Kein FB-Anspruch, wenn keine gesicherten Existenzmittel vorliegen
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom 9. Dezember 2010 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom 6. Dezember 2010 betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für die Zeiträume vom 1. Juni 2008 bis zum 31. August 2009 sowie vom 1. Dezember 2009 bis zum 31. August 2010 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin, in der Folge als Bw. bezeichnet, brachte am 13. Oktober 2010 einen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für ihre beiden Kinder, 1 und 2, beim Finanzamt ein. Sowohl die Bw. als auch deren Kinder sind rumänische Staatsangehörige und in Wien polizeilich gemeldet. Anzumerken ist diesbezüglich dass die Bw. laut Zentralem Melderegister im Zeitraum vom 27. Februar 2007 bis zum 9. Mai 2008 in Wien über einen Nebenwohnsitz und ab dem letztgenannten Datum (in Wien) über ihren Hauptwohnsitz verfügte. Die Kinder der Bw. verfügten laut ZMR im Zeitraum vom 16. Juli 2007 bis zum 8. Mai 2008 in Wien über einen Nebenwohnsitz und ab dem letztangeführten Datum (in Wien) über ihren Hauptwohnsitz. Die Bw. war im berufungsgegenständlichen Zeitraum lediglich in der Zeit vom 20. Juli 2009 bis zum 28. August 2009 geringfügig beschäftigt und erzielte dabei Einkünfte in Höhe von € 396,13.
Angemerkt wird, dass im Akt des Finanzamtes Kopien der Geburtsurkunden der Kinder der Bw. sowie diese betreffende Schulbesuchsbestätigungen jeweils hinsichtlich der Schuljahre 2007/2008, 2008/2009, 2009/10 und 2010/2011 enthalten sind.
Mittels Ersuchens um Ergänzung vom 22. November 2010 forderte das Finanzamt die Bw. um Vorlage von Dienstgeberbestätigungen sowie um einen Einkommensnachweis des in Rumänien lebenden Kindesvaters auf.
In Beantwortung dieses Ergänzungsersuchens gab die Bw. mit Schreiben vom 24. November 2010 u. a. bekannt, dass ihr ehemaliger Gatte in Rumänien nicht regulär gearbeitet habe und im Jahre 2002 nach Serbien verzogen sei. Dieser bezahle Unterhalt lediglich zu den Zeiten, zu denen er von den Kindern der Bw. besucht werde.
Das Finanzamt wies den Antrag der Bw. auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihre beiden Kinder jeweils für den Zeitraum von Juni 2008 bis August 2009 und Dezember 2009 bis August 2010 mittels Bescheid vom 6. Dezember 2010 ab und führte diesbezüglich begründend aus, dass gem. § 3 Abs. 1 und 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) iVm. Art. 12 EG-Vertrag für EU/EWR Staatsangehörige Anspruch auf Familienleistungen bestehe, wenn sich diese nach § 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) rechtmäßig in Österreich aufhielten und den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Osterreich hätten.
EU/EWR-Bürger, die nach Österreich eingereist seien und sich länger als drei Monate hier aufhielten, seien Österreichern und Österreicherinnen in Bezug auf den Familienbeihilfenanspruch grundsätzlich nur dann gleichgestellt, wenn diese unselbständig oder selbständig erwerbstätig seien bzw. über ausreichende Existenzmittel und über eine ausreichende Krankenversicherung für sich und ihre Familienangehörigen verfügten.
Gem. § 3 Abs. 1 und 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) iVm. Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bestehe für EU/EWR Staatsangehörige Anspruch auf Familienleistungen, wenn sich diese nach § 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) rechtmäßig in Österreich aufhielten und den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich hätten.
EU/EWR-Bürger, die nach Österreich eingereist seien und sich länger als drei Monate hier aufhielten, hielten sich dann nach § 9 NAG rechtmäßig in Österreich auf, wenn sie über ausreichende Existenzmittel (ev. durch Ausübung einer un/selbständigen Beschäftigung) und über eine Krankenversicherung für sich und ihre Familienangehörigen verfügten.
Über den Zeitraum September bis November 2009 könne nicht mehr abgesprochen werden, weil über diesen Zeitraum bereits mit Bescheid vom 27. November 2009 entschieden worden sei und dieser mittlerweile in Rechtskraft erwachsen sei.
