VfGH G101/2022

VfGHG101/202228.9.2022

Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des ÄrzteG 1998 betreffend die Ermächtigung der Kurienversammlung bzw der Bundeskurie für den ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst; Regelung im überwiegenden Interesse der im Selbstverwaltungskörper der jeweiligen Ärztekammer zusammengefassten Mitglieder; Ermächtigung betreffend die organisatorisch notwendige Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes ist eine – innerorganisatorische Belange der niedergelassenen Ärzteschaft betreffende – Aufgabe im eigenen Wirkungsbereich der Ärztekammer

Normen

B-VG Art120a
B-VG Art140 Abs1 Z2
ÄrzteG 1998 §65, §66a, §68, §84 Abs4 Z7, §126 Abs4 Z7
BereitschaftsdienstV betreffend die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Burgenland
Gesamtvertrag vom 20.05.1994 zwischen der Ärztekammer für Burgenland und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger §16
Bgld GeschäftsO der Landesregierung §2
ASVG §338
VfGG §7 Abs1, §62

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2022:G101.2022

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z2 B‑VG gestützten Antrag begehrt die Burgenländische Landesregierung,

"1.) §84 Abs4 Z7 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I Nr 169/1998, in der Fassung BGBl I Nr 172/2021, und §126 Ab[s]4 Z7 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl Nr 169/1998, in der Fassung BGBl I Nr 172/2021, wegen Verstoß gegen die bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben des Art120a ff B‑VG für Selbstverwaltungskörper (insbesondere Art120a Abs1 iVm Art120b Abs1 und 2 B‑VG), die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Selbstverwaltungskörpern sowie das bundesverfassungsrechtliche Organisationskonzept, welches eine Unterstellung der hoheitlich zu besorgenden Verwaltungstätigkeit unter die obersten Organe (Art19 iVm Art20 Abs1 B‑VG) die ihrerseits der parlamentarischen Kontrolle unterliegen, verlangt, als verfassungswidrig aufzuheben.

 

in eventu

 

2.) §84 Abs4 Z7 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I Nr 169/1998, in der Fassung BGBl I Nr 172/2021, wegen Verstoß gegen die bundesverfassungsechtlichen Vorgaben des Art120a ff B‑VG für Selbstverwaltungskörper (insbesondere Art120a Abs1 iVm Art120b Abs1 und 2 B‑VG), die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Selbstverwaltungskörpern sowie das bundesverfassungsrechtliche Organisationskonzept, welches eine Unterstellung der hoheitlich zu besorgenden Verwaltungstätigkeit unter die obersten Organe (Art19 iVm Art20 Abs1 B‑VG) die ihrerseits der parlamentarischen Kontrolle unterliegen, verlangt, als verfassungswidrig aufzuheben.

 

in eventu

 

3.) §126 Ab[s]4 Z7 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I Nr 169/1998, in der Fassung BGBl I Nr 172/2021, wegen Verstoß gegen die bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben des Art120a ff B‑VG für Selbstverwaltungskörper (insbesondere Art120a Abs1 iVm Art120b Abs1 und 2 B‑VG), die ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Selbstverwaltungskörpern sowie das bundesverfassungsrechtliche Organisationskonzept, welches eine Unterstellung der hoheitlich zu besorgenden Verwaltungstätigkeit unter die obersten Organe (Art19 iVm Art20 Abs1 B‑VG) die ihrerseits der parlamentarischen Kontrolle unterliegen, verlangt,"

als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I 169, idF BGBI I 82/2014 lauten wie folgt (die angefochtenen Gesetzesbestimmungen sind hervorgehoben):

"Kurienversammlungen

§84. (1) Die von den Mitgliedern einer Kurie gewählten Kammerräte bilden die Kurienversammlung. Diese wird erstmals in der Funktionsperiode vom bisherigen Präsidenten einberufen.

(2) Die Kurienversammlung wählt in der Eröffnungssitzung für die Dauer der Funktionsperiode der Vollversammlung aus ihrer Mitte in getrennten Wahlgängen mit absoluter Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen den Kurienobmann und zwei Stellvertreter. Wird bei der ersten Wahl des Kurienobmannes oder seiner Stellvertreter keine absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erzielt, so findet eine engere Wahl statt. In diese kommen jene beiden Personen, die bei der ersten Wahl die meisten Stimmen erhalten haben. Soweit bei der ersten Wahl mehrere Personen gleich viele Stimmen erhalten haben, entscheidet das Los, wer von ihnen in die engere Wahl kommt. Ergibt sich auch bei der engeren Wahl Stimmengleichheit, so hat ebenfalls das Los zu entscheiden. In der Kurienversammlung der angestellten Ärzte ist im Fall der Wahl eines den ärztlichen Beruf ausschließlich selbständig ausübenden Arztes zum Kurienobmann der erste Stellvertreter aus dem Kreis der Turnusärzte zu wählen und umgekehrt. Sofern nicht bereits der Kurienobmann oder der erste Stellvertreter ein Arzt mit Leitungsfunktion in einer Krankenanstalt ist, ist jedenfalls ein solcher Arzt, sofern ein solcher zur Verfügung steht, zum zweiten Stellvertreter zu wählen. Steht nur ein einziger Arzt mit Leitungsfunktion in einer Krankenanstalt hiefür zur Verfügung, so gilt dieser als zweiter Stellvertreter gewählt, sofern er auf diese Funktion nicht verzichtet. In der Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte ist im Falle der Wahl eines Arztes für Allgemeinmedizin zum Kurienobmann der erste Stellvertreter aus dem Kreis der Fachärzte zu wählen und umgekehrt. Der Präsident darf nicht Kurienobmann oder Kurienobmannstellvertreter sein. Die Kurienversammlung wählt weiters nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes für die Dauer der Funktionsperiode der Vollversammlung aus ihrer Mitte die auf die Kurie entfallenden weiteren Kammerräte des Kammervorstandes (§81 Abs1 Z5). Beschlüsse, mit denen dem Kurienobmann oder einem seiner Stellvertreter das Vertrauen entzogen wird (§85 Abs3), bedürfen der Zweidrittelmehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Im Übrigen gilt hinsichtlich der Beschlussfassung in der Kurienversammlung §79 Abs5 sinngemäß. In dringenden Fällen können Beschlüsse der Kurienversammlung auch durch schriftliche Abstimmung gefasst werden. Dazu sind alle Mitglieder der Kurienversammlung anzuschreiben. Ein Beschluss kommt gültig zustande, wenn die Antwort von mindestens der Hälfte der Kammerräte bei der Ärztekammer eingelangt ist. Solche Beschlüsse werden mit absoluter Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gefasst.

