Normen
B-VG Art139 Abs1 Z1
Rechtsschutzregulativ der Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien vom 30.04.1992 ArtIV Abs2, ArtIV Abs4, ArtVII Abs1, ArtVII Abs2, ArtVII Abs4
AKG 1992 §7, §46, §56
AVG §68 Abs2
VfGG §7 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2024:V365.2023
Spruch:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Anträge
Mit den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Anträgen begehrt das Verwaltungsgericht Wien
"ArtIV. Abs2 erster bis dritter Satz, ArtIV. Abs4 sowie ArtVII. Abs1, ArtVII. Abs2 und ArtVII. Abs4 zweiter Satz des 'Rechtsschutzregulativ der Arbeiterkammer Wien gemäß §7 Abs4 AKG 1992', beschlossen am 30. April 1992 von der Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien in der Fassung des Beschlusses der Vollversammlung vom 13. November 2013,
in eventu
ArtIV. Abs1, ArtIV. Abs2, ArtIV. Abs3, ArtIV. Abs4 und ArtIV. Abs6 sowie ArtVII. Abs1, ArtVII. Abs2 und ArtVII. Abs4 des 'Rechtsschutzregulativ der Arbeiterkammer Wien gemäß §7 Abs4 AKG 1992', beschlossen am 30. April 1992 von der Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien in der Fassung des Beschlusses der Vollversammlung vom 13. November 2013"
als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Kammern für Arbeiter und Angestellte und die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte (Arbeiterkammergesetz 1992 – AKG), BGBl 626/1991, lauten:
"Rechtsschutz
§7. (1) Die Arbeiterkammern haben kammerzugehörige Arbeitnehmer in arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten zu beraten und ihnen insbesondere Rechtsschutz durch gerichtliche Vertretung in arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten nach Maßgabe eines von der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer zu beschließenden Rahmen-Regulativs zu gewähren.
(2) Das Rahmen-Regulativ ist so zu gestalten, daß durch die Rechtsschutztätigkeit die Besorgung der übrigen gesetzlichen Aufgaben der jeweiligen Arbeiterkammer nicht wesentlich beeinträchtigt wird.
(3) Die Vollversammlungen der Arbeiterkammern können im Rahmen des von der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer beschlossenen Rahmen-Regulativs nähere Regelungen über die Durchführung des Rechtsschutzes in ihrem Wirkungsbereich treffen.
(4) Rechtsschutzregulative der einzelnen Arbeiterkammern bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung durch die Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer. Das von der Hauptversammlung zu beschließende Rahmen-Regulativ bedarf zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.
(5) Rechtsschutz muß nicht oder nicht in vollem Umfang gewährt werden, wenn
1. er offenbar mutwillig oder in einem aussichtslosen Fall oder gegen eine hinlänglich ausjudizierte Rechtsmeinung verlangt wird oder
2. er im Vergleich zu dem zu erwartenden Erfolg einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde oder
3. die Prozeßführung im Einzelfall den von den Arbeiterkammern gemäß §1 wahrzunehmenden allgemeinen Interessen der Arbeitnehmer widersprechen würde.
[…]
Organe der Arbeiterkammer
§46. Organe der Arbeiterkammer sind:
1. die Vollversammlung,
2. der Vorstand,
3. das Präsidium nach Maßgabe des §55,
4. der Präsident,
5. die Ausschüsse,
6. die Fachausschüsse,
7. der Kontrollausschuß.
[…]
Aufgaben und Stellvertretung des Präsidenten
§56. (1) Der Präsident ist der gesetzliche Vertreter der Arbeiterkammer. Ihm obliegt
1. die Leitung der Arbeiterkammer unter Beachtung der Beschlüsse der Vollversammlung, des Vorstandes und des Präsidiums sowie die Entscheidung in allen Angelegenheiten, soweit sie nicht einem anderen Organ oder dem Kammerbüro zugewiesen sind,
[…]"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Rechtsschutzregulativs der Arbeiterkammer Wien gemäß §7 Abs4 AKG 1992, beschlossen von der Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 30. April 1992, in der Fassung des Beschlusses der Vollversammlung vom 13. November 2013 (in Folge: Rechtsschutzregulativ), lauten (die mit dem Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"IV. Rechtsvertretung
(1) Auf ausdrückliches Verlangen des kammerzugehörigen Arbeitnehmers auf rechtliche Vertretung bei Gericht hat der Berater einen Rechtsschutzakt anzulegen und darin den Sachverhalt (Beratungsergebnis, gegebenenfalls Interventionsergebnis) darzustellen, eine Beurteilung der Rechtslage sowie der Prozeßaussichten abzugeben sowie einen Vorschlag für eine Rechtsschutzentscheidung (Abs2) zu erstatten. Der Akt ist dem Leiter der Fachabteilung und dem Leiter des Rechtsschutzreferats vorzulegen.
(2) Die Rechtsschutzentscheidung ist gemeinsam vom Leiter der zuständigen Fachabteilung und dem Leiter des Rechtsschutzreferats sowie – nach Maßgabe von Punkt V – unter Beiziehung eines Vertreters des ÖGB zu treffen (Rechtsschutzkommission). Der Abteilungsleiter kann andere Abteilungsmitglieder mit seiner Vertretung bei der Rechtsschutzentscheidung betrauen, die Vertretung ist dem Bereichsleiter mitzuteilen. Mangels Einigung haben der (die) Bereichsleiter und der Direktor im Einvernehmen abschließend über den Rechtsschutzantrag zu entscheiden. Die Rechtsschutzentscheidungen sind mindestens einmal wöchentlich, bei Terminvorgabe unverzüglich zu treffen. Die Rechtsschutzentscheidung hat folgendes festzulegen und jeweils zu begründen:
1. Der Rechtsschutzantrag wird
a) vollinhaltlich bewilligt; oder
b) mit der Maßgabe bewilligt, daß die Rechtsschutzvoraussetzungen nochmals in einem Gespräch zwischen Rechtsschutzwerber und dem künftigen Vertreter besprochen und geklärt werden; oder
c) mit der Maßgabe bewilligt, daß aus den in §6 Abs2 des Rahmen-Regulatives betreffend Rechtsschutz gemäß §7 Abs1 AKG 1992 genannten Gründen ein Teil des Risikos vom Rechtsschutzwerber zu tragen ist; oder
d) abgelehnt.
2. Die Rechtsvertretung wird durchgeführt durch
a) einen Mitarbeiter der Fachabteilung; oder
b) einen Mitarbeiter des Rechtsschutzreferats; oder
c) einen Mitarbeiter einer Gewerkschaft; oder
d) einen Vertragsanwalt.
(3) Die Rechtsschutzentscheidung ist dem Rechtsschutzwerber mit Begründung schriftlich mitzuteilen, gleichzeitig ist gegebenenfalls der Name des Vertreters mitzuteilen und aufzufordern, eine Terminvereinbarung wegen der Vollmachterteilung sowie der Verfahrenseinleitung mit dem namhaft gemachten Vertreter zu treffen.
(4) Gegen die Rechtsschutzentscheidung ist eine Beschwerde an die Rechtsschutzkommission zulässig. Die Rechtsschutzkommission hat der Beschwerde vollinhaltlich zu entsprechen oder die Beschwerde dem (den) Bereichsleiter(n) vorzulegen. Über den Rechtsschutzantrag entscheiden dann abschließend der (die) Bereichsleiter und der Direktor im Einvernehmen.
(5) Nach Abschluß des Verfahrens in einer Instanz hat der Vertreter einen Bericht an den Leiter des Rechtsschutzreferats zu erstatten. Stellt der vertretene Arbeitnehmer den Antrag, auch in der nächstfolgenden Instanz vertreten zu werden, ist eine Rechtsschutzentscheidung nach den Grundsätzen des Abs2 und 3 zu treffen.
(6) In Sozialrechtssachen entscheidet(n) der(ie) Leiter der Fachabteilung(en) über das Rechtsschutzansuchen, ohne das Einvernehmen mit dem Leiter des Rechtsschutzreferats herstellen zu müssen. Gegen die Rechtsschutzentscheidung ist eine Beschwerde an den (die) Leiter der Fachabteilung(en) zulässig. Der (die) Leiter der Fachabteilung(en) hat (haben) der Beschwerde vollinhaltlich zu entsprechen oder die Beschwerde dem (den) Bereichsleiter(n) vorzulegen. Über den Rechtsschutzantrag entscheiden dann abschließend der (die) Bereichsleiter und der Direktor im Einvernehmen.
[…]
VII. Zuständigkeit
(1) Die Entscheidung über Rechtsschutzgewährung in einzelnen Fällen wird an die Leiter der zuständigen Abteilungen bzw Referate (Punkt IV.) delegiert. Der Präsident, der Direktor oder der Bereichsleiter können jedoch jederzeit einzelne Fälle an sich ziehen. Hiezu ist eine ausdrückliche Mitteilung an den(die) zuständigen Abteilungsleiter notwendig.
(2) Abteilungsleiter können einzelne Fälle in jedem Stand des Rechtsschutzverfahrens zur Entscheidung an den Bereichsleiter, dieser kann einzelne Fälle an den Direktor, dieser einzelne Fälle an den Präsidenten abtreten.
(3) Die Durchführung der Beratung und Intervention sowie der Vorschlag zur Rechtsschutzgewährung wird von den Mitarbeitern grundsätzlich in Eigenverantwortung bestimmt, wobei auf die Ziele des Beratungsgesprächs und die Interessen des Ratsuchenden, der Arbeitnehmerschaft insgesamt und der Kammer Bedacht zu nehmen ist.
(4) Das Weisungsrecht des Direktors oder seines Beauftragten in allen laufenden dienstlichen Angelegenheiten (Dienstzeit, dienstliche Verhalten, dienstliche Aufträge) sowie das Weisungsrecht des Bereichsleiters in fachlichen Angelegenheiten (Beurteilung von Rechtsfällen hinsichtlich einer allfälligen Kollision mit übergeordneten Interessen der Kammer, rechtspolitische Zielrichtungen, Bewertung von Rechtspositionen) bleiben unberührt. Das bedeutet, daß der Direktor bzw der Bereichsleiter in den genannten Angelegenheiten auch dann, wenn der Fall nicht an sie weitergeleitet wird, berechtigt sind, verbindliche Anordnungen in Einzelfällen des Rechtsschutzes zu treffen. Im Rahmen dieser ausdrücklichen Anordnungen trägt der Anordnende die volle Verantwortung."
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Beim Verwaltungsgericht Wien sind zwei Beschwerden gegen Rechtsschutzentscheidungen der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (in Folge: Arbeiterkammer Wien) anhängig:
1.1. Der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht Wien (in Folge: Beschwerdeführer) stellte bei der Arbeiterkammer Wien Anträge auf Gewährung von Rechtsschutz für arbeitsgerichtliche Verfahren gegen seinen früheren Arbeitgeber. Mit von der Leiterin der Abteilung Arbeitsrecht und dem Leiter der Abteilung Rechtsschutz gezeichneten Schreiben wurde den Anträgen nicht entsprochen und auf eine Beschwerdemöglichkeit an die Rechtsschutzkommission verwiesen. Der Beschwerdeführer erhob sodann Beschwerden an die Rechtsschutzkommission. Mit von der Direktorin und dem Bereichsleiter Beratung gezeichneten Schreiben der Arbeiterkammer Wien wurde die Gewährung von Rechtsschutz abgelehnt. Gegen diese Schreiben erhob der Beschwerdeführer Beschwerden an das Verwaltungsgericht Wien.
