BVwG W123 2110737-1

BVwGW123 2110737-124.7.2015

BVergG §105 Abs6
BVergG §12 Abs1 Z2
BVergG §2 Z16 lita
BVergG §2 Z8
BVergG §292 Abs1
BVergG §3 Abs1 Z2
BVergG §312 Abs1
BVergG §312 Abs2 Z1
BVergG §320 Abs1
BVergG §326
BVergG §328 Abs1
BVergG §328 Abs2
BVergG §329 Abs1
BVergG §329 Abs3
BVergG §329 Abs4
BVergG §57
BVergG §6
BVergG §60
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
BVergG §105 Abs6
BVergG §12 Abs1 Z2
BVergG §2 Z16 lita
BVergG §2 Z8
BVergG §292 Abs1
BVergG §3 Abs1 Z2
BVergG §312 Abs1
BVergG §312 Abs2 Z1
BVergG §320 Abs1
BVergG §326
BVergG §328 Abs1
BVergG §328 Abs2
BVergG §329 Abs1
BVergG §329 Abs3
BVergG §329 Abs4
BVergG §57
BVergG §6
BVergG §60
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W123.2110737.1.00

 

Spruch:

W123 2110737-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Einzelrichter über den Antrag der Bewerbergemeinschaft bestehend aus 1. XXXX 2. XXXX 3. XXXX, vertreten durch RA MMag. Dr. Claus Casati, Mariahilferstraße 1b/17, 1060 Wien, betreffend das Vergabeverfahren "Vertriebslizenz in Österreich für eine e-Procurement Lösung für öffentliche Auftraggeber" des Auftraggebers Wiener Zeitung Digitale Publikationen GmbH, Media Quarter Marx 3.3, Maria Jacobi-Gasse 1, 1030 Wien, vertreten durch WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Schubertring 6, 1010 Wien, vom 16.07.2015, beschlossen:

A)

1. Dem Antrag, Der Wiener Zeitung Digitale Publikationen GmbH ist es bei sonstiger Exekution untersagt, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die in Punkt I.6. bezeichneten Anträge auf Nichtigerklärung, längstens für die Dauer von 6 Wochen ab gegenständlicher Antragstellung, im Vergabeverfahren der Wiener Zeitung Digitale Publikationen GmbH betreffend "Vertriebslizenz in Österreich für eine e-Procurement Lösung für öffentliche Auftraggeber" fortzuführen; die diesbezüglich Angebotsfrist wird im Sinn einer Fortlaufshemmung ausgesetzt, wird insoweit stattgegeben, als der Lauf der Angebotsfrist für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens ausgesetzt wird.

Im Übrigen Umfang wird der Antrag als überschießend abgewiesen.

Rechtsgrundlage: §§ 328 Abs. 1, 329 Abs. 1, 3 und 4 BVergG 2006

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Antragsteller stellten am 16.07.2015 das im Spruch ersichtliche Begehren in Verbindung mit Anträgen auf Nichtigerklärung der Nicht-Zulassung der Bewerbergemeinschaft sowie auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung wurde insbesondere folgendes ausgeführt:

Die Antragsteller hätten am 03.07.2015, außerhalb der Geschäftszeiten, eine unvollständige Nicht-Zulassungsentscheidung per Telefax erhalten. Die vollständige Nicht-Zulassung sei erst am 06.07.2015, 14:02 Uhr, übermittelt worden. Sohin würde die Frist zur Stellung eines Nachprüfungsantrages am 16.07.2015 enden.

Mit Schreiben vom 09.06.2015 habe die Auftraggeberin bestätigt, dass die Antragsteller fristgerecht einen Teilnahmeantrag gestellt hätten. Dazu habe die Auftraggeberin jedoch zahlreiche Fragen zur Aufklärung bzw. um Übermittlung weiterer Nachweise ersucht. Die Antragsteller hätten mit Schreiben vom 15.06.2015 die geforderten Angaben übermittelt.

Mit Schreiben vom 23.06.2015 habe die Auftraggeberin den Erhalt der Nachreichung der Antragsteller bestätigt. Zu den übermittelten Unterlagen habe die Auftraggeberin insbesondere im Zusammenhang mit der technischen Leistungsfähigkeit Fragen zur Aufklärung gestellt. Mit Schreiben vom 26.06.2015 hätten die Antragsteller fristgerecht die gewünschten Auskünfte übermittelt.

