Nur eine qualifizierte Übung der Vertragsstaaten ist relevant für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Kopf und die weiteren Mitglieder Dr. Gerald Daniaux, Mag. Tino Ricker und Mag. Michael Kühne über die Berufungen des Bw, Adr, vertreten durch RA, vom 19. Dezember 2011 und 26. Dezember 2012 gegen die Bescheide des Finanzamtes Bregenz vom 22. November 2011 betreffend Einkommensteuer 2010 und Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2012 sowie den Bescheid vom 10.12.2012 betreffend Einkommensteuer 2011 nach der am 19. September 2013 in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 2, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:
Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber, nachfolgend Bw abgekürzt, legte seiner Einkommensteuererklärung einen Lohnausweis einer liechtensteinischen Gemeinde bei. Die im Lohnausweis bescheinigten Einkünfte erklärte er unter der Kennzahl 440, also als unter Progressionsvorbehalt steuerbefreite Auslandseinkünfte.
Mit Vorhalt vom 4.11.2011 ersuchte das Finanzamt den Bw, die in Liechtenstein ausgeübte Funktion zu benennen und anhand einer Arbeitsplatzbeschreibung darzulegen.
In Beantwortung des Vorhaltes übergab der Bw am 17.11.2011 eine Seite des Personalreglements, das das Dienstrecht der Gemeindemitarbeiter regelt, keinerlei Hinweise auf die vom Bw ausgeübte Tätigkeit enthält, allerdings ausführt, dass das Dienstverhältnis durch Verfügung begründet wird und öffentlich-rechtlicher Natur ist. Von diesem Tag stammt auch ein handschriftlicher Vermerk, mit dem vermutlich der Inhalt eines Telefonats festgehalten ist. In ihm wird ausgeführt: Der Bw arbeite als Sozialarbeiter bzw Sozialpädagoge und mache gemeinsam Aktivitäten mit Jugendlichen. Er sei kein Leiter, stehe jedoch in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis. Er verrichte keine hoheitlichen Aufgaben, wenn darunter die Ausstellung von Bescheiden und das Treffen von Entscheidungen zu verstehen sei. Der Inhalt dieses Aktenvermerks wurde vom Bw in der mündlichen Berufungsverhandlung - soweit es die Fakten betrifft - bestätigt.
Abweichend von der Steuererklärung unterzog das Finanzamt die Bezüge, die der Bw von einer liechtensteinischen Gemeinde erhalten hat, bei der Veranlagung unter Anrechnung der ausländischen Steuer voll der österreichischen Einkommensteuer. Begründend führte es aus: Gemäß der höchstgerichtlichen Rechtsprechung sei der Begriff "Ausübung öffentlicher Funktionen" nicht mit jenem der "Wahrnehmung von Aufgaben des Staates oder einer Gebietskörperschaft" gleichzusetzen. Gefordert sei vielmehr, dass (auch) der Dienstnehmer selber Hoheitsakte im Sinne von Anordnungen setze, in welchen zwischen ihm als Organ der Gebietskörperschaft und dem Bürger ein Über- und Unterordnungsverhältnis bestehe, wie es bei der Erlassung von Bescheiden, Beschlüssen und Urteilen der Fall ist. Da sich aus den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen Liechtensteins keine hoheitlichen Befugnisse für die in der Jugendarbeit tätigen Personen ableiten ließen, sei er nach der deshalb zur Anwendung gelangenden Grenzgängerregelung in Österreich steuerpflichtig.
Der Bw erhob Berufung mit der Begründung, er sei bei einer liechtensteinischen Gemeinde angestellt, welche ein öffentlicher Betrieb mit hoheitlichen Befugnissen sei, was aus dem der Berufung beigelegten Auszug aus dem Gemeindegesetz klar hervorgehe.
Das Finanzamt erließ eine abweisliche Berufungsvorentscheidung. In ihr führte es aus: Ein in der offenen Jugendarbeit der liechtensteinischen Gemeinde tätiger Sozialpädagoge, der mit Jugendlichen gemeinsame Aktivitäten plane und durchführe, sei als Grenzgänger im Ansässigkeitsstaat steuerpflichtig. Vergütungen, die von seiner Gebietskörperschaft ausbezahlt werden, seien nur dann im Kassenstaat steuerpflichtig, wenn diese Einkünfte in Ausübung öffentlicher Funktionen bezahlt werden. Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung sei dies nur der Fall, wenn er als Organ der ihn beschäftigenden Gemeinde zur Setzung von Hoheitsakten befugt sei.
Der Bw brachte daraufhin einen Vorlageantrag ein, den er sinngemäß wie folgt begründete: Er erachte sich dadurch beschwert, dass sein Einkommen aus einer Beschäftigung bei einer liechtensteinischen Gemeinde nicht von der österreichischen Einkommensteuer freigestellt worden sei. Der Auffassung des Finanzamtes halte er das liechtensteinische Gemeindegesetz entgegen. Demnach sei die Gemeinde eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Sie besorge im übertragenen Wirkungskreis Aufgaben des Staates, die ihr aufgrund von Gesetzen übertragen werden. Sie sei verpflichtet, an der Vollziehung der Gesetze, so auch an der Vollziehung des Kinder- und Jugendgesetzes mitzuwirken. Seine Arbeitgeberin erbringe ihre Dienstleistungen im Hinblick auf die Kinder- und Jugendgesetzgebung sowie die mit der Jugendarbeit zusammenhängenden Dienstleistungen in öffentlicher Funktion. Die Tätigkeit der Jugendarbeiter gelte als Ausübung einer öffentlichen Funktion. Diese Rechtsauffassung werde gestützt durch die liechtensteinische Steuerverwaltung. Diese habe mit dem gleichzeitig vorgelegten Schreiben vom 1.2.2012 bestätigt, dass die Erwerbseinkünfte des Bw aus seiner Tätigkeit in der Jugendarbeit gemäß Art. 19 Abs. 1 DBA Liechtenstein in Liechtenstein steuerpflichtig sind.
In einem vom 12.4.2012 datierenden Nachtrag legte der Bw eine vom 5.4.2012 datierende Bestätigung der arbeitgeberischen Gemeinde bzw deren Vorstehers mit folgendem Inhalt vor: "Bw ist im Jugendtreff X angestellt. In seiner Funktion ist er verantwortlich für die Kontrolle sowie Einhaltung der im Jugendgesetz und in der Hausordnung definierten Bestimmungen. Im Auftrag des Gemeindevorstehers ist er befugt, Sanktionen einzuleiten. Beim Jugendtreff X handelt es sich um eine gemeindeeigene, gemeinnützige Institution mit einem niederschwelligen Betreuungsangebot für die Jugendlichen. Der Jugendtreff verfolgt keine wirtschaftlichen Interessen. Die Nutzung ist kostenlos." Der Nachtrag vom 12.4.2012 wird vom Bw in der Vorlageerinnerung vom 12.11.2012 als Urkundenvorlage bezeichnet und offensichtlich irrtümlich mit 16.4.2012 datiert.
Mit Schriftsatz vom 12.11.2012 brachte der Bw eine Vorlageerinnerung ein, in der er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen unter neuerlicher Vorlage entsprechender Beweise wiederholte und die Voraussetzungen für die Einreichung seines Anbringens darlegte.
Mit Schriftsatz vom 11.12.2012 beantragte der Bw die Anwendung einer zwischenzeitlich getroffenen, im Newsletter Nr. 5/2012 der Liechtensteinischen Steuerverwaltung wiedergegebenen Verständigungsvereinbarung, nach der die Kassenstaatsregel unabhängig von der Tätigkeit des Einzelnen zur Anwendung gelange, wenn die beschäftigende Gebietskörperschaft öffentliche Funktionen ausübe. Gleichzeitig legte der Bw eine vom 27.11.2012 datierende Bestätigung der Gemeinde X mit folgendem Inhalt vor: "Hiermit bestätigen wir, dass [der Bw] als Jugendarbeiter eine öffentliche Funktion ausübt. Mit dieser Funktion sind keine kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeiten verbunden. Als Organ der Gemeinde X nimmt er in deren Auftrag hoheitliche Aufgaben und Befugnisse wahr."
Mit E-Mail vom 18.7.2013 legte die Vertreterin des Bw der Berufungsbehörde ein am 2.7.2013 gefertigtes Schreiben des BMfF, GZ BMF-010221/0171-IV/4/2013, folgenden Wortlauts mit der Bitte um Kenntnisnahme und Aufnahme in den Berufungsakt vor (UFS 101): "Das Bundesministerium für Finanzen teilt Ihnen mit, dass das Verständigungsverfahren mit Liechtenstein betreffend die Einkünfte [des Bw] aus der Tätigkeit als Jugendarbeiter bei der Gemeinde X in Liechtenstein erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Es wurde Einvernehmen erzielt, dass diese Einkünfte unter Art. 19 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich-Liechtenstein zu subsumieren sind und daher in Österreich gem. Art. 23 Abs. 1 DBA Ö-FL von der Besteuerung unter Progressionsvorbehalt freizustellen sind.
Die Finanzämter Feldkirch und Bregenz wurden mit gleicher Post mit der Umsetzung des Ergebnisses des Verständigungsverfahrens beauftragt."
Mit E-Mail bzw FAX vom 18.9.2013 legte die Vertreterin des Bw zwei weitere Beweismittel vor. Zum einen die Bestätigung der Gemeinde X vom 5.9.2013 (UFS 111) mit folgendem Wortlaut: "Hiermit bestätigen wir, dass [der Bw] als Jugendarbeiter bei der Gemeinde X angestellt ist. In seiner Funktion nimmt er hoheitliche Aufgaben und Befugnisse wahr. Er ist mit dem Vollzug des Kinder- und Jugendgesetzes betraut. Beim Jugendtreff X handelt es sich um eine gemeindeeigene, gemeinnützige Institution mit einem niederschwelligen Betreuungsangebot für die Jugendlichen. Die Gemeinde übt mit dem Jugendtreff keine gewerbliche Tätigkeit aus und verfolgt keine wirtschaftlichen Interessen. Die Nutzung ist kostenlos, und es werden auch sonst keine Einnahmen erzielt." Zum anderen legte sie die per 1.2.2010 für den Bw geltende, u.a. von ihm am 4.2.2010 unterfertigte Stellenbeschreibung, aus der ua zu entnehmen ist (UFS 112, 113):
" Zweck und Ziel der Funktion:
- Beratung, Begleitung sowie Animation von einzelnen Jugendlichen oder Gruppen
- Sensibilisierung der Jugendlichen auf die Auseinandersetzung mit ihrem Alltagsleben
- Jugendlichen die Möglichkeit geben, ihre Umwelt mitzugestalten oder zu verändern
- Ausrichtung der Jugendarbeit auf die Stärkung der Identität und Eigenverantwortung der Jugendlichen (Förderung Partizipation)
- Förderung von präventiv wirkenden Projekten (Suchtprävention, Gesundheitsförderung, Lebensgestaltung etc.)
- Aktive Unterstützung der Vernetzungs- und Öffentlichkeitsarbeit
Fachaufgaben
- Führung des Jugendtreffs während den Öffnungszeiten
- Anlaufstelle für Schülerinnen, Jugendliche, Eltern, Lehrpersonen und Behörden
- Niederschwellige Beratung
- Vernetzung mit den notwendigen Fachstellen in Liechtenstein
- Förderung eines regelmäßigen Kontakts zu den Schülerinnen, um die Schwellenangst niedrig zu halten
- Vernetzung mit Personen, Gruppen oder Vereinen, die sich ebenfalls für die Anliegen der Jugendlichen engagieren
- Planung und Umsetzung von Projekten, Veranstaltungen und Aktionen unter Einbezug der Jugendlichen
- Spezifische Geschlechterarbeit für Buben
- Betreuung des Internetcafés und der Homepage
- Verfassen der Artikel und Gestaltung der Seite für die Jugendzeitschrift Flash
Führungsaufgaben
- Keine
Kompetenzen, Befugnisse
- Keine
Information
- Er informiert die Leiterin Jugendtreff über besondere Vorkommnisse
- Er sorgt für einen Informationsaustausch mit den Kollegen und nimmt regelmäßig an Teamsitzungen teil
- Er informiert sich über Entwicklungen, Veränderungen sowie gesetzliche Anpassungen auf ihrem Fachgebiet"
In der am 19. September 2013 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung (siehe die darüber verfasste, der Entscheidung angeschlossene Niederschrift) wiederholte die rechtfreundliche Vertretung des Bw im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend brachte sie übereinstimmend mit dem auch persönlich anwesenden Bw sinngemäß vor: Es sei, gelinde gesagt, unverständlich, wenn die österreichische Abgabenbehörden amtliche Bestätigungen von Behörden jenes Staates, aus dem die strittigen Einkünfte stammen bzw in dem sie erzielt werden, missachteten. Es grenze an Willkür, wenn die Abgabenbehörde erster Instanz eine Weisung des BMF nicht befolge. Und es sei nicht nachvollziehbar, wie die in der Verständigungsvereinbarung zum Ausdruck gebrachte Rechtsmeinung des BMF, das ja nach dem Abkommen gemeinsam mit der liechtensteinischen Regierung zuständig dafür sei, im Interpretationsweg Konflikte zu lösen, vom Finanzamt missachtet bzw unterlaufen werde.