(3) Der Kurienversammlung der angestellten Ärzte obliegen ausschließlich folgende Angelegenheiten, wobei Verhandlungs- und Abschlussbefugnisse der jeweiligen freiwilligen Berufsvereinigung der Arbeitnehmer (§4 Abs2 Arbeitsverfassungsgesetz – ArbVG, BGBl Nr 22/1974) sowie der Organe der Arbeitnehmerschaft (§40 ArbVG) und der Personalvertretungen unberührt bleiben:

1. die Wahrnehmung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der angestellten Ärzte, insbesondere der Abschluss und die Lösung von Vereinbarungen, die Entgelte (im Speziellen Gehälter und Zulagen) der angestellten Ärzte betreffen,

2. die Erstattung von Berichten und Vorschlägen an die gemeinsamen Or- gane der Ärztekammer, insbesondere Stellungnahmen zu Anträgen ge- mäß §35,

3. die Begutachtung von Gesetzesentwürfen, die ausschließlich angestellte Ärzte betreffen,

4. die Beratung der angestellten Ärzte in arbeits-, dienst- und sozialrechtli- chen Belangen,

5. die Festsetzung einer Kurienumlage zur Bestreitung kurienspezifischer An- gelegenheiten (§91 Abs2),

6. die Bestellung von Referenten für bestimmte Kurienaufgaben sowie

7. die Entscheidung in gemäß §81 Abs6 übertragenen Angelegenheiten.

(4) Der Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte obliegen mit dem Ziel der Wahrnehmung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der niedergelassenen Ärzte ausschließlich folgende Angelegenheiten:

1. die Vertretung der Arbeitgeberinteressen der kurienangehörigen Ärzte durch den Abschluss von Kollektivverträgen (§66a Abs1 Z2),

2. der Abschluss und die Lösung von Gesamtverträgen und sonstigen Verein- barungen mit den Trägern der Sozialversicherung und Krankenfürsorge- anstalten einschließlich Vereinbarungen über die Zahl und Verteilung der Vertragsärzte (nicht aber Vereinbarungen über die Auswahl von Bewer- bern um Kassenstellen),

3. die Wahrnehmung von Angelegenheiten der hausapothekenführenden Ärzte, insbesondere der Abschluss und die Lösung von Gesamtverträgen und sonstigen Vereinbarungen mit den Trägern der Sozialversicherung und Krankenfürsorgeeinrichtungen,

4. der Abschluss und die Lösung von Vereinbarungen über die Honorierung vorübergehender ärztlicher Leistungen in Krankenanstalten,

5. Beschlussfassung über die Empfehlung über die angemessene Honorie- rung privatärztlicher Leistungen,

6. die Durchführung von Ausbildungen und Schulungen des ärztlichen Hilfs- personals,

7. die Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes,

[…]

 

[…]

Bundeskurien

§126. (1) Die Obmänner und Obmannstellvertreter der Kurienversammlungen der Ärztekammern bilden jeweils die Bundeskurie der angestellten Ärzte und der niedergelassenen Ärzte. Die Bundeskurien werden erstmals in der Funktionsperiode vom Präsidenten einberufen. Jede Bundeskurie wählt in der Eröffnungssitzung für die Dauer der Funktionsperiode der Vollversammlung aus ihrer Mitte in getrennten Wahlgängen mit absoluter Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen einen Bundeskurienobmann sowie zwei Stellvertreter. In der Bundeskurie der angestellten Ärzte ist im Falle der Wahl eines den ärztlichen Beruf ausschließlich selbständig ausübenden Arztes zum Bundeskurienobmann der erste Stellvertreter aus dem Kreis der Turnusärzte zu wählen und umgekehrt. Sofern nicht bereits der Bundeskurienobmann oder der erste Stellvertreter ein Arzt mit Leitungsfunktion in einer Krankenanstalt ist, ist jedenfalls ein solcher Arzt, sofern ein solcher zur Verfügung steht, zum zweiten Stellvertreter zu wählen. Steht nur ein einziger Arzt mit Leitungsfunktion in einer Krankenanstalt hiefür zur Verfügung, so gilt dieser als zweiter Stellvertreter gewählt, sofern er auf diese Funktion nicht verzichtet. In der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte ist im Falle der Wahl eines Arztes für Allgemeinmedizin oder approbierten Arztes zum Bundeskurienobmann der erste Stellvertreter aus dem Kreis der Fachärzte zu wählen und umgekehrt. Wird bei der ersten Wahl des Bundeskurienobmannes oder seiner Stellvertreter keine absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erzielt, so findet eine engere Wahl statt. In diese kommen jene beiden Personen, die bei der ersten Wahl die meisten Stimmen erhalten haben. Soweit bei der ersten Wahl mehrere Personen gleich viele Stimmen erhalten haben, entscheidet das Los, wer von ihnen in die engere Wahl kommt. Ergibt sich auch bei der engeren Wahl Stimmengleichheit, so hat ebenfalls das Los zu entscheiden.

(2) Die Bundeskurie ist beschlussfähig, wenn die Obmänner oder zumindest ein Stellvertreter von mindestens sechs Landeskurien anwesend sind. Beschlüsse, mit denen dem Bundeskurienobmann oder einem seiner Stellvertreter das Vertrauen entzogen wird (§127 Abs3), bedürfen der Zweidrittelmehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Im Übrigen ist für Beschlüsse der Bundeskurie die absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erforderlich, wobei über jeden Antrag gesondert abzustimmen ist. In dringenden Fällen können Beschlüsse der Kurie auch durch schriftliche Abstimmung gefasst werden. Dazu sind alle Mitglieder der Kurienversammlung anzuschreiben. Ein Beschluss kommt gültig zustande, wenn die Antwort von mindestens der Hälfte der Kammerräte bei der Österreichischen Ärztekammer eingelangt ist. Solche Beschlüsse werden mit absoluter Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gefasst.

(3) Der Bundeskurie der angestellten Ärzte obliegen ausschließlich folgende Angelegenheiten, wobei Verhandlungs- und Abschlussbefugnisse der jeweiligen freiwilligen Berufsvereinigung der Arbeitnehmer (§4 Abs2 ArbVG) sowie der Organe der Arbeitnehmerschaft (§40 ArbVG) und der Personalvertretungen unberührt bleiben:

1. die Wahrnehmung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der angestellten Ärzte, insbesondere der Abschluss und die Lösung von Vereinbarungen, die Entgelte (im Speziellen Gehälter und Zulagen) der angestellten Ärzte betreffen,

2. die Erstattung von Berichten und Vorschlägen an die gemeinsamen Or- gane der Österreichischen Ärztekammer, insbesondere Stellungnahmen zu Anträgen gemäß §35,

3. die Begutachtung von Gesetzesentwürfen, die ausschließlich angestellte Ärzte betreffen,

4. die Festsetzung einer Bundeskurienumlage zur Bestreitung kurienspezifi- scher Angelegenheiten (§132 Abs2),

5. die Bestellung von Referenten für bestimmte Kurienaufgaben sowie

6. die Entscheidung in gemäß §123 Abs4 übertragenen Angelegenheiten.

(4) Der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte obliegen mit dem Ziel der Wahrnehmung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der niedergelassenen Ärzte ausschließlich folgende Angelegenheiten:

1. die Vertretung der Arbeitgeberinteressen der niedergelassenen Ärzte, ins- besondere der Abschluss von Kollektivverträgen (§117b Abs1 Z2),

2. der Abschluss und die Lösung von Gesamtverträgen und sonstigen Verein- barungen mit den Trägern der Sozialversicherung und Krankenfürsorge- anstalten einschließlich Vereinbarungen über die Zahl und Verteilung der Vertragsärzte (nicht aber Vereinbarungen über die Auswahl von Bewer- bern um Kassenstellen),

3. die Wahrnehmung von Angelegenheiten der hausapothekenführenden Ärzte, insbesondere der Abschluss und die Lösung von Gesamtverträgen und sonstigen Vereinbarungen mit den Trägern der Sozialversicherung und Krankenfürsorgeeinrichtungen,

4. der Abschluss und die Lösung von Vereinbarungen über die Honorierung vorübergehender ärztlicher Leistungen in Krankenanstalten,

5. Beschlussfassung über die Empfehlung über die angemessene Honorie- rung privatärztlicher Leistungen (§117b Abs2 Z10),

6. die Durchführung von Ausbildungen und Schulungen des ärztlichen Hilfs- personals,

7. die Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes,

[…]."

2. Die "Verordnung über die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Burgenland", kundgemacht auf der Homepage der Ärztekammer für Burgenland am 25. Juni 2021, lautet wie folgt:

"Promulgationsklausel: Auf Grund der §§84 Abs4 Z7 und 195a Ärztegesetz 1998, BGBl I 169/1998 idF BGBl I Nr 59/2018 wird die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Burgenland verordnet:

 

§1 Allgemeines

 

(1) Festgehalten wird, dass personenbezogene Bezeichnungen, die nur in männlicher oder weiblicher Form ausgeführt sind, für Männer und Frauen in gleicher Weise gelten.

 

(2) Diese Verordnung regelt die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Wochentagsnacht-Bereitschaftsdienstes (im Folgenden kurz: WTN‑BD).

 

(3) Ziel des ärztlichen Bereitschaftsdienstes ist die Sicherstellung der nicht aufschiebbaren, allgemeinärztlichen kurativen Versorgung von Versicherten in den von den Bereitschaftsdiensten umfassten Zeiten (§2) im Burgenland.

 

(4) An den übrigen, von dieser Verordnung gem. §2 nicht erfassten Tagen des Jahres besteht ohne Dienstverpflichtung ein freiwilliger allgemeinmedizinischer Bereitschaftsdienst.

 

§2 Dienstzeit

 

Der allgemeinmedizinische Bereitschaftsdienst ist an Arbeitstagen (Montag bis Freitag; exklusive gesetzliche Feiertage; exklusive 24. und 31. Dezember; inklusive Landesfeiertag, Allerseelen, Karfreitag) in der Zeit von 17 bis 22 Uhr zu leisten (WTN‑BD).

 

§3 Sprengeleinteilung

 

(1) Der Bereitschaftsdienst ist sprengelweise einzurichten. Nach Maßgabe der Kooperationsvereinbarung über einen Wochentagsnacht-Bereitschaftsdienst und über den Betrieb von Akutordinationen (WTN‑BD neu) vom 6. März 2018 bestehen insgesamt folgende sechs Sprengel:

 

1. Bezirk Neusiedl/See

2. Bezirke Eisenstadt/Umgebung, Stadt Eisenstadt und Stadt Rust

3. Bezirk Mattersburg

4. Bezirk Oberpullendorf

5. Bezirk Oberwart

6. Bezirke Güssing und Jennersdorf

 

(2) Für die Durchführung sind die im jeweiligen Sprengel niedergelassenen Ärzte und Gruppenpraxen gemäß §4 Abs1 und 2 verantwortlich.

 

§4 Teilnahme am Bereitschaftsdienst

 

(1) Im WTN‑BD ist jeder im Sprengel niedergelassene §2 ‑ Kassenvertragsarzt für Allgemeinmedizin, jede §2 ‑ Kassengruppenpraxen für Allgemeinmedizin sowie die Kreis‑/Gemeindeärzte zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst verpflichtet.

 

(2) Die Diensteinteilung hat unter Bedachtnahme auf §6 innerhalb des Sprengels grundsätzlich eine gleichmäßige Beteiligung der verpflichteten Ärzte vorzusehen.

 

§5 Ansprechpartner

 

Ansprechpartner im Sprengel gegenüber der Ärztekammer ist der von den im Sprengel zum Dienst verpflichteten Ärzten und Gruppenpraxen nominierte Sprengelverantwortliche. Dem Sprengelverantwortlichen obliegt die Koordination der Bereitschaftsdienste.

 

§6 Vertretung von eingeteilten Ärzten und Gruppenpraxen

 

Ärzte und Gruppenpraxen, die zum Bereitschaftsdienst eingeteilt sind, haben im Falle einer Verhinderung auf eigene Kosten für eine Vertretung Sorge zu tragen.

 

§7 Honorierung

 

Die Honorierung im WTN‑BD erfolgt in Form einer Pauschalhonorierung nach Maßgabe der Kooperationsvereinbarung über einen Wochentagsnacht-Bereitschaftsdienst und über den Betrieb von Akutordinationen (WTN‑BD neu) vom 6. März 2018 in der jeweils geltenden Fassung.

 

§8 Kundmachung, Inkrafttreten und Außerkrafttreten

 

(1) Diese Verordnung ist gem. §195a Abs2 ÄrzteG 1998 BGBl I 169/1998 idF BGBl I Nr 50/2021 im Internet auf der Homepage der Ärztekammer für Burgenland unter www.aekbgld.at allgemein zugänglich und dauerhaft zu verlautbaren.

 

(2) Diese Verordnung tritt gem. §195a Abs3 ÄrzteG 1998 BGBl I 169/1998 idF BGBl I Nr 50/2021 mit 1.7.2021 in Kraft.

 

(3) Mit Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Verordnung über die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Burgenland, zuletzt geändert durch einen Umlauf-Beschluss der Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte am 6.12.2020, außer Kraft."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die antragstellende Landesregierung legt ihre Bedenken gegen §84 Abs4 Z7 und §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 unter Wiedergabe umfangreicher Judikatur des Verfassungsgerichtshofes – auf das Wesentliche zusammengefasst – wie folgt dar:

1.1. §84 Abs4 Z7 und §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 würden die Grenzen zulässiger Selbstverwaltung überschreiten: Die Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes durch die Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer eines Bundeslandes bzw die Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte betreffe nicht nur die in der Kurie der niedergelassenen Ärzte zusammengefasste Ärzteschaft, sondern in gleichem Maße auch die zur Sozialversicherungsgemeinschaft zusammengefassten krankenversicherten Personen.

1.2. Die Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes durch Verordnung der Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte bzw der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte eröffne den sozialversicherungsrechtlich Versicherten überhaupt erst die Möglichkeit, einen allgemeinmedizinischen Not- und Bereitschaftsdienst, etwa an Arbeitstagen wie auch an Wochenenden und Feiertagen außerhalb der gewöhnlichen Öffnungszeiten einer Ordination und damit eine allgemeinärztliche kurative Versorgung in Anspruch zu nehmen. Damit berühre eine solche Verordnung nicht bloß überwiegende Interessen der im Selbstverwaltungskörper der Ärztekammer zusammengefassten Mitglieder, sondern in zumindest gleicher Intensität allgemeine Interessen der (sozialversicherungsrechtlich krankenversicherten) Bevölkerung an der Sicherstellung einer allgemeinärztlichen kurativen Versorgung und einer qualitätsvollen Gesundheitsversorgung.

1.3. Die Sicherstellung der nicht aufschiebbaren, allgemeinärztlichen kurativen Versorgung von Versicherten und die Festlegung von Zeiten des Bereitschaftsdienstes seien nicht im ausschließlichen Interesse der in der Ärztekammer bzw der Kurie der niedergelassenen Ärzte zusammengefassten Personen, sondern vielmehr im allgemeinen Interesse der sozialversicherungsrechtlich Versicherten (wie auch der burgenländischen Bevölkerung gesamthaft) an einer umfassenden qualitätsvollen, allgemeinmedizinischen Versorgung gelegen.

1.4. Es werde zwar nicht verkannt, dass bereits der Einleitungssatz in §84 Abs4 sowie §126 Abs4 ÄrzteG 1998 festlege, dass die Einrichtung des ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes durch die Kurienversammlung bzw die Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte mit dem Ziel der Wahrnehmung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der niedergelassenen Ärzte erfolge. Das Ziel der Wahrnehmung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der niedergelassenen Ärzte überwiege jedoch nicht das Interesse der durch die Verordnung in ihrer Rechtssphäre betroffenen Versicherten an der Sicherstellung der allgemeinärztlichen, kurativen Versorgung, insbesondere in nicht aufschiebbaren Fällen.

1.5. Mit der Verankerung der Zeiten des Bereitschaftsdienstes durch die in der Ärztekammer zusammengefassten Personen werde eine Angelegenheit weisungsungebunden besorgt, die sich maßgeblich auf einen Personenkreis beziehe (die Versicherten), der von jenem verschieden sei, welcher dem Selbstverwaltungskörper die erforderliche demokratische Legitimation vermittle. Damit seien die in der Ärztekammer zusammengefassten Personen zur heteronomen Normsetzung gegenüber den betroffenen Versicherten auch nicht demokratisch legitimiert.

1.6. Die Grenzen zulässiger Selbstverwaltung seien insofern überschritten, als dem Selbstverwaltungskörper mit §84 Abs4 Z7 bzw §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 jeweils eine Angelegenheit zugewiesen werde, die nicht im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der zum Selbstverwaltungskörper zusammengeschlossenen Personen gelegen und geeignet sei, von dieser Gemeinschaft besorgt zu werden (vgl VfSlg 8215/1977). Die Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes beziehe sich auch auf einen Personenkreis, der von jenem verschieden sei, der den Organen die erforderliche demokratische Legitimation vermittle.

1.7. Damit würden die angefochtenen Bestimmungen den für die Errichtung von Selbstverwaltungskörpern geltenden Verfassungsgrundsätzen widersprechen. Aus den dargelegten Gründen begehrt die Burgenländische Landesregierung, §84 Abs4 Z7 und §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie mit näherer Begründung die Abweisung des Antrages beantragt.

2.1. Hervorgehoben werde, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht jenen Inhalt aufweisen würden, der ihnen von der antragstellenden Landesregierung unterstellt werde. Die bekämpften Normen würden nämlich nicht vorsehen, dass überhaupt und in welchem Ausmaß ein ärztlicher Not- und Bereitschaftsdienst zu leisten sei. Stattdessen würden sie lediglich das jeweils zuständige Kammerorgan ermächtigen, Regelungen darüber zu treffen, wie ein allenfalls eingerichteter ärztlicher Not- und Bereitschaftsdienst für bestimmte Kurienangehörige (hier: niedergelassene Ärzte) ausgestaltet sein solle (vgl VfGH 10.12.2014, B967/2012 ua; VwGH 29.1.2019, Ra 2018/08/0181).