In der mittels Schreibens vom 9. Dezember 2010 gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobenen Berufung brachte die Bw. vor, dass sie den ersten Antrag als bwalterName eingebracht habe und dass ihr zu diesem Zeitpunkt die Beibringung einer Meldebescheinigung nicht möglich gewesen sei. Nunmehr habe sie als bwneuerName sämtliche Auflagen für einen Anspruch erfüllt. Die Bw. sei gesetzlich verpflichtet ihre Kinder in die Schule zu schicken, weshalb ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe. Sie habe sämtliche angefallenen Kosten selbst getragen.
Angemerkt wird, dass die Bw. am 8. September 2010 in Wien eine Ehe schloss und dabei den Familiennamen ihres Gatten annahm.
Das Finanzamt erließ am 20. Juni 2011 eine abweisende Berufungsvorentscheidung und führte in dieser begründend aus, dass gemäß § 3 Absatz 1 und 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in Verbindung mit Artikel 12 der Verordnung (EG) 1408/71 (ab Mai 2010 Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004) für EU/EWR Staatsangehörige Anspruch auf Familienleistungen bestehe, wenn sich diese nach § 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) rechtmäßig in Österreich aufhielten und den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich hätten.
EU/EWR-Bürger, die nach Österreich eingereist seien und sich länger als drei Monate hier aufhalten, seien Österreichern und Österreicherinnen in Bezug auf den Familienbeihilfenanspruch grundsätzlich nur dann gleichgestellt, wenn sie unselbständig oder selbständig erwerbstätig seien bzw. über ausreichende Existenzmittel und über eine ausreichende Krankenversicherung für sich und ihre Familienangehörigen verfügten.
Gem. § 53 Abs. 1 NAG hätten EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit beanspruchten und deren Angehörige gemäß § 52, wenn sich diese länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhielten, spätestens nach Ablauf von drei Monaten ab ihrer Niederlassung diese der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) sei von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen. Diese gelte zugleich als Dokument zur Bescheinigung des Daueraufenthalts des EWR-Bürgers.
Im Falle der Bw. und deren Kinder seien die erforderlichen Anmeldebescheinigungen erst im Oktober 2010 ausgestellt worden.
Für die Zeiträume ab dem Aufenthalt der Bw. (Mai/Juni 2008) bis zur Erteilung der Anmeldebescheinigungen seien auch die für die Erteilung der vorgesehenen Aufenthaltstitel erforderlichen Nachweise über eine entsprechende Erwerbstätigkeit bzw. Existenzmittel (Einkommensnachweise) bzw. eine Krankenversicherung nicht nachgewiesen worden, daher habe spruchgemäß entschieden werden müssen.
Angemerkt wird, dass die Bw. im Laufe des Verfahrens eine diese sowie zwei deren beide Kinder betreffende Anmeldebescheinigungen gemäß Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), sämtliche ausgestellt am 11. Oktober 2010, beibrachte. Angemerkt wird weiters, dass die Ausstellung der die beiden Kinder der Bw. betreffenden Anmeldebescheinigungen auf Grundlage der Bestimmung des § 52 Abs 1 Z 2 und die die Bw. betreffende auf Grundlage der Bestimmungen der §§ 51 Abs 1 Z 2 und 52 Abs 1 Z 4 oder 5, erfolgten.
In ihrem mit Schreiben vom 15. Juli 2011 - eingelangt beim Finanzamt am 18. Juli 2011- als Berufung bezeichneten Antrag auf Entscheidung über ihre Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte die Bw. u. a. vor, dass ihre Kinder und sie ordnungsgemäß krankenversichert gewesen seien. Sie habe bei ihrem Ansuchen sämtliche Dokumente ordnungsgemäß vorgelegt und von der Republik Österreich keine Unterstützung für ihre Kinder bezogen.
Am 20. September 2011 legte das Finanzamt die Berufung der Bw. dem UFS zur Entscheidung vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt und ist den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen:
Die Bw. sowie Ihre beiden o.a. Kinder sind rumänische Staatsangehörige und leben in Wien. Auf die obigen diesbezüglichen weiteren Ausführungen wird verwiesen.
Der Bw. sowie ihren Kindern wurden am 11. Oktober 2010 Anmeldebescheinigungen gemäß Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ausgestellt. Auf die obigen diesbezüglichen weiteren Ausführungen wird verwiesen.
Die Bw. war im gesamten berufungsgegenständlichen Zeitraum lediglich in der Zeit vom 20. Juli 2009 bis zum 28. August 2009 geringfügig beschäftigt und erzielte dabei Einkünfte in Höhe von € 396,13. Weitere Nachweise über (ausreichende) Existenzmittel der Bw. liegen hinsichtlich des berufungsgegenständlichen Zeitraumes nicht vor.