Die Amtspartei blieb der Verhandlung fern.
Über die Berufung wurde erwogen:
Zunächst verweist der Senat auf die nachfolgend auszugsweise wiedergegebene Berufungsentscheidung (UFS 12.7.2012, RV/0200-F/10), in der ein nahezu identer, jedenfalls vergleichbarer Sachverhalt gestützt auf höchstgerichtliche Judikatur zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des erkennenden Senates wie folgt beurteilt worden ist:
Art. 15 Abs. 4 und Art. 19 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 24/1971 , (DBA-Liechtenstein) lauten:
"Artikel 15
Unselbständige Arbeit
(4) Einkünfte aus unselbständiger Arbeit solcher Personen, die in einem Vertragstaat in der Nähe der Grenze ansässig sind und im anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort dorthin begeben (Grenzgänger), werden in dem Vertragstaat besteuert, in dem sie ansässig sind. Der Staat des Arbeitsortes ist jedoch berechtigt, von den erwähnten Einkünften eine Steuer von höchstens vier vom Hundert im Abzugsweg an der Quelle zu erheben.
Artikel 19
Öffentliche Funktionen
(1) Vergütungen, einschließlich der Ruhegehälter, die von einem Vertragstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft in Ausübung öffentlicher Funktion erbrachten Dienste gezahlt werden, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden.
(2) Auf Vergütungen oder Ruhegehälter für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit eines der Vertragstaaten oder einer seiner Gebietskörperschaften erbracht werden, finden die Artikel 15, 16 und 18 Anwendung."
Abweichend von Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein , der das Besteuerungsrecht bezüglich Grenzgängern grundsätzlich dem Wohnsitzstaat zuweist, erfolgt die Besteuerung öffentlicher Bezüge iSd Art. 19 DBA-Liechtenstein somit regelmäßig in jenem Staat, der die Bezüge auszahlt (Kassenstaatprinzip). Tatbestandsmäßig setzt Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein voraus:
1. die Zahlung der Vergütung von einem Vertragstaat, einer seiner Gebietskörperschaften oder aus einem vom Vertragstaat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen;
2. die Erbringung von Diensten für diesen Staat oder die Gebietskörperschaft, und zwar
3. in Ausübung öffentlicher Funktionen.
In seinem ebenfalls zu Art. 19 DBA-Liechtenstein ergangenen Erkenntnis vom 21.3.1996, 94/15/0128, betreffend einen an einem Krankenhaus beschäftigten Diplomkrankenpfleger, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Anwendungsbereich des Kassenstaatsprinzips nach Abs. 1 in zweifacher Weise [Fettdruck nur in dieser Entscheidung] eingeschränkt sei: Zum einen durch das sich aus Abs. 2 ergebende sachbezogene , auf die Tätigkeit der betreffenden Einrichtung der öffentlichen Hand, die nicht "kaufmännisch oder gewerblich" sein dürfe, bezogene Merkmal; zum anderen durch das personenbezogene, auf die "Ausübung öffentlicher Funktionen" durch den Betreffenden bezogene Merkmal . Bei der Ermittlung des Inhaltes des Begriffes "Ausübung öffentlicher Funktionen" sei zu beachten, so der Verwaltungsgerichtshof weiter, dass nach dem Zusammenhang der Regelung an (öffentliche Aufgaben wahrnehmende) Einrichtungen der öffentlichen Hand zu denken sei, bei denen sowohl Dienstnehmer "in Ausübung öffentlicher Funktionen" tätig seien, als auch solche, bei denen dies nicht der Fall sei. Davon ausgehend könne sich der Begriff der "Ausübung öffentlicher Funktionen" nicht darin erschöpfen, dass der Betreffende im Zusammenhang mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben tätig werde. Denn dieses Merkmal träfe - einen solchen Aufgabenbereich der Einrichtung vorausgesetzt - auf alle dort beschäftigten Dienstnehmer zu. Der Begriff der "Ausübung öffentlicher Funktionen" könne somit nicht dem Begriff der "Wahrnehmung von Aufgaben des Staates oder einer Gebietskörperschaft" gleichgesetzt werden; vielmehr stehe der ersterwähnte Begriff zum letztgenannten im Verhältnis von Unter- und Oberbegriff. Auf dieser Grundlage legten Wortlaut und Regelungszusammenhang die Auffassung nahe, dass mit dem Begriff der "Ausübung öffentlicher Funktionen" auf jene Dienstnehmer Bezug genommen werde, die als Organe bei der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse und Aufgaben tätig werden. Einerseits zwinge der dargestellte Regelungszusammenhang auch bezogen auf Einrichtungen des Staates oder einer Gebietskörperschaft, die nicht mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit im Zusammenhang stünden, zu einer Differenzierung zwischen Dienstnehmern dieser Einrichtung, die "in Ausübung öffentlicher Funktionen" tätig würden, und solchen, bei denen dies nicht der Fall sei; andererseits sei nicht ersichtlich, an welchen anderen Gesichtspunkten als jenen der Ausübung hoheitlicher Funktionen diese Unterscheidung orientiert werden könnte. Dabei sei zu bemerken, dass das Kassenstaatsprinzip dem Prinzip der Achtung der Souveränität der Vertragsstaaten dienen solle. Wenn die Vertragstaaten das Kassenstaatsprinzip - wie hier - nicht allein an die Auszahlung der Bezüge aus öffentlichen Kassen bzw. umfassend an den Umstand einer Dienstleistung für die öffentliche Hand unter der Einschränkung der Erwerbsklausel anknüpften, sondern darüber hinaus an ein zusätzliches, auf die "öffentliche Funktion" des Betreffenden bezogenes Merkmal, erscheine es auch unter dem Gesichtspunkt der Staatensouveränität sachgerecht, das erwähnte Merkmal auf die Wahrnehmung hoheitlicher Staatsaufgaben zu beziehen.
