BVwG W127 2001136-1

BVwGW127 2001136-125.2.2015

B-VG Art.133 Abs4
Direktzahlungs-Verordnung §12
Direktzahlungs-Verordnung §13 Abs1
MOG 2007 §19 Abs3
MOG 2007 §6
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
Direktzahlungs-Verordnung §12
Direktzahlungs-Verordnung §13 Abs1
MOG 2007 §19 Abs3
MOG 2007 §6
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W127.2001136.1.00

 

Spruch:

W127 2001136-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, Betriebsnummer XXXX, gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria vom 28.03.2013, AZ II/7-RP/12-119431602, betreffend Rinderprämien 2012 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß Artikel 109 lit.d) der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 stattgegeben.

Gemäß § 19 Abs. 3 MOG 2007, BGBl. I Nr. 55/2007, wird der Agrarmarkt Austria aufgetragen, gemäß der Vorgaben - die beantragten Kühe im Antragsjahr 2012 als Kühe eines Mutterkuhbestandes zu betrachten - die entsprechenden Berechnungen durchzuführen und das Ergebnis der beschwerdeführenden Partei bescheidmäßig mitzuteilen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit angefochtenem Bescheid wurden der beschwerdeführenden Partei für das Kalenderjahr 2012 Rinderprämien (Milchkuhprämie) in Höhe von insgesamt EUR 847,44 gewährt.

Hiegegen wurde Rechtsmittel erhoben und um Überprüfung und eventuelle Nachzahlung der Rinderprämien ersucht, "da sich weitere Tiere (Kühe, Kalb) die nicht im Bescheid aufscheinen, aber deren Haltefrist und Verweildauer eingehalten wurde und auch im Bestandsverzeichnis aufscheinen" am Betrieb befinden.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.08.2014 wurde die beschwerdeführende Partei aufgefordert, nähere Angaben zu den "weiteren Tieren" zu tätigen und Beweismittel vorzulegen. Im Schreiben vom 28.08.2014 führte die beschwerdeführende Partei ein mit Ohrmarke identifiziertes Kalb an und verwies im Übrigen auf einen beigelegten Artikel des Bauernjournal vom Februar 2013, aus welchem hervorgehe, dass die Auflagen zur Verweildauer der Kälber rückwirkend neu geregelt worden seien, da statt ursprünglich bei 25% nunmehr bei 80% der Kälber die Verweildauer eingehalten werden müsse.

Dieses Schreiben der beschwerdeführenden Partei wurde der Agrarmarkt Austria übermittelt mit der Aufforderung hiezu Stellung zu nehmen. Die Agrarmarkt Austria verwies in ihrer Stellungnahme vom 26.09.2014 auf den Auslegungsvermerk der Europäischen Kommission Nr. 2003/07 vom 28.11.2003 betreffend Begriff der Mutterkuh, Mutterkuheigenschaft des Bestandes und Einhaltung einer Mindestverweildauer. Weiters verwies sie auf eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft an das Bundesverwaltungsgericht vom 02.07.2014 (in einem ähnlichen Fall) und schloss sich dessen Ausführungen an. Zur rückwirkenden Änderung führte die Agrarmarkt Austria aus, dass die Artikel 109 und 111 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 seit ihrem Inkrafttreten (Jänner 2009) unverändert seien. Auch im Merkblatt zu den Tierprämien 2012 werde auf die Einhaltung der Mindestverweildauer von zwei Monaten hingewiesen, eine genaue Berechnung sei darin nicht enthalten, da von den Antragstellern die Verweildauer grundsätzlich bei allen Kälbern einzuhalten gewesen wäre. Allfällige Änderungen der behördeninternen Berechnung zur Überprüfung der Einhaltung der Verweildauer würden dem somit nicht entgegenstehen. In der Folge wurden die bereits im angefochtenen Bescheid aufgelisteten Kälber mit einer Verweildauer von lediglich einem Monat nochmals aufgezählt und jene Kälber genannt, bei denen die Verweildauer eingehalten worden sei. Zu dem von der beschwerdeführenden Partei dezidiert angeführten Kalb führte die Agrarmarkt Austria aus, dass es sich hiebei um eine Erstabkalbung einer im Antragsjahr 2012 aufgrund ihres Alters nicht beantragten Kalbin gehandelt habe. Zuletzt führte die Agrarmarkt Austria Folgendes aus:

"Im Prämienjahr 2012 wurde bei der Verweildauer geprüft, ob mindestens 80% der Kälber, die für das Erreichen der Mindestabkalbequote erforderlich sind, mindestens zwei Monate am Betrieb des Antragstellers gehalten wurden, wobei dieses Erfordernis bereits eingeschränkt wurde auf die zur Verfügung stehende individuelle Höchstgrenze für die Mutterkühe (sogenannte Mutterkuhquote). Sohin wäre die Verweildauer am gegenständlichen Betrieb eingehalten gewesen, wenn zumindest 6 (= die im Prämienjahr 2012 zur Verfügung stehende Mutterkuhquote) Kälber die Verweildauer eingehalten hätten."

Die beschwerdeführende Partei hat hiezu keine weitere Stellungnahme abgegeben.

Einsicht wurde genommen in den übermittelten Verwaltungsakt und in die Rinderdatenbank.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt) und Beweiswürdigung:

Aus der Begründung des nunmehr angefochtenen Bescheides betreffend Rinderprämien geht hervor, dass an den drei Antragsstichtagen unter Berücksichtigung der Haltefrist 20 Fleischrassekühe beantragt wurden. Insgesamt gab es im Antragsjahr 12 Abkalbungen; bei lediglich 4 Abkalbungen wurde die Verweildauer von zwei Monaten eingehalten.

Der Betrieb verfügte für 2012 über eine Mutterkuhquote von 6 Stück.

In Punkt 2.4 des Merkblattes der Agrarmarkt Austria "Tierprämien 2012" wird festgehalten: "Die Grundgesamtheit für die Berechnung der Mindestabkalbequote bildet die Anzahl aller ermittelten Fleischrassekühe (siehe Punkt 5.5). 50% der ermittelten Fleischrassekühe müssen im Antragsjahr am Betrieb abkalben (Mindestabkalbequote). Für die Abkalbequote werden die Kälber aller beantragten Fleischrassekühe und deren Ersatztiere berücksichtigt. Kälber von weiblichen Tieren, die nach dem 10.04. dem Betrieb zugehen und nicht als Ersatztiere verwendet werden, werden nicht berücksichtigt. Bei Betrieben bis zu 7 Stück Kühen gilt die Abkalbequote für 2012 als erfüllt, wenn sie zumindest für 2011 erfüllt war. Die Kälber müssen mehr als zwei Monate am Betrieb gehalten werden (Mindestverweildauer). Sowohl die Mindestabkalbequote als auch die Mindestverweildauer der Kälber müssen eingehalten werden, damit die Mutterkuhprämie gewährt wird."

Punkt 5.5 "Berechnung prämienfähiger Mutterkühe" des Merkblattes der Agrarmarkt Austria "Tierprämien 2012" lautet auszugsweise:

"Die Gesamtkuhanzahl ist die Anzahl an beantragten Kühen (Fleisch- und Milchrassekühe), die die Halteverpflichtung eingehalten haben.

Die prämienfähigen Tiere ergeben sich aus der Gesamtkuhanzahl abzüglich der rechnerischen Milchkühe und der durch die Teilverzichtserklärung ausgenommenen Tiere."

Aus dem von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Artikel aus dem Bauernjournal vom Februar 2013 geht hervor, dass "[p]er Anfang Jänner 2013 die Behörde mitgeteilt [hat], dass ab dem Antragsjahr 2012 die Berechnung [zur Ermittlung der Förderung der Mutterkuhhaltung] umgestellt wird. [...] die Haltedauer der Kälber über zwei Monate wird von ursprünglich 25% auf 80% angehoben."

In einem ähnlich gelagerten Fall (W127 2001625) wurde eine Hotlineinformation der Agrarmarkt Austria an alle Landwirtschaftskammern zur Weiterleitung an die Bezirksbauernkammern betreffend Mutterkuhprämie, Mutterkuhprämie für Kalbinnen und Milchkuhprämie 2012 (Versanddatum 21.12.2011) vorgelegt. Punkt 16 dieser Information lautet:

"Die Mindestabkalbequote und die Verweildauer wird wie folgt geprüft:

1.[...]

2.[...]

3. Für die Erfüllung der Verweildauer müssen mindestens 25% der möglichen Mutterkuhprämien (vorerst förderfähige Tiere) eine Haltefrist von mindestens zwei Monaten einhalten".

Anhand eines Beispiels wurde dargelegt, dass bei 10 Mutterkuh-Quoten 3 Kälber mindestens zwei Monate am Betrieb verbleiben müssen.

Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft führte in dem von der Agrarmarkt Austria zitierten Schreiben vom 02.07.2014 aus, dass eine gesetzliche Festlegung der Prozentsätze (hinsichtlich Abkalbequote, aber vor allem hinsichtlich der Verweildauer) gerade im Hinblick auf die Prüfbesuche der Europäischen Kommission nicht sinnvoll erschienen, da die Höhe dieser Prozentsätze immer wieder einer Diskussion mit der Europäischen Kommission unterliegen würden und von dieser gefordert werde, die Verweildauer für alle Kälber einzuhalten. Es sei somit grundsätzlich die Verweildauer für alle gehaltenen Kälber einzuhalten, beim Prozentsatz (früher 50%, jetzt 80%) würde es sich um eine Untergrenze handeln, bis zu der Anträge gerade noch bewilligt werden könnten, um immer wieder vorkommende tatsächliche Gegebenheiten (wie Notschlachtungen einzelner Kälber wegen Verletzungen etc.) von Vornherein berücksichtigen zu können. Bei einer gesetzlichen Verankerung der Untergrenze hätte aber für die Antragsteller der falsche Eindruck entstehen können, dass die Verweildauer nicht für alle Kälber, sondern nur für eine gewisse Menge einzuhalten sei. Dies würde aber der Definition einer Mutterkuh widersprechen.

Einsicht wurde weiters in das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft Raumberg-Gumpenstein vom 30.09.2014 die übliche (gute) Rinderzuchtpraxis betreffend genommen.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Artikel 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Artikel 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31.12.2013 beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft als im Instanzenzug übergeordneter Behörde anhängigen Verfahren geht gemäß Artikel 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf das Verwaltungsgericht des Bundes über.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In gegenständlicher Rechtssache besteht Einzelrichterzuständigkeit.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war gemäß § 24 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, abzusehen, da eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Zu A)

Gemäß Artikel 111 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19.01.2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 , ABl. L 030, 31.1.2009, S. 16 idF Durchführungsverordnung (EU) Nr. 524/2012, ABl. L 160 vom 21.6.2012, - im Folgenden: Verordnung (EG) Nr. 73/2009 - kann ein Betriebsinhaber, der in seinem Betrieb Mutterkühe hält, auf Antrag eine Prämie zur Erhaltung des Mutterkuhbestandes (Mutterkuhprämie) erhalten.

Der Begriff "Mutterkuh" wird in Artikel 109 lit.d) Verordnung (EG) Nr. 73/2009 definiert als eine Kuh einer Fleischrasse oder eine aus der Kreuzung mit einer Fleischrasse hervorgegangene Kuh, die einem Bestand angehört, in dem Kälber für die Fleischerzeugung gehalten werden.

Der Begriff "Bestand, in dem Kälber für die Fleischerzeugung gehalten werden", wird in den zugrundeliegenden europarechtlichen Vorgaben nicht weiter definiert. Es ist in diesem Zusammenhang jedoch das Urteil des EuGH vom 28.02.2008, Rs C-446/06, das auf Basis einer Vorgänger-Verordnung zur VO (EG) Nr. 73/2009 ergangen ist, heranzuziehen, worin der EuGH in den Rn. 41 ff auszugsweise ausführt:

"41 Fehlt es in der Durchführungsverordnung an einer genauen Definition des Begriffs der Mutterkuh zur Feststellung der Voraussetzungen für die Prämienfähigkeit, steht es den Mitgliedstaaten frei, diese Klarstellungen zu treffen, indem sie sich auf die übliche Rinderzuchtpraxis in ihrem Hoheitsgebiet stützen. (...)

43 Mit dem Erfordernis einer Kalbung innerhalb eines bestimmten Zeitraums soll sichergestellt werden, dass die prämienfähigen Kühe zum Erhalt des Aufzuchtbetriebs für Kälber beitragen, was gemäß Art. 3 Buchst. f der Verordnung Nr. 1254/1999 notwendige Voraussetzung für die Fleischerzeugung ist.

44 Das Erfordernis, die Kälber zur Sicherstellung einer Mindestsäugezeit im Bestand zu behalten, zielt darauf ab, zu gewährleisten, dass der Bestand für die Fleischerzeugung bestimmt ist und nicht für die Milcherzeugung. (...)

45 Hieraus folgt, dass die auf der in einem Mitgliedstaat üblichen Praxis beruhenden Voraussetzungen in Bezug auf die Kalbungshäufigkeit und die Dauer der Säugezeit, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, es ermöglichen, den Begriff der Mutterkuh für die Zwecke der Festlegung der Voraussetzungen für die Prämienfähigkeit und der Kontrolle, dass die Anträge prämienfähige Tiere betreffen, unter Einhaltung der Ziele der Verordnung Nr. 1254/1999 , der Durchführungsverordnung und der Verordnung Nr. 2419/2001 genauer zu bestimmen.

46 Die Aufstellung solcher Voraussetzungen durch die Mitgliedstaaten kann somit eine sachdienliche Klarstellung zur Umsetzung der Gemeinschaftsregelung darstellen, vorausgesetzt, dass sie der Berücksichtigung außergewöhnlicher Umstände, die in dieser Regelung vorgesehen sind, nicht entgegensteht.

(...)

49 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 3 Buchst. f der Verordnung Nr. 1254/1999 einer innerstaatlichen Regelung nicht entgegensteht, die den Anspruch auf die Mutterkuhprämie von der üblichen Rinderzuchtpraxis entsprechenden Voraussetzungen abhängig macht, die zum einen eine bestimmte Kalbungshäufigkeit vorsehen und die zum anderen verlangen, dass das Kalb während eines Zeitraums von vier Monaten nach seiner Geburt von seiner Mutter gesäugt worden ist."

In einem Auslegungsvermerk der Europäischen Kommission, Generaldirektion Landwirtschaft, vom 28.11.2003, Dok AGRI - 2003 - 64542, zur Definition der Mutterkuh teilt die Kommission unter anderem mit, dass, wenn sich in einem Betrieb mit einem Milchkuh- und einem Mutterkuhbestand bei einer Kontrolle keine Kälber finden, genau zu prüfen sei, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen oder ob es sich um einen reinen Milchkuhbestand handelt, wo die Kälber systematisch nach der Geburt verkauft werden, um die Milcherzeugung zu steigern. Die wichtigste Aufgabe liege in der Aufzucht von Kälbern für die Fleischerzeugung und nicht in der Fleischerzeugung selbst, wie sie sich allein durch die Geburt und/oder allein durch den Verkauf von Kälbern ergibt. Der Begriff der Aufzucht impliziere auch eine gewisse Dauer und damit auch, dass die Kälber zusammen mit ihren Müttern für das Säugen und bis zum Absetzen und je nach Art der Haltung selbst darüber hinaus in dem Bestand verbleiben. Zum Mutterkuhbestand gehörten demnach neben den Färsen auch die Kühe, die regelmäßig kalben und nicht gemolken werden, weil sie mit ihren Kälbern zusammenbleiben, um diese zu säugen. Auf diese Realität beziehe sich für Kontrollzwecke die Verweildauer von durchschnittlich vier Monaten, die außer in begründeten Ausnahmefällen gelte, wobei dieser Zeitraum abhängig von der Rasse der Tiere und/oder der Art der Haltung länger oder kürzer sein könne.

