BVwG W161 2123976-1

BVwGW161 2123976-113.4.2016

AsylG 2005 §35
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3
AsylG 2005 §35
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W161.2123976.1.00

 

Spruch:

W161 2123976-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 03.03.2016, Zl. Islamabad-OB/KONS/1617/2015, aufgrund des Vorlageantrags der XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 15.01.2016, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Afghanistan und stellte am 08.06.2015, unter Anschluss diverser - nicht übersetzter - Unterlagen, bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden: "ÖB Islamabad") einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG. Begründend führte sie aus, ihr Ehemann, XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, sei als Asylberechtigter in Österreich aufhältig. Mit diesem wolle sie nun gemeinsam im Bundesgebiet leben.

1.2. Mit Schreiben vom 09.10.2015, zugestellt am 12.11.2015, wurde der Antragstellerin die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihr wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe zwischen dem Antragsteller und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe.

1.3. Am 09.12.2015 brachte die Antragstellerin durch ihren Rechtsvertreter innerhalb offener Frist eine Stellungnahme ein und führte darin aus, in der Aufforderung werde nicht erwähnt, aus welchem konkreten Grund die Behörde annehme, es hätte die Eheschließung nicht vor der Flucht stattgefunden. Wie aus der vorgelegten Beilage hervorgehe, hätte die Antragstellerin im Jahr 2010 geheiratet, der Gatte XXXX sei am 27.10.2011 nach Österreich gekommen und habe an diesem Tag einen Asylantrag gestellt. Aus dem Vorbringen des Ehegatten in seinem Asylverfahren gehe nicht nur die Eheschließung im XXXX hervor, sondern auch, dass vor einem Mullah - und damit in Afghanistan rechtsgültig - geheiratet worden sei. Nachdem dem Gatten am 22.10.2014 Asyl gewährt worden sei und für die Antragstellerin kein Asylausschlussgrund hervorgekommen sein könne, sei ihr richtiger Weise der beantragte Einreisetitel im Asyl-Familienverfahren zu erteilen. Zudem werde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Vorliegens einer Nachfluchtehe ein Einreisetitel zu erteilen sei.

Mit der Stellungnahme wurden zahlreiche Urkunden, darunter Kopien der Niederschriften des Ehegatten der Beschwerdeführerin anlässlich seiner Asylantragstellung, vorgelegt.

1.4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.01.2016 verweigerte die ÖB Islamabad - nach negativer Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2015 - die Erteilung des Einreisetitels gem. §26 FPG; iVm §35 AsylG mit der Begründung, die Gewährung des Status eines Subsidiär Schutzberechtigten sei nicht wahrscheinlich. Da die Ehe zwischen der Antragstellerin und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, gelte die Beschwerdeführerin nicht als Familienangehörige im Sinne des 4. Hauptstückes des AsylG (§ 2 Abs. 1 Z 22 AsylG).

Der Bescheid wurde dem Rechtsvertreter am 15.01.2016 zugestellt.

1.5. Gegen den Bescheid richtet sich die am 10.02.2016 eingebrachte Beschwerde, in welcher die Antragstellerin im Wesentlichen geltend machte, die Beschwerdeführerin habe im Rahmen ihres Antrags auf Erteilung eines Einreisevisums durch Vorlage der afghanischen Heiratsurkunde ihre Eheschließung mit dem Gatten in Afghanistan am XXXX nachgewiesen. Der Gatte sei am 27.10.2011 nach Österreich gekommen, habe hier am selben Tag einen Asylantrag gestellt und mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.10.2014 den Status des Asylberechtigten zuerkannt bekommen. Sie habe bei ihrer Stellungnahme auch die mit ihrem Gatten beim Bundesasylamt am 11.06.2012 aufgenommene Niederschrift vorgelegt, in der dieser die Eheschließung mit der Beschwerdeführerin auch angegeben habe. Es sei daher kein Grund ersichtlich, aus welchem eine Nachfluchtehe anzunehmen sei bzw. aus welchem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hätte schließen können, dass die Ehe nicht bereits vor der Flucht des Gatten im Herkunftsstaat bestanden habe.

1.6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 03.03.2016 wies die ÖB Islamabad die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Prognose einer Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht.

Auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass die Beschwerdeführerin einen Antrag nach §35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt habe und dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergangen sei. Als alleintragender Grund für die Abweisung des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels gem. §35 Abs. 1 AsylG 2005 komme somit (nur) in Betracht, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Erfolgsaussichten eines Antrags der Beschwerdeführerin auf Gewährung desselben Schutzes (wie der Bezugsperson) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen - und ebenso in dem mit dieser Beschwerdevorentscheidung geänderten Bescheid.

Im Hinblick auf diese Bindung der Vertretungsbehörde hätten daher die Ausführungen in der Beschwerde hinsichtlich inhaltlicher Rechtswidrigkeit unter anderem in Bezug auf die Frage des tatsächlichen Bestehens des behaupteten und relevanten Familienverhältnisses der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson nicht zum Erfolg zu führen vermocht. Ergänzend sei angemerkt, dass die Beschwerde in sich widersprüchlich sei. Einerseits werde das Bestehen einer Ehe bereits im Herkunftsstaat behauptet, andererseits mit einer Nachfluchtehe argumentiert.

1.7. Am 14.03.2016 wurde bei der ÖB Islamabad ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht, in welchem auf die am 08.01.2015 eingelangte Beschwerde verwiesen wurde.

1.8. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres vom 30.03.2016 wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführende Partei stellte am 08.06.2015 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005.

Als Bezugsperson wurde XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, genannt, welcher der Ehemann der Beschwerdeführerin sei.

Diesem Antrag waren Kopien zahlreicher Urkunden, überwiegend in englischer bzw. einer in Afghanistan verwendeten Amtssprache (Pashtu oder Dari) ohne jeweilige Übersetzung angeschlossen, darunter auch ein "Islamic Republic of Afghanistan, Supreme Court, Marriage Certificate" betiteltes Dokument, welches die Registrierung einer am XXXX in XXXX geschlossenen Ehe beurkundet.

Der im Antrag genannte Ehemann der Beschwerdeführerin, XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, stellte in Österreich am 27.10.2011 einen Asylantrag. Ihm wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.10.2012, GZ: W172 1427512-1/11E, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Nach Prüfung der von der Beschwerdeführerin eingebrachten Stellungnahme wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass eine Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe zwischen dem Antragsteller und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb die Antragstellerin keine Familienangehörige im Sinne des 4. Hauptstücks des AsylG 2005 sei.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akt der Österreichischen Botschaft Islamabad und wurden von der beschwerdeführenden Partei nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

§35 Asylgesetz 2005 (AsylG) idF BGBl. I. Nr. 68/2013 lautet:

(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf die Erteilung eines Einreisetitels bei der konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.

(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4)Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

§ 11 und 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 68/2013 lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

...

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

"§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

Zur Zulässigkeit der Beschwerde ist - im Einklang mit dem Beschwerdevorbringen - und in Hinblick auf die durch die Beschwerdevorentscheidung klarer gefasste Erledigung festzuhalten, dass eindeutig ein Bescheid vorliegt und die Beschwerde daher insoweit zulässig ist.

Zunächst ist anzuführen, dass die Bescheid erlassende Behörde es unterlassen hat, die Antragstellerin aufzufordern, gem. § 11 a Abs. 1 FPG zu den von ihr vorgelegten Unterlagen sämtlich eine Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

Bei Durchsicht des Aktes fällt auch auf, dass sich die Mitteilung des Bundesamtes vom 18.09.2015 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 lediglich darauf bezieht, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, obwohl der genannten Bezugsperson Asylstatus in Österreich gewährt wurde.

Obwohl die Beschwerdeführerin eine Urkunde betreffend die Registrierung ihrer am XXXX geschlossenen Ehe beim Supreme Court in Afghanistan vorlegte und auch aus den weiters vorgelegten Niederschriften des Ehegatten der Beschwerdeführerin die Eheschließung hervorgeht, stützt sich der angefochtene Bescheid lediglich auf die Auskunft des Bundesamtes, wonach die Ehe nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe. Eine nähere Begründung, woraus dies abzuleiten sei, fehlt dem Bescheid.

Sollte das Bundesamt und im Anschluss die österreichische Botschaft Islamabad davon ausgegangen seien, dass Ehen, die nach muslimischem Recht geschlossen sind, nicht automatisch Gültigkeit in Österreich haben, ist diese Ansicht zwar zutreffend, dennoch ist für jeden Einzelfall und für jeden Staat eine Prüfung vorzunehmen und abzuklären, unter welchen Umständen solche nach islamischem Recht geschlossene Ehen im Heimatstaat staatlich anerkannt sind bzw. unter welchen Umständen sie, beispielsweise durch Registrierung in ein staatliches Eheregister im Heimatland, auch für Österreich Rechtswirkungen entfalten können. In casu wurde die Bestätigung einer Eintragung in das Register des Supreme Court vorgelegt und fehlen Feststellungen und Erhebungen dazu, inwieweit die zur Eheschließung vorgelegten Dokumente als echt und richtig angesehen werden können und die Vorgehensweise der Rechtsordnung in Afghanistan entspricht.

Der Verfassungsgerichtshof hat jüngst zur Zahl E1526/2015-16 bei einem ganz ähnlich gelagerten Sachverhalt ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes aufgehoben und festgestellt, dass die Beschwerdeführerin durch das angefochtene Erkenntnis in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden sei.

In den Erwägungen dieses Erkenntnisses wurde insbesondere ausgeführt:

"Die angefochtene Entscheidung stützt sich darauf, dass die Ehe der Beschwerdeführerin im Herkunftsland nicht bestanden habe. Dies wird sowohl im Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 12. November 2014 als auch in einem Email des Bundesministeriums für Inneres, in dem die Ursachen der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA vom 14. Oktober 2014 bekannt gegeben werden, ausgeführt. Weder das Datum der Eheschließung noch das Datum der Flucht des Ehemannes der Beschwerdeführerin werden angeführt. Sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch die vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörden führen formelartig zur Begründung ihrer Entscheidung an, dass eine Bindung an die Prognoseentscheidung des BFA bestehe; dies wird begründet mit dem Umstand, dass die Ehe im Herkunftsland nicht bestanden habe.

In den Verwaltungsakten befindet sich eine Kopie eines Dokumentes, das als "Marriage Certificate" bezeichnet ist und von der "Islamic Republic of Afghanistan" ausgestellt wurde. Darin wird als Eheschließungsdatum der 25. Dezember 2007 und als Eheschließungsort Kabul genannt. Weiters enthalten die Verwaltungsakte ausgefüllte Dokumente, wonach als Ort der Eheschließung "Peshawer Pakistan" mit dem Datum 25. Dezember 2007 angegeben ist.

Das Bundesverwaltungsgericht, das nicht an die Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Österreichischen Botschaft in Islamabad gebunden ist, hat Ermittlungen zur Frage der Eheschließung der Beschwerdeführerin und es insbesondere unterlassen, im Verfahren Widersprüche zwischen den vorgelegten Dokumenten und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Frage des Ortes und des Datums der Eheschließung aufzuklären. Weder das BFA, noch die Österreichische Botschaft noch das Bundesverwaltungsgericht haben festgestellt, zu welchem Datum die Beschwerdeführerin die Ehe geschlossen hat, oder ausgeführt, weshalb den vorgelegten afghanischen Dokumenten zur Eheschließung kein Glauben geschenkt wird."

Auch im vorliegenden Fall fehlen der erstinstanzlichen Entscheidung jegliche Feststellungen zur Eheschließung, zur Flucht des Ehegatten, seiner Antragstellung in Österreich und seinen Angaben zur Eheschließung in seinem Asylverfahren, sowie insbesondere eine Auseinandersetzung mit den vorgelegten afghanischen Dokumenten zur Eheschließung.

Zur Abklärung der genaueren Umstände der Eheschließung und deren Gültigkeit wird jedenfalls die Antragstellerin näher zu befragen sei, unter Umständen wird auch eine Einvernahme des in Österreich aufhältigen "Ehegatten" erforderlich sein, jedenfalls wird jedoch in dessen Asylakt und insbesondere in seine Angaben bei der Einreise nach Österreich und anlässlich seiner Asylantragstellung Einblick zu nehmen sein. Auch werden die vorgelegten Dokumente zur angeblichen Eheschließung einer kriminaltechnischen Untersuchung auf Echtheit und Richtigkeit zuzuführen sein. Insbesondere werden auch der Ort der Eheschließung und das bisherige gemeinsame Familienleben genauer abzuklären sein.

Zu diesem Zweck wird auch eine ausführlichere und nachvollziehbare Begründung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl notwendig sein, aus welchen Gründen davon ausgegangen wird, dass die Ehe im Herkunftsstaat nicht bestanden habe bzw. in Österreich nicht zu beachten sei. Die hier abgegebene floskelhafte Begründung durch einen Satz ist im vorliegenden Fall nicht ausreichend.

Nach Vornahme der notwendigen Erhebungen werden genaue Feststellungen zu Datum, Ort und Umstände der Eheschließung zu treffen sein und Überlegungen zu deren Gültigkeit in Afghanistan und deren Gültigkeit in Österreich anzustellen sein.

Aufgrund der Besonderheiten und der verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11 a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens kann die Durchführung der notwendigen Ermittlungen zur Eheschließung und dem Familienleben der beschwerdeführenden Partei nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch das erkennende Gericht selbst durchgeführt werden. Es war daher mit der ersatzlosen Behebung des gegenständlichen Bescheides vorzugehen.

Gemäß § 11 a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

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