Der Hoheitsbereich eines Staates wiederum ist nach dem Erkenntnis vom 4.11.1998, 93/13/0201, betreffend Art. 19 DBA-Italien , gekennzeichnet von der Ausübung hoheitlicher Gewalt. Mit dieser würden den Bürgern Rechte zuerkannt und Pflichten auferlegt, deren Umsetzung in die Wirklichkeit im öffentlich-rechtlichen Wirkungsbereich und in der Regel mit der Erlassung individueller normativer Akte erfolge. Eine künstlerische Darbietung könne darunter nicht subsumiert werden, und zwar auch dann nicht, wenn der Künstler in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen sollte. Auch solche Personen könnten nämlich im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung von Gebietskörperschaften tätig werden.
Ebenso stellt der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 19.9.2007, 2007/13/0080, vom 17.10.2007, 2007/13/0088, und vom 21.11.2007, 2007/13/0087, betreffend Art. 20 DBA-Spanien ("Öffentlicher Dienst"), in dem ebenfalls vorgesehen ist, dass die Dienste "in Ausübung öffentlicher Funktionen" erbracht werden müssen, auf die Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse und Aufgaben, konkret auf die Erlassung individueller Verwaltungsakte (Bescheide) ab. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof bejaht, wenn ein Angestellter bei einer österreichischen Pensionsversicherungsanstalt mit dem Vollzug der Sozialversicherungsgesetze im Bereich der Pensionsversicherung und der Setzung der damit zusammenhängenden Verwaltungsakte (zB die Feststellung hinsichtlich des Ausmaßes von Leistungsansprüchen sowie die bescheidmäßige Erledigung ) betraut ist (VwGH 19.9.2007, 2007/13/0080 ). Bürohilfstätigkeiten und Tätigkeiten in der EDV-Abteilung (Betreuung, Wartung, Optimierung und Überwachung der EDV-Betriebsanlagen) einschließlich Personalführung bei derselben Pensionsversicherungsanstalt fallen demgegenüber nicht in den Bereich der Ausübung öffentlicher Funktionen, selbst wenn diese indirekt die hoheitliche Verwaltung und die Vollzugsorgane unterstützen (VwGH 17.10.2007, 2007/13/0088 ).
Aus der Aktenlage ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Berufungsführer als Organ der Gemeinde hoheitliche Aufgaben wahrgenommen hätte, zumal in der bloß allgemein gehaltenen Bestätigung der Gemeinde, dass der Berufungsführer in Ausübung öffentlicher Funktionen tätig sei, nicht konkretisiert wurde, welche hoheitlichen Befugnisse und Aufgaben ihm dabei zugekommen sein sollen. Auch den diesbezüglichen Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung, der nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Vorhaltscharakter zukommt (vgl. VwGH 31.5.2011, 2008/15/0288 , mwN), ist der Berufungsführer nicht entgegengetreten. Im Hinblick auf das vom Verwaltungsgerichtshof im gegebenen Zusammenhang vertretene Begriffsverständnis kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Berufungsführer in Ausübung öffentlicher Funktionen tätig gewesen wäre und kann Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein somit schon aus diesem Grund nicht zur Anwendung kommen. Nicht maßgeblich ist in diesem Zusammenhang im Übrigen auch, ob eine Tätigkeit im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ausgeübt wird oder nicht, da Art. 19 DBA-Liechtenstein nicht auf die Rechtsgrundlage des Dienstverhältnisses, sondern auf die Ausübung öffentlicher Funktionen durch den Dienstnehmer abstellt (vgl. VwGH 19.9.2007, 2007/13/0080 ).
Ob im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Jugendarbeit vom Vorliegen eines Betriebes gewerblicher Art ausgegangen werden kann und somit eine unter Art. 19 Abs. 2 DBA-Liechtenstein subsumierbare Tätigkeit vorliegt, kann folglich dahingestellt bleiben.
Der Senat schließt sich den zitierten Ausführungen an und ergänzt sie in sachverhaltsmäßiger Hinsicht wie folgt:
In einem Ferngespräch bestätigte der in der Gemeinde X Fachverantwortliche für Steuern gegenüber dem Sachbearbeiter im Finanzamt sinngemäß, dass der Bw zwar in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehe, aber als Sozialarbeiter bzw Sozialpädagoge gemeinsame Aktivitäten mit Jugendlichen unternehme und keine hoheitlichen Aufgaben wie etwa das Ausstellen von Bescheiden wahrzunehmen habe (Aktenvermerk vom 17.11. 2011, AS 51). Der Inhalt dieses Aktenvermerks wurde vom Bw in der mündlichen Berufungsverhandlung - soweit es die Fakten betrifft - bestätigt. Festgestellt wird daher, dass der Bw die strittigen Einkünfte als in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis stehender Sozialarbeiter erzielt hat. Dabei verrichtete er jene Tätigkeiten und oblag ihm die Wahrnehmung jener Aufgaben, die in der von ihm, seiner unmittelbar Vorgesetzten und den Verantwortlichen der Gemeinde X unterfertigten Stellenbeschreibung angeführt sind (UFS 112, 113). Er hatte bei der Berufsausübung das KJG zu befolgen, war aber nicht mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Die im Aktenvermerk vom 17.11.2011 wendeten Berufsbezeichnungen (Sozialarbeiter bzw Sozialpädagoge) weisen darauf hin, dass der Bw ein öffentliches Mandat hatte, das auch sozialstaatliche Interventionen umfassen kann (was auch nicht bestritten wird). Mit diesen Berufen ist aber die Ausübung von hoheitlicher Gewalt keineswegs immanent verbunden (wikipedia.de).
Auch den Internetseiten des Jugendtreffs und der arbeitgeberischen Gemeinde kann kein Hinweis auf die Ausübung von Hoheitsgewalt durch den Bw entnommen werden. Dies gilt auch hinsichtlich der aktenkundigen Informationsmagazine seiner Arbeitgeberin und des auf Empfehlung der Vorsteherkonferenz der liechtensteinischen Gemeinden verfassten Handbuchs zur Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen. Ohne die Leistungen und Bemühungen der Gemeinde und ihrer Bediensteten im Jugendtreff schmälern zu wollen oder auch nur zu können, war man dort im Wesentlichen schlicht und einfach bemüht, das Vertrauen in den Jugendtreff zu erhalten, zu verstärken und weiterzuentwickeln; man war bemüht, dass sich die Jugendlichen im Treff wohl fühlen und an den unterschiedlichen Freizeitangeboten (Kinderferienwochen, Konzertfahrten, Discoveranstaltungen, Wanderwochenende, Slacklinen, Gokart fahren, Nachtkino, Grillabende) aktiv teilnehmen und mitmachen; es galt die Devise: Der Jugendtreffpunkt X ist immer ein Besuch wert, für alle Jugendlichen offen, drogen-, alkohol- und gewaltfrei. Hier gibt es keinen Konsumations- oder Kaufzwang. Hier finden Jugendliche freien Raum, können sich engagieren und dürfen durchhängen. Hier dürfen sie sich aufhalten, ohne von Erwachsenen kritisch betrachtet zu werden; dabei ist für einen optimalen Betrieb die Einhaltung der Hausordnung mit einigen wenigen Vorschriften erforderlich (betreffend Sauberkeit, Ruhe, Rauchen, Drogen- und Alkoholkonsum sowie Gewalt- und Waffenfreiheit); die Aufgabe der Jugendarbeiter ist es, die (12 - 18jährigen) Jugendlichen bei der Organisation eines vielfältigen Freizeitangebotes zu unterstützen, die persönliche und ganzheitliche Entwicklung der Jugendlichen zu fördern, deren Eigenverantwortung, Kritik-, Konflikt- und Dialogfähigkeit zu stärken sowie die Solidarität und Integration zu fördern; sie beraten und begleiten die Jugendlichen im persönlichen Kontakt bei Schwierigkeiten. Die Vertreterin des Bw hat zwar in der mündlichen Berufungsverhandlung darauf hingewiesen, dass sich diese Internet-Seiten an ein bestimmtes Zielpublikum und nicht an öffentliche Stellen richteten, dass die verwendete Sprache kein Amts- oder Juristendeutsch sei, dass diese Seiten keine Stellenbeschreibung beinhalteten und dass sie auch nicht von offizieller Seite autorisiert seien. Da die Vertreterin des Bw die Seiten aber nicht in einem einzigen Punkt dementiert hat bzw dementieren konnte, da die Seiten in den Lebenserfahrungen Deckung finden und da sie letztlich nur jenes Bild abrunden und bestätigen, das auf der Stellenbeschreibung per 1.2.2010 und der telefonischen Auskunft des für Steuern Fachverantwortlichen der Gemeinde X vom 17.11.2011 basiert, bestehen nach Überzeugung des Senates keine Bedenken, diese Seiten im dargelegten Sinne zu verwerten. Gerade der Umstand, dass sich diese Seiten nicht an offizielle Stellen wenden und insoweit niemandem nützlich sind, lässt auf große Objektivität schließen.
Offene Jugendarbeit in der oben bzw im Internet beschriebenen Form wird mittlerweile von vielen Einrichtungen angeboten (Kirchen, Vereine, freie und öffentliche Träger). Hier entstehen auch oft Konkurrenzen, da jede Einrichtung "überleben" will und von öffentlichen Geldern abhängig ist (Klawe, 1996, 12; hawk-hhg.de). Von der Ausübung hoheitlicher Funktionen kann schon deshalb keine Rede sein.
Im Hinblick auf den Vorhalt vom 4.11.2011 und die Berufungsvorentscheidung vom 11.1.2012 (der ebenfalls Vorhaltscharakter zukommt) wäre es die Aufgabe des Bw gewesen darzutun, dass es zu seinen beruflichen Aufgaben zählte, Normunterworfenen Rechte zuzuerkennen und Pflichten aufzuerlegen, deren Umsetzung in die Wirklichkeit im öffentlich-rechtlichen Wirkungsbereich und in der Regel mit der Erlassung individueller normativer Akte erfolgt. Dieser Aufgabe ist der Bw nicht nachgekommen. Er konnte ihr auch nicht nachkommen, da er eine hoheitliche Tätigkeit in diesem Sinne schlicht und einfach nicht ausgeübt hat.
Wie das Finanzamt zutreffend ausgeführt hat, kann auch den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere dem Kinder- und Jugendgesetz vom 10.12.2008 (KJG), nichts Gegenteiliges entnommen werden. Dem Gesetz sind u.a. allgemeine, jede Person treffende Verpflichtungen zu entnehmen (Art. 20). Richtig ist, dass gemäß Art. 72 KJG die Gemeinden bei der Durchführung des Kinder- und Jugendschutzes zur Mitwirkung verpflichtet sind. Allerdings ist diese Mitwirkungsverpflichtung nicht mit der Ausübung von Imperium verbunden. Hoheitsgewalt wird im gegebenen Zusammenhang in Art. 9 KJK allein dem Amt für Soziale Dienste und in besonderen Fällen dem Landgericht eingeräumt. Das KJG regelt die Aufgaben des Amtes für soziale Dienste als der Kinder- und Jugendbehörde im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe (Art. 6 ff), wobei dieses Amt Aufgaben auf drei Ebenen erfüllt, von denen lediglich eine behördlicher Natur ist. Wer im Bereich der Jugendhilfe beratend, betreuend, abklärend, therapeutisch oder sonst Verantwortung trägt, ist verpflichtet, für die Einhaltung von Altersbeschränkungen zu sorgen und entsprechende Alterskontrollen durchzuführen (Art. 73). Eine solche Verpflichtung trifft allerdings in Österreich wie in Liechtenstein jeden Veranstalter und darüber hinaus die Betreiber von Gaststätten, Geschäften, Kiosken, Videotheken, Discotheken, Kinos, Clubs. Von der Ausübung einer hoheitlichen Funktion kann daher insoweit keine Rede sein. Da der Bw als Sozialarbeiter und nicht als Kontroll- und Überwachungsorgan beruflich tätig ist, ist es nicht erforderlich zu prüfen, ob und inwieweit eine Tätigkeit im Sinne von Art. 75 KJG vorliegt. Im Übrigen geht aus einem Merkblatt der Gemeindevorstehung betreffend Sicherheitsmaßnahmen und Verhaltensregeln klar hervor, dass selbst die vom Sicherheitsdienst getroffenen Maßnahmen aus dem vom Veranstalter übertragenen privaten Hausrecht jedermanns abgeleitet und somit nicht hoheitsrechtlicher Natur sind. Ferner sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass niederschwellige Sozialarbeit nach den Lebenserfahrungen geradezu in einem Gegensatz zur Ausübung von Hoheitsgewalt steht, widrigenfalls das erforderliche Vertrauen zwischen Betreuten und Betreuern in höchstem Maße gefährdet wäre. Schließlich wird dem Hinweis der Vertreterin des Bw in der mündlichen Berufungsverhandlung, auch der im Innendienst einen Bericht über amtliche Wahrnehmungen verfassende Polizist übe eine hoheitliche Tätigkeit aus, entgegengehalten, dass der Bw anders als der Polizist nicht im kleinsten Teilbereich seiner beruflichen Tätigkeiten mit "Imperium" ausgestattet und auf dessen Basis zur Verhängung von Strafen befugt ist.
Unbestritten, allerdings ohne Belang ist, dass die Arbeitgeberin des Bw als liechtensteinische Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts grundsätzlich auch zur Ausübung von Amtsgewalt befugt ist. Diese Befugnis hatte nämlich der Bw (und ihm vorgelagert auch der Jugendtreff) nicht.
Auch mag es zutreffen, dass der Bw Verantwortung für die Kontrolle und Einhaltung der im KJG und in der Hausordnung definierten Bestimmungen trägt, dass damit keine kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeiten verbunden sind und dass er im Auftrag des Gemeindevorstehers befugt ist, Sanktionen einzuleiten (wobei allerdings fraglich ist und noch zu prüfen wäre, ob derartige Tätigkeiten einen wesentlichen Teil seiner beruflichen Aufgaben ausmachen.). Denn dies ist nicht gleichbedeutend mit der Ausübung einer öffentlichen Funktion bzw der Erlassung individueller Verwaltungsakte (SWI 10/2012, 454). Abgesehen davon, dass die Wahrnehmung von Melde- und Kontrollpflichten im Jugendbetreuungsbereich bekanntermaßen dezent und mit viel Fingerspitzengefühl ausgeübt wird und erfahrungsgemäß nicht im Vordergrund der Arbeit steht ("Ein motiviertes und professionell ausgebildetes Leiter/Innen-Team ist für die Jugendlichen da und organisiert zusammen mit ihnen Ausflüge, Veranstaltungen, Spielabende, Parties und vieles, vieles mehr."), treffen derartige Verpflichtungen auch viele andere Veranstalter und Personen, die zweifelsfrei keine öffentlichen Funktionen ausüben.
In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sich gezeigt: Die Bestätigung der Gemeinde X vom 5.4.2012 deckt sich zwar mit den oben dargelegten Ermittlungsergebnissen, mit ihr wird aber nicht dargetan, dass der Bw seinen Beruf als Sozialarbeiter in öffentlicher Funktion ausgeübt hat. Wie das Finanzamt im Vorlagebericht vom 22.11.2012 (Verf 46) zutreffend ausgeführt hat, unterscheiden sich die Aufgaben des Bw als Jugendarbeiter nicht wesentlich von jenen, die öffentliche Veranstalter treffen. Die Bestätigung vom 27.11.2012 hingegen entspricht nicht den Tatsachen. Sie gibt in dem hier wesentlichen Teil nur den Abkommenswortlaut wieder, ist ohne Substanz und nicht konkret. Sie beruht offensichtlich auf einem (aus österreichischer Sicht falschen) Abkommensverständnis, das nicht in Einklang steht mit dem Abkommenswortlaut und auch nicht mit der gebotenen Interpretation aus dem Abkommen heraus (Art. 3 Abs. 2 DBA Lie). Gleiches gilt für die Bestätigung vom 5.9.2013 (UFS 111): Es ist nicht zu bezweifeln, dass die berufliche Tätigkeit des Bw unter Beachtung des KJG erfolgt. Der Bw ist aber nicht mit Imperium (Befehls- und Zwangsgewalt) ausgestattet. Diese liegt nicht bei der Gemeinde, sondern in erster Linie beim Amt für soziale Dienste (Art. 9 KJG).
Daran vermögen auch die Beweise nichts zu ändern, die die Vertreterin des Bw mit E-Mail vom 18.9.2013 vorgelegt hat. Insbesondere aus der Stellenbeschreibung per 1.2.2010 ergibt sich klar und deutlich, dass der Bw keine hoheitlichen Befugnisse und Aufgaben hatte. Bei den von ihm wahrgenommenen, eingangs wörtlich aufgezählten Aufgaben trat der Bw den Jugendlichen nicht als Behörde gegenüber, er räumte den Jugendlichen nicht als Amtsträger Rechte ein und bürdete ihnen auch keine Verpflichtungen auf. Auf die von ihm ausgeübten Aufgaben hat die arbeitgeberische Gemeinde auch kein behördliches Monopol. Solche Aufgaben üben die allermeisten Eltern und viele privaten Vereine aus. Die Wahrnehmung derartiger Kontrollpflichten treffen jeden öffentlichen Veranstalter. Es steht jedermann offen, Anzeigen zu erstatten. Die Erstattung von Berichten an den Gemeindevorsteher beruht nicht auf hoheitlicher Gewalt und konkretisiert diese auch nicht. Wenn in der Bestätigung der Gemeinde vom 5.4.2012 davon die Rede ist, der Bw sei im Auftrag des Gemeindevorstehers befugt, Sanktionen einzuleiten, so erschöpft sich dies nach der am 18.9.2013 vorgelegten Stellenbeschreibung wohl in folgender, schlecht als Ausübung von Hoheitsgewalt interpretierbarer Informationspflicht: "Er informiert die Leiterin Jugendtreff über besondere Vorkommnisse."
Was die rechtliche Beurteilung anlangt, werden die zitierten Ausführungen wie folgt ergänzt:
Das Erkenntnis des VwGH vom 21.3.1996, 94/15/0128, hat für den Berufungsfall auch deshalb besonderes Gewicht, weil sich in ihm das Höchstgericht (wie schon die Vorinstanzen, indirekt aber auch das BMF als Oberbehörde) mit einem zur Auslegung des in Rede stehenden Artikels erstatteten Rechtsgutachten (Raschauer, SWI 1993, 79ff) ausführlich auseinander gesetzt hat, in dem der Gutachter den auch hier vom Bw im Ergebnis vertretenen Standpunkt eingenommen hat, wonach sich die Begriffe "in Ausübung öffentlicher Funktionen" einerseits und "im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit" andererseits ergänzten, zum Teil deckten und alleine die institutionelle, nicht aber die persönliche Ebene beträfen. Der VwGH hat, ausgehend vom in den Grenzen des möglichen Wortsinnes zu ermittelnden Regelungszusammenhang, die Gutachtermeinung verworfen und ist zur Überzeugung gelangt, dass die Wortfolge "in Ausübung öffentlicher Funktionen" in Art. 19 Abs. 1 DBA neben der Erwerbsklausel von Art. 19 Abs. 2 DBA ein weiteres persönliches Tatbestandsmerkmal für die Anwendung des Kassenstaatsprinzips im Sinne von Art. 19 Abs. 1 DBA Liechtenstein darstellt.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 4.11.1998, 93/13/0201, zum DBA Ita, VwGH 21.3.1996, 94/15/0128, zum DBA Lie, VwGH 19.9.2007, 2007/13/0080, zum DBA Spa und VwGH 16.12.2008, 2008/16/0018, zum fehlenden Behördencharakter der im Bereich der Finanzverwaltung tätigen Steuer- und Zollkoordniation) nimmt der Begriff "Ausübung öffentlicher Funktionen" Bezug auf jene Dienstnehmer, die als Organe bei der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse und Aufgaben tätig werden. Der Hoheitsbereich eines Staates ist von der Ausübung hoheitlicher Gewalt gekennzeichnet. Mit dieser werden den Bürgern Rechte zuerkannt und Pflichten auferlegt, deren Umsetzung im öffentlich-rechtlichen Wirkungsbereich und in der Regel mit der Erlassung individueller normativer Akte erfolgt. Voraussetzung hiefür ist, dass die entsprechende Stelle (Behörde) bzw die entsprechenden Person (Organ) durch eine Rechtsvorschrift mit Befehlsgewalt "Imperium" ausgestattet ist.
Ebendies negiert aber der Erlass des BMfF vom 18.2.2013, BMF-010221/0009-IV/4/2013, mit dem folgende Verständigungsvereinbarung bekannt gegeben worden ist:
" Art. 19 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich-Liechtenstein , BGBl. Nr. 24/1971, ist - unabhängig von der konkreten Tätigkeit des Einzelnen - auf alle Dienstnehmer eines Vertragsstaats oder einer seiner Gebietskörperschaften anzuwenden, sofern der Vertragsstaat oder die Gebietskörperschaft öffentliche Funktionen ausüben.
Die Besteuerung der Bezüge von Bediensteten, die unter Art. 19 Abs. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich-Liechtenstein fallen (zB Bedienstete von Betrieben gewerblicher Art) bleibt von dieser Regelung unberührt.
Dieses Einverständnis spiegelt die Übung der Vertragsstaaten wider und dient daher lediglich der rechtlichen Klarstellung."
Unter die sogenannte Kassenstaatregel fallen im Verhältnis zu Liechtenstein dem klaren Abkommenswortlaut nach nur Vergütungen, die von einer Gebietskörperschaft an eine natürliche Person für die der Gebietskörperschaft in Ausübung öffentlicher Funktionen erbrachten Dienste gezahlt werden. Mit dem klaren Abkommenswortlaut ist es nicht vereinbar, die konkrete Tätigkeit des einzelnen entsprechend der Verständigungsvereinbarung auszublenden.
Anderes gilt beispielsweise im Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich. Artikel 14 DBA Deutschland - Frankreich knüpft allein an die öffentlich-rechtliche Rechtsform des Dienstherrn an und will alle von der öffentlichen Hand für Dienstleistungen in der Verwaltung (im weiteren Sinn) geleisteten Vergütungen erfassen (BFH 11.7.2012, I R 76/11; SWI 2013, 281). Soll im Verhältnis zwischen Liechtenstein und Österreich Ähnliches gelten, müsste das Abkommen in diesem Sinne geändert werden.
Aus den nachfolgenden Gründen ist auch der im zitierten Erlass enthaltene Hinweis auf die Übung der Vertragsstaaten nicht geeignet, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen:
Zunächst ist zu bedenken, dass eine zwischen zwei Verwaltungsbehörden grenzüberschreitend getroffene Abmachung als solche keine den UFS bzw die Höchstgerichte bindende Wirkung entfalten kann (VwGH 27.8.1991, 90/14/0237; VwGH 20.9.2001, 2000/15/0116).
Indem der zitierte Erlass aber abschließend ausführt, dieses Einverständnis spiegle die Übung der Vertragsstaaten, dürfte er für sich die völkerrechtliche Relevanz der späteren Übung in Anspruch nehmen. Dies allerdings zu Unrecht. Es ist zwar zutreffend, dass nach Art. 31 Abs. 3 lit b der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK, BGBl 40/1980) jede spätere Übung (wenngleich nicht per se vorrangig) zu berücksichtigen ist, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht (VwGH 3.9.1987, 87/16/0071). Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut der Regel und dem Zusammenhang, dass es sich um eine qualifizierte Art der Übung im nachfolgend dargelegten Sinn handeln muss (Zeilinger, ÖStZ 13/2007, 309; Lang, ÖStZ 10/2006, 203).
- So muss die Übung die Vertragsstaaten umfassen und einheitlich sein. Die WVK normiert unzweideutig die Relevanz einer solchen Übung, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über die Auslegung hervorgeht.
- Die Übung muss zumindest eine gewisse Zeit dauern. Erst dann kann von einer Übung gesprochen werden.
- Sie muss gepflogen werden von den hiefür zuständigen Stellen, das sind gegenständlich vor allem die Finanzämter und die (ordentlichen und außerordentlichen) Rechtsmittelbehörden, nicht aber das für die Durchführung eines Verständigungsverfahrens zuständige BMfF.
- Und sie darf nicht dem Wortlaut oder dem Zusammenhang des auszulegenden Vertrages widersprechen. Keinesfalls kann nach der zitierten Norm durch eine übereinstimmende Übung eine Abkommensregelung geändert werden. Eine Vertragsänderung durch Übung ist zwar grundsätzlich möglich, es sind aber dann die allgemeinen Anforderungen des völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts zu beachten.
Alle genannten Voraussetzungen liegen gegenständlich nicht vor. Dies verdeutlicht bereits das Erkenntnis des VwGH vom 21.3.1996, 94/15/0128. Auf dieses Erkenntnis wiederum berufen sich eine Reihe von UFS-Entscheidungen (UFS 2.7.2007, RV/2221-W/06, UFS 2.7.2007, RV/2776-W/06, UFS 23.6.2009, RV/0455-F/07, UFS 5.10.2010, RV/2407-W/10, UFS 28.12.2010, RV/0009-F/09, RV/0200-F/10, UFS 28.11.2012, RV/2042-W/12). Das Erkenntnis des VwGH vom 21.3.1996, 94/15/0128, dessen Vorgeschichte und (mögliche) Folgen sind bzw waren im Übrigen auch dem BMF als Oberbehörde der Finanzämter (und ehemaligen Finanzlandesdirektionen) bekannt und wurden von ihm auch offensichtlich für zutreffend bzw abkommenskonform erachtet. Dies belegt ua eindrücklich die (von den Finanzämtern selbstverständlich befolgte) Verordnung des genannten Ministeriums betreffend Bezüge aus öffentlichen Kassen aus Liechtenstein, BGBl II 192/1997, in der das BMF zur Vermeidung einer im Interpretationskonflikt wurzelnden Doppelbesteuerung die Anrechnung der (aus österreichischer Sicht) abkommenswidrig im Quellenstaat einbehaltenen Steuern anordnete. Dies wird auch untermauert durch den Umstand, dass das BMF die Entscheidung des UFS vom 12.7.2012, RV/0200-F/10, in einem Beschwerdeverfahren vor der Volksanwaltschaft offensichtlich für rechtsrichtig erachtet hat. Hinzu kommt, dass auch der VwGH in mehreren Erkenntnissen Bezug auf seine Grundsatzentscheidung vom 21.3.1996, 94/15/0128, genommen und sie dadurch bekräftigt hat (VwGH 4.11.1998, 93/13/0201, VwGH 19.9.2007, 2007/13/0080, VwGH 17.10.2007, 2007/13/0088, VwGH 27.1.2011, 2007/15/0151). Bedenkt man nun, dass die höchstgerichtliche Judikatur und die Rechtsmittelentscheidungen nur einen kleinen Bruchteil der in Österreich geübten Praxis darstellen, wird evident, dass der Erlass - jedenfalls aus österreichischer Sicht - keineswegs eine Übung spiegelt, die als einheitlich, dauerhaft, von den die Praxis bestimmenden Behörden tatsächlich geübt und durch Abkommenswortlaut und Regelungszusammenhang gedeckt angesehen werden könnte.
Daran vermögen auch die vom Bw abschließend in der mündlichen Senatsverhandlung erhobenen Vorwürfe nichts zu ändern. Sie sind verständlich, in diesem Verfahren jedoch aus folgenden Gründen ohne rechtliche Relevanz:
Missachtung liechtensteinischen Rechts bzw liechtensteinischer Behörden-Bestätigungen: Der Bw übersieht, dass nach der ausdrücklichen Anordnung von Art. 3 Abs. 2 DBA Lie das Abkommen zunächst aus sich selbst auszulegen ist (Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I/1 Z 0 Rz 60,63). Artikel 19 DBA Lie enthält (anders als beispielsweise Art. 4 Abs. 3 DBA Lie) keine Anordnung zur Anwendung ausländischen Rechts. Aufgrund der oben erwähnten Bestätigungen der liechtensteinischen Steuerverwaltung und der Gemeinde X geht die Berufungsbehörde davon aus, dass die strittige Abkommensregelung offensichtlich in Liechtenstein anders interpretiert. Interessant wäre es freilich zu wissen, wie dort das Überlesen bzw Ausblenden einer ganzen Wortfolge argumentiert wird.
BMF ist zuständig für die Durchführung von Verständigungsverfahren: Dem Bw ist zuzustimmen, dass auf österreichischer Seite (ausschließlich) das BMF für die Durchführung von Verständigungsvereinbarungen zuständig ist. Dies ergibt sich klar und eindeutig aus Art. 25 iVm Art. 3 Abs. 1 lit d DBA Lie. Dies ändert aber nichts daran, dass auch das BMF nicht befugt ist, im Wege von Verständigungsvereinbarungen das Abkommen zu ändern. Im Sinne des Grundsatzes "pacta sunt servanda" ist natürlich auch Liechtenstein gehalten, zum Abkommen, seinem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang zu stehen (und sich erst danach auf innerstaatliches Recht zu berufen). Weder aus österreichischer noch aus liechtensteinischer Sicht darf im gegebenen Zusammenhang unter Missachtung des Abkommens gleichsam sofort rein innerstaatliches Recht zur Anwendung gelangen (vgl. Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I/1 Z 0 Rz 60 und 63, Stand 1.3.2013, rdb.at). In diesem Zusammenhang sei nicht verschwiegen, dass es für vertretbar erachtet wird, dass bei der Auslegung von Abkommensrecht im Rahmen einer Verständigungsvereinbarung ein größerer Interpretationsspielraum besteht als bei der Deutung rein innerstaatlicher Normen (Praxis des internationalen Steuerrecht, Hrsg. Lang Jirousek, 256). Dies befugt aber nicht zur Abkommensänderung im Auslegungsweg. Oder mit anderen Worten: Art. 25 DBA Lie stellte es den zuständigen Behörden nicht frei, sich über die nach der jeweiligen Verfassung für Abkommensänderungen zuständige Staatsgewalt zu erheben.
Verwaltung spricht mit zwei verschiedenen Zungen: Es wird dem Bw zugestimmt, dass es dem Ansehen der Finanzverwaltung wohl nicht sonderlich zuträglich sein dürfte, wenn die Unterbehörde auf einem zur Oberbehörde konträren Rechtsstandpunkt beharrt, obwohl ihm von der Oberbehörde mitgeteilt wurde, dass die Finanzämter mit der Umsetzung des Verständigungsverfahrens beauftragt worden ist (UFS 111). Dieser Vorwurf kann sich aber nur an die hierarchisch organisierte Finanzverwaltung, nicht jedoch an die (weisungs)unabhängige Berufungsbehörde richten. Ebendies wurde der Vertreterin des Bw auch bereits mit E-Mail 6.12.2012 (im Übrigen unter Hinweis auf auch in dieser Entscheidung zitierte Rechtsprechung) mit folgenden abschließenden Worten mitgeteilt: "Wollen Sie, dass eine Verständigungsvereinbarung auf einen konkreten Fall angewandt wird, dann empfehle ich Ihnen, sich an die hierarchisch organisierte Finanzverwaltung (Finanzamt, BMF) zu wenden." Mit E-Mail vom 26.7.2013 wurde der Vertreterin des Bw folgendes mitgeteilt: "Ich beabsichtige, die mündliche Senatsverhandlung im September durchzuführen. Natürlich werde ich den Senat über den Abschluss des Verständigungsverfahrens informieren. Per se besteht allerdings keine Bindung der unabhängigen Berufungsbehörde an BMF-Erlässe bzw Verständigungsvereinbarungen." Die E-Mail vom 26.7.2013 ging in Kopie auch an BMF und FA. Damit hat die unabhängige Berufungsbehörde den hierarchisch organisierten Abgabenbehörden hinreichend Zeit und Information geboten, um zu einer für den Bw befriedigenden Lösung zu kommen. Da eine solche offensichtlich nicht gefunden wurde, musste die Berufungsbehörde allein gebunden durch das Gesetz (Abkommen) entscheiden.
Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.
Feldkirch, am 23. September 2013
Beilage: Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Berufungsverhandlung
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | Art. 31 Abs. 3 lit. b Wiener Vertragsrechtskonvention, BGBl. Nr. 40/1980 |
Verweise: | UFS 12.07.2012, RV/0200-F/10 |