VfGH G435/2015, V 124/2015

VfGHG435/2015, V 124/20155.10.2016

Abweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des ASVG über einzuhebende Kostenbeiträge der Versicherten für im Gesamtvertrag nicht enthaltene, in Zahnambulatorien erbrachte Leistungen, zB Zahnbehandlung in Vollnarkose; Aufnahme der Leistung in die Satzung allein zur Vermeidung der Kostenbeitragspflicht nicht ausreichend; Zurückweisung des Antrags hinsichtlich von Bestimmungen der Satzung 2011 der Nö Gebietskrankenkasse mangels Darlegung von Bedenken im Einzelnen sowie des Antrags betr eine Regelung des ASVG über den Unterstützungsfonds mangels Präjudizialität

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z4
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
ASVG §84, §153 Abs3
Satzung 2011 der Nö Gebietskrankenkasse idF der 8. und 9. Änderung §31 Abs3
VfGG §57 Abs1
VfGG §62 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2016:G435.2015

 

Spruch:

I. Der Antrag, §31 Abs3 der Satzung 2011 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, idF der 8. Änderung der Satzung, 45/2015 und der 9. Änderung der Satzung, 103/2015, sowie den Anhang 3 der genannten Satzung, in eventu in Anhang 3 der genannten Satzung die Wortfolge "14. Narkose/1 Stunde und 15. Narkose/weitere Stunde" als gesetzwidrig aufzuheben, wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag, §84 ASVG idF BGBl I 118/2015, in eventu §84 Abs6 ASVG idF BGBl I 118/2015, als verfassungswidrig aufzuheben, wird zurückgewiesen.

III. Der Antrag, in §153 Abs3 vierter Satz ASVG idF BGBl I 118/2015 die Wortfolge ", die nicht Gegenstand des Gesamtvertrages oder der Satzung sind oder waren", in eventu in §153 Abs3 vierter Satz ASVG idF BGBl I 118/2015 die Wortfolge "oder der Satzung", als verfassungswidrig aufzuheben, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Aufhebungsbegehren

1. Die Antragsteller stellen sowohl einen Parteiantrag auf Verordnungsprüfung im Sinne des Art139 Abs1 Z4 B‑VG als auch einen Parteiantrag auf Gesetzesprüfung im Sinne des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG.

2. Mit dem auf Art139 Abs1 Z4 B‑VG gestützten Antrag wird die Aufhebung des §31 Abs3 der Satzung 2011 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, idF der 8. Änderung der Satzung, 45/2015 und der 9. Änderung der Satzung, 103/2015, sowie die Aufhebung des Anhangs 3 der genannten Satzung und in eventu die Aufhebung der Wortfolge "14. Narkose/1 Stunde und 15. Narkose/weitere Stunde", in Anhang 3 der genannten Satzung, begehrt.

3. Mit dem auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag wird die Aufhebung der Wortfolge ", die nicht Gegenstand des Gesamtvertrages oder der Satzung sind oder waren" in §153 Abs3 vierter Satz ASVG idF BGBl I 118/2015, in eventu die Aufhebung der Wortfolge "oder der Satzung" in §153 Abs3 vierter Satz ASVG idF BGBl I 118/2015, sowie die Aufhebung des §84 ASVG idF BGBl I 118/2015, in eventu §84 Abs6 ASVG idF BGBl I 118/2015, begehrt.

II. Rechtslage

1. Der zur Gänze bzw. zum Teil angefochtene §84 ASVG, BGBl 189/1955 idF BGBl I 145/2003, lautet wie folgt:

"Unterstützungsfonds

 

§84. (1) Die Versicherungsträger können einen Unterstützungsfonds anlegen.

 

(2) Die Träger der Krankenversicherung können dem Unterstützungsfonds

a) bis zu 25 vH des im Rechnungsabschluß nachgewiesenen Gebarungsüberschusses, der ohne Berücksichtigung dieser Überweisung zu berechnen ist, höchstens jedoch 1 vH der Erträge an Versicherungsbeiträgen, oder

b) bis zu 3 vT der Erträge an Versicherungsbeiträgen,

überweisen. Überweisungen nach litb dürfen nur so weit erfolgen, daß die Mittel des Unterstützungsfonds am Ende des Geschäftsjahres den Betrag von 5 vT der Erträge an Versicherungsbeiträgen nicht übersteigen.

 

(3) Dem Unterstützungsfonds können

1. die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt bis zu 1 vT der Erträge an Versicherungsbeiträgen,

2. die Träger der Pensionsversicherung von den Erträgen an Versicherungsbeiträgen bis zu den nachstehend angeführten Tausendsätzen, und zwar

a) die Pensionsversicherungsanstalt bis zu 1,0 vT,

b) die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau bis zu 1,5 vT

c) [aufgehoben]

überweisen.

 

(4) Die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau als Träger der Unfallversicherung kann zur Auffüllung des Unterstützungsfonds einen Zuschlag zu den Unfallversicherungsbeiträgen bis zu 3 vT dieser Beiträge einheben.

 

(5) Überweisungen nach Abs3 und 4 dürfen nur so weit erfolgen, daß die Mittel des Unterstützungsfonds am Ende des Geschäftsjahres

1. bei den Trägern der Unfallversicherung den Betrag von 15 vT und

2. bei den Trägern der Pensionsversicherung den nachstehend angeführten Tausendsatz, und zwar

a) bei der Pensionsversicherungsanstalt 2,0 vT,

b) bei der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau 3,0 vT

c) [aufgehoben]

der Erträge an Versicherungsbeiträgen nicht übersteigen.

 

(6)  Die Mittel des Unterstützungsfonds können in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen, insbesondere in Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des zu Unterstützenden, für Unterstützungen nach Maßgabe der hiefür vom Vorstand zu erlassenden Richtlinien verwendet werden. "

2. §153 ASVG in der Fassung der 29. ASVG-Novelle, BGBl 31/1973, lautete wie folgt:

"Zahnbehandlung und Zahnersatz

 

§153. (1) Zahnbehandlung ist nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung zu gewähren. Als Leistungen der Zahnbehandlung kommen chirurgische Zahnbehandlung, konservierende Zahnbehandlung und Kieferregulierungen, letztere, soweit sie zur Verhütung von schweren Gesundheitsschädigungen oder zur Beseitigung von berufsstörenden Verunstaltungen notwendig sind, in Betracht. Diese Leistungen der Zahnbehandlung können in der Satzung des Versicherungsträgers von der Erfüllung einer Wartezeit abhängig gemacht werden. §121 Abs3 gilt entsprechend.

 

(2) Der unentbehrliche Zahnersatz kann unter Kostenbeteiligung des Versicherten gewährt werden. An Stelle der Sachleistung können auch Zuschüsse zu den Kosten eines Zahnersatzes geleistet werden. Das Nähere wird durch die Satzung des Versicherungsträgers bestimmt.

 

(3) Zahnbehandlung und Zahnersatz werden als Sachleistungen durch Vertragsärzte, Wahlärzte (§131 Abs1), nach den Bestimmungen des Dentistengesetzes, BGBl Nr 90/1949, auch durch Vertragsdentisten, Wahldentisten (§131 Abs1), in eigens hiefür ausgestatteten Einrichtungen (Ambulatorien) der Versicherungsträger (Verbände) oder in Vertragseinrichtungen gewährt. Für die Zahnbehandlung gilt hiebei §135 Abs2 entsprechend. Insoweit Zuzahlungen zu den Leistungen der Zahnbehandlung und des Zahnersatzes vorgesehen sind, müssen diese in den Zahnambulatorien und bei den freiberuflich tätigen Vertragsfachärzten und Vertragsdentisten gleich hoch sein. In den Satzungen und im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen dürfen in den Zahnambulatorien nicht erbracht werden; in den Zahnambulatorien dürfen aber jedenfalls jene Leistungen erbracht werden, die am 31. Dezember 1972 Gegenstand eines Vertrages waren.

 

(4) Bei der Inanspruchnahme der chirurgischen oder konservierenden Zahnbehandlung durch einen Vertragszahnarzt oder Vertragsdentisten oder in einer eigenen Einrichtung (Vertragseinrichtung) des Versicherungsträgers ist ein Zahnbehandlungsschein vorzulegen. Der Hauptverband hat hiefür einen einheitlichen, für alle Versicherungsträger gültigen Vordruck aufzulegen.

 

(5) Für die Übernahme von Reise(Fahrt)- bzw. Transportkosten gilt §135 Abs4 und 5 entsprechend."

3. Durch die 55. ASVG-Novelle, BGBl I 138/1998, wurde §153 Abs3 ASVG dahingehend abgeändert, dass jene Leistungen, die in Zahnambulatorien erbracht werden dürfen (ausschließlich) im Gesamtvertrag geregelt werden müssen:

"(3) Zahnbehandlung und Zahnersatz werden als Sachleistungen durch Vertragsärzte, Wahlärzte (§131 Abs1), nach den Bestimmungen des Dentistengesetzes, BGBl Nr 90/1949, auch durch Vertragsdentisten, Wahldentisten (§131 Abs1), in eigens hiefür ausgestatteten Einrichtungen (Ambulatorien) der Versicherungsträger (des Hauptverbandes) oder in Vertragseinrichtungen gewährt. Für die Zahnbehandlung gilt hiebei §135 Abs2 entsprechend. Insoweit Zuzahlungen zu den Leistungen der Zahnbehandlung und des Zahnersatzes vorgesehen sind, müssen diese in den Zahnambulatorien und bei den freiberuflich tätigen Vertragsfachärzten und Vertragsdentisten gleich hoch sein. In gesamtvertraglichen Vereinbarungen (§§341, 343c Abs1 Z1), nicht vorgesehene Leistungen dürfen in den Zahnambulatorien nicht erbracht werden; in den Zahnambulatorien dürfen aber jedenfalls jene Leistungen erbracht werden, die Gegenstand des letztgültigen Vertrages gemäß §341 bzw. §343c Abs1 Z1 sind oder waren."

3.1. In den Erläuterungen zur entsprechenden Regierungsvorlage (RV 1234 BIgNR 20. GP, 33) wird dazu ausgeführt:

"Gemäß §153 Abs3 letzter Satz ASVG dürfen in der Satzung und im Vertrag mit den Zahnärzten nicht vorgesehene Leistungen in den Zahnambulatorien der Krankenversicherungsträger nicht erbracht werden; in den Zahnambulatorien dürfen aber jedenfalls jene Leistungen erbracht werden, die am 31. Dezember 1972 Gegenstand eines Vertrages waren. Diese im Interesse der niedergelassenen Zahnärzte und Dentisten in das Gesetz aufgenommene Bestimmung ist in der Vergangenheit schon mehrfach heftig kritisiert worden. So hat Bundesminister a. D. Hesoun bereits am 22. Juli 1994 in Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr 6694/J angekündigt, eine Initiative zur Optimierung der zahnmedizinischen Versorgung der Bevölkerung ergreifen zu wollen. In Fortführung dieser Absicht hat Bundesminister a. D. Hums mit Vertretern der Zahnärzte und Dentisten Gespräche über Möglichkeiten einer anderen Gestaltung der Befugnisse der Zahnambulatorien geführt, die jedoch auf Grund des Widerstandes der Ärzteschaft kein konkretes Ergebnis zeitigten. In diesem Zusammenhang wurde der Vorschlag unterbreitet, die Erbringung sämtlicher zahnärztlicher Leistungen durch Zahnambulatorien unter der Voraussetzung zu gestatten, dass Vorsorge gegen eine Wettbewerbsverzerrung im Vergleich zu den Zahnärzten und Dentisten (überprüfbare Gewinn- und Verlustrechnung, exakte Kostenanrechnung, keine Subventionen, keine indirekten Kostentransfers) getroffen wird.

 

Die hohen Kosten des festsitzenden Zahnersatzes, die von den Patienten privat zu tragen sind (sog. Privatleistungsbereich), rechtfertigen es nicht, den im §153 Abs3 ASVG vorgesehenen Konkurrenzschutz zugunsten der niedergelassenen Zahnärzte in der bisherigen Weise aufrecht zu erhalten. Allerdings soll durch Einfügung eines neuen §343c ASVG die Festlegung des Tätigkeitsumfanges der Zahnambulatorien sowie der Richttarife für festsitzenden Zahnersatz im Rahmen eines besonderen Gesamtvertrages ermöglicht werden (vgl. die Erläuterungen zu Z130). Auf diese Weise soll das Ziel verwirklicht werden, den Krankenversicherten und deren Angehörigen in Österreich Zahnersatz zu leistbaren ökonomischen Bedingungen zugänglich zu machen."

4. §153 Abs3 ASVG in der Fassung des 3. Sozialrechts-Änderungsgesetz 2009 (3. SRÄG 2009), BGBl I 84/2009, lautete wie folgt:

"(3) Zahnbehandlung und Zahnersatz werden als Sachleistungen durch Vertragszahnärzte/Vertragszahnärztinnen oder Vertrags-Gruppenpraxen, Wahlzahnärzte/Wahlzahnärztinnen oder Wahl-Gruppenpraxen (§131 Abs1), Vertragsdentisten/Vertragsdentistinnen, Wahldentisten/Wahldentistinnen (§131 Abs1), in eigens hiefür ausgestatteten Einrichtungen (Ambulatorien) der Versicherungsträger (des Hauptverbandes) oder in Vertragseinrichtungen gewährt. Für die Zahnbehandlung gilt hiebei §135 Abs2 entsprechend. Insoweit Zuzahlungen zu den Leistungen der Zahnbehandlung und des Zahnersatzes vorgesehen sind, müssen diese in den Zahnambulatorien und bei den freiberuflich tätigen Vertragszahnärzten/Vertragszahnärztinnen und Vertragsdentisten/Vertragsdentistinnen sowie bei den Vertrags-Gruppenpraxen gleich hoch sein. In gesamtvertraglichen Vereinbarungen (§§341, 343c Abs1 Z1) nicht vorgesehene Leistungen dürfen in den Zahnambulatorien nicht erbracht werden; in den Zahnambulatorien dürfen aber jedenfalls jene Leistungen erbracht werden, die Gegenstand des letztgültigen Vertrages gemäß §341 bzw. §343c Abs1 Z1 sind oder waren sowie Maßnahmen zur Vorbeugung von Erkrankungen der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich der dazugehörigen Gewebe. Für derartige vorbeugende Maßnahmen sind in der Satzung des Versicherungsträgers kostendeckende Kostenbeiträge der/des Versicherten vorzusehen."

4.1. In den Erläuterungen zur entsprechenden Regierungsvorlage (RV 197 BlgNR 24. GP , 7) wird dazu ausgeführt:

"Bisher war es den Zahnambulatorien der Sozialversicherungsträger verwehrt in gesamtvertraglichen Vereinbarungen (§§341 und 343c Abs1 Z1 ASVG) nicht vorgesehene Leistungen zu erbringen. Durch die vorgeschlagenen Änderungen sollen Maßnahmen zur Vorbeugung von Erkrankungen der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich der dazugehörigen Gewebe, zur Verbesserung der Prävention von Erkrankungen in diesem Bereich und die damit verbundene Vermeidung von Folgekosten für die Sozialversicherungsträger durch die Zahnambulatorien durchgeführt werden können. Die Krankenversicherungsträger haben in ihren Satzungen kostendeckende Kostenbeiträge der Versicherten vorzusehen."

5. Durch das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2012 (SVÄG 2012), BGBl I 123/2012, wurden die bisher bestehenden Beschränkungen des Leistungsangebotes der Zahnambulatorien weitgehend beseitigt; die geltende Fassung des §153 Abs3 und 3a ASVG, lautet wie folgt (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"(3) Zahnbehandlung und Zahnersatz werden als Sachleistungen durch Vertragszahnärzte/Vertragszahnärztinnen oder Vertrags-Gruppenpraxen, Wahlzahnärzte/Wahlzahnärztinnen oder Wahl-Gruppenpraxen (§131 Abs1), Vertragsdentisten/Vertragsdentistinnen, Wahldentisten/Wahldentistinnen (§131 Abs1), in eigens hiefür ausgestatteten Einrichtungen (Ambulatorien) der Versicherungsträger oder in Vertragseinrichtungen gewährt. §135 Abs2 erster und zweiter Satz gelten entsprechend. Insoweit Zuzahlungen zu den Leistungen der Zahnbehandlung und des Zahnersatzes vorgesehen sind, müssen diese in den Zahnambulatorien der Versicherungsträger und bei den freiberuflich tätigen Vertragszahnärzten/Vertragszahnärztinnen und Vertragsdentisten/Vertragsdentistinnen sowie bei den Vertrags-Gruppenpraxen gleich hoch sein. Werden in Zahnambulatorien der Versicherungsträger Leistungen, die nicht Gegenstand des Gesamtvertrages oder der Satzung sind oder waren, sowie Maßnahmen zur Vorbeugung von Erkrankungen der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich der dazugehörigen Gewebe erbracht, so sind dafür Kostenbeiträge der Versicherten vorzusehen. Diese Beiträge sind kostendeckend festzusetzen und auf der Homepage des Versicherungsträgers sowie durch Aushang im Zahnambulatorium des Versicherungsträgers zu veröffentlichen.

 

(3a) Die Krankenversicherungsträger dürfen in den Zahnambulatorien im Bereich des festsitzenden Zahnersatzes keine kosmetischen Luxusleistungen, ebenso keine umfangreichen festsitzenden Zahnersatzkonstruktionen erbringen, die als Gesamtarbeit wegen ihrer Größe ein außergewöhnliches Risiko darstellen."

5.1. In den Erläuterungen zur entsprechenden Regierungsvorlage (RV 2001 BIgNR 24. GP, 5) wird dazu ausgeführt:

"Den Zahnambulatorien der Sozialversicherungsträgern soll durch die vorgesehenen Änderungen die Möglichkeit gegeben werden, alle Leistungen der Zahnbehandlung, des Zahnersatzes sowie Maßnahmen zur Vorbeugung der Erkrankung der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich der dazugehörigen Gewebe zu erbringen. Die bisher bestehenden Beschränkungen des Leistungsangebotes und der dadurch bestehende Wettbewerbsnachteil sollen somit zur Gänze beseitigt werden, wodurch für den Betrieb dieser Einrichtungen auch eine bessere Rentabilität erreicht werden kann.

 

Für die Versicherten kann eine hochwertige zahnmedizinische Versorgung angeboten und damit ein zusätzlicher Beitrag zur Zahngesundheit der Bevölkerung geleistet werden. Änderungen im Bereich der Leistungsansprüche gegenüber dem Krankenversicherungsträger ergeben sich nicht. da sich die Erweiterung des Leistungsangebotes nur auf die nicht durch Gesamtvertrag oder Satzung geregelten Leistungen beziehen soll. Überdies kann dadurch die Attraktivität der Sozialversicherung als Arbeitgeber für zahnärztliches Personal gesteigert werden, da dieses nunmehr die Arbeitskraft im vollen Umfang ihrer Ausbildung einbringen kann.

 

Für jene Leistungen, die von den Zahnambulatorien nunmehr erbracht werden dürfen, und die nicht durch Gesamtvertrag oder die Satzung geregelt sind oder waren, sind vom Versicherungsträger kostendeckende Kostenbeiträge der Versicherten vorzusehen, sodass die vorgesehenen Maßnahmen zu keiner Kostenbelastung der Zahnambulatorien und der sozialen Krankenversicherung führen. Für die Festsetzung der kostendeckenden Kostenbeiträge ergibt sich die Zuständigkeit des Vorstandes aus der Generalklausel des §434 Abs1 AWG sowie den Parallelbestimmungen in den Sondergesetzen. Die Festsetzung ist keine laufende Aufgabe im Sinne dieser Bestimmung und soll deshalb dem Vorstand vorbehalten bleiben.

 

Als kosmetische Luxusleistungen im Sinne des §153 Abs3a ASVG sowie der Parallelbestimmungen in den Sondergesetzen sind Leistungen zu verstehen, die rein kosmetischer Natur und ohne gesundheitlichen Mehrwert sind. Außergewöhnliche risikoreiche umfangreiche Zahnersatzkonstruktionen sind entsprechend dem Stand der zahnmedizinischen Wissenschaft und dem jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. So werden beispielsweise im zahnlosen Kiefer nicht mehr als vier Implantate im Oberkiefer bzw. zwei Implantate im Unterkiefer oder auf paradontal vorgeschädigten Zähnen eine Brücke mit mehr als sechs Gliedern nicht in einem Kassenambulatorium erbracht werden können."

6. §31 Abs3 der Satzung 2011 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse idF der 8. Änderung, 45/2015 und 9. Änderung, 103/2015, lautet:

"(3) Zahnmedizinische Leistungen, die über den Leistungsumfang der Anhänge 1 und 2 hinausgehen, werden von der Kasse im Umfang des Anhanges 3 nur insoweit erbracht, als sie in Vertragseinrichtungen vertraglich geregelt sind. Werden solche Leistungen in einer entsprechenden Wahleinrichtung (selbstständiges Ambulatorium gemäß §2 Abs1 Z5 KAKuG) erbracht, leistet die Kasse eine Kostenerstattung in Höhe von 80 % des entsprechenden Vertragstarifes, wenn der/die Leistungserbringer/in dieselben Qualitätsvoraussetzungen (berufliche Qualifikation, apparative und personelle Ausstattung) wie die Vertragseinrichtung hat."

6.1. Anhang 3 der Satzung 2011 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse idF der 8. Änderung, 45/2015 und 9. Änderung, 103/2015, lautet auszugsweise wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Anhang 3

 

Zahnmedizinische Leistungen gemäß §31 Abs3, die über den

Leistungsumfang der Anhänge 1 und 2 hinausgehen

 

Folgende Leistungen werden entsprechend den Tarifen, die im Anhang zum Vertrag der Kasse mit den Vertragseinrichtungen jeweils vorgesehen sind, und unter den im Vertrag dafür festgelegten Voraussetzungen als Sachleistungen erbracht:

 

I. Oralchirurgie

 

1. – 13. […]

14. Narkose/erste Stunde

15. Narkose/weitere Stunden

16. – 18. […]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Den Anträgen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse bietet in ihren Ambulatorien Zahnbehandlungen unter Allgemeinanästhesie (Vollnarkose) an, wobei für Kinder unter 14 Jahren sowie für Personen mit besonderen Bedürfnissen, denen auf Grund ihrer Beeinträchtigung eine herkömmliche Behandlung ohne Narkose nicht zumutbar ist, nach dem Vorbringen der Antragsteller kein Kostenbeitrag eingehoben worden sei.

1.2. Der Erstantragsteller ist Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Er betreibt eine Zahnarztordination in Niederösterreich und verfügt über einen Kassenvertrag mit der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse. Der Zweitantragsteller ist Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Er erbringt seine Dienste unter anderem in der Ordination des Erstantragstellers, wo er Allgemeinanästhesien (Vollnarkosen) verabreicht. Der Erstantragsteller verrechnet seinen Patienten dafür ein Honorar, das er mit dem Zweitantragsteller teilt.

1.3. Die Antragsteller klagten die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse wegen unlauteren Wettbewerbs u.a. auf Unterlassung des Anbietens von Vollnarkosen, für die kein Kostenbeitrag eingehoben wird. Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 17. Februar 2015 (4 Ob 234/14m) wurde der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse mit einstweiliger Verfügung zunächst untersagt, in ihrem Zahnambulatorium in St. Pölten Vollnarkosen zur Zahnbehandlung von versicherten Patienten anzubieten und/oder zu verabreichen, ohne dafür kostendeckende Beiträge der Versicherten vorzusehen, zu veröffentlichen und einzuheben.

1.4. In der Folge nahm die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse eine Änderung ihrer Satzung 2011 vor, und zwar wurde die Leistung der Narkose in den Leistungskatalog der Satzung aufgenommen.

Das Landesgericht St. Pölten als Handelsgericht hob auf Grund dessen die Einstweilige Verfügung auf und wies mit Urteil vom 14. August 2015 die wegen unlauteren Wettbewerbs erhobene Klage der nunmehrigen Antragsteller ab, und zwar mit der Begründung, die betreffende Geschäftspraktik der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse sei seit dem Inkrafttreten dieser Satzungsänderung nicht mehr rechtswidrig. Dagegen erhoben die Antragsteller Berufung und stellten aus Anlass dieses Rechtsmittels die vorliegenden Parteianträge.

2. Die Antragsteller bringen in ihrem Parteiantrag vor, sie seien durch Anwendung der §§84 und 153 ASVG idF BGBl I 118/2015 sowie §31 Abs3 der Satzung 2011 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse idF der 8. und 9. Änderung, in ihren Rechten verletzt. Begründend führen die Antragsteller dazu aus:

"[…]

 

6.1. Aufgrund der durch das SVÄG 2012, […] geänderten Fassung des §153 Abs3 ASVG haben Zahnambulatorien der Sozialversicherungsträger das Recht, alle Leistungen der Zahnbehandlung, des Zahnersatzes sowie Maßnahmen zur Vorbeugung der Erkrankung der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich der dazugehörigen Gewebe zu erbringen. Dabei gilt allerdings nach wie vor der Vorrang der Leistungserbringung durch freiberuflich tätige Zahnärzte und Zahnärztinnen.

 

Die bis zum 31.12.2012 geltenden Beschränkungen des Leistungsangebotes der Ambulatorien wurden zur Gänze beseitigt, wodurch der Gesetzgeber einen Wettbewerbsnachteil für Ambulatorien beseitigen wollte und sich eine bessere Rentabilität erwartete […].

 

Gemäß §153 Abs3 ASVG 4. u. 5. Satz idF des SVÄG 2012 und idF BGBl I Nr 118/2015 sind für jene Leistungen, die (seit 01.01.2013) von Zahnambulatorien erbracht werden dürfen, und die nicht durch Gesamtvertrag oder die Satzung geregelt sind oder waren, somit für Privatleistungen vom Krankenversicherungsträger Kostenbeiträge der versicherten Patienten vorzusehen und einzuheben.

 

Diese Kostenbeiträge sind kostendeckend festzusetzen und auf der Website des Krankenversicherungsträgers sowie durch Aushang im Zahnambulatorium des Krankenversicherungsträgers zu veröffentlichen (§153 Abs3 4. und 5. Satz ASVG idF SVÄG 2012 und BGBl I. Nr 118/2015).

 

Für diese nicht durch Gesamtvertrag oder die Satzung geregelten Leistungen in Zahnambulatorien sind auch deshalb vom Krankenversicherungsträger kostendeckende Kostenbeiträge der Versicherten vorzusehen und auch einzuheben, damit die vorgesehenen Maßnahmen zu keiner Kostenbelastung der Zahnambulatorien und der sozialen Krankenversicherung führen […].

 

Demgemäß muss die NÖGKK als Krankenversicherungsträger für das Verabreichen von Vollnarkosen zur Zahnbehandlung als Privatleistung Kostenbeiträge der versicherten Patienten vorsehen, festsetzen, veröffentlichen, Patienten darüber informieren und bei Verabreichen von Vollnarkosen auch tatsächlich einheben.

 

Nur wenn diese Kostenbeiträge für Vollnarkosen zur Zahnbehandlung von der NÖGKK auch tatsächlich eingehoben werden, führen sie zu keiner Kostenbelastung der NÖGKK als Betreiberin des Zahnambulatoriums St. Pölten.

 

Durch die 8. und 9. Änderung 2011 verstößt die NÖGKK gegen diese Gesetzesbestimmungen.

 

Denn die Satzungsänderungen erfolgten nur zu dem Zweck, die gesetzlich zwingend festzusetzenden, zu veröffentlichenden und einzuhebenden Kostenbeiträge zu umgehen und Patienten im Zahnambulatorium St. Pölten der NÖGKK kostenbeitragsfreie Vollnarkosen zur Zahnbehandlung zu verabreichen.

 

Dabei verfolgt die NÖGKK das Ziel, die Nachfrage von Patienten nach Vollnarkosen zur Zahnbehandlung von selbständig tätig niedergelassenen Ärzten und konkret den Antragstellern in ihr Zahnambulatorium St. Pölten umzulenken.

 

Dadurch verstößt die NÖGKK auch gegen die freie Arztwahl und Zahnbehandlung unter gleichen Bedingungen, die gesetzlich in §153 Abs3 idF SVÄG 2012, BGBl I Nr 123/2012 und in bzw. in Verbindung mit §135 Abs2 1. und 2. Satz leg.cit. geregelt ist.

 

Demnach muss bei Bestehen eigener Einrichtungen für die Gewährung der ärztlichen Hilfe die Wahl der Behandlung zwischen einer dieser Einrichtungen und einem oder mehreren Vertragsärzten (Wahlärzten) bzw. gemäß §153 Abs3 2. Satz ASVG einem oder mehreren Vertragszahnärzten (Wahlzahnärzten) unter gleichen Bedingungen freigestellt sein.

 

Mit der Änderung von §31 Abs3 ihrer Satzung 2011 und der Neufassung des Anhangs 3 mit Aufnahme Narkose/erste Stunde und Narkose/weitere Stunden in den Leistungskatalog verstößt die NÖGKK auch gegen diese Bestimmungen in §§135 Abs2 1. und 2. Satz, 153 Abs3 2. Satz ASVG.

 

Die Regelungen sind durch Einschränkung der Sachleistungserbringung auf Vertragseinrichtungen und auf Wahleinrichtungen mit Krankenanstaltseigenschaft für der Kostenerstattung zugängliche Leistungen zum Nachteil der Antragsteller und anderer selbständig tätiger niedergelassener Zahnärzte und Anästhesisten von der NÖGKK beschlossen und verlautbart.

 

Außerdem verstößt die NÖGKK auch gegen den gesetzlichen Versorgungsauftrag, in dem sie als einzige Vertragseinrichtung nur die Universitätszahnklinik in Wien unter Vertrag hat. Angesichts des Einzugsgebiets des Zahnambulatoriums St. Pölten und der gesetzlichen Regel, dass Zahnarztleistungen für versicherte Patienten auch in zeitlicher und örtlicher Hinsicht leicht erreichbar sein müssen, widerspricht der Vertrag mit der Universitätszahnklinik als einzige Vertragseinrichtung dem Gesetz.

 

Das gesetzwidrige Ziel seitens der NÖGKK selbständig tätige und niedergelassene Zahnärzte und Anästhesisten von der Verabreichung von Vollnarkosen zur Zahnbehandlung zu gleichen Bedingungen auszuschließen, ist auch deutlich an der Regelung in §31 Abs3 der angefochtenen Satzung 2011 der NÖGKK ersichtlich:

 

Vollnarkosen zur Zahnbehandlung könnten im Wege der Kostenerstattung ohne weiteres auch dann ersetzt werden, wenn sie in einer Zahnarztordination verabreicht werden. Das wird von der NÖGKK aber verhindert.

 

Die Einschränkung in dieser Satzungsbestimmung auf Wahleinrichtungen mit der Eigenschaft Krankenanstalt (selbständiges Ambulatorium) widerspricht dem gesetzlichen Versorgungsauftrag der NÖGKK als Krankenversicherungsträger, verknappt das Angebot [medizinisch] notwendiger Vollnarkosen zur Zahnbehandlung zu Lasten der versicherten Patienten und verunmöglicht es den Antragstellern im Mitbewerb mit der NÖGKK und ihren Einrichtungen zu gleichen (fairen) Bedingungen Vollnarkosen zur Zahnbehandlung anzubieten und zu verabreichen.

 

6.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat – mit Zustellung seines Erkenntnisses nach Schluss der mündlichen Verhandlung (10.07.2015) – den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 05.09.2013, ZI. GS4‑AMB‑93/002‑2005 mit der sanitätsbehördlichen Bewilligung zur Verlegung des Zahnambulatoriums St. Pölten und für dessen räumliche Erweiterung für den Anstaltszweck 'Zahnbehandlung in Narkose für Kinder unter 14 Jahren und Personen mit besonderen Bedürfnissen' wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts mit Erkenntnis ZI. 2013/11/0218‑9 vom 18.08.2015 unter ausdrücklichem Verweis auf die mit dem Beschwerdefall idente Rechtslage laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs ZI. 2013/11/0217 vom 18.08.2015 wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhalts aufgehoben.

 

Gemäß der laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs ZI. 2011/11/0174‑9 vom 26.03.2015 identer Rechtslage gilt daher auch für das Zahnambulatorium St. Pölten der NÖGKK, dass infolge Aufhebung der Errichtungsbewilligung auch die Betriebsbewilligung von Amtswegen zurückzunehmen ist (VwGH 2011/11/0174‑9 Punkt 5. der Entscheidungsgründe).

 

Die Antragsteller legen diese drei vorangeführten Verwaltungsgerichtshoferkenntnisse dem Verfassungsgerichtshof vor.

 

Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die NÖGKK gemäß ihren Behauptungen Vollnarkosen zur Zahnbehandlung nur für Kinder unter 14 Jahren und Personen mit besonderen Bedürfnissen im Zahnambulatorium St. Pölten verabreicht, fehlt folglich sowohl die Errichtungsbewilligung als auch die Betriebsbewilligung dafür.

 

Die NÖGKK ist daher auch gesundheitsbehördlich nicht befugt Vollnarkosen zur Zahnbehandlung im Zahnambulatorium St. Pölten anzubieten und zu verabreichen. Denn nach ihrem eigenen Vorbringen im Verfahren 40 Cg 60/13h Landesgericht St. Pölten behauptet sie, Vollnarkosen zur Zahnbehandlung nur für diese eingeschränkte Personengruppe Kinder bis 14 Jahren und Personen mit besonderen Bedürfnissen zu verabreichen.

 

6.3. Die Antragsteller werden durch §153 Abs3 vierter Satz ASVG idF SVÄG 2012 […] und idF BGBl I Nr 118/2015 in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art6 StGG verletzt.

 

Denn einerseits weigert sich [die] NÖGKK Vollnarkosen zur Zahnbehandlung in den Zahnärzte-Gesamtvertrag aufzunehmen.

 

Andererseits ermöglicht es die Wortfolge 'oder Satzung...' im §153 Abs3 vierter Satz leg. cit. die Satzung seitens der NÖGKK willkürlich und mit gesetzwidrig ausgeübtem Ermessen so abzuändern, die Antragsteller und andere selbständig tätige niedergelassene Zahnärzte und Anästhesisten von der Leistungserbringung zu gleichen Bedingungen im Sinne §153 Abs3 zweiter Satz und §135 Abs2 erster und zweiter Satz ASVG auszuschließen.

 

Den Bestimmungen des ASVG ist kein Primat der Gesundheitsleistungserbringung durch Einrichtungen der Krankenversicherungsträger zu entnehmen.

 

Im Gegenteil: der zweite Unterabschnitt (§§133 bis 137) und der fünfte Unterabschnitt (§§153 bis 154b) des ASVG stehen durchwegs auf dem Grundsatz der freien Arztwahl und der Gleichbehandlung versicherter Patienten unabhängig davon, wo sie Gesundheitsleistungen im Rahmen des Krankenversicherungssystems des ASVG in Anspruch nehmen.

 

Der Freiheit der Erwerbsbetätigung der Antragsteller und anderer selbständig tätiger niedergelassener Zahnärzte und Anästhesisten widerspricht auch §84 ASVG und §84 Abs6 ASVG im Besonderen.

 

Denn diese Bestimmungen ermöglichen der NÖGKK als Krankenversicherungsträger eigenes vollkommen ungeprüftes und willkürliche Zuteilung eröffnendes Ermessen beim Verfügen über Mittel aus dem Unterstützungsfonds.

 

Konkret gewährt die NÖGKK – mit dem Ziel von Nachfrage-Lenkungseffekten zu ihren Gunsten und zu Lasten der Antragsteller – Unterstützungen an versicherte Patienten, die Zahnbehandlungen in Vollnarkose im Zahnambulatorium St. Pölten in Anspruch nehmen.

 

Hingegen bekommen Patienten der Antragsteller beim Erhalt von Vollnarkosen zur Zahnbehandlung durch den Zweitantragsteller in der Ordination des Erstantragstellers keinerlei Unterstützung aus Fondsmitteln im Sinne des §84 ASVG.

 

Mit der Freiheit der Erwerbsbetätigung ist es aber unvereinbar, dass der Erwerb und die Kostendeckung nur für einen Leistungserbringer, nämlich für die NÖGKK mit dem Zahnambulatorium St. Pölten gefördert wird, dagegen die Antragsteller und andere selbständig tätige niedergelassene Zahnärzte und Anästhesisten dadurch benachteiligt werden, dass bei ihnen Vollnarkosen nachfragende Patienten keinerlei Mittel aus dem Unterstützungsfonds erhalten.

 

Da diesbezüglich auch kein Rechtsanspruch für versicherte Patienten besteht, kann auch kein Rechtschutz zugunsten versicherter Patienten und/oder der Antragsteller greifen, der gegen das Nichtgewähren von Hilfen aus dem Unterstützungsfonds für Patienten der Antragsteller Abhilfe schaffen kann.

 

6.4. §153 Abs3 vierter Satz ASVG idF BGBl I Nr 118/2015 verstößt auch gegen das Legalitätsprinzip des Art18 Abs1 B‑VG und im Besonderen gegen den Grundsatz der hinreichenden Bestimmtheit der Gesetze.

 

Denn die Wortfolge '..., die nicht Gegenstand des Gesamtvertrages oder der Satzung sind oder waren,…' ist dermaßen unbestimmt, dass zumindest folgende Varianten der Gesetzesanwendung eine letztlich unklare Rechtslage erzeugen:

 

a) Die Leistungen waren nicht Gegenstand des Gesamtvertrages, sind es nun aber.

b) Die Leistungen waren Gegenstand des Gesamtvertrages, sind es nun jedoch nicht mehr.

c) Die Leistungen waren nicht Gegenstand der Satzung, sind es nun aber.

d) Die Leistungen waren Gegenstand der Satzung, sind es nun jedoch nicht mehr.

e) Die Leistungen waren weder Gegenstand des Gesamtvertrages noch der Satzung

f) Die Leistungen sind weder Gegenstand des Gesamtvertrages noch der Satzung.

g) Die Leistungen waren und sind Gegenstand des Gesamtvertrages.

h) Die Leistungen waren und sind Gegenstand der Satzung.

i) Die Leistungen sind sowohl Gegenstand des Gesamtvertrages als auch der Satzung.

 

Infolge der vom Landesgericht St. Pölten im Urteil 40 Cg 60/13h‑41 vom 14.08.2015 angewendeten Auslegung auf den Seiten 25 und 26 von 28 der Entscheidungsgründe wirkt sich diese Unbestimmtheit der Gesetzesbestimmung und des wegen Verletzung des Legalitätsprinzips verfassungswidrigen Gesetzes unmittelbar zum Nachteil der Antragsteller aus.

 

Denn die vom Landesgericht St. Pölten angewandte Auslegung 'oder' in Verbindung mit der 8. und 9. Änderung der Satzung 2011 der NÖGKK führte zur Klagsabweisung – und dies aufgrund unmittelbarer Anwendung der mit diesen Parteianträgen angefochtenen Normen der Satzung und im ASVG.

 

6.5. Auch §84 ASVG und im Besonderen §84 Abs6 ASVG verstoßen gegen das Legalitätsprinzip und das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit von Gesetzen.

 

Denn die Regelungen zum Unterstützungsfonds ermöglichen es der NÖGKK als Krankenversicherungsträger, das Ermessen durch Verfügen über Mittel aus dem Unterstützungsfonds willkürlich und stets so auszuüben, dass Patienten der Antragsteller keine Mittel aus diesem Unterstützungsfonds erhalten, wenn ihnen Vollnarkosen zur Zahnbehandlung durch den Zweitantragsteller in der Ordination des Erstantragstellers verabreicht werden.

 

Im §84 ASVG fehlt jede Einschränkung des Ermessens und umgekehrt jede Regelung von Voraussetzungen, die verhindern, dass die NÖGKK als Krankenversicherungsträger nur Patienten mit Mitteln aus dem Unterstützungsfonds bedenkt, die – gemäß den von der NÖGKK gewünschten Lenkungseffekten – auch tatsächlich nur eines der beiden Zahnambulatorien der NÖGKK zum Verabreichen von Vollnarkosen zur Zahnbehandlung aufsuchen.

 

Denn die Universitätszahnklinik wird für versicherte Patienten aus zeitlichen und räumlichen Gründen in seltenen Fällen für Vollnarkosen zur Zahnbehandlung aufgesucht. (Die Universitätszahnklinik ist die einzige Vertragseinrichtung der NÖGKK für das Verabreichen von Vollnarkosen zur Zahnbehandlung).

 

6.6. Die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen des ASVG gründen sich auch auf den Gleichheitssatz gemäß Art2 StGG und Art7 Abs1 erster Satz B‑VG.

 

Die angefochtenen ASVG Bestimmungen verstoßen gegen:

 

> das Gebot differenzierender Regelung

> das Sachlichkeitsgebot.

 

Der Gleichheitssatz verbietet es gleiches ungleich und ungleiches unsachlicherweise gleich zu behandeln […].

 

Im Regelwerk des ASVG stehen Gesamtvertrag einerseits und Satzung andererseits gegenüber.

 

Das berechtigt die NÖGKK nicht, in verfassungswidrigerweise die Beschlussfassung und Verlautbarung der Satzung und der Satzungsänderung dazu zu benützen, gleiche Sachverhalte nämlich das Verabreichen von Vollnarkosen zur Zahnbehandlung unsachlicherweise ungleich zu behandeln.

 

Denn wenn §153 Abs3 vierter Satz ASVG eine Ermächtigung zur Inkraftsetzung einer Satzung und einer Satzungsänderung beinhaltet, dann muss das Gesetz die Ausübung dieser Ermächtigung und damit das verfassungskonforme Ausüben von normengebendem Ermessen gesetzlich eindeutig regeln. Das ist nicht der Fall.

 

Vielmehr ermöglicht die unbestimmte Regelung im §153 Abs3 vierter Satz ASVG, dass die NÖGKK vermeint, auf dieser Grundlage vollkommen unsachliche Differenzierungen bei der Gesundheitsleistungserbringung statuieren zu können.

 

Es fehlen in dieser Gesetzesbestimmung auch jedwede Kriterien, von welchen Leistungserbringern Vollnarkosen zur Zahnbehandlung erbracht werden sollen und von welchen nicht. Eben das Fehlen dieser Unterscheidung zeigt, dass eine differenzierende Regelung vollkommen fehlt.

 

Es erweist sich als grob unsachlich nur Vertragseinrichtungen der NÖGKK und Wahleinrichtungen mit Krankenanstalteneigenschaft für die Vollnarkose zur Zahnbehandlung zuzulassen, alle anderen Leistungserbringer und konkret die Antragsteller und andere selbständig tätige niedergelassene Zahnärzte und Anästhesisten jedoch nicht.

 

Daher gebietet es schon der Gleichheitssatz den Halbsatz '..., die nicht Gegenstand des Gesamtvertrages oder der Satzung sind oder waren,...' im §153 Abs3 vierter Satz ASVG als verfassungswidrig aufzuheben, eventualiter die Wortfolge '..., oder der Satzung...' zur Gänze aufzuheben.

 

Denn eine Verfassungsgrundsätzen entsprechende Vorgangsweise seitens der NÖGKK als Krankenversicherungsträger ist ohne weiteres durch entsprechende Änderung und/oder Erweiterung des Zahnärzte-Gesamtvertrages möglich. Würde die NÖGKK einen verfassungsrechtlich und gesetzlich konformen Weg wählen, würden gemäß freier Arztwahl nach ASVG als Ausfluss der Erwerbsausübungsfreiheit sowie des Legalitätsprinzips und nach Gleichheitssatz tatsächlich gleiche Bedingungen für alle Leistungserbringer bei Verabreichen von Vollnarkosen zur Zahnbehandlung herrschen.

 

Da die NÖGKK eine verfassungskonforme und gesetzeskonforme Vorgangsweise verweigert, erscheinen die Aufhebungsbegehren der Antragsteller auch im Interesse einer funktionierenden Gesundheitsversorgung unbedingt geboten und gerechtfertigt.

 

[…]".

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung in der sie dem Vorbringen der Antragsteller entgegentritt und die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Anträge beantragt. Die Bundesregierung bringt dazu vor:

"II.

Zu den Prozessvoraussetzungen:

 

[…]

 

3.1. §153 Abs3 schränkt die Sachleistungserbringung durch Zahnambulatorien der Versicherungsträger ein; diese dürfen Leistungen – vereinfacht gesagt – nicht zu günstigeren Konditionen erbringen als freiberuflich tätige Leistungserbringer. Schon die Stammfassung des ASVG […] sah vor, dass Zahnambulatorien der Versicherungsträger Sachleistungen der Zahnbehandlung erbringen können. Aus der weiteren Entwicklung dieser Bestimmung […] wird auch deutlich, dass die Zahnambulatorien der Versicherungsträger – im Hinblick auf eine bessere Finanzierbarkeit des Systems der Krankenversicherung […] – (alle) Leistungen unter denselben Konditionen erbringen können sollen wie freiberuflich tätige Leistungserbringer. Infolge der begehrten Aufhebung wären die Zahnambulatorien der Versicherungsträger jedoch verpflichtet, für alle von ihnen erbrachten Leistungen (kostendeckende) Kostenbeiträge der Versicherten vorzusehen, während die Versicherten diese Leistungen als Sachleistungen der Krankenversicherung bei den freiberuflich tätigen Leistungserbringern ohne einen solchen Kostenbeitrag erhalten würden. Die Aufhebung der angefochtenen Wortfolge des §153 Abs3 ASVG würde das System der Leistungserbringung betreffend Zahnbehandlung und Zahnersatz also geradezu in sein Gegenteil verkehren und einen Akt der positiven Gesetzgebung darstellen, der dem Verfassungsgerichtshof jedoch nicht zukommt. Der Antrag ist daher aus diesem Grund unzulässig (siehe etwa VfSlg 17.207/2004, 19.755/2013).

 

3.2. Durch die Aufhebung der angefochtenen Wortfolge des §153 Abs3 ASVG würde die behauptete Verfassungswidrigkeit auch nicht beseitigt werden. Die Antragsteller behaupten eine Verletzung der Freiheit der Erwerbstätigkeit deshalb, weil sie Vollnarkosen nicht als Sachleistung erbringen können, auf die die Versicherten einen Anspruch haben. Die beantragte Aufhebung würde an diesem Umstand jedoch nichts ändern, weil sich der Umfang der als Sachleistung zu erbringenden Behandlungen nicht aus §153 Abs3 ASVG ergibt, sondern aus dem Gesamtvertrag oder der Satzung. Der Inhalt des Gesamtvertrages und der Satzung wird jedoch durch die Aufhebung der angefochtenen Bestimmung nicht geändert. Der Antrag ist daher auch aus diesem Grund unzulässig (vgl. VfSlg 19.178/2010).

 

4. Die Antragsteller haben es – entgegen §62 Abs2 VfGG – unterlassen, darzulegen, inwiefern das Gericht §84 ASVG anzuwenden hatte. Da das Gericht diese Bestimmung gar nicht anzuwenden hatte, wären dem entsprechende Ausführungen auch nicht möglich gewesen: Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist eine Klage ua. auf Unterlassung wegen Anwendung unlauterer Geschäftspraktiken. §84 ASVG regelt jedoch nicht das Verhalten der beklagten Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse im geschäftlichen Verkehr (bei der Erbringung von Leistungen der Zahnbehandlungen und Zahnersatz), sondern sieht lediglich vor, wie Mittel eines Unterstützungsfonds, der von den Versicherungsträgern angelegt wird, verwendet werden können.

 

Zwar mag es zutreffen, dass das Landesgericht St. Pölten als Handelsgericht in seinem Urteil §84 ASVG erwähnt; die diesbezüglichen Ausführungen stellen jedoch keine 'Anwendung' der angefochtenen Bestimmung iSv. Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG dar, sondern sind lediglich Teil allgemeiner Ausführungen betreffend die Übernahme von Kosten der Zahnbehandlung durch Mittel des Unterstützungsfonds.

 

Da §84 ASVG nicht präjudiziell ist und das Gericht diese Bestimmung denkunmöglich anzuwenden hatte, ist der Antrag in Bezug auf §84 ASVG unzulässig. Es braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, ob das Aufhebungsbegehren zu weit gefasst ist.

 

5. Der Antrag ist daher nach Ansicht der Bundesregierung insgesamt unzulässig.

 

III.

 

1. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken betreffend §153 Abs3 ASVG:

 

Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (siehe zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

 

1.1. Zu den Bedenken hinsichtlich der Freiheit der Erwerbstätigkeit:

 

1.1.1. Die Antragsteller behaupten, §153 Abs3 ASVG stehe im Widerspruch zur Freiheit der Erwerbstätigkeit, da sich die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse weigere, bestimmte Leistungen (hier: Vollnarkose) in den Zahnärzte-Gesamtvertrag aufzunehmen.

 

1.1.2. Die angefochtene Bestimmung regelt nicht, ob und welche Leistungen in den Gesamtvertrag aufzunehmen sind, sondern ordnet lediglich an, für bestimmte Leistungen, die in Zahnambulatorien erbracht werden (nämlich solche, die nicht Gegenstand des Gesamtvertrages oder der Satzung sind oder waren), ein Kostenbeitrag vorzusehen ist. Da diese Bestimmung in keinem Zusammenhang mit der Freiheit der Erwerbstätigkeit der freiberuflich tätigen Leistungserbringer steht, gehen die Ausführungen der Antragsteller ins Leere.

 

1.1.3. Selbst wenn §153 Abs3 ASVG regeln würde, auf welche Sachleistungen der Zahnbehandlung die Versicherten gegenüber den Krankenversicherungsträgern einen Anspruch hätten, stünde diese Bestimmung nicht im Widerspruch zur Freiheit der Erwerbstätigkeit: Art6 StGG schützt Antritt und Ausübung einer Erwerbstätigkeit (zB VfSlg 10.501/1985, 15.112/1998 und 15.431/1999). §153 Abs3 ASVG untersagt weder eine Erwerbstätigkeit, der die Antragsteller nachkommen wollen, noch schränkt er diese ein. §153 Abs3 ASVG bewirkt allenfalls, dass Versicherte Leistungen der Antragsteller nicht in Anspruch nehmen, wenn sie keinen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch auf Erhalt solcher (Privat‑)Leistungen haben. Sofern dadurch die Attraktivität der von den Antragstellern angebotenen Leistungen geschmälert ist, handelt es sich lediglich um wirtschaftliche Reflexwirkungen, die vom Schutzbereich der Erwerbsfreiheit nicht erfasst sind.

 

1.1.4. Die Gesetzgebung ist auch nicht verfassungsrechtlich verpflichtet, Personen, die über eine bestimmte Berufsberechtigung verfügen, eine hohe Nachfrage nach ihren Leistungen zur gewährleisten.

 

1.1.5. Die Antragsteller behaupten – wenngleich im Zuge ihrer Ausführungen im Hinblick auf den Gleichheitssatz – dass 'gemäß freier Arztwahl nach ASVG als Ausfluss der Erwerbsausübungsfreiheit [...] gleiche Bedingungen für alle Leistungserbringer bei Verabreichen von Vollnarkosen zur Zahnbehandlung' hergestellt würden, wenn die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse Vollnarkosen zur Sachleistung, die auch von freiberuflich tätigen Leistungserbringern erbracht werden kann, erklären würde.

 

Die Bundesregierung sieht sich veranlasst, darauf hinzuweisen, dass der 'Grundsatz der freien Arztwahl', kein 'Verfassungsgrundsatz' ist (siehe VfSlg 15.787/2000; vgl. Felten in SV-Komm §135 ASVG Rz. 20 sowie zuletzt Mosler, Die freie Arztwahl in der Krankenversicherung, DRdA 2015, 139 [143 ff]) und schon gar nicht als 'Ausfluss' der Freiheit der Erwerbstätigkeit der leistungserbringenden Ärzte angesehen werden kann, weil sich dieser Grundsatz nicht aus irgendeinem Recht der Ärzte, sondern aus dem Recht der Versicherten ergibt, ihren Arzt zu wählen (siehe §135 Abs2 ASVG).

 

1.2. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz:

 

Die Antragsteller behaupten, die angefochtene Wortfolge des §153 Abs3 ASVG stehe im Widerspruch zum Gleichheitssatz, weil ein Gesetz, das 'eine Ermächtigung zur Inkraftsetzung einer Satzung und einer Satzungsänderung beinhaltet, [...] die Ausübung dieser Ermächtigung und damit das verfassungskonforme Ausüben von normengebendem Ermessen gesetzlich eindeutig regeln' müsse.

 

§153 Abs3 Satz 4 und 5 ASVG knüpft zwar an den Inhalt des Gesamtvertrages und der Satzung an, indem er für die Erbringung von Leistungen, die nicht im Gesamtvertrag oder der Satzung geregelt sind oder waren, besondere Bedingungen vorsieht. Die angefochtene Bestimmung ist aber nicht die gesetzliche Grundlage für die Erlassung der Satzung und die Aufnahme von Leistungen der Zahnbehandlung in diese. Dies erfolgt vielmehr auf Grund des §153 Abs1 iVm. §453 ASVG. Die Ausführungen der Antragsteller gehen daher von vornherein ins Leere.

 

1.3. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip:

 

Die Antragsteller behaupten, dass die Wortfolge ', die nicht Gegenstand des Gesamtvertrages oder der Satzung sind oder waren' in §153 Abs3 Satz 4 ASVG unbestimmt und die Rechtslage unklar seien. Um dies zu illustrieren, zeigen sie neun verschiedene Kombinationen der Worte 'Gesamtvertrag', 'Satzung', 'sind' und 'waren' auf, von denen [sich] allerdings zwei (Kombinationen e und f) aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht ableiten lassen und drei (Kombinationen g, h und i) redundant sind, weil sie bereits in den Kombinationen a, b, c und d enthalten sind.

 

Die angefochtene Wortfolge lässt sich bei grammatikalischer Interpretation mühelos so verstehen, dass Zahnambulatorien der Versicherungsträger für Leistungen keinen Kostenbeitrag von den Versicherten einheben müssen, wenn diese Leistungen Gegenstand eines Gesamtvertrages sind oder waren oder Gegenstand einer Satzung sind oder waren; umgekehrt sind für Leistungen, die nicht Gegenstand eines Gesamtvertrages sind oder waren oder Gegenstand einer Satz sind oder waren, (kostendeckende) Kostenbeiträge der Versicherten vorzusehen. Die Bundesregierung vermag die Auslegungsschwierigkeiten der Antragsteller in Bezug auf das Wort 'oder' daher nicht nachzuvollziehen.

 

2. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken betreffend §84 ASVG:

 

2.1. Zu den Bedenken hinsichtlich der Freiheit der Erwerbstätigkeit:

 

Die Antragsteller bringen vor, dass auch der angefochtene §84 ASVG der Erwerbsausübungsfreiheit widerspreche, da er es ermögliche, dass die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse Zahnbehandlungen nur im Zahnambulatorium St. Pölten finanziell unterstütze.

 

Die Bundesregierung verweist insoweit auf ihre entsprechenden Ausführungen zu §153 Abs3 ASVG (oben III.1.1.3.).

 

2.2. Zu den Bedenken hinsichtlich des Legalitätsprinzips:

 

Die Antragsteller bringen auch vor, dass §84 ASVG die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse dazu ermächtige, ihr Ermessen, über die Mittel aus dem Unterstützungsfonds zu verfügen, willkürlich auszuüben. Die angefochtene Bestimmung verstoße daher gegen das Legalitätsprinzip.

 

§84 ASVG enthält keine Ermächtigung zu willkürlichem Handeln. Dass §84 ASVG willkürliches Handeln nicht auch ausdrücklich ausschließt, führt auch zu keinem Widerspruch zum Legalitätsprinzip.

 

Im Übrigen handelt es sich bei der Vergabe von Mitteln aus dem Unterstützungsfonds um eine Angelegenheit der Privatwirtschaftsverwaltung (siehe Neumayr in SV-Komm §84 ASVG Rz. 21), für die das Legalitätsprinzip des Art18 Abs1 B‑VG nicht gilt (siehe nur Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10, 2014, Rz. 612 f).

 

Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Behauptungen der Antragsteller auch auf Sachverhaltsebene unrichtig sind. Nach Mitteilung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse haben nämlich auch Patienten der Antragsteller für die von ihnen angebotenen Privatleistungen in berücksichtigungswürdigen Einzelfällen Mittel aus dem Unterstützungsfonds erhalten.

 

3. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass §153 Abs3 und §84 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes — ASVG, BGBl Nr 189/1955, nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig sind."

4. Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse hat die Verordnungsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der sie dem Antragsvorbringen entgegentritt und die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Anträge beantragt.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages gemäß Art139 Abs1 Z4 B‑VG.

1.1. Der Antrag ist unzulässig.

1.2. Dem Art139 Abs1 Z4 B‑VG zufolge erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen "auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels".

Die Antragsteller haben den Antrag nach Art139 Abs1 Z4 B‑VG aus Anlass einer Berufung gegen eine erstinstanzliche Entscheidung des Landesgerichtes St. Pölten als Handelsgericht erhoben. Der Antrag hat die Vorgaben der §§15, 57 und 57a Abs3 und 4 VfGG zu erfüllen.

Gemäß §57 Abs1 VfGG hat der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen; das Fehlen dieser Darlegung ist kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis (vgl. zB VfSlg 12.564/1990 mwH).

Die Antragsteller machen geltend, dass die Satzungsänderungen nur zu dem Zweck erfolgt seien, "die gesetzlich zwingend festzusetzenden, zu veröffentlichenden und einzuhebenden Kostenbeiträge zu umgehen" und die Nachfrage von Patienten nach Vollnarkosen zur Zahnbehandlung "von selbständig erwerbstätigen niedergelassenen Ärzten und konkret den Antragstellern in ihr Zahnambulatorium St. Pölten umzulenken". Damit ist aber noch nicht dargetan, aus welchem Grund die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse durch die 8. und 9. Änderung der Satzung 2011 gegen ein Gesetz, insbesondere gegen §153 Abs3 ASVG verstoßen habe:

Anhang 3 der Satzung 2011 enthält eine Liste von Leistungen die auf Grund von Verträgen mit "Vertragseinrichtungen" von diesen entsprechend den jeweiligen Tarifen als Sachleistung erbracht werden können, darunter auch Narkoseleistungen (Punkte 14 und 15 der Auflistung). In welchem Umfang und aus welchen Gründen die angegriffenen Satzungsbestimmungen gesetzwidrig sein sollen, geht aus dem Antrag nicht hervor, der es auch unterlässt, konkrete verfassungsrechtliche Bedenken einzelnen Satzungsbestimmungen oder Teilen davon nachvollziehbar zuzuordnen.

1.3. Damit fehlt es aber an der ins Einzelne gehenden Darlegung der Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Wortfolgen in der Fassung der 8. und 9. Änderung der Satzung 2011 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse. Der Antrag ist daher unzulässig.

2. Zur Zulässigkeit des Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG, insoweit er sich auf §84 ASVG bezieht:

2.1. Der Antrag ist ebenfalls unzulässig.

2.2. Ein Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw. wenn die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht der Antragsteller wäre.

Das Landesgericht St. Pölten führt in seinem Urteil lediglich in deskriptiver Weise aus, dass es im System der Sozialversicherung große Unterschiede bei der Kostenübernahme bzw. Erstattung durch die Sozialversicherungsträger gebe. Ganz allgemein wird das System der Sachleistungen erörtert, in dessen Rahmen es Leistungen gibt, die mit den Sozialversicherungsträgern verrechnet werden können und solche, für die teils Kostenzuschüsse gewährt und die teils privat zu bezahlen sind. In diesem Zusammenhang wird vom Gericht lediglich darauf hingewiesen, dass es grundsätzlich die Möglichkeit für Patienten gibt, Mittel aus dem Unterstützungsfonds nach §84 ASVG zu erhalten.

2.3. Das Gericht hatte §84 ASVG nicht unmittelbar anzuwenden. Vor dem erwähnten rechtlichen und tatsächlichen Hintergrund kann der Verfassungsgerichtshof auch nicht finden, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung für die Entscheidung über die Berufung bilden kann, aus deren Anlass der Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestellt wurde. Der Antrag ist daher schon mangels Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung unzulässig.

3. Zur Zulässigkeit des Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG insoweit er sich auf §153 ASVG bezieht:

3.1. Der Antrag ist zulässig.

3.2. Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist – entsprechend der Formulierung des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG und nach §62a Abs1 erster Satz VfGG in der durch die verfassungsgerichtliche Aufhebung bewirkten Fassung – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache". Außerdem muss der Parteiantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG "aus Anlass" der Erhebung eines Rechtsmittels gestellt werden.

Die Antragsteller stellten den Parteiantrag aus Anlass ihrer Berufung gegen ein Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Handelsgericht vom 14. August 2015, mit dem ihre Klage gegen die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse u.a. auf Unterlassung abgewiesen wurde.

Die Bestimmung, deren Aufhebung als verfassungswidrig begehrt wird, ist auch präjudiziell. Das Landesgericht St. Pölten hat §153 Abs3 4. Satz ASVG im Anlassverfahren angewendet.

3.3. Das Erfordernis des §62 Abs1 zweiter Satz VfGG ist dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Weise – präzise ausgebreitet werden, dh. dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit entnehmbar ist, zu welcher Verfassungsbestimmung die zur Aufhebung beantragte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese These sprechen (zB VfSlg 14.802/1997, 17.102/2004). Diese Voraussetzung wird vom vorliegenden Antrag erfüllt.

3.4. Gemäß §62 Abs1 VfGG muss der Antrag, ein Gesetz aufzuheben, entweder die Aufhebung des Gesetzes seinem ganzen Inhalt nach oder bestimmter Stellen des Gesetzes begehren, dh. die angefochtenen Bestimmungen so hinreichend bestimmt bezeichnen, dass kein Zweifel darüber besteht, welche Norm geprüft und gegebenenfalls aufgehoben werden soll. Der Verfassungsgerichtshof ist nämlich nicht befugt, Gesetzesvorschriften aufgrund bloßer Vermutungen darüber, welche Normen die Antragsteller ins Auge gefasst haben könnten, in Prüfung zu ziehen (vgl. etwa VfSlg 13.335/1993).

3.4.1. §153 Abs3 ASVG wird im Antrag in der Fassung "BGBl I 118/2015" angefochten. Die Bestimmung wurde aber mit dieser Novelle weder geändert noch stand die Novelle BGBl I 118/2015 zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landesgerichtes St. Pölten am 14. August 2015 überhaupt in Geltung (die Kundmachung erfolgte am 14. August 2015, Inkrafttreten am 15. August 2015).

3.4.2. Die Antragsteller geben jedoch in ihrem Antrag auch den Wortlaut der angefochtenen Teile des §153 Abs3 ASVG wieder, woraus deutlich wird, dass §153 Abs3 ASVG in der Fassung der letzten Änderung dieser Bestimmung durch das SVÄG 2012, BGBl I 123/2012, in Geltung seit 1. Jänner 2013, angefochten werden soll. Damit ist dem Erfordernis des §62 Abs1 VfGG entsprochen.

3.5. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, ist der Gesetzesprüfungsantrag ob §153 Abs3 4. Satz ASVG zulässig.

4. In der Sache

4.1. Der Antrag ist – soweit er zulässig ist – indes nicht begründet.

4.2. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

4.3. Auf das Wesentliche zusammengefasst erblicken die Antragsteller die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Teile des §153 Abs3 ASVG darin, dass diese Bestimmung es der Gebietskrankenkasse ermögliche, einerseits Leistungen "willkürlich" nicht in die Honorarordnung des Gesamtvertrages aufzunehmen, sie aber andererseits durch Aufnahme in die Satzung zu Vertragsleistungen zu machen und dadurch die Antragsteller und andere selbstständig tätige niedergelassene Zahnärzte und Anästhesisten von der Leistungserbringung zu gleichen Bedingungen im Sinne der §§153 Abs3 zweiter Satz und 153 Abs2 erster und zweiter Satz ASVG auszuschließen. Der Sitz der behaupteten Verfassungswidrigkeit wird in der Wortfolge "oder Satzung" im §153 Abs3 vierter Satz leg.cit. gesehen.

4.4. Es kann auf sich beruhen, ob die Argumentation der Antragsteller im Übrigen verfassungsrechtlich zutreffend wäre, da bereits die Prämisse, von der die Antragsteller ausgehen, nicht zutrifft:

4.4.1. Leistungen, die im Gesamtvertrag nicht enthalten sind, dürfen von Vertragszahnärzten nicht auf Kassenkosten sondern nur als privat zu honorierende Leistungen erbracht werden. Nach der bis zum SVÄG 2012 geltenden Rechtslage sah §153 Abs3 ASVG insoweit einen absoluten Konkurrenzschutz zugunsten der niedergelassenen Zahnärzte vor: In Ambulatorien von Krankenversicherungsträgern durften solche Leistungen nicht erbracht werden.

4.4.2. Mit der Änderung des §153 Abs3 ASVG durch das SVÄG 2012 wurde dieser Konkurrenzschutz beseitigt: Seither dürfen auch Leistungen in Ambulatorien der Versicherungsträger erbracht werden, die im Gesamtvertrag nicht enthalten sind. Gemäß §153 Abs3 vierter SatzASVG idF des 3. SRÄG 2009 lässt das Gesetz die Erbringung solcher Leistungen durch Ambulatorien der Versicherungsträger allerdings nur unter der Voraussetzung zu, dass vom Krankenversicherungsträger dafür kostendeckende Kostenbeiträge der Versicherten eingehoben werden, und zwar zu dem Zweck, dass es durch die Aufhebung des Konkurrenzschutzes zu keiner zusätzlichen finanziellen Belastung der Krankenversicherungsträger kommt (siehe dazu oben unter Pkt. II.5.1.: RV 2001 BlgNR 24. GP , 5).

4.4.3. Die antragstellenden Parteien vertreten nun die Auffassung, dass die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse zur Vermeidung dieser Verpflichtung zur Einhebung kostendeckender Honorare bei der Leistung der Narkose bei Zahnbehandlungen diese mittels der angefochtenen Satzungsbestimmung als satzungsgemäße Sachleistung geregelt hat. Diese Wirkung kommt der Satzung allein aber nicht zu:

4.4.3.1. Nach dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut führt nämlich schon der Umstand, dass eine Leistung nicht Gegenstand des Gesamtvertrages ist, im kasseneigenen Ambulatorium zur Verpflichtung der Einhebung von Kostenbeiträgen. Das Entstehen dieser Verpflichtung setzt hingegen nicht voraus, dass die Leistung (gleichsam kumulativ) "nicht Inhalt des Gesamtvertrages und nicht Inhalt der Satzung" ist. Nur in diesem Fall würde die Aufnahme der Leistung in die Satzung allein zur Vermeidung der Kostenbeitragspflicht ausreichen. Es verhält sich aber (arg. des Wortlautes "oder der Satzung") gerade nicht so: Zur Sachleistungsgewährung durch Einrichtungen des Versicherungsträgers ohne Kostenbeitrag wäre vielmehr erforderlich, dass die Leistung Inhalt des Gesamtvertrages und der Satzung geworden wäre.

4.4.3.2. Gegen diese am Wortlaut des §153 Abs3 ASVG orientierte Auslegung spricht auch nicht die von der beteiligten Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse dargelegte Entstehungsgeschichte des §153 Abs3 ASVG. Schon der seinerzeitige Gesetzestext des §153 Abs3 ASVG idF der 29. Novelle zum ASVG, welche lautete: "In den Satzungen und im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen dürfen in den Zahnambulatorien nicht erbracht werden;" ordnete – positiv formuliert – an, dass Leistungen nur dann in Zahnambulatorien erbracht werden dürfen, wenn sie "in der Satzung und im Gesamtvertrag" vorgesehen waren. Schon das Fehlen einer Leistung im Katalog des Gesamtvertrages oder der Satzung (ein für den Fall der Aufnahme in den Gesamtvertrag allerdings wohl theoretischer Fall) führte zum Verbot, eine solche Leistung in Zahnambulatorien der Gebietskrankenkasse (dh. auf Kassenkosten) zu erbringen. Dafür spricht auch die zwischenzeitig in Geltung gestandene Formulierung der 55. Novelle zum ASVG, die nur auf den Gesamtvertrag abgestellt hat und sich mit dem Satz "'In gesamtvertraglichen Vereinbarungen (§§341, 343c Abs1 Z1 ASVG) nicht vorgesehene Leistungen dürfen in den Zahnambulatorien nicht erbracht werden" begnügte.

4.4.3.3. Konsequenterweise wird daher in der – im Gegensatz zur Fassung der 29. Novelle zum ASVG nunmehr insoweit positiven – Formulierung des §153 Abs3 ASVG in der Fassung des SVÄG 2012, BGBl I 123/2012, die nunmehr wieder in den Text aufgenommene Nennung von Gesamtvertrag und Satzung, nicht mit einem konjunktiven "und" sondern mit dem disjunktiven "oder" verknüpft. Dies führt aber zu dem oben dargelegten Auslegungsergebnis.

4.4.3.4. Es sprechen im Übrigen auch die eingangs wiedergegebenen Materialien (RV 2001 BlgNR 24. GP , 5) dagegen, dass es der Gesetzgeber aus Anlass der Aufgabe des bisherigen Konkurrenzschutzes nunmehr in das Belieben des satzungsgebenden Organs der Krankenversicherungsträger hätte stellen wollen, allein durch Aufnahme einer zahnmedizinischen Leistung in den Leistungskatalog der Satzung die Befugnis der Krankenversicherungsträger zur Erbringung von Sachleistungen zahnmedizinischer Art ohne Einhebung kostendeckender Kostenbeiträge zuzulassen.

4.4.4. §153 Abs3 ASVG hat also nicht den von den Antragstellern behaupteten Inhalt, von dem sie die Behauptung der Verfassungswidrigkeit ableiten. Der Gesetzesprüfungsantrag ist daher unbegründet.

4.5. Die weiteren im Antrag aufgeworfenen Fragen, ob die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse ihr Ambulatorium ohne ausreichende Betriebsbewilligung betreibt oder ob sie sich – wie die Antragsteller meinen – zu Unrecht weigert, Vollnarkosen zur Zahnbehandlung in den Zahnärztegesamtvertrag aufzunehmen, berühren nicht die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Gesetzesstelle. Auf sie ist daher nicht weiter einzugehen.

V. Ergebnis

1. Die Anträge, §31 Abs3 der Satzung 2011 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, idF der 8. Änderung der Satzung, 45/2015 und der 9. Änderung der Satzung, 103/2015, sowie den Anhang 3 der genannten Satzung, in eventu in Anhang 3 der genannten Satzung die Wortfolge "14. Narkose/1 Stunde und 15. Narkose/weitere Stunde", als gesetzwidrig, sowie §84 ASVG idF BGBl I 118/2015, in eventu §84 Abs6 ASVG idF BGBl I 118/2015, als verfassungswidrig aufzuheben, sind daher zurückzuweisen.

2. Der Antrag, die Wortfolge ", die nicht Gegenstand des Gesamtvertrages oder der Satzung sind oder waren", in eventu die Wortfolge "oder der Satzung", in §153 Abs3 vierter Satz ASVG idF BGBl I 118/2015 als verfassungswidrig aufzuheben, ist daher abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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