VfGH G137/2014 ua

VfGHG137/2014 ua29.11.2014

Unzulässigkeit von Anträgen des Bundesfinanzgerichtes auf Aufhebung einer Bestimmung des EStG 1988 betr das Abzugsverbot von Aufwendungen und Ausgaben bei Ermittlung von Einkünften aus Grundstücksveräußerungen mangels Präjudizialität; Kursverluste aus Fremdwährungskrediten keine abzugsfähigen Werbungskosten

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EStG 1988 §16 Abs1, §20 Abs2, §30a Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EStG 1988 §16 Abs1, §20 Abs2, §30a Abs1

 

Spruch:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Anträge, Anlassverfahren und Vorverfahren

1. Mit den vorliegenden, auf Art140 Abs1 B‑VG gestützten Anträgen begehrt das Bundesfinanzgericht, der Verfassungsgerichtshof möge die Wortfolge "oder §30a Abs1" in §20 Abs2 zweiter Teilstrich Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988), BGBl 400, in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 (1. StabG 2012), BGBl I 22, als verfassungswidrig aufheben.

Den Anträgen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Beim Bundesfinanzgericht sind Beschwerden eines Ehepaares betreffend Einkommensteuerbescheide 2012 anhängig, denen die Veräußerung einer am 10. Juli 2008 je zur Hälfte erworbenen Liegenschaft (Baufläche begrünt) zugrunde liegt. Die Anschaffungskosten der unbebauten Liegenschaft (Kaufpreis samt Grunderwerbsteuer und Eintragungsgebühr) in Höhe von insgesamt € 535.040,20 wurden durch die Aufnahme eines Fremdwährungskredites in Schweizer Franken aufgebracht. Der Kreditvertrag über den Kaufpreis der gesamten Liegenschaft zuzüglich der Erwerbsnebenkosten wurde vom Ehemann als Kreditnehmer abgeschlossen. Die Besicherung des Kredites erfolgte durch eine Höchstbetragshypothek ob der gesamten Liegenschaft zugunsten der kreditgebenden Bank. Die Eheleute wurden je zur Hälfte als Käufer der Liegenschaft grundbücherlich eingetragen. Am 2. Juli 2012 veräußerten die Eigentümer das weiterhin unbebaute Grundstück um einen Veräußerungserlös in Höhe von € 750.000,–, mit welchem sie den Fremdwährungskredit tilgten. Auf Grund der Kursänderung der Fremdwährung waren für die Tilgung des Kredites Geldmittel in der Höhe von € 719.933,86 erforderlich. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2012 erklärten die Eheleute jeweils Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen gemäß §2 Abs3 Z7 EStG 1988 idF 1. StabG 2012 in Höhe von € 15.513,07, die sie dem festen Steuersatz gemäß §30a Abs1 EStG 1988 idF 1. StabG 2012 von 25 % unterzogen. Die Höhe ihrer Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen errechneten sie, indem sie von dem erzielten Veräußerungserlös (€ 750.000,–) die Anschaffungskosten (€ 535.050,–) und den Kursverlust des Fremdwährungskredites in der Höhe von € 183.933,86 in Abzug brachten. Den verbleibenden Überschuss aus der Veräußerung von € 31.026,14 ordneten sie sich jeweils zur Hälfte zu.

Das Finanzamt setzte in den vor dem Bundesfinanzgericht angefochtenen Einkommensteuerbescheiden die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen – ohne Berücksichtigung des Kursverlustes des Fremdwährungsdarlehens – in Höhe der Differenz zwischen Veräußerungserlös und Anschaffungskosten der Liegenschaft jeweils zur Hälfte mit € 107.480,– fest und besteuerte diese mit dem besonderen Steuersatz von 25 %. Begründend wurde ausgeführt, dass Kursverluste gemäß §30 EStG 1988 keine abzugsfähigen Aufwendungen darstellten. Da der Kauf im Jahr 2008 erfolgte, sei der Veräußerungserlös abzüglich der seinerzeitigen Anschaffungskosten zur Hälfte als Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen von Neuvermögen zu erfassen gewesen.

2. Das Bundesfinanzgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar:

Unter Hinweis auf die bisherige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 13.724/1994, 15.229/1998, 15.934/2000, 16.760/2002), welche es gebiete, die zur Erzielung des Einkommens getätigten Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage abzuziehen, kommt das Bundesfinanzgericht zum Schluss, dass die mit BGBl I 22/2012 in §20 Abs2 zweiter Teilstrich EStG 1988, BGBl 400, erfolgte Neuregelung nicht den beschriebenen verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht werden dürfte. Wörtlich führt es dazu aus:

"[…]

Wenn nunmehr §20 Abs2 zweiter Teilstrich EStG 1988 in der Fassung des 1. StabG 2012 […] vorsieht, dass bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden dürfen, soweit sie mit Einkünften, auf die der besondere Steuersatz gemäß §27a Abs1 oder §30a Abs 1 EStG 1988 idF 1. StabG 2012 […] anwendbar ist, in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, so kommt es einerseits zu dem vom Verfassungsgerichtshof […] als verfassungswidrig erkannten Ergebnis, dass 'ein Veräußerer, der das Wirtschaftsgut mit Fremdkapital angeschafft hat, ungeachtet des größeren Aufwandes, der nötig war, den Veräußerungserlös zu erzielen, ebenso besteuert wird, wie ein Veräußerer, der dazu eigenes Vermögen verwenden konnte'.

[…]"

3. Dies führe dazu, dass die vor dem Bundesfinanzgericht beschwerdeführenden Parteien Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen in Höhe von € 107.480,– zu versteuern hätten, obwohl ihnen aus der Veräußerung des Grundstückes nach Abzug des Kursverlustes des Fremdwährungskredites lediglich € 15.513,07 verblieben. Damit übersteige die mit dem besonderen Steuersatz nach §30a EStG 1988 idF 1. StabG 2012 ermittelte Einkommensteuer in Höhe von € 26.870,– bereits den aus dem Veräußerungsgeschäft tatsächlich erzielten Überschuss. Die Parteien treffe damit eine Abgabenlast auf einen Überschuss, der von ihnen in dieser Höhe nicht erzielt worden sei. Sie befänden sich auf Grund dieser Regelung in der Situation, mangels Erwirtschaftung eines entsprechenden Überschusses aus der Veräußerung eine entstandene Abgabenlast mit Fremdmitteln begleichen zu müssen. Stelle man den von ihnen tatsächlich erzielten Überschuss der auf Grundlage dieser Neuregelung ermittelten Steuerlast gegenüber, so ergebe sich trotz des besonderen Steuersatzes eine Steuerbelastung von 173 %. Andererseits werde der Veräußerer von Privatvermögen beispielsweise gegenüber jenem, dessen Liegenschaft dem Umlaufvermögen zuzurechnen sei, oder wenn ein Schwerpunkt dessen betrieblicher Tätigkeit in der gewerblichen Überlassung und Veräußerung von Grundstücken liegt, insofern benachteiligt, als im Hinblick darauf, dass dafür eine begünstigte Besteuerung nach §30a EStG 1988 idF 1. StabG 2012, BGBI. I 22, nicht in Frage komme, auch das Abzugsverbot des §20 Abs2 zweiter Teilstrich EStG 1988 idF 1. StabG 2012, BGBI. I 22, nicht gelte. Diese Ungleichbehandlung könne auch nicht durch die in §30a Abs2 leg.cit. vorgesehene Option zur Regelbesteuerung abgewendet werden, da das Werbungskostenabzugsverbot des §20 Abs2 zweiter Teilstich leg.cit. nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage für Einkünfte gelte, auf die der besondere Steuersatz des §30a Abs1 leg.cit. grundsätzlich anwendbar sei, und somit auch für den Fall der Regelbesteuerung gelte (vgl. RV 1680 BlgNR 24. GP, 10).

Der Sitz der Verfassungswidrigkeit befindet sich daher nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes in der Wortfolge "oder §30a Abs1" in §20 Abs2 zweiter Teilstrich EStG 1988, BGBl 400, idF 1. StabG 2012, BGBl I 22: Wäre diese Wortfolge nicht anzuwenden, könnten sämtliche mit dem An- und Verkauf eines Grundstückes in Zusammenhang stehenden Aufwendungen – unter anderem auch die angefallenen Fremdfinanzierungskosten – bei der Ermittlung der Einkünfte aus Grundstückveräußerungen in Abzug gebracht werden. Damit würde nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes dem der Einkommensbesteuerung als Ordnungsprinzip zugrunde liegenden objektiven Nettoprinzip in entsprechender Weise Rechnung getragen werden.

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung der Anträge mangels Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung in den Anlassverfahren begehrt. Im Einzelnen führt die Bundesregierung nach Darstellung des Regelungszusammenhanges der einzelnen Bestimmungen wie folgt aus (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen):

"[…]

Das antragstellende Gericht führt näher aus, dass sich aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes die Verpflichtung ergäbe, bei der Besteuerung von Veräußerungserlösen die aus der Anschaffung des Wirtschaftsgutes entstandene Zinsenbelastung abzuziehen. Nach Ansicht der Bundesregierung ist aus diesen Ausführungen jedoch zu schließen, dass das antragstellende Gericht den Unterschied zwischen der in §16 Abs1 Z1 EStG 1988 normierten steuerlichen Berücksichtigung von Schuldzinsen als Werbungskosten und dem im gegenständlichen Fall zu beurteilenden im Zusammenhang mit einer Grundstücksveräußerung jedenfalls steuerlich unbeachtlichen aus einem Fremdwährungsdarlehen entstandenen Konvertierungsverlust verkennt. Sofern das antragstellende Gericht in den Anlassfällen nämlich jene Wortfolge des Abzugsverbotes des §20 Abs2 zweiter Teilstrich EStG 1988 als präjudiziell erachtet, die dazu führt, dass Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden dürfen, wenn sie mit Einkünften auf die der besondere Steuersatz gemäß §30a Abs1 anwendbar ist, in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, scheint es bereits auf einfachgesetzlicher Ebene in denkunmöglicher Weise davon auszugehen, dass Währungsverluste, die im Zusammenhang mit einem Fremdwährungskredit entstanden sind, zu den Einkünften aus Grundstücksveräußerungen gehören.

Wie bereits oben ausgeführt, stellen allfällige Kursverluste, die sich aus einem Fremdwährungskredit ergeben, jedenfalls keine bei Ermittlung der Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen (§30 EStG 1988) zu berücksichtigenden Werbungskosten dar. Da die in §20 Abs2 EStG 1988 genannten 'Aufwendungen und Ausgaben' jedoch nur solche sind, die zumindest dem Grunde nach als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu berücksichtigen wären, scheidet eine denkmögliche Anwendung der im Aufhebungsantrag näher bezeichneten Wortfolge in §20 Abs2 EStG 1988 zweiter Teilstrich schon aus diesem Grund aus.

Dass in den Anlassfällen neben dem Konvertierungsverlust im Zusammenhang mit dem Erwerb des veräußerten Grundstückes auch noch Schuldzinsen oder Renten und dauernde Lasten verfahrensgegenständlich wären, wird – soweit aus den Gesetzesprüfungsanträgen ersichtlich – weder von den Beschwerdeführern der Anlassfälle behauptet, noch ergäbe sich ein solcher Umstand aus dem vorliegenden Aktenmaterial.

Somit ist zusammenfassend festzuhalten, dass nach Ansicht der Bundesregierung mangels Werbungskosteneigenschaft des durch die Konvertierung entstandenen Fremdwährungsverlustes eine für die Präjudizialität der Norm erforderliche zumindest denkmögliche Anwendung des §20 Abs2 EStG 1988 in den Anlassfallverfahren ausscheidet.

[…]"

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des EStG 1988, BGBl 400, lauten in der angefochtenen Fassung des 1. StabG 2012, BGBl I 22, wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"8. ABSCHNITT

Nichtabzugsfähige Aufwendungen und Ausgaben

§20. (1) Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:

1. – 6. […]

(2) Weiters dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie mit

– nicht steuerpflichtigen Einnahmen oder

– Einkünften, auf die der besondere Steuersatz gemäß §27a Abs1 oder §30a Abs1 anwendbar ist,

in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

(3) Aufwendungen und Ausgaben im Sinne des Abs1 Z4 können nicht als Sonderausgaben (§18), Aufwendungen und Ausgaben im Sinne des Abs1 Z5 können weder als Sonderausgaben noch als außergewöhnliche Belastung (§34) abgezogen werden. Im übrigen können die bei den einzelnen Einkünften nichtabzugsfähigen Aufwendungen und Ausgaben bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden.

Private Grundstücksveräußerungen

§30. (1) Private Grundstücksveräußerungen sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen. Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist §6 Z14 sinngemäß anzuwenden.

(2) […]

(3) Als Einkünfte ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten anzusetzen. Die Anschaffungskosten sind um Herstellungsaufwendungen und Instandsetzungsaufwendungen zu erhöhen, soweit diese nicht bei der Ermittlung von Einkünften zu berücksichtigen waren. Die Anschaffungskosten sind um Absetzungen für Abnutzungen, soweit diese bei der Ermittlung außerbetrieblicher Einkünfte abgezogen worden sind, sowie um die in §28 Abs6 genannten steuerfreien Beträge zu vermindern. Müssen Grundstücksteile im Zuge einer Änderung der Widmung auf Grund gesetzlicher Vorgaben an die Gemeinde übertragen werden, sind die Anschaffungskosten der verbleibenden Grundstücksteile um die Anschaffungskosten der übertragenen Grundstücksteile zu erhöhen.

Die Einkünfte sind zu vermindern um

– die für die Mitteilung oder Selbstberechnung gemäß §30c anfallenden Kosten;

– 2% jährlich ab dem 11. Jahr nach dem Zeitpunkt der Anschaffung, höchs tens jedoch um 50% (Inflationsabschlag).

(4) – (8) […]

Besonderer Steuersatz für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen

§30a. (1) Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken im Sinne des §30 unterliegen einem besonderen Steuersatz von 25% und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§2 Abs2) zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelbesteuerung (Abs2) anzuwenden ist.

(2) Anstelle des besonderen Steuersatzes von 25% kann auf Antrag der allgemeine Steuertarif angewendet werden (Regelbesteuerungsoption). Die Regelbesteuerungsoption kann nur für sämtliche Einkünfte, die dem besonderen Steuersatz gemäß Abs1 unterliegen, angewendet werden.

(3) Die Abs1 und 2 gelten auch für betriebliche Einkünfte aus der Veräußerung oder der Entnahme von Grundstücken. Dies gilt nicht:

1. Wenn das Grundstück dem Umlaufvermögen zuzurechnen ist. Wurde das veräußerte Grundstück in das Betriebsvermögen eingelegt, sind hinsichtlich des Unterschiedsbetrages zwischen dem Teilwert im Einlagezeitpunkt und den niedrigeren Anschaffungs- oder Herstellungskosten Abs1 und 2 anzu wenden.

2. Wenn ein Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit in der Überlassung oder Veräußerung von Grundstücken liegt. Z1 zweiter Satz gilt entsprechend.

3. Soweit eine Teilwertabschreibung vorgenommen wurde.

4. Soweit stille Reserven übertragen wurden, die vor dem 1. April 2012 aufge deckt worden sind.

§124b. 1. – 214. […]

215. §§3 Abs1 Z33, 4 Abs3a, 20 Abs2, 29 Z2, 30, 30a, 31 und §98 Abs1 Z7, jeweils in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl I Nr 22/2012, treten mit 1. April 2012 in Kraft und sind erstmals für Veräußerungen nach dem 31. März 2012 anzuwenden. Die §§41 Abs1 Z10 und 42 Abs1 Z5 in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl I Nr 22/2012, sind erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2012 anzuwenden. §12 Abs4 in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl I Nr 22/2012, ist erstmals anzuwenden für die Übertragung stiller Reserven auf nach dem 31. März 2012 anfallende (Teil-)Anschaffungs- oder Herstellungskosten.

216. – 223. […]"

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Die Bundesregierung zieht in ihrer Äußerung die Präjudizialität des §20 Abs2 EStG 1988 in Zweifel. Dem Antrag des Bundesfinanzgerichtes seien keinerlei Ausführungen zu entnehmen, warum das antragstellende Gericht §20 Abs2 EStG 1988, BGBl 400, idF BGBl I 22/2012, im Anlassfallverfahren für anwendbar erachtet. Mit diesem Vorbringen ist die Bundesregierung im Recht:

1.2.1. Das Bundesfinanzgericht hegt vor dem Hintergrund der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes das Bedenken, dass die angefochtene Wortfolge des §20 Abs2 EStG 1988 es ausschließe, vom Veräußerungsgewinn eines Grundstückes, dessen Anschaffung durch Aufnahme eines Fremdwährungskredites finanziert worden ist, den Kursverlust aus einem Fremdwährungskredit in Abzug zu bringen; dies, obgleich der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen habe, dass er keinen Grund erkenne, der es rechtfertigen könne, die aus der Anschaffung des Wirtschaftsgutes entstandene Zinsenbelastung vom Veräußerungserlös nicht abzuziehen.

1.2.2. Mit diesem Vorbringen übersieht das antragstellende Gericht, dass Kursverluste, die im Zusammenhang mit einem Fremdwährungskredit anfallen, der für die Anschaffung eines Grundstückes aufgenommen wurde, nicht vom Abzugsverbot des §20 Abs2 zweiter Teilstrich leg.cit. erfasst werden, da sie – anders als Schuldzinsen für Fremdkapital – nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einkünften aus der Veräußerung des Grundstückes stehen:

Kursverluste wie auch Kursgewinne sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Ergebnis einer Marktentwicklung, die keinen unmittelbaren Bezug zu den Einkünften aus dem fremdfinanzierten Wirtschaftsgut aufweist (VwGH 28.10.2009, 2008/15/0051). Dementsprechend stellen Kursverluste – auch nach der Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates – kein Entgelt für die Nutzung oder Beschaffung des Fremdkapitals dar, sondern dienen der Tilgung des Fremdkapitals (vgl. zB UFS 26.8.2005, RV/0078-S/05 mit Hinweis auf das Schrifttum und die Rechtsprechung des deutschen Bundesfinanzhofes). Derartige Kursverluste sind daher – wie auch die Bundesregierung zutreffend ausführt – nicht als Werbungskosten von den Einnahmen aus dem fremdfinanzierten Wirtschaftsgut abzugsfähig.

1.3. Vor diesem Hintergrund ist aber eine Anwendung des Abzugsverbotes nach §20 Abs2 EStG 1988 auf Kursverluste denkunmöglich: Die Anwendbarkeit des Abzugsverbotes setzt voraus, dass die betreffenden Aufwendungen dem Grunde nach als abzugsfähige Werbungskosten (§16 Abs1 EStG 1988) in Betracht kämen. Für Kursverluste anlässlich der Tilgung eines Fremdwährungskredites, die aus der marktbedingten Kursentwicklung der Währung im Zeitraum zwischen Aufnahme und Tilgung des Kredites resultieren, kommt ein solcher Abzug nach der vorhin zitierten Rechtsprechung nicht in Betracht. Entgegen der Auffassung des antragstellenden Gerichtes kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass es die angefochtene Wortfolge anzuwenden hätte.

IV. Ergebnis

1. Die Anträge sind daher mangels Präjudizialität der angefochtenen Wortfolge als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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