Die Bw. wies im Verlauf des gesamten Verfahrens nicht nach, dass sie, soweit dies den berufungsgegenständlichen Zeitraum betrifft, für sich und ihre Kinder über ausreichende Existenzmittel und über einen Krankenversicherungsschutz verfügte.
Dieser Sachverhalt war rechtlich folgendermaßen zu würdigen:
Gem. § 3 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.
§ 3 Abs. 2 FLAG 1967 normiert weiters, dass Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder besteht, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten.
§ 8 NAG regelt die verschiedenen Aufenthaltstitel, § 9 NAG in Zusammenhang mit § 53 NAG die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger. Eine solche ist gem. § 53 leg.cit. auszustellen, wenn die Voraussetzungen gem. der §§ 51 NAG oder 52 NAG vorliegen.
Gemäß § 51 Abs 1 NAG sind EWR-Bürger auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
(Z 1) in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
(Z 2) für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthaltes weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
(Z 3) als Hauptzweck ihres Aufenthaltes eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.
Gem. § 9 Abs. 1 Z 1 NAG werden zur Dokumentation eines gemeinschaftsrechtlichen Aufenthalts- und Niederlassungsrechts für EWR-Bürger, die sich in Österreich niedergelassen haben, über Antrag eine Anmeldebescheinigung (§ 53 NAG) ausgestellt.
Bei Vorliegen einer Anmeldebescheinigung reicht diese Tatsache für die Gewährung der Familienbeihilfe aus, ohne dass von der für deren Gewährung zuständigen Behörde überprüft werden müsste, ob die dafür lt. § 52 NAG erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.
Anmeldebescheinigungen wurden betreffend der Bw. und deren Kinder, w. o. ausgeführt, erst am 11. Oktober 2010 ausgestellt.
Gemäß § 115 Abs 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Nach Abs 2 leg. cit. ist den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
Diese Verpflichtung der Behörde zur Ermittlung der materiellen Wahrheit entbindet den Abgabepflichtigen aber keineswegs von der ihn treffenden Mitwirkungspflicht.
Die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes findet dort ihre Grenze, wo nach Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 25. Oktober 1995, Zl. 94/15/0131).
Es lag somit im Rahmen der Mitwirkungspflicht der Bw. jene Umstände darzulegen, aus denen sich die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe für ihre Kinder - soweit dies den berufungsgegenständlichen Zeitraum betrifft - ergeben hätten. Derartige Nachweise hat die Bw. für den vom bekämpften Bescheid umfassten Zeitraum, w. o. ausgeführt, nicht erbracht.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH stellen entsprechende Sachverhaltsfeststellungen in einer Berufungsvorentscheidung einen Vorhalt dar, der der Partei Gelegenheit zu einem Gegenvorbringen bietet, dessen Nichterstattung ihr zur Last fällt (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 26. Februar 2004, Zl. 2004/16/0034, mit Hinweis auf Stoll, BAO, S 2713). In der Berufungsvorentscheidung vom 20. Juni 2011 wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bw. für die Zeiträume ab deren Aufenthalt bis zur Erteilung der in Rede stehenden Anmeldebescheinigungen die für die Erteilung der vorgesehenen Aufenthaltstitel erforderlichen Nachweise über eine entsprechende Erwerbstätigkeit bzw. Existenzmittel (Einkommensnachweise) bzw. Krankenversicherungen nicht nachgewiesen wurden.
In Ansehung der obigen Ausführungen erfüllte die Bw. im gegenständlichen Zeitraum nicht die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe für ihre Kinder. Das Finanzamt erließ deshalb den angefochtenen Abweisungsbescheid zu Recht.
Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass nach der Lehre und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Begünstigungstatbeständen die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt; der Begünstigungswerber hat die Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 23. Februar 1989, Zl. 88/16/0187, vom 12. Juni 1990, Zl. 90/14/0100, vom 22. Dezember 1993, Zl. 90/13/0160; vom 24.Jänner 1996, Zl. 93/13/0237, 0238; vom 28. Mai 1997, Zl. 96/13/0110, vom 4. März 1999, Zl. 98/16/0325, 0326, 0327, vom 30. März 2000, Zl. 99/16/0100; sowie Ellinger-Iro-Kramer-Sutter-Urtz, BAO, 1. Band, Tz 10ff zu § 115)
Auf Grund des oben Gesagten geht das gesamte Berufungsvorbringen der Bw. ins Leere.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 31. Jänner 2012
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 3 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |