Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art131 Abs5
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
BFGG §24 Abs1
VwGVG §43 Abs1
WAOR (Wr G über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien) §5
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2017:G182.2017
Spruch:
I. Die Wortfolge ", wobei jedoch die Frist gemäß §43 Abs1 VwGVG 24 Monate beträgt" in §24 Abs1 des Bundesgesetzes über das Bundesfinanzgericht (Bundesfinanzgerichtsgesetz – BFGG), BGBl I Nr 14/2013 idF BGBl I Nr 105/2014, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
III. Die aufgehobene Wortfolge ist in Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht nicht mehr anzuwenden.
IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Gerichtsanträge
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E114/2016 eine auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 3. Februar 2014 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von € 60,– (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt, weil er zu einem näher genannten Zeit-punkt ein näher genanntes Kfz in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt habe, ohne das Kfz mit einem gültig entwerteten Parkschein gekennzeichnet oder einen elektronischen Parkschein aktiviert zu haben.
1.2. Das Bundesfinanzgericht hat mit Erkenntnis vom 9. Dezember 2015 (dem Beschwerdeführer am 15. Dezember 2015 zugestellt) die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
1.3. Bei der Behandlung der Beschwerde gegen diese Entscheidung sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge ", wobei jedoch die Frist gemäß §43 Abs1 VwGVG 24 Monate beträgt" in §24 Abs1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (im Folgenden: BFGG) entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 14. Juni 2016 beschlossen, diese Wortfolge von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
2. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"[…] Aus der Anordnung des §24 Abs1 BFGG über die Verlängerung der Frist gemäß §43 Abs1 VwGVG ergibt sich, dass für Verwaltungsstrafverfahren, für die das Bundesfinanzgericht auf Grund einer Zuständigkeitsübertragung gemäß Art131 Abs5 B‑VG zur Entscheidung berufen ist, die Entscheidungsfrist 24 Monate beträgt.
Zwar trifft es zu, dass das Bundesfinanzgericht in diesen Angelegenheiten ein 'abweichendes Verfahrensrecht' anzuwenden hat. Aber angesichts der (insbesondere im Hinblick auf Fälle betreffend die Hinterziehung der Parkometerabgabe) in rechtlicher und sachverhaltsmäßiger Hinsicht wenig komplexen Rechtssachen (auch die Materialien zu §24 Abs1 BFGG sprechen von 'zu erwartenden Bagatell- und Massenverfahren') dürfte es nicht sachlich gerechtfertigt sein, eine Entscheidungsfrist von 24 Monaten vorzusehen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Komplexität dieser Fälle im Vergleich zu den sonstigen durch das Bundesfinanzgericht zu vollziehenden Materien nicht erkennbar ist.
Hinzu kommt, dass die Bestimmung ohne zeitliche Einschränkung erlassen wurde (vgl. auch Unger/Wanke, Bundesfinanzgerichtsgesetz, 2014, §24 BFGG), sodass dem Bundesfinanzgericht die verlängerte Entscheidungsfrist unbefristet eingeräumt ist. Von Schwierigkeiten wegen des 'abweichenden Verfahrensrechtes' und der 'völlig fremden Rechtsmaterie' (vgl. RV 24 BlgNR 25. GP , 25) dürfte jedenfalls nach mehreren Jahren der Bearbeitung solcher Beschwerden nicht mehr auszugehen sein. Auch wenn die in Rede stehende Regelung für die ersten Jahre, in denen das Bundesfinanzgericht für Fälle betreffend die Hinterziehung der Parkometerabgabe zuständig war, noch gerechtfertigt gewesen sein mag, ist fraglich, ob dies auch weiterhin uneingeschränkt gelten kann.
[…] Hinzu kommt, dass §24 BFGG nur für gemäß Art131 Abs5 B‑VG übertragene Verfahren eine Verlängerung der Entscheidungsfrist anordnet. Es wird daher zu prüfen sein, ob die derart umschriebene Gruppe von Verfahren eine unterschiedliche Regelung rechtfertigt.
[…] Vorläufig geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass die Einräumung einer Entscheidungsfrist von 24 Monaten sachlich nicht begründbar sein dürfte und die dem Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz gesetzten Schranken über-schreitet. Die Bestimmung dürfte somit gegen das verfassungsgesetzlich gewähr-leistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verstoßen."
