VfGH V3/2020

VfGHV3/202028.2.2020

Zurückweisung eines Antrages auf Aufhebung einer Verordnungsbestimmung; fehlende Begründungselemente des Verordnungsprüfungsantrags (des Berichters) gegenüber dem zuständigen Senat als Prozesshindernis im Verordnungsprüfungsverfahren nicht sanierbar

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z1
BesoldungsO Wr 1994 §74a
VfGG §7 Abs2, §57

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2020:V3.2020

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien, die Zeichenfolge "14," in ArtII Z1 des Beschlusses des Stadtsenates vom 12. Dezember 2017, Pr.Z03755-2017/0001-GIF (Nebengebührenkatalog für die Bediensteten der Stadt Wien; Änderung), Amtsblatt der Stadt Wien Nr 51 vom 21. Dezember 2017, als gesetzwidrig aufzuheben bzw in eventu auszusprechen, dass diese gesetzwidrig war.

II. Rechtslage

1. Punkt 22.) der Beilage A-II/IV/ALLG. des Beschlusses des Stadtsenates vom 28. März 2017, Pr.Z00804-2017/0001-GIF (Nebengebührenkatalog 2017), ABl. Nr 14/2017, idF des Beschlusses des Stadtsenates vom 17. Oktober 2017, Pr.Z03211‑2017/0001-GIF, ABl. Nr 43/2017, lautet wie folgt:

"Zulage

für Sozialarbeiter/Sozialarbeiterinnen der MA 10, MA 11, MA 15, MA 40, im Bereich des KAV, für Sozialarbeiter/Sozialarbeiterinnen die dem Fonds Soziales Wien zugewiesen sind, für einen Sozialarbeiter/eine Sozialarbeiterin der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft und für Bedienstete der MA 57, die im Rahmen des '24-Stunden-Frauennotrufes' Dienst versehen

monatlich Kz. 831901 37,87 EUR

Tagesgeld".

2. Der Beschluss des Stadtsenates vom 12. Dezember 2017, Pr.Z03755‑2017/0001-GIF, ABl. Nr 51/2017, lautet – auszugsweise – wie folgt:

"Artikel I

Der Beschluss des Stadtsenates vom 28. März 2017, Pr.Z00804-2017/0001-GIF, ABI. Nr 14, zuletzt geändert durch den Beschluss des Stadtsenates vom 17. Oktober 2017, Pr.Z03211-2017/0001-GIF, ABI. Nr 43, wird wie folgt geändert:

[...]

14. In der Beilage A-II/IV/ALLG. entfällt Punkt 22.

[...]

Artikel II

Es treten in Kraft:

1. Artikel I Z[...] 14, [...]mit 1. Jänner 2017.

[...]"

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Beim antragstellenden Gericht ist die Beschwerde einer Bediensteten der Stadt Wien anhängig, die jahrelang die im – vom Stadtsenat der Stadt Wien beschlossenen – Nebengebührenkatalog zur Kennzahl 831901 für Sozialarbeiterinnen vorgesehene Zulage "Tagesgeld" bezog. Im März 2017 wurde ihr mitgeteilt, dass die Auszahlung der Zulage mit 31. Dezember 2016 eingestellt werde; das bis April 2017 ausbezahlte Tagesgeld wurde als Übergenuss einbehalten. Mit Beschluss des Stadtsenates vom 12. Dezember 2017, Pr.Z03755-2017/0001-GIF, wurde rückwirkend ab 1. Jänner 2017 die Zulage "Tagesgeld" abgeschafft. Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 19. Februar 2018 wurde festgestellt, dass der Bediensteten im Hinblick auf den Beschluss des Stadtsenates vom 12. Dezember 2017 die Zulage "Tagesgeld" nicht mehr gebühre.

2. Bei der Behandlung der dagegen erhobenen – durch einen Senat zu behandelnden – Beschwerde sind beim antragstellenden Gericht Bedenken ob der Gesetzeskonformität der Zeichenfolge "14," in der Inkrafttretensanordnung des ArtII Z1 des Beschlusses des Stadtsenates vom 12. Dezember 2017, Pr.Z03755‑2017/0001-GIF, entstanden.