2.2. Diese Vorgaben würden jedoch nicht außenstehende Dritte betreffen, sondern ausschließlich die – in der jeweiligen Kurie zusammengefasste – Ärzteschaft. Denn die nähere Ausgestaltung der Teilnahme an einem ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst, etwa durch Einführung eines Dienstrades zur gleichmäßigen Verteilung der Arbeitsbelastung der verpflichteten Ärzte, liege nicht nur im überwiegenden, sondern im ausschließlichen Interesse der in der jeweiligen Ärztekammer zusammengefassten Personen. Es könne daher der Gesetzgebung nicht entgegengetreten werden, wenn sie durch die angefochtenen Bestimmungen die "Einrichtung" – im Sinne einer konkreten Ausgestaltung – eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes den Ärztekammern im eigenen Wirkungsbereich zur weisungsfreien Besorgung übertragen habe. Damit seien nach Auffassung der Bundesregierung auch die Bedenken im Hinblick auf Art19 iVm Art20 B‑VG zerstreut.

2.3. Die Frage, ob ein ärztlicher Not- und Bereitschaftsdienst zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit ärztlichen Leistungen durch Bundesgesetz oder durch Landesgesetz einzurichten wäre, sei mangels Relevanz in diesem Verfahren nicht abschließend zu beurteilen. Nach Ansicht der Bundesregierung dürften solche Regelungen als Angelegenheiten des Gesundheitswesens iSd Art10 Abs1 Z12 B‑VG anzusehen sein (so wohl auch Grabenwarter/Krauskopf, Gesundheitsrecht und Verfassung, in: Resch/Wallner [Hrsg.], Handbuch Medizinrecht3, 2020, Kapitel I Rz 12), zumal sich die vom Kompetenztatbestand des "Gesundheitswesens" ausgenommenen Angelegenheiten des "Gemeindesanitätsdienstes" auf Fragen der Organisation desselben beschränken würden (vgl VfSlg 2784/1955).

2.4. Auch dies spreche dagegen, dem angefochtenen §84 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 den von der antragstellenden Landesregierung angenommenen Inhalt beizumessen, da die gemäß Art11 Abs1 Z2 B‑VG im Vollziehungsbereich der Länder eingerichteten Ärztekammern in den Bundesländern zur Vollziehung von – in mittelbarer Bundesverwaltung zu besorgenden – Angelegenheiten des Gesundheitswesens von Verfassung wegen nicht zuständig gemacht werden dürften.

2.5. Die angefochtenen Bestimmungen seien daher nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig.

3. Die Österreichische Ärztekammer sowie die Ärztekammer für Burgenland haben eine gemeinsame Äußerung erstattet, in welcher sie sowohl die Zulässigkeit des Antrages als auch die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmungen bestreiten:

3.1. Die Verordnungsermächtigungen nach §84 Abs4 Z7 und §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 würden die sozialversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche der Versicherten auf ärztliche Hilfe vollkommen unberührt lassen. Vielmehr gehe es darum, den Not- und Bereitschaftsdienst innerhalb der Ärzteschaft zu organisieren. Die Rechtssphäre der Versicherten werde dadurch nicht gestaltet, schon gar nicht unmittelbar.

3.2. Durch die Ärztekammern erfolge — in den Worten des Verfassungsgerichtshofes — bloß die "Konkretisierung der einzelnen Dienste" im Sinne der "Erstellung eines Dienstplans" (VfGH 10.12.2014, B967/2012 ua). In Verordnungen auf der Grundlage von §84 Abs4 Z7 sowie §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 werde somit nur die interne Dienstaufteilung unter den kammerangehörigen Ärzten vorgenommen. Die Rechtssphäre der Versicherten werde hingegen nicht gestaltet. Die interne Dienstaufteilung möge zwar insofern eine Reflexwirkung für die Versicherten haben, als sie mittelbare Auswirkungen darauf habe, wann ärztliche Hilfe durch freiberufliche Ärzte faktisch in Anspruch genommen werden könne. Dabei handle es sich jedoch nicht um eine unmittelbare Gestaltung der Rechtssphäre (nämlich der Leistungsansprüche) der Versicherten aus dem Sozialversicherungsverhältnis; die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus diesem Versicherungsverhältnis würden nämlich unverändert bleiben. Die ärztliche Hilfe durch freiberufliche Ärzte sei im Übrigen auch nicht die einzige Notfallversorgung, die durch die Versicherten in Anspruch genommen werden könne.

3.3. Dieses Ergebnis werde durch die Einleitungssätze in §84 Abs4 und §126 Abs4 ÄrzteG 1998 bestärkt, wonach es ua bei der Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes nach deren Z7 jeweils nur um das "Ziel der Wahrnehmung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der niedergelassenen Ärzte" gehe. Daraus sei abzuleiten, dass mit Verordnungen nach diesen Gesetzesstellen nur die kammerangehörigen Ärzte erfasst werden (dürften) und deren Interessen (hier bei Z7: an einer ausgewogenen und fairen Diensteinteilung) zu wahren seien.

3.4. Die von der antragstellenden Landesregierung angeführte, aktuell geltende Verordnung über die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Burgenland (kundgemacht am 25. Juni 2021) erwähne die Versorgung der Versicherten zwar in §1 Abs3, sie regle aber ausschließlich die Diensteinteilung unter den kammerangehörigen Ärzten (siehe insbesondere §4, wo in Abs2 auch ausdrücklich von einer "Diensteinteilung" die Rede sei) und berühre somit nicht (nicht einmal mittelbar) die sozialversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche der Versicherten gegenüber den Versicherungsträgern. Die Versicherten seien auch sonst nicht Normadressaten (nicht einmal einer einzigen Bestimmung) der zitierten Verordnung.

3.5. Es könne daher auch kein Zweifel daran bestehen, dass die kammerinterne Organisation des ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes im Verständnis des Art120a Abs1 B‑VG im ausschließlichen oder (zumindest) überwiegenden gemeinsamen Interesse der Ärzteschaft gelegen und auch geeignet sei, durch sie gemeinsam besorgt zu werden. Denn einerseits bestehe ein Interesse der Ärzteschaft an einer ausgewogenen und fairen Diensteinteilung, andererseits seien (nur) in den Ärztekammern alle notwendigen Informationen über die am Notdienst teilnehmenden Ärzte vorhanden, wodurch eine Diensteinteilung überhaupt erst ermöglicht werde.

3.6. Aus diesen Gründen sei nach Ansicht der Österreichischen Ärztekammer und der Ärztekammer für Burgenland der Antrag zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

IV. Erwägungen

1. Der Verfassungsgerichtshof geht von folgender Rechtslage aus:

1.1. Im zweiten Unterabschnitt (Abschnitt II) des zweiten Teils des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) wird grundsätzlich die Krankenbehandlung, so auch der Umfang dieser, für alle nach dem ASVG zum Bezug von Leistungen Berechtigten geregelt. Gemäß §133 Abs1 Z1 ASVG umfasst die Krankenbehandlung auch "ärztliche Hilfe"; diese wird – so §135 Abs1 leg. cit. – durch "Vertragsärztinnen/Vertragsärzte, durch Vertrags‑Gruppenpraxen, Wahlärztinnen/Wahlärzte, Wahl‑Gruppenpraxen sowie in eigenen Einrichtungen oder Vertragseinrichtungen der Versicherungsträger" gewährt.

Bereits diese Regelungen machen beispielhaft deutlich, dass der Anspruch und das Ausmaß der "ärztlichen Hilfe" im ASVG bzw auch im Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (§90 f. GSVG) grundgelegt sind.

Der Anspruch der Versicherten besteht also gegenüber dem Versicherungsträger auf der Grundlage dieses besonderen sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnisses (vgl etwa Gruber-Risak, 1. Das Versicherungsverhältnis, in: Tomandl/Felten [Hrsg.], System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, 38. Lfg. 2021, 39 und Atria, §§85, 86, in: Sonntag [Hrsg.], ASVG13, 2022, Rz 1).

In den Gesamtverträgen wird zwischen den Trägern der Sozialversicherung und den jeweiligen Ärztekammern gemäß §338 Abs2 ASVG "die ausreichende Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Angehörigen mit den gesetzlich und satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen" sichergestellt. Dass diese Vorgangsweise verfassungsrechtlich unbedenklich ist, hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. Dezember 2014, B967/2012 ua, bereits bestätigt.

1.2. Gemäß §65 Abs1 ÄrzteG 1998 ist zur Vertretung des Ärztestandes für den räumlichen Bereich eines jeden Bundeslandes eine Ärztekammer eingerichtet, deren vordringliche Aufgabe darin besteht, die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Ärzte wahrzunehmen und zu fördern. Als im eigenen Wirkungsbereich wahrzunehmende Aufgabe wird in §66a Abs1 Z1 leg. cit. der Abschluss und die Auflösung von Verträgen zur Regelung der Beziehungen der Ärzte zu den Trägern der Sozialversicherung (Verbänden), der Fürsorge und der Krankenfürsorge genannt; überwiegend fällt die Aufgabe der Österreichischen Ärztekammer zu. Dass die Vertrags- und Wahlärzte jedenfalls Mitglieder der Ärztekammer sein müssen, ergibt sich schon aus §68 ÄrzteG 1998.

Nach der Organisation der Ärztekammer(n) bilden die von den Mitgliedern einer Kurie gewählten Kammerräte die Kurienversammlung, der die Wahrnehmung der in §84 ÄrzteG 1998 aufgezählten Zuständigkeiten zukommt; dazu zählt auch gemäß Abs4 Z7 par. cit. die – von der antragstellenden Landesregierung als verfassungswidrig erachtete – "Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes". Auf Bundesebene bilden nach §126 ÄrzteG 1998 die Obmänner und Obmannstellvertreter der Kurienversammlungen der Ärztekammern jeweils die Bundeskurie der angestellten Ärzte und der niedergelassenen Ärzte. Ihnen kommt gemäß Abs4 Z7 par. cit. ebenfalls die – im vorliegenden Antrag gleichfalls angefochtene – Aufgabe der "Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes" zu.

1.3. Der Gesamtvertrag

Im sechsten Teil des ASVG werden die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung zu den Angehörigen der Gesundheitsberufe und anderen Vertragspartnerinnen und Vertragspartnern geregelt; dabei wird auch grundsätzlich vorgesehen, dass die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung zu den freiberuflich tätigen Ärztinnen bzw Ärzten durch privatrechtliche Verträge zu regeln sind (vgl §338 Abs1 und 2 ASVG).

Welche Leistungen wie abgegolten werden sollen, richtet sich daher nach dem Gesamtvertrag (vgl §342 ASVG). Im Gesamtvertrag in der Stammfassung vom 20. Mai 1994, der zwischen der Ärztekammer für Burgenland und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger abgeschlossen wurde, ist hingegen bloß geregelt, dass für den Fall eines Not- und Bereitschaftsdienstes (konkret: eines Sonn- und Feiertagsdienstes) der Vertragsarzt zur Teilnahme an dem von der Ärztekammer "eingerichteten", also zu organisierenden Dienst verpflichtet ist (§16).

1.4. Im Sinne dieser sich aus einer Zusammenschau des ÄrzteG 1998 und des Gesamtvertrages ergebenden rechtlichen Ausgangslage hat die Ärztekammer für Burgenland schließlich die "Verordnung über die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Burgenland" (kundgemacht am 25. Juni 2021) erlassen.

2. Zur Zulässigkeit des Antrages

2.1. Gemäß Art140 Abs1 Z2 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen auch auf Antrag einer Landesregierung.

2.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

2.2.1. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001, 20.000/2015). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung der Antragsteller teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.972/2015).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011, 20.082/2016; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Gesetzesbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

2.2.2. Hingegen macht eine zu weite Fassung des Antrages diesen nicht in jedem Fall unzulässig (vgl VfSlg 20.000/2015; VfGH 13.10.2016, G219/2015). Soweit ein Antrag auf abstrakte Normenkontrolle die Aufhebung von Bestimmungen begehrt, gegen die im Einzelnen konkrete Bedenken in schlüssiger und überprüfbarer Weise dargelegt werden (VfSlg 14.802/1997, 17.102/2004; vgl auch VfSlg 11.888/1988, 12.223/1989; VfGH 11.6.2012, G120/11; VfSlg 19.938/2014 – die Zuordnung pauschal vorgetragener Bedenken zu einzelnen angefochtenen Bestimmungen ist demgegenüber nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, siehe nur VfSlg 17.102/2004, weiters etwa VfSlg 13.123/1992, 17.099/2003), oder mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, ist der Antrag daher, wenn auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, zulässig. Umfasst ein solcher Antrag darüber hinaus noch weitere Bestimmungen, führt dies, wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind, zur partiellen Zurückweisung des Antrages (vgl bereits VfSlg 14.802/1997).

2.3. Mit ihrem auf Art140 Abs1 Z2 B‑VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Landesregierung, "§84 Abs4 Z7 [ÄrzteG 1998], BGBl I Nr 69/1998, in der Fassung BGBl I Nr 172/2021, und §126 Ab[s]4 Z7 [ÄrzteG 1998], BGBl Nr 169/1998, in der Fassung BGBl I Nr 172/2021 […] als verfassungswidrig aufzuheben".

2.3.1. Dass die antragstellende Landesregierung die Letztfassung der gesamten Rechtsvorschrift zum maßgeblichen Zeitpunkt mit BGBl I 172/2021 zitiert und die angefochtenen Bestimmungen nicht exakt durch Angabe der Fundstelle der konkreten Rechtsvorschriften in der zur Aufhebung begehrten Fassung (hier: BGBl I 156/2005 der 7. Ärztegesetz‑Novelle) bezeichnet, schadet – entgegen der Auffassung der Österreichischen Ärztekammer und der Ärztekammer für Burgenland – nicht.

2.3.2. §62 Abs1 erster Satz VfGG normiert, dass der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, begehren muss, dass entweder das Gesetz seinem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden. Diesem Formerfordernis wird insofern entsprochen, als sich die maßgebliche Fassung der zur Aufhebung begehrten Rechtsvorschriften aus der wörtlichen Wiedergabe der bekämpften Bestimmungen im Antrag mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt (vgl VfSlg 14.040/1995).

2.3.3. Der Verfassungsgerichtshof geht daher in einem Zwischenergebnis davon aus, dass §84 Abs4 Z7 und §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998, BGBl I 169/1998, in der Fassung BGBl I 156/2005 angefochten werden.

2.4. Dem Vorbringen der Österreichischen Ärztekammer und der Ärztekammer für Burgenland, dass aus dem Fehlen des Nachweises der Beschlussfassung durch die Burgenländische Landesregierung anzunehmen sei, dass ein Beschluss fehle, ist entgegenzuhalten, dass die antragstellende Landesregierung dem Verfassungsgerichtshof einen Nachweis vorgelegt hat, wonach am 10. März 2022 die Beschlussfassung der Burgenländischen Landesregierung als Kollegialorgan erfolgt ist, den Antrag auf Normenkontrolle gemäß Art140 Abs1 Z2 B‑VG zu stellen (vgl §2 Abs1 Z2 der Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 14. Juli 2015, mit der die Geschäftsordnung der Burgenländischen Landesregierung erlassen wird [GeOL], LGBl 35/2015, idF LGBl 81/2021).

2.5. Vor dem Hintergrund der die Anfechtung tragenden Rechtsauffassung und der daraus erfließenden und geltend gemachten Bedenken ist der Antrag auch nicht zu eng. Jedenfalls würde eine Aufhebung der angefochtenen gesetzlichen Grundlagen einer verfassungskonformen Neuregelung den Weg eröffnen.

2.6. Im Verfahren hat sich auch sonst nichts ergeben, was am Vorliegen der Prozessvoraussetzungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag hinsichlich §84 Abs4 Z7 und §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 insgesamt als zulässig.

3. In der Sache

3.1. Vorauszuschicken ist, dass sich der Verfassungsgerichtshof in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken hat (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

3.2. Vor dem Hintergrund der unter Punkt IV.1. dargestellten Rechtslage ist der Antrag der Burgenländischen Landesregierung, die behauptet, §84 Abs4 Z7 und §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 seien verfassungswidrig, zu sehen.

3.3. Die antragstellende Landesregierung bringt in ihrem Antrag – auf das Wesentliche zusammengefasst – vor, dass die Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes nach §84 Abs4 Z7 bzw §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 nicht im überwiegenden Interesse der im Selbstverwaltungskörper der jeweiligen Ärztekammer zusammengefassten Mitglieder, sondern zumindest gleichermaßen auch im allgemeinen Interesse der krankenversicherten Bevölkerung an der Sicherstellung einer allgemeinmedizinischen Gesundheitsversorgung liege.

Daher sei es im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben nach Art120a ff. B‑VG unzulässig, diese Aufgabe den Ärztekammern in den Bundesländern bzw der Österreichischen Ärztekammer zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich zu überlassen. Ferner bedinge die Einrichtung eines Not- und Bereitschaftsdienstes eine nicht zulässige Ausnahme vom sonst gebotenen Weisungszusammenhang mit den obersten Organen der Vollziehung gemäß Art19 iVm Art20 Abs1 B‑VG.

3.4. Die Bundesregierung hält dem Vorbringen im Wesentlichen entgegen, dass die angefochtenen Bestimmungen lediglich das jeweils zuständige Kammerorgan ermächtigen würden, Regelungen darüber zu treffen, wie ein ärztlicher Not- und Bereitschaftsdienst für bestimmte Kurienangehörige ausgestaltet sein solle. Diese Vorgaben würden jedoch nicht außenstehende Dritte, sondern ausschließlich die (in der jeweiligen Kurie zusammengefasste) Ärzteschaft betreffen.

Die nähere Ausgestaltung der Teilnahme an einem ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst liege nicht nur im überwiegenden, sondern im ausschließlichen Interesse der in der jeweiligen Ärztekammer zusammengefassten Personen. Der Gesetzgebung könne somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie durch die angefochtenen Bestimmungen die "Einrichtung" – im Sinne einer konkreten Ausgestaltung – eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes den Ärztekammern im eigenen Wirkungsbereich zur (weisungsfreien) Besorgung übertragen habe. Damit seien auch die Bedenken im Hinblick auf Art19 iVm Art20 B‑VG zerstreut.

3.5. Die Österreichische Ärztekammer und die Ärztekammer für Burgenland treten der Auffassung der antragstellenden Landesregierung im Wesentlichen mit dem Argument entgegen, dass die Verordnungsermächtigungen in §84 Abs4 Z7 und §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 lediglich ermöglichen würden, den Not- und Bereitschaftsdienst innerhalb der Ärzteschaft zu organisieren und eine Diensteinteilung unter den kammerangehörigen Ärzten vorzunehmen. Sie würden aber die sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche der Versicherten auf ärztliche Hilfe unberührt lassen. Die Rechtssphäre der Versicherten werde dadurch nicht – schon gar nicht unmittelbar – gestaltet, weshalb mit Blick auf die einschlägige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen würden.