3. Darüber hinaus hat das Bundesfinanzgericht nach Erlassung des Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 2017 aus Anlass beim Bundesfinanzgericht anhängiger Verfahren betreffend Verwaltungsübertretungen nach dem Parkometergesetz 2006 insgesamt zwölf gleichlautende Gesetzesprüfungsanträge (protokolliert zu den Zahlen G194/2017, G198/2017, G208/2017, G209/2017, G210/2017, G211/2017, G222/2017, G223/2017, G224/2017, G225/2017, G226/2017, G229/2017) gestellt, die Wortfolge ", wobei jedoch die Frist gemäß §43 Abs1 VwGVG 24 Monate beträgt" in §24 Abs1 BFGG, BGBl I 14/2013 idF BGBl I 105/2014, als verfassungswidrig aufzuheben.
3.1. In den vorliegenden Fällen sei im Zeitpunkt der Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG seit Einlangen der Beschwerde bei der belangten Behörde jeweils die in §43 Abs1 VwGVG festgelegte Entscheidungsfrist von 15 Monaten vergangen. Die gemäß §24 Abs1 BFGG auf 24 Monate verlängerte Frist sei jedoch noch nicht abgelaufen. Das Bundesfinanzgericht habe daher §24 Abs1 BFGG anzuwenden, wobei dessen Anwendung in den – den Gesetzesprüfungsanträgen zugrundeliegenden – Anlassverfahren die Auswirkung hätte, dass die angefochtenen Straferkenntnisse bei einer Aufhebung des §24 Abs1 BFGG auf Grund der Anlassfallwirkung und des Umstandes, dass seit dem Einlangen der Beschwerde gegen das Straferkenntnis jedenfalls mehr als 15, jedoch weniger als 24 Monate vergangen seien, ex lege außer Kraft treten würden. Die Beschwerdeverfahren wären daher einzustellen.
3.2. Das Bundesfinanzgericht schließt sich den vom Verfassungsgerichtshof – im Prüfungsbeschluss vom 14. Juni 2017 – dargelegten Bedenken an.
II. Vorverfahren
1. Die Bundesregierung hat in den – beim Verfassungsgerichtshof zu G182/2017, G194/2017, G198/2017, G208/2017, G209/2017, G210/2017 und G211/2017 protokollierten – Verfahren mitgeteilt, von einer Äußerung Abstand zu nehmen.
2. Der Magistrat der Stadt Wien hat im – beim Verfassungsgerichtshof zu G182/2017 protokollierten – Verfahren eine Äußerung erstattet, in der er die vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken teilt:
"Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass seitens des Bundesfinanzgerichts dafür Sorge zu tragen sein wird, dass das Risiko der Verjährung von Strafverfahren im Bereich der gegenständlichen Rechtsmaterie entsprechend minimiert werde.
Die Regelungen des §43 Abs1 VwGVG sowie des §24 Abs1 BFGG dienen gegenüber dem Bestraften grundsätzlich der Einhaltung der Verfahrensgarantie des Art6 MRK auf Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist.
'Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen. ... Nicht eine lange Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnisse staatlicher Organe zurückzuführen ist. ...Gemäß §19 Abs2, 3. Satz VStG sind unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts die §§32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Nach §34 Abs2 StGB ist es auch ein Milderungsgrund, "wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat." (VfGH vom 02.03.2010, VfSlg 19011). [']
Dem Rechtsschutz des Bestraften kann demnach im Einzelfall entsprechend Rechnung getragen werden, weshalb eine über den Anlassfall hinausgehende Ausdehnung einer allfälligen Aufhebung der bekämpften Wortfolge in der Bestimmung des §24 Abs1 BFGG nicht notwendig ist.
Aus dem beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren zur ZI. G198/2017-2 ist bekannt, dass beim Bundesfinanzgericht noch eine größere Anzahl an vergleichbaren Beschwerdefällen (ca. 80) anhängig sind. Es wird daher zur Ermöglichung der Erledigung dieser und zwischenzeitlich, möglicherweise anfallender anderer Fälle im Sinne der Rechtssicherheit und zur Vermeidung unnötiger Fristsetzungsanträge gemäß §38 VwGG angeregt, im Falle einer Aufhebung eine angemessene Frist für das Außerkrafttreten vorzusehen."
In den Verfahren G194/2017, G198/2017, G208/2017, G209/2017 hat der Magistrat der Stadt Wien gleichlautende Äußerungen erstattet, in denen die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes geteilt werden. Darüber hinaus führt der Magistrat der Stadt Wien aus, dass die Vorgehensweise des Bundesfinanzgerichtes, wonach es in seinen Gesetzesprüfungsanträgen zum einen die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken betreffend die mangelnde sachliche Rechtfertigung der verlängerten Entscheidungsfrist von 24 Monaten teilt, jedoch zum anderen die – den Gesetzesprüfungsanträgen zugrunde liegenden – Verfahren nicht innerhalb einer dem Verfahren angemessenen Frist erledigt habe, nicht nachvollziehbar sei. Überdies sei die Anregung des Bundesfinanzgerichtes betreffend die Erweiterung der Anlassfallwirkung insofern abzulehnen, als eine sachliche Rechtfertigung für eine derartige Anordnung nicht vorliege.
3. Der Verfassungsgerichtshof führte zu den – beim Verfassungsgerichtshof zu G222/2017, G223/2017, G224/2017, G225/2017, G226/2017, G229/2017 protokollierten – gleichlautenden Anträgen des Bundesfinanzgerichtes (im Hinblick auf §19 Abs3 Z4 VfGG) kein weiteres Verfahren durch.
III. Rechtslage
1. §24 des Bundesgesetzes über das Bundesfinanzgericht (Bundesfinanzgerichtsgesetz – BFGG), BGBl I 14/2013 idF BGBl I 105/2014, lautet auszugsweise (die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben):
"2. Teil
Verfahren und Vollstreckung
Verfahren
§24. (1) Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht ist in der BAO, im Zoll-rechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG), BGBl Nr 659/1994, und im Finanzstraf-gesetz (FinStrG), BGBl Nr 129/1958, geregelt. Für gemäß Art131 Abs5 B‑VG dem Bundesfinanzgericht übertragene Rechtsmittel betreffend Verwaltungs-übertretungen ist das Verfahren im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013, geregelt, wobei jedoch die Frist gemäß §43 Abs1 VwGVG 24 Monate beträgt. Die Vollstreckung diesbezüglicher Erkenntnisse und Beschlüsse hat nach den Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 zu erfolgen. Für Beschwerden nach §1 Abs3 Z2 ist das Verfahren im VwGVG geregelt.
(2) – (6) […]"
2. §43 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl I 33/2013, lautet:
"Verjährung
§43. (1) Sind seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis bei der Behörde 15 Monate vergangen, tritt es von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen.
(2) In die Frist gemäß Abs1 werden die Zeiten gemäß §34 Abs2 und §51 nicht eingerechnet."
IV. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat in den in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Verfahren erwogen:
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Im von Amts wegen eingeleiteten Prüfungsverfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zweifeln ließe. Es ist auch nichts hervorgekommen, das daran zweifeln ließe, dass das Bundesfinanzgericht die angefochtene Bestimmung bei seinen Entscheidungen denkmöglich anzuwenden hat. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweisen sich die Gesetzesprüfungsverfahren als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Die im Prüfungsbeschluss sowie in den Anträgen des Bundesfinanzgerichtes geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §24 Abs1 BFGG, denen auch die Bundesregierungen nicht entgegengetreten ist, haben sich als zutreffend erwiesen. Die Wortfolge ", wobei jedoch die Frist gemäß §43 Abs1 VwGVG 24 Monate beträgt" in §24 Abs1 BFGG widerspricht aus den im Prüfungsbeschluss dargelegten Gründen dem Gleichheitsgrundsatz.
2.1.1. Gemäß §5 des Gesetzes über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien (WAOR), LGBl für Wien 21/1962 idF LGBl für Wien 45/2013, entscheidet über Beschwerden in Angelegenheiten der in den §§1 und 2 genannten Landes- und Gemeindeabgaben und der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu diesen Abgaben das Bundesfinanzgericht. Somit ist das Bundesfinanzgericht auch zur Entscheidung über Beschwerden in Verwaltungsstrafverfahren wegen Hinterziehung der Wr. Parkometerabgabe zuständig (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Zuständigkeitsübertragung vgl. VfSlg 19.945/2015).
2.1.2. Gemäß §24 Abs1 BFGG hat das Bundesfinanzgericht bei Behandlung von gemäß Art131 Abs5 B‑VG übertragenen Rechtsmitteln das VwGVG anzuwenden. Abweichend von der 15 Monate betragenden Frist des §43 Abs1 VwGVG wurde für das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht eine Frist von 24 Monaten festgelegt.
2.2. Die in §24 Abs1 BFGG normierte Entscheidungsfrist von 24 Monaten wurde mit der Novelle BGBl I 14/2013 eingeführt. Zur Begründung führen die Materialien (RV 24 BlgNR 25. GP , 25) Folgendes aus:
"Mit dem Wiener Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz Abgaben (LGBl Nr 45/2013) wurde die Zuständigkeit für das Rechtsmittelverfahren betreffend das Abgabenrecht und des abgabenrechtlichen Verwaltungsstrafrechts des Landes Wien gemäß Art131 Abs5 B‑VG auf das Bundesfinanzgericht übertragen. Das Bundesfinanzgerichtsgesetz sieht in §24 Abs1 als Verfahrensordnung für Rechtsmittel im Strafbereich nur das Finanzstrafgesetz vor, welches für die zu erwartenden Bagatell- und Massenverfahren nicht geeignet ist. Es soll daher für die gemäß Art131 Abs5 B‑VG übertragenen Rechtsmittel betreffend Verwaltungsübertretungen das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) gelten. Allerdings ist die Verjährungsfrist des §43 Abs1 VwGVG von bloß 15 Monaten in Anbetracht der gegebenen zusätzlichen Belastung des Bundesfinanzgerichtes mit einer völlig fremden Rechtsmaterie, die überdies in Anwendung eines abweichenden Verfahrensrechtes zu judizieren ist, zu kurz bemessen. Berücksichtigt man auch, dass diese Frist durch die Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung der Verwaltungsbehörde noch weiter verkürzt wird, erscheint eine Verlängerung auf 24 Monate für Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht als gerechtfertigt. Für die Vollstreckung der diesbezüglichen Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes sollen die Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 zur Anwendung kommen."
2.3. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002).
Grundsätzlich ist es dem Gesetzgeber auch nicht verwehrt, für verschiedene Verfahrensarten differenzierende Regelungen zu treffen (vgl. VfSlg 11.795/1988). Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch in seiner Rechtsprechung in bestimmten Fällen auch verfahrensrechtliche Regelungen am Gleichheitsgrundsatz gemessen (vgl. zB VfSlg 18.412/2008, 19.690/2012).
2.3.1. §51 Abs7 VStG (die Vorgängerbestimmung zu §43 Abs1 VwGVG) wurde eingeführt, um in Verwaltungsstrafverfahren eine angemessene Verfahrensdauer zu gewährleisten. Außerdem war die Regelung als "Ausgleich" für den Ausschluss einer Säumnisbeschwerde gemäß Art132 B‑VG aF zu sehen (vgl. dazu M. Köhler, §51 VStG, in: Raschauer/Wessely [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz, 2010, Rz 18).
2.3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 18.12.2014, Fr 2014/01/0048) ist ein Fristsetzungsantrag gemäß Art133 Abs1 Z2 B‑VG für den Beschuldigten eines Verwaltungsstrafverfahrens ausgeschlossen. Dies gilt auch für vor dem Bundesfinanzgericht geführte Verwaltungsstrafverfahren. Den einzigen Säumnisschutz in einem Fall wie dem vorliegenden Anlassfall stellen daher die Frist gemäß §24 Abs1 BFGG iVm §43 Abs1 VwGVG sowie die Strafbarkeitsverjährung gemäß §31 Abs2 VStG dar.
2.3.3. Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, dass eine Verlängerung der in §43 VwGVG normierten Verjährungsfrist auf 24 Monate für gemäß Art131 Abs5 B‑VG übertragene Verfahren angesichts der (insbesondere im Hinblick auf Fälle betreffend die Hinterziehung der Parkometerabgabe) in rechtlicher und sachverhaltsmäßiger Hinsicht wenig komplexen Rechtssachen (auch die Materialien zu §24 Abs1 BFGG sprechen von "zu erwartenden Bagatell- und Massenverfahren") sachlich nicht gerechtfertigt ist und die Komplexität dieser Fälle im Vergleich zu den sonstigen durch das Bundesfinanzgericht zu vollziehenden Materien nicht erkennbar ist.
V. Ergebnis
1. Die Wortfolge ", wobei jedoch die Frist gemäß §43 Abs1 VwGVG 24 Monate beträgt" in §24 Abs1 BFGG, BGBl I 14/2013 idF BGBl I 105/2014, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B‑VG.
3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich veranlasst, von der ihm durch Art140 Abs7 zweiter Satz B‑VG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch zu machen und auszusprechen, dass die aufgehobene Bestimmung in Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht nicht mehr anzuwenden ist.
4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B‑VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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