Gemäß § 12 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungs-Verordnung), BGBl. II Nr. 491/2009, gelten die Angaben aus der elektronischen Datenbank für Rinder über die Haltung von Mutterkühen und Kalbinnen als Antrag des Betriebsinhabers auf die Mutterkuhprämie.

Gemäß § 13 Abs. 1 der Direktzahlungs-Verordnung gilt als Antragsteller der Betriebsinhaber, der prämienfähige Mutterkühe, Kalbinnen oder Milchkühe am 1. Jänner, 16. März oder 10. April hält und für dessen Betrieb ein Sammelantrag für das betreffende Jahr abgegeben wird.

Im verfahrensgegenständlichen Fall stellt sich die Frage, ob die beantragten Fleischrassekühe entgegen der Ansicht der Agrarmarkt Austria als Kühe eines Mutterkuhbestandes im Sinne des Artikel 109 lit.d) der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 betrachtet werden können, zumal die beschwerdeführende Partei geltend machte, die Agrarmarkt Austria hätte für das Antragsjahr 2012 rückwirkend die Förderungsvoraussetzungen im Hinblick auf die Verweildauer dahingehend geändert, dass die Verweildauer statt wie bisher bei 50% (bzw. 25%) nun bei 80% der Kälber eingehalten werden müsse.

Nach der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH ist es den Mitgliedstaaten überlassen, auf Basis der "üblichen Rinderzuchtpraxis" im jeweiligen Mitgliedstaat entsprechende Festlegungen zu Abkalbequote und Verweildauer zu treffen.

Eine rechtliche Grundlage betreffend die Anzahl der Kälber, bei der die Verweildauer einzuhalten ist, findet sich weder in den Gemeinschaftsvorschriften noch im nationalen Recht. Das Gemeinschaftsrecht sieht als Voraussetzung die Aufzucht von Kälbern an, was eine gewisse Dauer des Verbleibes der Kälber bei der Mutterkuh impliziert.

Im Merkblatt der Agrarmarkt Austria betreffend Tierprämien 2012 findet sich keine Beschränkung der Anzahl der Kälber, bei denen eine Verweildauer einzuhalten ist, sodass davon auszugehen wäre, dass die Verweildauer bei allen Kälber einzuhalten sei. Nach Praxis der Agrarmarkt Austria (siehe Stellungnahme vom 26.09.2014) wurde dieses "Erfordernis" eingeschränkt auf die zur Verfügung stehende Mutterkuhquote.

In der Hotlineinformation der Agrarmarkt Austria vom 21.11.2011 findet sich hingegen eine Beschränkung auf 25% der möglichen Mutterkuhprämie - danach wäre im vorliegenden Fall bei sechs Mutterkühen die Verweildauer bei zwei Kälbern einzuhalten gewesen, was auch seitens der beschwerdeführenden Partei erfüllt wurde (Verweildauer wurde bei vier Kälbern eingehalten).

Die Agrarmarkt Austria sieht nun aufgrund eines Prüfbesuches der europäischen Kommission eine rückwirkende Änderung dahingehend gerechtfertigt, dass ab dem Antragsjahr 2012 für die Erfüllung der Verweildauer mindestens 80% der Kälber, die für das Erreichen der Mindestabkalbequote erforderlich sind, mindestens zwei Monate am Betrieb bleiben müssen; im Falle einer geringeren Anzahl an tatsächlichen Mutterkühen jedoch nicht mehr, als die zur Verfügung stehende Mutterkuhquote bzw. die tatsächlich am Betrieb vorhandenen Mutterkühe (siehe Punkt 16 der Hotlineinformation der Agrarmarkt Austria an alle Landwirtschaftskammern zur Weiterleitung an die Bezirksbauernkammern betreffend Mutterkuhprämie, Mutterkuhprämie für Kalbinnen und Milchkuhprämie 2013, Versanddatum 21.12.2012).