Mit dem den Antragstellern erst am 06.07.2015 vollständig übermittelten Schreiben der Auftraggeberin habe diese mitgeteilt, dass die Antragsteller nicht zur zweiten Stufe des Vergabeverfahrens zugelassen würden. Die Auftraggeberin habe dies wie folgte begründet:

1. Die seitens der Antragsteller bekanntgegebene AI-Vergabeplattform würde nicht der ausgeschriebenen Eignungsreferenz entsprechen:

Erstmals habe die Auftraggeberin den Antragstellern in diesem Schreiben bestimmte Ausführungen aus dem Benutzerhandbuch AI Bieter Cockpit 8 betreffend die AI-Vergabeplattform vorgehalten, wonach das Erfordernis des Herunterladens bzw. der Installation einer Java-Software den in den Teilnahmeunterlagen genannten Anforderungen an die Eignungsreferenz-Plattform widerspreche. Dieser Vorhalt (Herunterladen von Java-Software) sei den vorangegangenen Aufforderungen zur Mängelbehebung nicht zu entnehmen gewesen. Dennoch werfe die Auftraggeberin den Antragstellern vor, dass die Antragsteller "zwei Mängelbehebungsversuche" nicht genutzt hätten. Die angebotene Lösung selbst erfordere weder ein Herunterladen, noch eine Installation. Was für die Nutzung der angebotenen Lösung hingegen vorausgesetzt werde, sei das Vorhandensein der Installation des weitverbreiteten, kostenfrei verfügbaren Produktes Java JRE als Erweiterung des verwendeten Webbrowsers.

2. Fehlende Strafregisterauszüge der Vorstandsmitglieder des XXXX und der Prokuristen der XXXX: Den vorangegangenen Aufforderungen zur "Mängelbehebung" bzw. Vorlage von Unterlagen sei nicht zu entnehmen gewesen, dass Strafregisterauszüge der Vorstandsmitglieder des Vereins XXXX vorzulegen seien. Entgegen dem nunmehrigen Schreiben der Auftraggeberin seien die Vorstandsmitglieder nicht in der Geschäftsführung tätig.

3. Fehlende Versicherungsbestätigung der XXXX: Obwohl die Auftraggeberin zugestehe, dass für den XXXX und die XXXX eine Versicherungsbestätigung der Wiener Städtischen Versicherung AG mit einer Versicherungssumme von EUR 750.000,00 für Vermögensschäden abrufbar sei, verneine die Auftraggeberin die Eignung dieser Versicherungsbestätigung, weil aus dieser nicht zu entnehmen gewesen wäre, dass diese "pro Schadensfall" gelte. Ein diesbezüglicher Vorhalt bzw. Aufforderung zur Mängelbehebung sei den Antragstellern nicht gemacht worden.

4. Der XXXX hätte die Formblätter B7, B9, B10 und B11 nicht rechtsverbindlich unterfertigt: Trotz der vorgelegten und von der Auftraggeberin zur Kenntnis genommen Statuten und Geschäftsordnung des XXXX bestreite die Auftraggeberin die selbständige Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers des XXXX Dipl. Kfm. Dr. XXXX.

Der Auftraggeberin werde im gegenständlichen Vergabeverfahren durch "WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG" vertreten. Diese würden dabei nicht nur als Rechtsanwälte auftreten, sondern auch als vergebende Stelle und würden das gegenständliche Vergabeverfahren führen. Den Teilnahmebestimmungen bzw. der Korrespondenz bzw. dem gegenständlichen Nicht-Zulassungsschreiben sei nicht zu entnehmen, dass im gegenständlichen Vergabeverfahren Sachverständige aus dem Bereich der EDV/IT-Technik bzw. aus der Versicherungswirtschaft hinzugezogen worden wären.

Im Folgenden gingen die Antragsteller unter Punkt 4., Begründung, detailliert auf die seitens der Auftraggeberin vorgehaltenen Ausscheidungsgründe ein.

2. Mit Schriftsatz vom 21.07.2015 erteilte die Auftraggeberin zunächst allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung führte die Auftraggeberin aus, dass sich eine Verzögerung des gegenständlichen Vergabeverfahrens, insbesondere durch eine Untersagung der Fortführung des gesamten Verfahrens, nachteilig auf die Interessen der Auftraggeberin auswirken würde. Gemäß den RL 2014/24/EU und 2014/25/EU müssten öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber sämtliche Beschaffungen im Anwendungsbereich der Richtlinien in Hinkunft auf elektronischem Weg durchführen. Die Umsetzungsfristen würden bezüglich der mit der elektronischen Abwicklung von Vergabeverfahren zusammenhängenden Regelungen für zentrale Beschaffungsstellen bis 18.04.2017, für alle anderen Auftraggeber bis spätestens 18.10.2018 laufen. Die Auftraggeberin gehe davon aus, dass die innerstaatliche Umsetzung dieser Vorgaben in Österreich einheitlich 2016 erfolgen werde. Um bis dahin ein am Markt konkurrenzfähiges Produkt anbieten zu können, sei die rasche Abwicklung des gegenständlichen Vergabeverfahrens von immanenter Wichtigkeit.

Insbesondere würde die von den Antragstellern beantragte Untersagung der Fortführung des gegenständlichen Vergabeverfahrens sowie die Aussetzung der Angebotsfrist mittels einstweiliger Verfügung nicht die gelindesten, noch zum Ziel führenden, vorläufigen Maßnahmen darstellen. Dieses Begehren sei überschießend. Darüber hinaus sei zum derzeitigen Verfahrensstand keine Angebotsfrist festgelegt worden. Um eine Frist aussetzen zu können, müsse diese aber erst bestehen; eine nicht existierende Frist könne rechtlich und faktisch nicht ausgesetzt werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und Zulässigkeit der Anträge

Gemäß Art 135 Abs. 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 292 Abs. 1 BVergG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 291, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über die oben wiedergegebenen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Auftraggeber im Sinne des § 2 Z 8 BVergG ist die Wiener Zeitung Digitale Publikationen GmbH. Diese ist öffentlicher Auftraggeber gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG (siehe dazu bereits BVwG 27.02.2015, W134 2017434-2/33E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag iSd § 6 BVergG. Der geschätzte Auftragswert beträgt rund EUR 2,2 Mio sodass es sich gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 BVergG um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren ist entsprechend § 312 Abs. 1 und 2 BVergG iVm Art 14b Abs. 2 Z 1 lit. e B-VG gegeben.

Da laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren weder widerrufen noch ein Zuschlag erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht in concreto gemäß § 312 Abs. 2 Z 1 BVergG zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 320 BVergG nicht offensichtlich fehlen.

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 328 Abs. 1 BVergG zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 328 Abs. 2 BVergG, insbesondere in Hinblick auf die Rechtzeitigkeit des Antrages nach Z 6, vorliegen.

Inhaltliche Beurteilung

Gemäß § 328 Abs. 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 329 Abs. 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 329 Abs. 3 BVergG können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Nach § 329 Abs. 4 BVergG ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 329 Abs. 1 BVergG sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass die Antragsteller die Rechtswidrigkeit der Nicht-Zulassung der Teilnahme behaupten. Diese Behauptung erscheint zumindest nicht denkunmöglich. Über die inhaltliche Begründetheit ist im Provisorialverfahren nicht abzusprechen. Diese wird im Hauptverfahren durch den zuständigen Senat des Bundesverwaltungsgerichtes zu beurteilen sein. Da somit nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass die von den Antragstellern geltend gemachten Rechtswidrigkeiten zutreffen und hierdurch eine erfolgreiche Beteiligung erschwert wird, droht den Antragstellern durch die Fortsetzung des Vergabeverfahrens der Entgang des Auftrags mit allen daraus erwachsenden Nachteilen. Um derartigen Schaden abzuwenden, ist es erforderlich, das Vergabeverfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand zu halten, der die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht ins Leere laufen lässt und der die Teilnahme an einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren und damit die grundsätzliche Möglichkeit der Auftragserteilung im Rahmen eines rechtskonformen Vergabeverfahrens über die hier verfahrensgegenständlichen Leistungen an die Antragsteller wahrt (siehe zum Zweck einer einstweiligen Verfügung auch EBRV 1171 BlgNr XXII. GP 141).

Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVA 14.05.2010, N/0038-BVA/10/2010-EV19), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 01.08.2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 329 Abs. 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVA 05.02.2010, N/0007-BVA/10/2010-EV12). Ein solches ist für das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht zu erkennen, zumal die Auftraggeberin kein hinreichend substantiiertes Vorbringen dahingehend erstattet hat, warum eine Verzögerung von maximal sechs Wochen (vgl. diesbezüglich die Entscheidungsfrist des § 326 BVergG) dazu führen sollte, dass das Vergabeverfahren nicht innerhalb der Fristen durchgeführt werden kann, zumal die Umsetzungsfristen bezüglich der mit der elektronischen Abwicklung von Vergabeverfahren zusammenhängenden Regelungen für zentrale Beschaffungsstellen für öffentliche Auftraggeber bis 18.4.2017 laufen würden. Selbst wenn man - mit der Auftraggeberin - davon ausgeht, dass die innerstaatliche Umsetzung dieser Vorgaben in Österreich einheitlich 2016 erfolgen werde, erscheint dieser Zeitrahmen durch eine kurzfristige Verzögerung infolge eines Nachprüfungsverfahrens nicht gefährdet.

Soweit sich das Begehren der Antragsteller auf die Untersagung der Fortführung des gesamten Vergabeverfahrens (was de facto einer Aussetzung gleichkommt) richtet, ist dieses als überschießend abzuweisen. Dem Bundesverwaltungsgericht ist kein Grund bekannt und ist das Vorliegen eines solchen seitens der Antragsteller auch nicht entsprechend vorgebracht worden, welcher es erfordern würde, die Handlungsfreiheit der Auftraggeberin derart weitgehend einzuschränken. Die beantragte Maßnahme stellt im Hinblick auf die mit dieser einstweiligen Verfügung zu verfolgenden Ziele nach der ständigen Rechtsprechung nicht das nötige und gelindeste Mittel gemäß §§ 328 Abs. 1 und 329 Abs. 3 BVergG dar (so bereits BVA 23.05.2005, 06N-41/05-7; siehe dazu auch BVwG 09.10.2014, W139 2012408-1/3E). Im Übrigen hätte diese Anordnung die - letztlich zu Lasten der Antragsteller - gehende Konsequenz, dass der Auftraggeberin damit nicht einmal gestattet wäre, die Entscheidung über die Nicht-Zulassung zur Teilnahme wieder zurückzunehmen.

Daher war an Stelle der beantragten gänzlichen Untersagung der Fortsetzung des Vergabeverfahrens die bloße Aussetzung der Angebotsfrist im Sinne einer Fortlautshemmung als gelindestes Mittel iSd § 329 Abs. 3 BVergG zu verfügen und der weitergehende Antrag als überschießend abzuweisen (siehe in diesem Sinne bereits BVA 11.11.1998, N-35/98-12). Bei der verfügten Aussetzung des Laufs der Angebotsfrist handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung der Vergabekontrolle um eine notwendige und geeignete Maßnahme, um den aufgezeigten Schaden hintanzuhalten (siehe ua BVwG 30.05.204, W139 2008219-1/11E; zur Fortlaufhemmung bereits BVA 11.12.2012, N/0113-BVA/12/2012-EV7).

Die Auftraggeberin brachte vor, dass zum derzeitigen Verfahrensstand keine Angebotsfrist festgelegt worden sei. Um eine Frist aussetzen zu können, müsse diese aber erst bestehen; eine nicht existierende Frist könne rechtlich und faktisch nicht ausgesetzt werden. Hierzu ist zunächst auf den Kommentar des BVergG zu verweisen, in dem festgehalten wird, dass die Bestimmung des § 60 BVergG ("Angebotsfristen") bewusst keine Angabe über Mindestangebotsfristen bei Verhandlungsverfahren enthält. Der Gesetzgeber wollte das Verhandlungsverfahren möglichst wenig formalisieren, um dem Auftraggeber größtmögliche Freiheit bei der Gestaltung dieser Vergabeverfahrensart zu lassen. Die Gestaltung der Angebotsfrist richtet sich beim Verhandlungsverfahren nach den allgemeinen Bestimmungen des § 57; das heißt der Auftraggeber hat den Bietern unter Bedachtnahme auf die Komplexität des konkreten Vergabeverfahrens ausreichend Zeit zur Angebotslegung zu geben (Bauer in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, [Hrsg], Bundesvergabegesetz 2006 - Kommentar § 60 Rz 22).

Fest steht, dass den Antragstellern die Nicht-Zulassung zur Teilnahme an dem gegenständlichen Verhandlungsverfahren mitgeteilt worden ist. § 105 Abs. 6 BVergG hält fest, dass Anzahl und Namen der zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmer bis zur Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung geheim zu halten sind. Im weiteren Verlauf des gegenständlichen Vergabeverfahrens ist damit zu rechnen, dass die Auftraggeberin konkurrierende Unternehmer der Antragsteller zur Angebotsabgabe auffordert (die "Aufforderung zur Angebotsabgabe" stellt eine gesondert anfechtbare Entscheidung iSd § 2 Z 16 lit. a sublit. dd BVergG dar). Würden in weiterer Folge - wovon auszugehen ist - Bieter zur Legung eines Angebotes eingeladen werden, müssten ihnen auch die Ausschreibungsunterlagen übermittelt werden. Diese Unterlagen müssten schließlich eine Abgabefrist für die Angebote, somit eine "Angebotsfrist", enthalten.

Daraus folgt: Auch wenn "bis dato" die Auftraggeberin noch keine Angebotsfrist festgelegt hat, hätte sie es in weiterer Folge jederzeit in der Hand, konkurrierende Bieter zur Angebotsabgabe aufzufordern und dementsprechend eine Angebotsfrist festzusetzen. Das Verhandlungsverfahren eröffnet den Auftraggebern bezüglich der Vorgangsweise einen sehr großen Spielraum. Folgte man der Rechtsansicht der Auftraggeberin und wiese den Antrag auf Aussetzung der Angebotsfrist ab, könnte die Auftraggeberin unmittelbar nach Zugang der Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Verfügung Bieter zur Angebotsabgabe auffordern, ihnen gleichzeitig die Ausschreibungsunterlagen übermitteln, woraus hervorzugehen hätte, bis zu welchem Zeitpunkt die Angebote abzugeben sind. Rasche und wirksame vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung unumkehrbarer Tatsachen iSd § 328 Abs. 1 BVergG können jedoch nicht dadurch verunmöglicht werden, weil öffentliche Auftraggeber im Rahmen einer Auskunftserteilung an das Bundesverwaltungsgericht bekanntgeben, dass bestimmte zukünftige (entscheidungsrelevante) Schritte in einem Verhandlungsverfahren "derzeit" noch nicht getroffen wurden. Andernfalls würde im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens die Anordnung von vorläufigen Maßnahmen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern, de facto verunmöglicht.

Folgte man überdies den Ausführungen der Auftraggeberin, dann wäre dem Bundesverwaltungsgericht auch die Untersagung der Angebotsöffnung - mangels Festlegung im derzeitigen Stadium des Vergabeverfahrens - verwehrt. Zwar ist im Verhandlungsverfahren keine formalisierte Öffnung der Angebote erforderlich. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch zum einem, dass eine solche ("formalisierte") zulässig ist (siehe auch Schramm/Öhler in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, § 105 Rz 52) und zum anderen, dass eingelangte Angebote auch im Verhandlungsverfahren geöffnet werden müssen (wenngleich ohne Beteiligung der Bieterkonkurrenz), andernfalls das Vergabeverfahren nicht weitergeführt werden könnte.

Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragsteller den öffentlichen Interessen sowie den Interessen der Auftraggeberin gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegenden Antragsteller ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten.

Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst, Kommentar zur Exekutionsordnung² [2008], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 329 Abs 4 BVergG verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies mit 6 Wochen begrenzt ist (§ 326 BVergG). Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesvergabeamtes (nunmehr Bundesverwaltungsgericht) davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (vgl BVA 24.6.2010, N/0051-BVA/10/2010-EV13 mit weiteren Nachweisen).

Zu B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138;

30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254;

29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte