VfGH G139/2014

VfGHG139/201427.2.2015

Keine Verfassungswidrigkeit einer Wiener landesgesetzlichen Regelung über die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur Entscheidung über Beschwerden in Angelegenheiten abgabenrechtlicher Verwaltungsübertretungen zu der auf Grund einer finanzverfassungsgesetzlichen Ermächtigung erhobenen, eine ausschließliche Angelegenheit des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder darstellenden Parkometerabgabe; Abweisung des Antrags des Bundesfinanzgerichtes, teils Zurückweisung des Antrags als zu weit gefasst

Normen

B-VG Art10 Abs1 Z6
B-VG Art15 Abs1
B-VG Art97 Abs2
B-VG Art131 Abs5
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
WAOR (Wr G über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien) §1, §2, §5
F-VG 1948 §7 Abs5, §8 Abs1, Abs5, §11 Abs3
FAG 2008 §15 Abs3 Z5
Wr ParkometerG 2006 §1, §4, §7
ParkometerabgabeV des Wr Gemeinderates, ABl 51/2005 idF ABl 29/2013
B-VG Art10 Abs1 Z6
B-VG Art15 Abs1
B-VG Art97 Abs2
B-VG Art131 Abs5
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
WAOR (Wr G über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien) §1, §2, §5
F-VG 1948 §7 Abs5, §8 Abs1, Abs5, §11 Abs3
FAG 2008 §15 Abs3 Z5
Wr ParkometerG 2006 §1, §4, §7
ParkometerabgabeV des Wr Gemeinderates, ABl 51/2005 idF ABl 29/2013

 

Spruch:

I. Soweit sich der Antrag auf die Wortfolge "und der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu diesen Abgaben" in §5 des Gesetzes über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien (WAOR), LGBl für Wien Nr 21/1962 idF LGBl für Wien Nr 45/2013, richtet, wird er als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Antrag und Vorverfahren

1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag begehrt das Bundesfinanzgericht aus Anlass einer bei ihm anhängigen Beschwerde, §5 des Gesetzes über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien (WAOR), LGBl für Wien 21/1962 idF LGBl für Wien 45/2013, in eventu die §§1 und 5 WAOR, als verfassungswidrig aufzuheben.

Diesem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Bescheid (Straferkenntnis) des Magistrats der Stadt Wien (MA 67) wurde über die Beschwerdeführerin im Anlassverfahren vor dem Bundesfinanzgericht wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §4 Abs1 Wiener Parkometergesetz 2006 iVm §5 Abs2 Parkometerabgabenverordnung des Wiener Gemeinderates eine Geldstrafe in Höhe von € 60,– bzw. (im Falle der Uneinbringlichkeit) eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Stunden verhängt, weil die Beschwerdeführerin am 27. August 2013 um 16:24 Uhr ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet, für das eine Abgabepflicht bestehe (gebührenpflichtige Kurzparkzone), nicht bloß zum Zweck des Aus- und Einsteigens von Personen oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit abgestellt habe, ohne dieses mit einem gültigen Parkschein gekennzeichnet oder einen elektronischen Parkschein aktiviert zu haben, wodurch die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt worden sei. Bei der Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde sind beim Bundesfinanzgericht Bedenken ob der Bestimmung des §5 WAOR, in eventu der §§1 und 5 WAOR, entstanden.

2. Das Bundesfinanzgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

Die Erhebung der Parkometerabgabe durch die Gemeinde Wien, welche mit der Parkometerabgabeverordnung des Wiener Gemeinderates, ABl. 51/2005 idF ABl. 29/2013, ausgeschrieben und konkretisiert werde, erfolge auf Grund zweier gesetzlicher Ermächtigungen: Der Wiener Landesgesetzgeber ermächtige gestützt auf §8 Abs5 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 (F-VG 1948) die Gemeinde Wien durch §1 Abs1 Wiener Parkometergesetz 2006, durch Verordnung die Entrichtung einer Abgabe für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen gemäß §25 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) vorzuschreiben, die lediglich zum Zwecke des Aus- und Einsteigens von Personen oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit halten. Zudem ermächtige der Bundesgesetzgeber durch §15 Abs3 Z5 Finanzausgleichsgesetz 2008 (FAG 2008) die Gemeinden, durch Beschluss der Gemeindevertretung eine Abgabe für das Abstellen mehrspuriger Kraftfahrzeuge in Kurzparkzonen gemäß §25 StVO 1960 – mit Ausnahme von Fahrzeugen, die lediglich zum Zwecke des Aus- und Einsteigens von Personen oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit halten (litg) – auszuschreiben.

Aus §7 Abs5 F-VG 1948 iVm Art15 Abs1 B‑VG, wonach eine Angelegenheit im selbständigen Wirkungsbereich der Länder verbleibe, soweit sie nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes übertragen sei, sei zu schließen, "dass das, wozu §15 FAG 2008 die Gemeinden ermächtigt, nicht zum selbständigen Wirkungsbereich der Länder gehört".

Vor dem Hintergrund, dass sich der dem Antrag zugrunde liegende Sachverhalt nicht auf das Halten lediglich zum Zwecke des Aus- und Einsteigens von Personen oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit beziehe, führt das antragstellende Bundesfinanzgericht wörtlich aus (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen):

"Der Schwerpunkt der gegenständlichen konkretisierenden Regelungen liegt aber in der Parkometerabgabeverordnung des Wiener Gemeinderates und nicht in dem vom Wiener Landtag beschlossenen Parkometergesetz 2006. Und selbst bei einer theoretisch denkbaren fast vollständigen Konkretisierung im Landesgesetz (mit Ausnahme der dem Gemeinderat schließlich vorbehaltenen Ausschreibung der Abgabe) würde es sich nicht zur Gänze um eine Gesetzgebungskompetenz der Länder handeln: Die grundsätzliche Ermächtigung der Gemeinden durch §15 Abs3 Z5 FAG 2008 wäre gemäß §7 Abs5 F-VG stets der Bundesgesetzgebungskompetenz zuzurechnen und die dem Gemeinderat vorbehaltene Aus-schreibung der Abgaben wäre stets auf §7 Abs5 F-VG zurückzuführen.

§4 Abs1 [Wiener] Parkometergesetz 2006 lautet:

'Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 365 Euro zu bestrafen.'

Gemäß Art10 Abs1 Z6 B‑VG ist Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung u.a. 'Strafrechtswesen mit Ausschluss des Verwaltungsstrafrechtes und des Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheiten, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen'.

Somit kann das Verwaltungsstrafrecht und das Verwaltungsstrafverfahrensrecht gemäß Art10 Abs1 Z6 B‑VG nur hinsichtlich der Wiener Parkometerabgabe für Fahrzeuge, die lediglich zum Zwecke des Aus- und Einsteigens von Personen oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit halten, zum selbständigen Wirkungsbereich der Länder gehören. Art11 Abs2 B‑VG betreffend einheitliche Regelungen durch Bundesgesetz u.a. für allgemeine Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes sowie für das Verwaltungsstrafverfahren kann den selbstständigen Wirkungsbereich der Länder jedenfalls nicht erweitern.

Die Verwaltungsstrafsache, die dem gegenständlichen Bescheidbeschwerdeverfahren zugrunde liegt, gehört somit nicht zum selbständigen Wirkungsbereich der Länder im Sinne des B‑VG."

Da der Magistrat der Stadt Wien keine Bundesbehörde sei, könne aus Art131 Abs3 B‑VG iVm §1 Abs1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) keine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur Entscheidung über die anhängige Beschwerde abgeleitet werden. Die Art131 Abs5 B‑VG zugrunde liegende Ermächtigung des Landesgesetzgebers zur Begründung von Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte des Bundes sei auf Rechtssachen in den Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder iSd Art15 Abs1 B‑VG und sohin auf jene Angelegenheiten beschränkt, die in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache seien.

Zur Begründung des Hauptantrages geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass der Verweis des §5 WAOR auf die "in den §§1 und 2 genannten Landes- und Gemeindeabgaben" – unter Zugrundelegung einer Interpretation anhand der historischen Entwicklung der Bestimmung – so zu verstehen sei, dass die Parkometerabgabe ohne Differenzierung, ob diese gemäß §1 Abs1 Wiener Parkometergesetz 2006 (iVm Verordnungen des Wiener Gemeindesrates) oder gemäß §15 Abs3 Z5 FAG 2008 (iVm Verordnungen des Wiener Gemeinderates) erhoben werde, unter die "nicht bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben" iSd §1 lita WAOR fiele. Die fahrlässige Verkürzung der Abgabe im dem Antrag zugrunde liegenden Fall sei daher eine Verwaltungsübertretung gemäß §5 WAOR. Die Vorschrift des §5 leg.cit. sei hinsichtlich des Hauptantrages präjudiziell, weil die Wahrnehmung der Zuständigkeit durch das Bundesfinanzgericht mangels Anwendbarkeit des Art131 Abs3 B‑VG die Anwendung des §5 WAOR voraussetze. Der Eventualantrag werde für den Fall gestellt, dass der Verfassungsgerichtshof §1 WAOR und den Verweis des §5 WAOR auf §1 leg.cit. als derart unklar erachte, dass sie gegen das Legalitätsprinzip verstießen.

3. Die Wiener Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken entgegentritt:

3.1. Die Wiener Landesregierung erachtet den Antrag des Bundesfinanzgerichtes auf Aufhebung des gesamten §5 WAOR als zu weit gefasst. §5 WAOR sehe eine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes sowohl in Abgaben- als auch in Abgabenstrafverfahren vor. Dem Antrag liege eine Verwaltungsübertretung nach dem Wiener Parkometergesetz 2006 und damit ein Abgabenstrafverfahren zugrunde. Die vom antragstellenden Bundesfinanzgericht begehrte Aufhebung des gesamten §5 WAOR – und damit auch jenes Teiles der Bestimmung, der das administrative Abgabenrecht betrifft – sei überschießend. Der in §5 WAOR auf das Abgabenstrafverfahren bezogene Wortlaut stehe in keinem untrennbaren Zusammenhang zu dem das Abgabenverfahren betreffenden Wortlaut. Die aufgezeigte Verfassungswidrigkeit könne allein durch Aufhebung der Wortfolge "und der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu diesen Abgaben" in §5 WAOR beseitigt werden. Der Antrag des Bundesfinanzgerichtes auf Aufhebung des gesamten §5 WAOR sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

Der Eventualantrag sei ebenso unzulässig, da nicht der gesamte §1 WAOR, sondern nur dessen lita präjudiziell sei. Im Übrigen werde nicht nachvollziehbar dargelegt, warum §1 WAOR gegen das Legalitätsprinzip verstoße.

Selbst wenn der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit bzgl. §5 WAOR zutreffe, bliebe für eine Aufhebung kein Raum, da die betroffenen Regelungen einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich seien.

Dem Vorbringen des Bundesfinanzgerichtes folgend, wonach der Landesgesetzgeber hinsichtlich Gemeindeabgaben, die auf Grund einer bundesgesetzlichen Ermächtigung ausgeschrieben werden, keine Straftatbestände normieren dürfe, liege der Sitz der Verfassungswidrigkeit nicht in §5 WAOR, sondern in §4 Abs1 Wiener Parkometergesetz 2006, mit dem nach der offenkundigen Auffassung des Bundesfinanzgerichtes der Wiener Landesgesetzgeber eine ihm nicht zukommende Kompetenz in Anspruch genommen habe, nämlich Übertretungen, die außerhalb der Ermächtigung des §1 Abs1 Wiener Parkometergesetz 2006 liegen, zu erfassen. Der Antrag (wie auch der Eventualantrag) erweise sich schon deshalb als unzulässig, weil durch die Aufhebung des §5 WAOR diese Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt würde.

3.2. In der Sache geht die Wiener Landesregierung davon aus, dass unter den nach §8 Abs1 F-VG 1948 durch den Landesgesetzgeber zu regelnden Landes- und Gemeindeabgaben alle Abgaben zu verstehen seien, die nicht zu den in §7 Abs1 F-VG 1948 angesprochenen Bundesabgaben zählten. Der Landesgesetzgeber bleibe zur Regelung auch im Bereich jener Abgaben befugt, die der Bund gemäß §7 Abs5 F-VG 1948 in das freie Beschlussrecht der Gemeinden übertragen habe, wobei die landesgesetzliche Regelung die Ermächtigung lediglich konkretisieren und nicht einschränken dürfe. Der Zweck des §7 Abs5 F-VG 1948 bestehe nicht darin, die Gesetzgebungskompetenz vom Land auf den Bund zu übertragen, sondern den Gemeinden ein von der Landesgesetzgebung unabhängiges Mindestmaß an Steuerhoheit zu gewähren. Ferner sei das Verwaltungsstrafrecht nicht von der bundesgesetzlichen Ermächtigung des §7 Abs5 F-VG 1948 umfasst und auch nicht zum selbständigen Wirkungsbereich der Gemeinden zu rechnen.

Die Zuständigkeit zur Erlassung und Vollziehung von Verwaltungsstrafbestimmungen richte sich entsprechend dem Adhäsionsprinzip nach der materiellen Sachkompetenz. Nicht maßgebend in Bezug auf Straftatbestände seien Art11 Abs2 B‑VG und §7 Abs6 F-VG 1948. Die Adhäsionskompetenz des Landesgesetzgebers werde durch §7 Abs5 F-VG 1948 nicht beseitigt. Dieser Kompetenzlage entsprechend seien Verwaltungsübertretungen betreffend die Parkometerabgabe in §4 Wiener Parkometergesetz 2006 geregelt und bestimme §7 leg.cit., dass die Gemeinde die in §15 Abs3 Z5 FAG 2008 geregelten Aufgaben mit Ausnahme der Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen habe.

Denke man die Argumentation des Bundesfinanzgerichtes zu Ende, gelange man zu dem Ergebnis, dass für auf Grund von bundesgesetzlichen Ermächtigungen ausgeschriebene Abgaben eine Übertragung der Zuständigkeit an ein Verwaltungsgericht des Bundes nicht zulässig wäre, weil hiefür weder in Art131 Abs4 noch in Abs5 B‑VG eine Rechtsgrundlage bestünde. Dieses Interpretationsergebnis könne aber dem Bundesverfassungsgesetzgeber nicht unterstellt werden.

Die Ermächtigung des Art131 Abs5 B‑VG sei weder auf Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder iSd Art15 Abs1 B‑VG noch auf Angelegenheiten, die in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache seien, beschränkt: Die in den Art10 bis 15 B‑VG geregelte Kompetenzverteilung unterscheide sich grundlegend von jener des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, weshalb die zur Bundesverfassung getroffenen Aussagen nicht ohne weiteres auf das Finanz-Verfassungsgesetz 1948 übertragen werden könnten. Der in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 zu Art131 Abs5 B‑VG (RV 1618 BlgNR 24. GP , 16) der Wortfolge "Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder" nachgesetzte Klammerausdruck "(Art15 Abs1 B‑VG)" bedeute nicht, dass nur in Angelegenheiten, die unter Art15 Abs1 B‑VG fielen, die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes vorgesehen werden könne. Art15 Abs1 B‑VG bestimme den selbständigen Wirkungsbereich der Länder nicht abschließend. Für dessen Beurteilung seien hinsichtlich des Abgabenwesens die Bestimmungen des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 maßgeblich, welche vorsehen, dass ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben durch die Landesgesetzgebung zu regeln seien. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 führten daher auch Landes- und Gemeindeabgaben als Beispiel für eine Angelegenheit des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder an.

Ferner sei für das dem Antrag zugrunde liegende Verfahren festzuhalten, dass sich die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes aus §5 WAOR ergebe und die Festlegung des Geltungsbereiches des Gesetzes in §1 WAOR, der sich in lita auf nicht bundesgesetzlich geregelte Abgaben und in litb auf bestimmte bundesgesetzlich geregelte Abgaben beziehe, klar und hinreichend bestimmt sei. Ein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip sei nicht zu erkennen.

4. Die Bundesregierung erstattete über Einladung des Verfassungsgerichtshofes ebenfalls eine Äußerung, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken entgegentritt:

4.1. Zur Frage der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung tritt die Bundesregierung den Ausführungen der Wiener Landesregierung bei und erachtet den Antrag des Bundesfinanzgerichtes als zu weit gefasst.

4.2. In der Sache führt die Bundesregierung aus, dass die Landesgesetzgebung (auch) auf dem Gebiet der ausschließlichen Gemeindeabgaben zur Regelung des materiellen Steuerrechts zuständig sei und daher der Vorbehalt bezüglich des §7 Abs5 F-VG 1948 so zu verstehen sei, dass hinsichtlich dieser vom Bund in das freie Beschlussrecht der Gemeinden übertragenen Abgaben die Landesgesetzgebung zur Regelung befugt bleibe, allerdings mit der Maßgabe, dass landesgesetzliche Regelungen, die die bundesgesetzliche Ermächtigung nicht bloß konkretisieren, sondern einschränken, als verfassungswidrig anzusehen seien.

§7 Abs5 F-VG 1948 sei eine kompetenzrechtliche Regelung unter dem Gesichtspunkt des freien Beschlussrechts der Gemeinden, es sei darin aber keine Kompetenz des Bundesgesetzgebers zu sehen, die Angelegenheit, die in das freie Beschlussrecht und somit den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde falle, selbst materiell zu regeln oder zu vollziehen. Diese Kompetenz verbleibe auf Grund des §8 Abs1 F-VG 1948 in Gesetzgebung und Vollziehung grundsätzlich Landessache. Die Zulässigkeit der materiell-rechtlichen Regelung der auf Grund von §15 Abs3 Z5 FAG 2008 in das freie Beschlussrecht der Gemeinde übertragenen Abgaben durch die Gemeinde selbst sei aus der Notwendigkeit abzuleiten, die begleitenden Regelungen zu treffen. Diese Zuständigkeit bestehe aber nur, sofern das Land die materiell-rechtlichen Regelungen auf Grund seiner vorrangig zu betrachtenden Zuständigkeit iSd §8 Abs1 F-VG 1948 nicht selbst erlasse. Der Gemeinde verbleibe nur ein Kernbereich; jeder Eingriff in diesen stelle eine verfassungswidrige Einschränkung des freien Beschlussrechts der Gemeinde dar. Auch dieser Umstand führe aber nicht zu einer über die Ermächtigung der Gemeinde hinausgehenden Kompetenz des Bundes.

Die Zuständigkeit zur Regelung, welche Behörde (bzw. nunmehr welches Gericht) über ein Rechtsmittel zu entscheiden habe, komme grundsätzlich dem jeweiligen Materiengesetzgeber zu. Auch hinsichtlich der Vollziehung bestehe gemäß §11 Abs3 F-VG 1948 ein Vorrecht des Landesgesetzgebers, die entsprechenden Kompetenzen näher zu regeln und sei die Kompetenz zur Festlegung der Zuständigkeit im Instanzenzug im Verwaltungsstrafverfahren ebenso dem Landes-gesetzgeber als Materiengesetzgeber zuzuordnen. Die auf Grund des §7 Abs5 F-VG 1948 erteilte bundesgesetzliche Ermächtigung könne keine dem Landesgesetzgeber zukommende Kompetenz zum Bund verschieben, was aber im Ergebnis nichts anderes bedeute, als dass auch Abgaben nach §7 Abs5 F-VG 1948 dem selbständigen Wirkungsbereich der Länder iSd Art131 Abs5 B‑VG zuzurechnen seien.

§15 Abs3 Z5 FAG 2008, mit dem die Ermächtigung der Gemeinde zur Ausschreibung der Abgabe ausgesprochen werde, sei zwar eine bundesrechtliche Regelung, doch werde mit dieser die öffentliche Abgabe nicht geregelt. Die vorliegende Angelegenheit werde somit eindeutig durch §1 WAOR erfasst und werde daher mit §5 WAOR das Bundesfinanzgericht zuständig gemacht. Da dem Landesgesetzgeber die Kompetenz zur materiell-rechtlichen Regelung zukomme und sich daraus auch die Kompetenz zur Festlegung des zuständigen Gerichtes ergebe, liege eine Angelegenheit vor, die iSd Art131 Abs5 B‑VG zum selbständigen Wirkungsbereich der Länder gehöre. Damit sei der Landesgesetzgeber mit Zustimmung der Bundesregierung befugt, in dieser Angelegenheit die Zuständigkeit auf ein Verwaltungsgericht des Bundes zu übertragen.

4.3. Zum Eventualantrag führt die Bundesregierung aus, dass von einem Verstoß gegen das Legalitätsprinzip keinesfalls auszugehen sei, da sich die vom antragstellenden Bundesfinanzgericht vorgenommene Auslegung des §1 litb WAOR als überflüssig und die Auslegung der §§1 bis 5 WAOR für die Bedürfnisse des vorliegenden Falles als leicht zugänglich erweise.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Art131 B‑VG lautet:

"Art131. (1) Soweit sich aus Abs2 und 3 nicht anderes ergibt, erkennen über Beschwerden nach Art130 Abs1 die Verwaltungsgerichte der Länder.

(2) Soweit sich aus Abs3 nicht anderes ergibt, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Art130 Abs1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Sieht ein Gesetz gemäß Art130 Abs2 Z2 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, die gemäß Art14b Abs2 Z1 in Vollziehung Bundessache sind. Sieht ein Gesetz gemäß Art130 Abs2 Z3 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten des Bundes.

(3) Das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen erkennt über Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z1 bis 3 in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.

(4) Durch Bundesgesetz kann

1. eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder vorgesehen werden: in Rechtssachen in den Angelegenheiten gemäß Abs2 und 3;

2. eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes vorgesehen werden:

a) in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist (Art10 Abs1 Z9 und Art11 Abs1 Z7);

b) in sonstigen Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die nicht unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, sowie in den Angelegenheiten der Art11, 12, 14 Abs2 und 3 und 14a Abs3.

Bundesgesetze gemäß Z1 und Z2 litb dürfen nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden.

(5) Durch Landesgesetz kann in Rechtssachen in den Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes vorgesehen werden. Art97 Abs2 gilt sinngemäß.

(6) Über Beschwerden in Rechtssachen, in denen ein Gesetz gemäß Art130 Abs2 Z1 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vorsieht, erkennen die in dieser Angelegenheit gemäß den Abs1 bis 4 dieses Artikels zuständigen Verwaltungsgerichte. Ist gemäß dem ersten Satz keine Zuständigkeit gegeben, erkennen über solche Beschwerden die Verwaltungsgerichte der Länder."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 lauten:

"§7. (1) Die Bundesgesetzgebung regelt die Bundesabgaben, das sind die ausschließlichen Bundesabgaben, die gemeinschaftlichen Bundesabgaben und bei Zuschlagsabgaben und Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand die für den Bund erhobene Abgabe.

(2) – (4) […]

(5) Die Bundesgesetzgebung kann Gemeinden ermächtigen, bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung auszuschreiben.

[…]

§8. (1) Die ausschließlichen Landes(Gemeinde)abgaben, die Zuschläge der Länder (Gemeinden) zu Bundesabgaben und die Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand wie eine Bundesabgabe werden vorbehaltlich der Bestimmungen des §7 Abs3 bis 5 durch die Landesgesetzgebung geregelt.

(2) – (4) […]

(5) Die Landesgesetzgebung kann Gemeinden ermächtigen, bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung zu erheben. Solche Landesgesetze müssen die wesentlichen Merkmale dieser Abgaben, insbesondere auch ihr zulässiges Höchstausmaß bestimmen.

[…]

§11. (1) Die Bundesabgaben werden, soweit die Bundesgesetzgebung nichts anderes bestimmt, durch Organe der Bundesfinanzverwaltung bemessen, eingehoben und zwangsweise eingebracht. Inwieweit Organe anderer Körperschaften mitzuwirken haben, bestimmen die Abgabengesetze.

(2) […]

(3) Die übrigen Abgaben der Länder (Gemeinden) werden vorbehaltlich der Bestimmung des §7 Abs3 grundsätzlich durch Organe jener Gebietskörperschaften bemessen und eingehoben, für deren Zwecke sie ausgeschrieben werden. Die Landesgesetzgebung bestimmt, inwieweit Landesabgaben von Organen der Gemeinden (Gemeindeverbände) und Gemeindeabgaben von Organen des Landes (der Gemeindeverbände) zu bemessen und einzuheben sind. Sofern durch Landesgesetz die Bemessung und Einhebung solcher Abgaben Bundesorganen übertragen werden soll, findet Art97 Abs2 B‑VG Anwendung.

[…]"

3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Finanzausgleichsgesetzes 2008, BGBl I 103/2007 idF BGBl I 82/2012, lauten:

D. Gemeindeabgaben auf Grund freien Beschlussrechtes

§15. (1) – (2) […]

(3) Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluss der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weiter gehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:

1. – 4. […]

5. Mit Wirkung vom 1. Jänner 2006: Abgaben für das Abstellen mehrspuriger Kraftfahrzeuge in Kurzparkzonen gemäß §25 StVO 1960. Ausgenommen sind:

(a) – (f) […]

(g) Fahrzeuge, die lediglich zum Zwecke des Aus- und Einsteigens von Personen oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit halten."

4. Die Verordnung des Wiener Gemeinderates, mit der für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen die Entrichtung einer Abgabe vorgeschrieben wird (Parkometerabgabeverordnung), ABl. 51/2005 idF ABl. 29/2013, lautet auszugsweise:

"§1. Für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§25 StVO 1960) ist eine Abgabe zu entrichten.

(2) 1. der Begriff 'Abstellen' umfasst sowohl das Halten im Sinne der Begriffsbestimmung des §2 Abs1 Z27 der StVO 1960, als auch das Parken im Sinne des §2 Abs1 Z28 der StVO 1960 von mehrspurigen Kraftfahrzeugen;

2. der Begriff 'Kraftfahrzeug' ist im Sinne der Begriffsbestimmung des §2 Abs1 Z1 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967), BGBl Nr 267/1967, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 175/2004, zu verstehen.

(3) Die Bestimmungen der StVO 1960 sowie die Bestimmungen der darauf gestützten Verordnungen und Anordnungen werden durch diese Verordnung nicht berührt.

(4) Die Bemessung der Abgabe erfolgt durch formlose Zahlungsaufforderung.

§2. Die Abgabe beträgt für jede halbe Stunde Abstellzeit 1 Euro, wobei für angefangene halbe Stunden der volle Abgabenbetrag zu entrichten ist. Beträgt die gesamte Abstellzeit nicht mehr als fünfzehn Minuten, ist ein Abgabenbetrag nicht zu entrichten, wenn der hiefür vorgesehene Parkschein vorschriftsmäßig angebracht und entwertet oder aktiviert ist.

§3. Das bei Erwerb von Parkscheinen zu zahlende Entgelt beträgt pro Parkschein

a) für eine Abstellzeit von einer halben Stunde (rot) 1 Euro,

b) für eine Abstellzeit von einer Stunde (blau) 2 Euro,

c) für eine Abstellzeit von eineinhalb Stunden (grün) 3 Euro

d) für eine Abstellzeit von zwei Stunden (gelb) 4 Euro.

§4. Das bei Erwerb von elektronischen Parkscheinen zu zahlende Entgelt beträgt pro elektronischem Parkschein

a) für eine Abstellzeit von einer halben Stunde 1 Euro,

b) für eine Abstellzeit von einer Stunde 2 Euro,

c) für eine Abstellzeit von eineinhalb Stunden 3 Euro,

d) für eine Abstellzeit von zwei Stunden 4 Euro,

e) für eine Abstellzeit von zweieinhalb Stunden 5 Euro,

f) für eine Abstellzeit von drei Stunden 6 Euro.

[…]

§5. (1) Die Abgabe gilt mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheins (der Parkscheine) oder mit der Bestätigung der Abstellanmeldung als entrichtet.

(2) Zur Entrichtung der Abgabe sind der Lenker, der Besitzer und der Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet. Jeder Lenker, der ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Abgabepflicht besteht, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Die Lenker haben bei der Durchführung der angeordneten Kontrollmaßnahmen mitzuwirken.

[…]"

5. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes über die Regelung der Benützung von Straßen durch abgestellte mehrspurige Kraftfahrzeuge (Parkometergesetz 2006), LGBl für Wien 9/2006 idF LGBl für Wien 10/2013, lauten:

"§1. (1) Die Gemeinde wird ermächtigt, durch Verordnung für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen gemäß §25 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl Nr 159/1960, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 99/2005, die Entrichtung einer Abgabe auch für mehrspurige Kraftfahrzeuge vorzuschreiben, die lediglich zum Zwecke des Aus- und Einsteigens von Personen oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit halten.

[…]

§4. (1) Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 365 Euro zu bestrafen.

[…]

§7. Die Gemeinde hat die in §15 Abs3 Z5 des FAG 2005, BGBl I Nr 156/2004 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 34/2005 und die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben mit Ausnahme der Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen.

[…]"

6. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien (WAOR), LGBl für Wien 21/1962 idF LGBl für Wien 45/2013, lauten wie folgt (die mit dem Hauptantrag angefochtene Gesetzesbestimmung ist hervorgehoben):

"§1. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten in Angelegenheiten

a) der nicht bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der im Wiener Landesgesetz über die Festsetzung des Ausmaßes von Verwaltungsabgaben im Bereich des Landes und der Gemeinde Wien vorgesehenen Verwaltungsabgaben in den Angelegenheiten der Wiener Landes- und Gemeindeverwaltung) der Stadt Wien,

b) der Grundsteuer, der Lohnsummensteuer und der Kommunalsteuer, soweit nicht bundesgesetzliche Vorschriften anzuwenden sind, soweit diese Abgaben von Organen der Stadt Wien verwaltet werden und nicht Abgabenbehörden des Bundes einzuschreiten haben.

§2. (1) Abgaben im Sinn dieses Gesetzes sind, wenn nicht anderes angeordnet ist, neben den im §1 bezeichneten Abgaben auch die Nebenansprüche zu diesen Abgaben.

(2) Abgabenvorschriften im Sinne dieses Gesetzes sind das Gesetz über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Be-stimmungen in Wien (WAOR) sowie alle Gesetze und Verordnungen, die jene Abgaben, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist (§1), regeln oder sichern.

§3. (1) Abgabenbehörden sind die mit der Verwaltung der im §1 bezeichneten öffentlichen Abgaben betrauten Behörden der Stadt Wien.

(2) Unter Verwaltung im Sinn dieses Gesetzes sind alle der Durchführung der Abgabenvorschriften dienenden abgabenbehördlichen Maßnahmen zu verstehen.

§4. Als Abgabenbehörde ist der Magistrat zuständig, soweit die Abgabenvorschriften nicht anderes anordnen.

§5. Über Beschwerden in Angelegenheiten der in den §§1 und 2 genannten Landes- und Gemeindeabgaben und der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu diesen Abgaben entscheidet das Bundesfinanzgericht."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Was den erforderlichen Umfang der Anfechtung anlangt, so ist dieser durch folgende Überlegungen zu bestimmen: Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003) notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt, und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Aus dieser Grundposition folgt zunächst, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Antrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 18.142/2007, 19.496/2011).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen demgegenüber nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit der Antrag nur Normen erfasst, die iSd Pkt. 1.1. präjudiziell sind oder mit solchen untrennbar zusammenhängen, führt dies, ist der Antrag in der Sache begründet, im Fall der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zur partiellen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua.). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit offensichtlich trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur teilweisen Zurück-weisung des Antrages (siehe VfSlg 16.246/2001, 16.816/2003, 16.819/2003, 17.572/2005, 18.766/2009); soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht zur Zurückweisung des gesamten Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua.; 10.12.2014, G133/2014).

1.3. §5 WAOR begründet die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes in Angelegenheiten "der in den §§1 und 2 genannten Landes- und Gemeinde-abgaben und der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu diesen Abgaben". Dem Verfahren vor dem antragstellenden Bundesfinanzgericht liegt eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis betreffend die Vorschreibung einer Geldstrafe wegen fahrlässiger Verkürzung der Wiener Parkometerabgabe zugrunde. Das Bundesfinanzgericht hat daher im Zuge der Prüfung seiner Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerde im anhängigen Verfahren zu prüfen, ob eine Verwaltungsübertretung zu einer in den §§1 und 2 WAOR genannten Landes- und Gemeindeabgaben vorliegt.

1.3.1. Der Auffassung der Wiener Landesregierung, das Bundesfinanzgericht wende sich mit seinem Antrag im Ergebnis gegen §4 Abs1 Wiener Parkometergesetz 2006, vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu folgen: Zwar ist der Wiener Landesregierung einzuräumen, dass das Bundesfinanzgericht in seinem Antrag die Auffassung vertritt, dass die die Wiener Parometerabgabe betreffenden Verwaltungsstrafsachen dann nicht in den selbständigen Wirkungsbereich des Landes fielen, wenn die Ausschreibung der Parkometer-abgabe auf §7 Abs5 F-VG 1948 zurückzuführen sei, was zur Folge hätte, dass – hielte man die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes für zutreffend – die Regelung des §4 Abs1 Wiener Parkometergesetz 2006 in Widerspruch zu Art10 Abs1 Z6 B‑VG stünde und somit verfassungswidrig wäre. Die Geltendmachung dieser behaupteten Verfassungswidrigkeit setzt aber jedenfalls voraus, dass das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung über die dem Verfahren zugrunde liegende Beschwerde zuständig ist. Insofern ist die Wahrnehmung der Zuständigkeit gemäß §5 WAOR vom Bundesfinanzgericht vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage zu entscheiden und dienen die Ausführungen zu §4 Abs1 Wiener Parkometergesetz 2006 nur zur Begründung der verfassungs-rechtlichen Bedenken, die sich gegen §5 WAOR richten.

1.3.2. Die Vorschrift des §5 WAOR ist im Verfahren vor dem antragstellenden Bundesfinanzgericht allerdings nur insoweit präjudiziell, als sich die Regelung auf die Wahrnehmung der Zuständigkeit zur Entscheidung in einem Beschwerde-verfahren betreffend ein Straferkenntnis im Hinblick auf die fahrlässige Verkürzung der Parkometerabgabe bezieht. Vor dem Hintergrund der Bedenken des Bundesfinanzgerichtes ist somit nur die Wortfolge "und der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu diesen Abgaben" präjudiziell. Diese Wortfolge steht auch nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit jenem Teil der Bestimmung, der anordnet, dass über Beschwerden in Angelegenheiten der in den §§1 und 2 genannten Landes- und Gemeindeabgaben das Bundesfinanzgericht entscheidet. Da das Bundesfinanzgericht den Antrag stellt, den gesamten §5 WAOR als verfassungswidrig aufzuheben, und diese Vorschrift in ihrem ersten Teil die Wahrnehmung der – offenkundig im anhängigen Beschwerdeverfahren nicht zu beurteilenden – Zuständigkeit in Angelegenheiten der in den §§1 und 2 genannten Landes- und Gemeindeabgaben regelt, ist der Antrag insoweit zu weit gefasst.

Nach der nunmehrigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 10.12.2014, G133/2014) führt dieser Umstand aber entgegen der Auffassung der Wiener Landesregierung sowie der Bundesregierung nicht zur Zurückweisung des gesamten Antrages. Da die Wortfolgen der angefochtenen Bestimmung insoweit offensichtlich trennbar sind, ist der Antrag, soweit er sich auf die Wortfolge "und der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu diesen Abgaben" in §5 WAOR bezieht, zulässig; im Übrigen ist der Antrag zurückzuweisen.

1.4. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag hinsichtlich der Wortfolge "und der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu diesen Abgaben" in §5 WAOR als zulässig. Auf den Eventualantrag ist bei diesem Ergebnis nicht einzugehen (vgl. VfGH 11.12.2014, G119/2014 ua. mwN).

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Soweit zulässig, ist der Antrag nicht begründet.

2.2.1. Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes fielen Gemeindeabgaben, die auf Grund der bundesgesetzlichen Ermächtigung des §7 Abs5 F-VG 1948 ausgeschrieben werden, nicht in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder iSd Art131 Abs5 B‑VG; daher wären auch Verwaltungsstrafsachen auf Grund des Art10 Abs1 Z6 B‑VG, die solche Abgaben betreffen, nicht zum selbständigen Wirkungsbereich der Länder iSd Art131 Abs5 B‑VG zu rechnen. Die Bedenken des Bundesfinanzgerichtes gehen dabei ausschließlich dahin, dass seine Zuständigkeit nach §5 WAOR für die Entscheidung über Angelegenheiten der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu ausschließlichen Gemeindeabgaben auf Grund der Vorgaben des Art131 Abs5 B‑VG deshalb verfassungswidrig sei, weil diese Angelegenheiten gemessen an §7 Abs5 F-VG 1948 iVm Art15 Abs1 B‑VG einerseits und an Art10 Abs1 Z6 B‑VG andererseits nicht zum selbständigen Wirkungsbereich der Länder gehörten.

2.2.2. Zu diesen Bedenken ist einleitend festzuhalten, dass der Verfassungs-gesetzgeber mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 51, ein neues gerichtliches Rechtsschutzsystem vorgesehen und neben neun Verwaltungsgerichten der Länder und einem Bundesverwaltungsgericht ein Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen eingerichtet hat. Gemäß Art131 Abs3 B‑VG erkennt das Bundesfinanzgericht über Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z1 bis 3 B‑VG in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden. Daneben sieht Art131 Abs5 B‑VG – unter sinngemäßer Anwendung des Art97 Abs2 B‑VG – vor, dass durch Landesgesetz in Rechtssachen in den Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes – und damit auch des Bundesfinanzgerichtes – vorgesehen werden kann. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 1618 BlgNR 24. GP , 16) führen dazu wörtlich aus:

"[…] Die Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte des Bundes können nicht nur durch Bundesgesetz, sondern, soweit es sich um Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder (Art15 Abs1 B‑VG) handelt, nach Art131 Abs5 auch durch Landesgesetz erweitert werden (zu denken wäre etwa an eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen in Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeabgaben). Solche Landesgesetze bedürfen allerdings der Zustimmung der Bundesregierung. […]"

2.2.3. Zu den Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder iSd Art131 Abs5 B‑VG gehören demnach zunächst die des Art15 Abs1 B‑VG und somit jene Angelegenheiten, in denen Gesetzgebung und Vollziehung Landessache ist. Für Angelegenheiten der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen bestimmt Art10 Abs1 Z6 B‑VG, dass das Strafrechtswesen mit Ausschluss des Verwaltungsstrafrechtes und des Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheiten, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen, in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache ist. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes richtet sich die Zuständigkeit zur Erlassung und Vollziehung von Verwaltungsstrafbestimmungen nach der Zuständigkeit zur Regelung und Vollziehung der betreffenden Verwaltungsmaterie (VfSlg 12.187/1989 mwN). Die Zuordnung der sich auf Abgaben beziehenden Verwaltungsübertretungen richtet sich somit im Grundsatz nach der Zuständigkeit zur Regelung und Vollziehung der betreffenden Abgaben.

Für den Bereich des Abgabenwesens werden die Zuständigkeiten des Bundes und der Länder durch ein eigenes Bundesverfassungsgesetz, das Finanz-Verfassungsgesetz 1948, geregelt (Art13 B‑VG). Hinsichtlich der Wiener Parkometerabgabe nach der Parkometerabgabeverordnung des Wiener Gemeinderates ist dabei zu beachten, dass die Ausschreibung dieser Abgabe kompetenzrechtlich auf §7 Abs5 F-VG 1948 beruht. Diese Vorschrift räumt dem Bundesgesetzgeber die Kompetenz ein, Gemeinden zu ermächtigen, bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung auszuschreiben. Die Zuständigkeitsvorschrift des §7 Abs5 F-VG 1948 steht dabei in systematischem Zusammenhang mit §8 Abs1 F-VG 1948: Nach dieser Regelung werden die ausschließlichen Landes- und Gemeindeabgaben "vorbehaltlich der Bestimmungen des §7 Abs3 bis 5 durch die Landesgesetzgebung geregelt". §7 Abs5 F-VG 1948 ist vor diesem Hintergrund als Vorschrift zu verstehen, die den Gemeinden ein von der Landesgesetzgebung unabhängiges Maß an Steuerhoheit garantieren soll (VfSlg 10.947/1986).

2.2.4. Der Landesgesetzgeber ist daher nicht gehindert, in Ausübung der ihm durch §8 Abs1 F-VG 1948 übertragenen Kompetenz zur Regelung der ausschließlichen Gemeindeabgaben auch Regelungen für Abgaben zu treffen, die nach §7 Abs5 F-VG 1948 den Gemeinden in das freie Beschlussrecht übertragen wurden. Solche landesgesetzlichen Regelungen dürfen aber die durch die Bundesgesetzgebung eingeräumte Ermächtigung nur konkretisieren oder allenfalls – gestützt auf §8 Abs5 F-VG 1948 – erweitern, keinesfalls aber beschneiden oder einschränken (VfSlg 11.273/1987).

Damit kommt aber dem Landesgesetzgeber eine umfassende Kompetenz zur materiell-rechtlichen Regelung der betreffenden Abgaben zu, solange er das aus dem systematischen Zusammenspiel der Vorschriften der §§7 Abs5 und 8 Abs1 F-VG 1948 resultierende "Einschränkungsverbot" beachtet. Dieses verbietet dem Landesgesetzgeber bei Wahrnehmung seiner umfassenden Kompetenz lediglich, Regelungen zu treffen, die die der Gemeinde durch die bundesgesetzliche Ermächtigung eingeräumte Möglichkeit zur Erschließung von Abgabenerträgen in einer Weise beschneiden, die dem Zweck der Ermächtigung, den Gemeinden ein Mindestmaß an Steuerhoheit ohne Tätigwerden des Landesgesetzgebers zu garantieren, zuwiderläuft (Ruppe, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, §7 F-VG, Rz 45).

Sohin trifft auch die Annahme des Bundesfinanzgerichtes nicht zu, dass selbst im Fall einer fast vollständigen Konkretisierung im Landesgesetz die betreffende Abgabe stets der Bundesgesetzgebungskompetenz zuzurechnen wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei Bestehen einer konkretisierenden landesgesetzlichen Regelung eine später erlassene, "neue" Gemeindeverordnung dem bereits bestehenden Landesgesetz nicht derogieren kann und umgekehrt ein später erlassenes "neues" Landesgesetz eine im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits bestehende Gemeindeverordnung derart überlagern kann, dass diese unanwendbar wird (VfSlg 15.583/1999).

2.2.5. Das für den Landesgesetzgeber bestehende finanzverfassungsrechtliche Gebot, bei Wahrnehmung seiner Gesetzgebungskompetenz nach §8 Abs1 F-VG 1948 die Grenzen der bundesgesetzlichen Ermächtigung nach §7 Abs5 F-VG 1948 zu beachten, führt somit nicht dazu, dass Angelegenheiten, die mit diesen Abgaben verbunden sind, dem selbständigen Wirkungsbereich der Länder iSd Art131 Abs5 B‑VG entzogen wären. Auch die Regelungen betreffend die Vollziehung stehen einer Zuordnung zum selbständigen Wirkungsbereich der Länder nicht entgegen:

Hinsichtlich der Kompetenz zur Vollziehung bestimmt §11 Abs3 erster Satz F-VG 1948, dass Abgaben der Länder (Gemeinden) grundsätzlich durch Organe jener Gebietskörperschaft bemessen und eingehoben werden, für deren Zwecke sie ausgeschrieben werden. Demnach hat auch die Erhebung von ausschließlichen Gemeindeabgaben, die gemäß §7 Abs5 F-VG 1948 auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung ausgeschrieben werden – so der Landesgesetzgeber keine abweichende Regelung trifft (vgl. §11 Abs3 zweiter Satz F-VG 1948) –, durch Organe der Gemeinde zu erfolgen. Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzgerichtes folgt allein aus dem Umstand, dass eine Abgabe im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ausgeschrieben wird, nichts für die Zuordnung zum selbständigen Wirkungsbereich der Länder iSd Art131 Abs5 B‑VG. Mit Blick auf §11 Abs3 F-VG 1948 schließen auch die Regelungen zur Vollziehung solcher Abgaben nicht aus, dass die Angelegenheiten, die mit diesen Abgaben verbunden sind, zum selbständigen Wirkungsbereich der Länder iSd Art131 Abs5 B‑VG rechnen.

2.2.6. Die Kompetenz zur materiell-rechtlichen Regelung in Angelegenheiten der ausschließlichen Gemeindeabgaben, die gemäß §7 Abs5 F-VG 1948 auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung ausgeschrieben werden, und die Kompetenz zur Vollziehung (§11 Abs3 F-VG 1948) sind somit dem Landesgesetzgeber zuzuordnen, womit die betreffenden Angelegenheiten zum selbständigen Wirkungsbereich der Länder iSd Art131 Abs5 B‑VG zählen. Dieses Ergebnis entspricht auch dem erklärten Willen des Bundesverfassungsgesetzgebers, der in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 1618 BlgNR 24. GP , 16) die Übertragung der Zuständigkeit in Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeabgaben auf das Bundesfinanzgericht beispielhaft als eine mögliche Erweiterung der Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte des Bundes durch die Landesgesetzgebung in Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder – und damit als einen Anwendungsfall des Art131 Abs5 B‑VG – vorsieht.

Vor diesem Hintergrund fallen Angelegenheiten der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu den ausschließlichen Gemeindeabgaben, die auf Grund der bundesgesetzlichen Ermächtigung gemäß §7 Abs5 F-VG 1948 ausgeschrieben werden, ebenfalls in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder iSd Art131 Abs5 B‑VG, da die Kompetenz in Angelegenheiten des Verwaltungsstrafrechts der Kompetenz in der jeweiligen materiellen Angelegenheit folgt (zur akzessorischen Natur der verwaltungsstrafrechtlichen Kompetenz s. VfSlg 12.187/1989).

2.3. Dem Wiener Landesgesetzgeber kann daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er die Zuständigkeit zur Entscheidung über Beschwerden in Angelegenheiten abgabenrechtlicher Verwaltungsübertretungen zu der auf Grund einer bundesgesetzlichen Ermächtigung gemäß §7 Abs5 F-VG 1948 erhobenen, eine ausschließliche Angelegenheit des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder darstellenden Parkometerabgabe – unter Berücksichtigung des in Art97 Abs2 B‑VG vorgesehenen Zustimmungsrechts der Bundesregierung für den Fall der Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung der Länder – auf das Bundesfinanzgericht überträgt.

IV. Ergebnis

1. Die vom Bundesfinanzgericht ob der Verfassungsmäßigkeit des §5 WAOR erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen, soweit er sich auf die Wortfolge "und der abgabenrechtlichen Verwaltungsüber-tretungen zu diesen Abgaben" in §5 WAOR bezieht.

Im Übrigen ist der Antrag zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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