3.6. Der Verfassungsgerichtshof teilt die von der antragstellenden Landesregierung im Antrag vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken im Ergebnis nicht, basieren diese doch auf einer unzutreffenden Interpretation der angefochtenen Regelungen des ÄrzteG 1998:

3.6.1. Gemäß §84 Abs4 ÄrzteG 1998 ist die Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte bzw die Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte nach §126 Abs4 ÄrzteG 1998 dazu berufen, die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der niedergelassenen Ärzte wahrzunehmen und zu fördern. Zu diesem Zweck obliegen diesen Kammerorganen die in Abs4 par. cit. abschließend aufgelisteten Angelegenheiten. Zu diesen Angelegenheiten zählt eben auch die so genannte "Einrichtung" eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes.

3.6.2. Der Verfassungsgerichtshof geht mit der Burgenländischen Landesregierung davon aus, dass diese "Einrichtung" eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes eine Aufgabe im eigenen Wirkungsbereich der Ärztekammer(n) ist. Nicht zutreffend ist allerdings die von der antragstellenden Landesregierung vorgenommene Auslegung des Begriffs "Einrichtung". Anders als im Antrag dargelegt, handelt es sich dabei bloß um eine Ermächtigung betreffend die organisatorisch notwendige Einrichtung dieser notärztlichen Dienste (vgl dazu Wallner, Handbuch Ärztliches Berufsrecht2, 2018, 236; siehe auch VfGH 10.12.2014, B967/2012 ua; VwGH 29.1.2019, Ra 2018/08/0181), nicht jedoch um eine Ermächtigung, durch Verordnung die Frage zu klären, ob es solche Dienste zu geben hat. Die Frage des "Ob" ist eine Sache, die im Gesamtvertrag oder allenfalls in einem anderen Gesetz oder einer Verordnung zu regeln ist, denn dadurch werden die Rechtsansprüche und die (Rechts‑)Verhältnisse Dritter tatsächlich derart berührt, dass dies jedenfalls nicht mehr als Angelegenheit, die im überwiegenden Interesse der Ärzteschaft gelegen ist, betrachtet werden kann.

3.6.3. Gegen die Übertragung von Aufgaben, die im Rahmen des eigenen Wirkungsbereiches zu besorgen sind, bestehen grundsätzlich nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl VfSlg 19.885/2014, 19.887/2014), wobei stets die Grenzen zulässiger Selbstverwaltung zu beachten sind (vgl grundlegend VfSlg 8215/1977 und 18.548/2008 mwN; zur demokratischen Legitimation siehe VfSlg 17.023/2003, 17.869/2006 und 18.548/2008).

3.6.4. Diesen in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entwickelten – auch nach Inkrafttreten der Art120a ff. B‑VG weiterhin maßgeblichen (vgl VfSlg 19.017/2010) – verfassungsrechtlichen Vorgaben werden die angefochtenen Gesetzesbestimmungen gerecht.

3.6.5. Gegenstand der bekämpften Gesetzesbestimmungen ist die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes in Bezug auf innerorganisatorische Belange der niedergelassenen Ärzteschaft. Die in §84 Abs4 Z7 bzw §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 verankerte Ermächtigung der Kurienversammlung bzw der Bundeskurie dient der Normierung von Rahmenbedingungen für die berufliche Tätigkeit der Ärzte durch die nähere Ausgestaltung der Umsetzung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes, etwa betreffend Dienstzeiten, die Sprengeleinteilung, Vertretungsregeln und die Honorierung (vgl beispielhaft die für die Bundesländer Burgenland, Tirol und Oberösterreich erlassenen Verordnungen über die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes, kundgemacht auf der Homepage der Ärztekammer für Burgenland am 25. Juni 2021, für Tirol am 7. März 2019 sowie für Oberösterreich am 16. Juni 2020).

3.6.6. Die Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes richtet sich somit ausschließlich an die Mitglieder dieses Selbstverwaltungskörpers, zumal mit den angefochtenen Bestimmungen lediglich bewirkt wird, dass die zuständigen Organe der jeweiligen Ärztekammern Beschlüsse betreffend die Organisation eines Not- und Bereitschaftsdienstes gegenüber den Kurienmitgliedern fassen können (vgl auch Wallner, §§8485 ÄrzteG 1998, in: Neumayr/Resch/Wallner [Hrsg.], Gmundner Kommentar zum Gesundheitsrecht2, 2022, Rz 13 in Bezug auf §84 Abs4 Z7 leg. cit.).

3.6.7. Bei diesem – verfassungsrechtlich gebotenen – Verständnis der angefochtenen Regelungen ist somit auch festzuhalten, dass die Ärztekammer für Burgenland, anscheinend in Verkennung der geltenden Rechtslage, ihrer Ermächtigung bzw Verpflichtung zur Organisation nicht bzw nicht hinreichend nachgekommen zu sein scheint. Es ist allerdings ausgeschlossen, dass es ärztliche Not- und Bereitschaftsdienste nur nach Maßgabe der Verordnung der Ärztekammer geben kann.

3.6.8. Der antragstellenden Landesregierung ist dahingehend zuzustimmen, dass die allgemeinmedizinische Versorgung der Bevölkerung auch außerhalb der gewöhnlichen Ordinationszeiten von Ärzten ein gewichtiges öffentliches Interesse darstellt, deren Gewährleistung sicherzustellen ist, sowie auch, dass die Sicherstellung der Versorgung an sich – wie soeben dargetan – nicht und schon gar nicht allein durch eine Regelung im eigenen Wirkungsbereich der Ärztekammer erfolgen kann. Es ist aber eben davon auszugehen, dass ein (verfassungsrechtlich nicht zu beanstandendes) Zusammenwirken der unterschiedlichen Normsetzer unter verschiedenen Gesichtspunkten, etwa des Bundes- und/oder Landesgesetzgebers sowie Verordnungsgebers, notwendig ist, um die bestmögliche Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Dazu zählt auch die Ermächtigung bzw Verpflichtung der Ärztekammer, entsprechend der gesetzlichen Grundlage die Organisation der Ärzteschaft zu übernehmen. Dass diese letztlich auch Auswirkungen auf die Bevölkerung hat, ist hier nicht erheblich (vgl hingegen VfSlg 19.885/2014 zu Reflexwirkungen gegenüber Dritten).

3.6.9. Da die angefochtenen Bestimmungen des §84 Abs4 Z7 und §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 nicht den von der antragstellenden Landesregierung angenommenen Regelungsgehalt aufweisen, sondern bloß die "innerärztliche" Organisation ermöglichen, ist der Antrag abzuweisen.

V. Ergebnis

1. Die ob der Verfassungsmäßigkeit des §84 Abs4 Z7 und §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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