2. Aus Anlass dieser Beschwerdeverfahren stellt das Verwaltungsgericht Wien die hg. zu V365/2023 und V2/2024 protokollierten, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Anträge, der Verfassungsgerichtshof möge ArtIV. Abs2 erster bis dritter Satz, ArtIV. Abs4 sowie ArtVII. Abs1, ArtVII. Abs2 und ArtVII. Abs4 zweiter Satz des Rechtsschutzregulativs, in eventu weitere Bestimmungen des Rechtsschutzregulativs, als gesetzwidrig aufheben. Das Verwaltungsgericht Wien führt dazu Folgendes aus:
2.1. In den anhängigen Beschwerdeverfahren sei zunächst zu beurteilen, ob es sich bei den an den Beschwerdeführer gerichteten Erledigungen um Bescheide im Sinne des Art130 Abs1 Z1 B‑VG handle.
2.2. Bei der Entscheidung über die Gewährung von Rechtsschutz im Sinne des §7 Abs1 AKG handle es sich um eine der primären Aufgaben der Arbeiterkammer, die dabei zu hoheitlichem Handeln befugt sei. Sofern im Einzelfall strittig sei, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Rechtsschutz gegeben seien, hätte die Arbeiterkammer darüber durch Bescheid zu befinden. Dabei handle es sich um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereichs der Arbeiterkammern (vgl VwGH 25.2.2020, Ro 2019/11/0010). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes falle eine Entscheidung über die Gewährung von Rechtsschutz auf Grund von §56 Abs1 Z1 und 2 AKG in die Zuständigkeit des Präsidenten (vgl VwGH 4.10.2000, 2000/11/0014; 25.10.2022, Ra 2021/11/0169).
2.3. In ArtIV. Abs2 Rechtsschutzregulativ werde eine Entscheidung über den Rechtsschutzantrag durch den "Leiter der zuständigen Fachabteilung" und den "Leiter des Rechtsschutzreferats" vorgesehen (vgl auch ArtVII. Abs1 Rechtsschutzregulativ). Komme es zwischen diesen zu keiner Einigung, hätten "der (die) Bereichsleiter und der Direktor im Einvernehmen" über den Rechtsschutzantrag zu entscheiden. In weiterer Folge werde nach Ergreifen des kammerinternen Rechtsbehelfs der Beschwerde gemäß ArtIV. Abs4 Rechtsschutzregulativ die Entscheidung abschließend vom "Bereichsleiter" und vom "Direktor" getroffen. Auch aus ArtVII. Abs1 zweiter Satz, ArtVII. Abs2 und ArtVII. Abs4 zweiter Satz Rechtsschutzregulativ könne sich eine Zuständigkeit zur Entscheidung über den Rechtsschutzantrag bzw eine verbindliche Einflussnahme auf den Entscheidungsausgang durch den Direktor, Abteilungsleiter oder Bereichsleiter ergeben. Es bestehe das Bedenken, dass eine solche Übertragung der Entscheidungsbefugnis an Stellen, die nicht der Präsident, das Kammerbüro oder ein Organ der Arbeiterkammer seien, §56 Abs1 Z1 AKG widerspreche und aus diesem Grund gesetzwidrig sei. Das Rechtsschutzregulativ lasse an keiner Stelle erkennen, dass damit eine bloße Approbationsbefugnis der genannten Stellen für dem Präsidenten zurechenbare Erledigungen eingeräumt werden solle.
2.4. ArtIV. Abs4 Rechtsschutzregulativ sehe einen kammerinternen Rechtszug im Zusammenhang mit Entscheidungen über einen Rechtsschutzantrag vor. Dabei gehe das Rechtsschutzregulativ offensichtlich davon aus, dass erst nach Erschöpfung dieses Rechtszugs eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben werden könne. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei der in ArtIV. Abs4 Rechtsschutzregulativ vorgesehenen "Beschwerde an die Rechtsschutzkommission" um ein bloß remonstratives Rechtsmittel vergleichbar der Vorstellung gegen Mandatsbescheide nach §57 AVG handle. Es seien aber Bedenken entstanden, ob §7 Abs3 AKG eine ausreichende Grundlage für die Schaffung eines solchen remonstrativen Rechtszugs im Rechtsschutzregulativ biete.
3. Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft hat von der Erstattung einer Stellungnahme abgesehen.
4. Die Arbeiterkammer Wien hat die auf die angefochtene Verordnung Bezug habenden Akten vorgelegt und darauf hingewiesen, dass die in den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien angefochtenen Bescheide mit Erledigungen vom 2. Mai 2024 mittlerweile gemäß §68 Abs2 AVG aufgehoben worden seien und dem Beschwerdeführer in beiden Angelegenheiten Rechtsschutz im von ihm ursprünglich beantragten Ausmaß gewährt worden sei. Durch die Klaglosstellung des Beschwerdeführers und die zu erwartende Einstellung der Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien mangels Vorliegens eines Rechtsschutzinteresses seien die angefochtenen Normen von diesem nicht mehr anzuwenden. Damit fehle es an einem Antrags- und Zulässigkeitserfordernis für die vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen Verordnungsprüfungsverfahren. Ein Fall des Art139 Abs2 B‑VG liege nicht vor, da es sich nicht um eine Klaglosstellung vor dem Verfassungsgerichtshof handle, sondern um den Wegfall der Antragsvoraussetzungen in den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien.
5. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes teilte das Verwaltungsgericht Wien mit, dass bislang keine Nachweise darüber vorliegen würden, dass die Erledigungen vom 2. Mai 2024 dem Beschwerdeführer zugestellt worden seien bzw dass diese Erledigungen rechtskräftig geworden seien. Weiters werde im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu prozesshindernden Eingriffen in Normenprüfungsverfahren (VfSlg 10.091/1984, 14.895/1997, 16.832/2003, 17.467/2005, 20.211/2017) mitgeteilt, dass für eine Zurückziehung der Verordnungsprüfungsanträge gemäß §57 Abs4 VfGG aus Sicht des Verwaltungsgerichtes Wien derzeit keine Veranlassung bestehe.
6. In einer Äußerung vom 30. Mai 2024 teilte der Beschwerdeführer unter anderem mit, dass ihm die Erledigungen der AK Wien vom 2. Mai 2024 zugestellt worden seien.
7. Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2024 übermittelte die Arbeiterkammer Wien eine Replik auf die Stellungnahme des Verwaltungsgerichtes Wien sowie die Zustellnachweise der an den Beschwerdeführer ergangenen Bescheide.
IV. Zulässigkeit
1. Die vom Verfassungsgerichtshof in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge sind unzulässig:
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag im Sinn des Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Im vorliegenden Fall wurden nach Beschwerdeerhebung an das Verwaltungsgericht Wien und nach Einbringung der Gerichtsanträge beim Verfassungsgerichtshof die vor dem Verwaltungsgericht Wien angefochtenen Bescheide von der belangten Behörde gemäß §68 Abs2 AVG behoben und dem Beschwerdeführer wurde Rechtsschutz im beantragten Umfang gewährt (zur Zulässigkeit der amtswegigen Aufhebung oder Abänderung eines Bescheides nach §68 Abs2 bis 4 AVG auch nach Beschwerdeeinbringung beim Verwaltungsgericht siehe VwSlg 19.245 A/2015). Da dem Verwaltungsgericht somit infolge der Klaglosstellung des Beschwerdeführers eine meritorische Erledigung der Sache verwehrt ist, ist es denkunmöglich, dass das antragstellende Verwaltungsgericht bei der Entscheidung über die bei ihm anhängigen Beschwerden die zur Aufhebung beantragten Bestimmungen anzuwenden hat.
1.3. Der Verweis des Verwaltungsgerichtes Wien auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu prozesshindernden Eingriffen in Normenprüfungsverfahren vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Die Fortführung eines Verordnungsprüfungsverfahrens gemäß Art139 Abs2 B‑VG kommt nur in vom Verfassungsgerichtshof von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren in Betracht (vgl dazu etwa VfSlg 14.272/1995, 16.832/2003).
V. Ergebnis
1. Die Anträge sind als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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