3. Der vorliegende Antrag wurde durch einen Senat des Verwaltungsgerichtes Wien gefasst. Wie sich aus dem beiliegenden Akt des Verwaltungsgerichtes ergibt, stellte der Berichter an den Senat folgenden Beschlussantrag (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seine Richter Mag. *********** als Vorsitzenden, Mag. *********** als Berichter und Mag. ********** als Beisitzerin sowie die Laienrichter Mag. *********** und Herrn ********** nach Vorlageantrag der [Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgericht Wien] aufgrund der Beschwerdevorentscheidung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 2, Personalservice, vom 15. Mai 2018, Zl MA 2/0570523 B, über die Beschwerde gegen den Bescheid vom 19. Februar 2019, Zl MA 2/0570523 B, den

 

B e s c h I u s s:

 

Gemäß Art139 Abs1 Z1 iVm Art89 Abs2 iVm Art135 Abs4 B‑VG wird an den Verfassungsgerichtshof der

 

ANTRAG

 

gestellt,

er möge

 

1. die Zeichenfolge "14," in der Inkrafttretensanordnung des ArtII z 1 des Beschlusses des Stadtsenates vom 12. Dezember 2017, Pr.Z03755-2017/0001-GIF (Änderung des Nebengebührenkataloges 2017 für die Bediensteten der Stadt Wien), Amtsblatt der Stadt Wien Nr 51 vom 21.12.2017 als gesetzwidrig aufheben;

 

2. in eventu

 

aussprechen, dass die Zeichenfolge "14," in der Inkrafttretensanordnung des ArtII Z1 des Beschlusses des Stadtsenates vom 12. Dezember 2017, Pr.Z03755-2017/0001-GIF (Änderung des Nebengebührenkataloges 2017 für die Bediensteten der Stadt Wien), Amtsblatt der Stadt Wien Nr 51 vom 21.12.2017 gesetzwidrig war."

IV. Zulässigkeit

1. Gemäß Art89 Abs2 iVm Art135 Abs4 B‑VG hat ein Verwaltungsgericht, wenn es gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzeswidrigkeit Bedenken hegt, den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Gemäß Art139 Abs1 Z1 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzeswidrigkeit von Verordnungen auf Antrag eines Gerichtes.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass zur Antragstellung gemäß Art139 und Art140 B‑VG nur jener Spruchkörper eines Gerichtes berechtigt ist, der die anzufechtende Norm bei der Entscheidung in der Sache anzuwenden hat (vgl zB VfSlg 12.381/1990 und 18.097/2007 mwN; VfGH 7.3.2018, G297/2017).

3. Das Verwaltungsgericht Wien hat über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 2, gemäß §74a Wr. DO 1994 idF LGBl 56/1994 in Senatsbesetzung zu entscheiden (§74a Wr. DO 1994 idF LGBl 62/2019 ist gemäß §115q Wr. DO idF LGBl 62/2019 auf die mit Ablauf des 31. Dezember 2019 beim Verwaltungsgericht Wien anhängigen Verfahren nicht anzuwenden); damit ist das Verwaltungsgericht Wien auch nur in dieser Zusammensetzung zur Antragstellung auf Aufhebung einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG berechtigt. Die Antragstellung gemäß Art139 B‑VG bedarf damit eines kollegialen Beschlusses des zuständigen Senates des Verwaltungsgerichtes Wien.

4. Gemäß §57 Abs1 VfGG hat ein Antrag auf Aufhebung einer Verordnung die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Die Gründe der behaupteten Gesetzwidrigkeit sind präzise zu umschreiben, die Bedenken sind schlüssig und überprüfbar darzulegen (vgl zB VfSlg 13.571/1993, 13.652/1993; VfGH 11.6.2018, V20/2018). Dem Antrag muss mit hinreichender Deutlichkeit entnehmbar sein, zu welcher Rechtsvorschrift die zur Aufhebung beantragte Norm in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese These sprechen (vgl zB VfSlg 14.802/1997, 17.752/2006 zum vergleichbaren §62 Abs1 VfGG).

5. Ausweislich der Aktenlage stellte der Berichter an den Senat den Beschlussantrag, einen Verordnungsprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, die Zeichenfolge "14," in der Inkrafttretensanordnung des ArtII Z1 des Beschlusses des Stadtsenates vom 12. Dezember 2017, Pr.Z03755‑2017/0001‑GIF, als gesetzwidrig aufzuheben. Dieser Beschluss wurde einstimmig angenommen; die – im Antrag an den Verfassungsgerichtshof enthaltenen – Begründungselemente des Verordnungsprüfungsantrages waren hingegen nicht einmal im Ansatz Inhalt des Senatsbeschlusses.

6. Damit entspricht der Beschluss des Senates nicht dem Erfordernis des §57 Abs1 zweiter Satz VfGG, wonach ein Antrag nach Art139 B‑VG die gegen die Gesetzmäßigkeit der bekämpften Verordnung sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen hat. Die fehlende Beschlussfassung des Senates in Bezug auf die Begründung des Verordnungsprüfungsantrages stellt kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis dar, das auch nicht durch nähere Ausführungen des Berichters oder des Vorsitzenden des Senates im Verordnungsprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof saniert werden kann (VfGH 7.3.2018, G297/2017).

7. Der Antrag war daher schon deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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