Die Agrarmarkt Austria hat als zuständige Marktordnungs-, Interventions- und Zahlstelle mit der Hotlineinformation (21.11.2011) eine Willensäußerung abgegeben, die erkennen lässt, wie eine rechtlich nicht näher determinierte Regelung in einer bestimmten Weise zu behandeln ist. Wenn nun die Beratung eines Landwirtes durch die Bezirksbauernkammern oder die Landwirtschaftskammern im Sinne dieser Willensäußerung der Agrarmarkt Austria erfolgt, so steht dem Landwirt diesbezüglich Vertrauensschutz zu, zumal dieser darin weder einen Irrtum der Behörde erkennen muss noch vorzuplanen hat, dass allenfalls die Bezug habenden Regelungen durch die Agrarmarkt Austria - ebenfalls wieder durch bloße Willensäußerung ohne rechtliche Grundlage - rückwirkend abgeändert werden. Auch wenn nach der Rechtsprechung des EuGH (siehe u.a. RS C-37/02 und C-38/02, Di Lenardo und Dilexport, Slg 2004, I-6911, Randnr 70 und die dort zitierte Rechtsprechung; zusammenführend auch Eckhardt, Der Grundsatz des Vertrauensschutzes im Europäischen Agrarrecht, in: Norer/Holzer (Hrsg.), Jahrbuch Agrarrecht 13, S.115 ff.) ein Wirtschaftsteilnehmer nicht berechtigt ist, auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation zu vertrauen, so ist im gegenständlichen Fall doch darauf abzustellen, dass es sich hiebei nicht um eine Anpassung an Veränderungen der Wirtschaftslage in Agrarsektoren handelt.

Das Gebot der Rechtssicherheit, das insbesondere bei rückwirkenden Änderungen zu tragen kommt, ist vor allem bei Vorschriften, die finanzielle Konsequenzen haben, von Bedeutung. So hat der EuGH in Bezug auf die Intervention für Sauerkirschen (EuGH Rs C-224/82, Meiko, Slg 1983, I-02539) eine rückwirkende Verpflichtung als gegen den Vertrauensschutz verstoßend angesehen, da diese so eng bemessen, war, dass die Einhaltung praktisch ausgeschlossen war. Auch in der Rechtssache Crispoltoni I (EuGH Rs C-368/89, Crispoltoni I, Slg 1991, I-03695, Rz 21) kam der EuGH zu dem Schluss, dass die streitige Regelung - Herabsetzung der Erzeugerprämie erst nach Aussaat des Pflanzgutes - das berechtigte Vertrauen der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer verletzt hat. Diese durften erwarten, dass ihnen etwaige Maßnahmen, die sich auf ihre Investitionen auswirken würden, rechtzeitig mitgeteilt würden.

Im verfahrensgegenständlichen Fall liegt die Situation nicht anders. Neben dem Umstand, dass keine eindeutige rechtliche Regelung im Sinne einer Klarstellung (wie im o.a. Urteil des EuGH vom 28.02.2008, Rs C-446/06 ausgeführt) vorliegt, kommt noch hinzu, dass die Voraussetzungen für den Erhalt der Rinderprämien erst nach dem Antragsjahr geändert wurden. Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29.11.2005, B 661/04, ausgesprochen hat, dass eine Änderung der Praxis einer Behörde für sich allein nicht geeignet ist, den Gleichheitsgrundsatz zu verletzen, so ist hier doch der Grundsatz des Vertrauensschutzes heranzuziehen, und war entsprechend der oben zitierten Judikatur des EuGH davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei darauf vertrauen konnte, dass die Praxis der Behörde betreffend den Prozentsatz jener Tiere, bei der die Verweildauer der Kälber einzuhalten ist, für das Antragsjahr weiterhin Geltung hat, zumal auch der Intention der Gemeinschaft - Erhalt der Aufzucht von Kälbern - entsprochen wird.

Sohin ist die beschwerdeführende Partei so zu stellen, dass die beantragten Kühe im Antragsjahr 2012 als Kühe eines Mutterkuhbestandes zu betrachten sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig, zumal keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vorliegt.

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