen.
4. Mit am 13.5.2016 bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides Beschwerde erhoben.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Familie des Beschwerdeführers wie praktisch alle Bewohner der Gegend, aus der die Familie des Beschwerdeführers stamme, mit der freien syrischen Armee sympathisiert habe und dem Onkel des Beschwerdeführers XXXXder Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Auch seien überhaupt keine Ermittlungen zu den Fluchtgründen der Familie und zu (nicht näher ausgeführten) "kindspezifischen" Fluchtgründen angestellt worden. Der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Flucht der Familie in die Türkei gerade einmal fünf Jahre alt gewesen und sei davon auszugehen, dass er dieselben Fluchtgründe wie seine Familie habe.
Schließlich sei die Mutter des Beschwerdeführers Lehrerin und somit Regierungsangestellte gewesen und drohe der Familie des Beschwerdeführers daher auch eine Verfolgung durch die Opposition.
5. Am 25.5.2016 wurde die Beschwerde samt den Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichts wurden die Verwaltungsakten der Onkel XXXX, StA. Syrien und XXXX, StA. Syrien, eingesehen. Ersterem wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.4.2016, Gz. 1068068804-150490329, offenbar wegen der drohenden Einziehung zum syrischen Militär und dem damit verbundenen Zwang zur Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen, letzterem mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.4.2016, Gz. 1068068706-150490315, offenbar wegen des Umstandes, dass sich dieser dem Wehrdienst entzogen habe und illegal aus Syrien ausgereist sei, jeweils der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Beide Bescheide sind laut Aktenlage in Rechtskraft erwachsen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, dessen Identität feststeht, ist am 20.7.2007 geboren und hatte zum Zeitpunkt der Erstbefragung das siebente aber nicht das achte Lebensjahr und zum Zeitpunkt der behördlichen Einvernahme das achte aber noch nicht das neunte Lebensjahr vollendet.
Die Onkel des Beschwerdeführers namens XXXX, StA. Syrien und XXXX, StA. Syrien, befanden sich zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes in Österreich; der Beschwerdeführer hat in der Erstbefragung darauf verwiesen, dass seine Onkel näheres zu seinen Fluchtgründen vorbringen könnten.
Die genannten Onkel des Beschwerdeführers wurden keiner zeugenschaftlichen Einvernahme im gegenständlichen Asylverfahren unterzogen, das Bundesamt hat die Verwaltungsakte der Onkel nur zum Schein unter Beweis genommen, da diese weder dem Parteiengehör unterzogen wurden noch in der Beweiswürdigung Niederschlag gefunden haben.
Den genannten Onkel des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.4.2016, Gz. 1068068804-150490329, bzw. mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.4.2016, Gz. 1068068706-150490315, jeweils der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Das Bundesamt hat nicht ermittelt, wer im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers die Macht in der Hand hat und wie dieser Machthaber mit Angehörigen von Staatsbediensteten umgeht; die Mutter des Beschwerdeführers sei nach dessen (glaubhaften Angaben) Lehrerin gewesen.
Das Bundesamt hat nicht ermittelt, ob das syrische Regime auch Kinder im Alter des Beschwerdeführers schikaniert, um den Vater des Beschwerdeführers zu zwingen, sich dem Wehrdienst zu unterziehen, obwohl es festgestellt hat, dass die Familien (wenn auch besonders die Väter) von Militärdienstverweigerern und Deserteuren schikaniert werden (Bescheid S. 17).
Das Bundesamt hat nicht ermittelt, ob auch Kinder im Alter des Beschwerdeführers für einen rechtswidrigen Grenzübertritt (wenn auch contra legem) durch das Regime belangte werden, auch hat es nicht festgestellt, ob der Beschwerdeführer Syrien legal oder rechtswidrig verlassen hat. Allerdings hat das Bundesamt XXXX, StA. Syrien, mit Bescheid vom 27.4.2016, Gz. 1068068706-150490315, unter anderem auch wegen dessen rechtswidriger Ausreise aus Syrien den Status des Asylberechtigten zuerkannt.
2. Beweiswürdigung:
All diese Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakten hinsichtlich der Verfahren über die Anträge des Beschwerdeführers und der Anträge seiner Onkel XXXX, StA. Syrien und XXXX, StA. Syrien.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Gemäß § 3 AsylG 2005 ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A
Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifelsohne Syrien. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Darüber ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG 2005 auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde. (VwGH vom 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH vom 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum AsylG 1991, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention).
2. Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG ist ein Fremder, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung oder im Zulassungsverfahren in der Erstaufnahmestelle zu befragen ist, diese Befragung dient aber insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich der leg.cit. nach nicht auf die besonderen Fluchtgründe zu beziehen. Vor diesem Hintergrund kann - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - der Ansicht, es sei davon auszugehen, dass ein Asylwerber bereits bei der Erstbefragung alles, was zur Asylgewährung führen könne, vorbringen werde, nicht gefolgt werden (siehe VwGH E vom 28.5.2014, Zlen. Ra 2014/20/0017 und 0018) und sind Widersprüche bzw. Steigerungen zu den Angaben in der Erstbefragung nur relevant, wenn diese gravierend sind.
Gemäß § 19 Abs. 2 AsylG ist ein Asylwerber vom Bundesamt, soweit er nicht auf Grund von in seiner Person gelegenen Umständen nicht in der Lage ist, durch Aussagen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, zumindest einmal im Zulassungsverfahren und - soweit nicht bereits im Zulassungsverfahren über den Antrag entschieden wird - zumindest einmal nach Zulassung des Verfahrens einzuvernehmen. Eine Einvernahme kann unterbleiben, wenn dem Asylwerber, ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt (§ 12a Abs. 1 oder 3). Weiters kann eine Einvernahme im Zulassungsverfahren unterbleiben, wenn das Verfahren zugelassen wird. § 24 Abs. 3 bleibt unberührt. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Stammfassung des AsylG kann von der Einvernahme eines Asylwerbers abgesehen werden, wenn durch diese Einvernahme kein Beitrag zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts erwartet werden kann, etwa weil der Asylwerber auf Grund einer schwerwiegenden Erkrankung oder auf Grund seines Alters hiezu nicht in der Lage ist.
Das Bundesamt hat sich in keiner Weise damit beschäftigt, ob der zum Zeitpunkt der behördlichen Einvernahme achtjährige Beschwerdeführer überhaupt intellektuell in der Lage war, etwas zur Sachverhaltsfeststellung beizutragen. Weiters hat das Bundesamt vollkommen ignoriert, dass - selbst nach den Ausführungen des Beschwerdeführers in der Erstbefragung - dieser keine Angaben zum Fluchtgrund machen könne, sondern dies nur seine Onkel wissen würden.
Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG hat das Bundesamt in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Im vorliegenden Fall wäre daher jedenfalls die zeugenschaftliche Einvernahme der Onkel des Beschwerdeführers angezeigt gewesen, da diese die Situation des Beschwerdeführers in Syrien (unter Wahrheitspflicht) mit Sicherheit besser und abschließender hätten schildern können als der Beschwerdeführer selbst.
3. Darüber hinaus hat das Bundesamt nicht ermittelt, wer im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers die Macht in der Hand hat und wie dieser Machthaber mit Angehörigen von Beamten umgeht. Dies ist im Lichte dessen, dass die Mutter des Beschwerdeführers vor der Ausreise aus Syrien Lehrerin und somit Regierungsangestellte war - womit bei manchen Oppositionsgruppen die Unterstellung einer Sympathie für das syrische Regime verbunden ist, die auch zu einer Verfolgung von Angehörigen führen kann - aber entscheidungsrelevant.
4. Das Bundesamt hat nicht ermittelt, ob das syrische Regime auch Kinder im Alter des Beschwerdeführers schikaniert, um den Vater des Beschwerdeführers zu zwingen, sich dem Wehrdienst zu unterziehen, obwohl es festgestellt hat, dass die Familien (wenn auch besonders die Väter) von Militärdienstverweigerern und Deserteuren schikaniert werden (Bescheid S. 17). Da dies aber eine Verfolgung als Familienangehöriger und somit als Mitglied einer sozialen Gruppe bedeuten würde, kommt diesen Ermittlungen aber Entscheidungsrelevanz zu.
5. Das Bundesamt hat nicht ermittelt, ob auch Kinder im Alter des Beschwerdeführers für einen rechtswidrigen Grenzübertritt (wenn auch contra legem) durch das Regime belangte werden, auch hat es nicht ermittelt, ob der Beschwerdeführer Syrien legal oder rechtswidrig verlassen hat. Allerdings hat das Bundesamt XXXX, StA. Syrien, mit Bescheid vom 27.4.2016, Gz. 1068068706-150490315, unter anderem auch wegen dessen rechtswidriger Ausreise aus Syrien den Status des Asylberechtigten zuerkannt; es ist somit klar erkennbar, dass diesen Ermittlungen Entscheidungsrelevanz zukommt.
6. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe E vom 26.06.2014, Gz. Ro 2014/03/0063) liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung der Entscheidung der Behörde und die Zurückverweisung der Angelegenheit an diese gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG dann vor, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststeht, weil
1. die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,
2. die Behörde zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat,
3. konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterließ, damit diese im Sinn einer "Delegierung" dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden oder
4. ähnlich schwerwiegende Ermittlungsmängel vorliegen und
die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht - hier: das Bundesverwaltungsgericht - selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Dass der Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits oben ausgeführt. Durch die Unterlassung der Befragung der Onkel des Beschwerdeführers und das Einlassen auf die offensichtlich in Betracht kommenden Flucht- und Verfolgungsgründe des Beschwerdeführers hat das Bundesamt zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt bzw. nicht einmal ansatzweise ermittelt.
Zur Frage, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht - hier: das Bundesverwaltungsgericht - selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, ist auszuführen, dass das Bundesverwaltungsgericht im Gegensatz zum bisherigen Asylgerichtshof keine "Spezialbehörde" (bzw. kein "Spezialgericht") ist, sodass davon auszugehen ist, dass insbesondere länderspezifische Ermittlungen durch die Spezialbehörde Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jedenfalls schneller und billiger durchgeführt werden können. Dazu kommt der Umstand, dass das Bundesamt ansonsten durch die Verweigerung jeglicher notwendiger Ermittlungen dem Beschwerdeführer willkürlich entsprechenden Rechtsschutz nehmen könnte, da diesfalls
- so eine Zurückverweisung nicht erfolgen würde - das Bundesverwaltungsgericht in wesentlichen Punkten den Sachverhalt selbst ermittelt müsste und gegen dessen Entscheidung lediglich eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof - die sich aber insbesondere nicht bzw. nicht primär gegen Sachverhaltsermittlungen richten kann
- sowie eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof - die nur hinsichtlich besonders schwerer Ermittlungsmängel Erfolg zeitigen würde - zulässig ist. Daher sind die Ermittlung des relevanten Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht weder im Interesse der Raschheit gelegen noch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Daher ist spruchgemäß zu entscheiden, der Bescheid hinsichtlich des bekämpften Spruchpunktes I. zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
7. Hinsichtlich des Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt - nämlich das Vorliegen von mangelhaften Ermittlungen zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt - durch den vorliegenden Bescheid unter Bedachtnahme auf die Beschwerde feststeht und daher auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werden kann und der entsprechende Antrag in der Beschwerde abgewiesen wird.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Unter A) wurde ausführlich ausgeführt, dass im erstinstanzlichen Verfahren notwendige Ermittlungen unterlassen wurden. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegt keine grundsätzliche Rechtsfrage vor, weil hinsichtlich § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG die oben zitierte, einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Daher ist eine relevante Rechtsfrage nicht zu erkennen und die Revision somit unzulässig.
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