UFS RV/0440-W/11

UFSRV/0440-W/117.12.2011

Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten bei (vorübergehender) Neubegründung des Familienwohnsitzes im Ausland

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom 11. Juni 2010 gegen den Bescheid des Finanzamtes G vom 10. Mai 2010 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2008 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) bezog im streitgegenständlichen Jahr 2008 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Angestellter bei der A GmbH & Co KG.

a) In seiner am 17. November 2009 beim Finanzamt elektronisch eingelangten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2008 machte er folgende Werbungskosten geltend (S 6, 26 Arbeitnehmerveranlagungsakt, im Folgenden kurz: ANV-Akt):

Gewerkschaftsbeiträge (Kennzahl 717): 302,88 €

Arbeitsmittel (Kz 719): 238,80 € (Internetanschluss)

Fachliteratur (Kz 720): 117,00 € (Zeitschriften "Spotlight", "Business Spotlight")

Aus-/Fortbildungskosten (Kz 722): 1.208,50 €

doppelte Haushaltsführung (Kz 723): 3.151,50 €

sonstige Werbungskosten (Kz 724): 235,80 €.

b) Am 19. Jänner 2010 erging ein Ergänzungsersuchen des Finanzamtes an den Bw., das folgenden Wortlaut aufweist:

"Ersuchen um Ergänzung betreffend Arbeitnehmerveranlagung

[...]

Frist zur Beantwortung bis zum 26.2.2010

Ergänzungspunkte:

Die Werbungskosten sind belegmäßig nachzuweisen, Aufstellungen [sind] beizulegen, der berufliche Zusammenhang [ist] zu erklären und die Reisekostenaufstellung bzw. das Fahrtenbuch ist vorzulegen, Ersätze durch den Dienstgeber [sind] genau bekannt zu geben.

Die Voraussetzungen und die beantragten Kosten der doppelten Haushaltsführung sind nachzuweisen."

In seinem mit "Arbeitnehmerveranlagung - Ansuchen bzw. Begründung zur Anerkennung der Familienheimfahrten (Werbungskosten) für die Jahre 2006/2007/2008/2009" übertitelten Antwortschreiben vom 25. Februar 2010 führte der Bw. aus, er habe im Rahmen seiner Tätigkeit im Vertrieb beginnend mit Anfang 2006 mehrere Dienstreisen nach B, Russland, gehabt, anlässlich derer er seine jetzige Frau C kennen gelernt habe. Die Hochzeit habe am 28. November 2008 in B stattgefunden. Erst seit Anfang Februar 2009 lebten der Bw. und seine Ehefrau zusammen mit der Tochter D im gemeinsamen Haushalt in E.

Im Sinne der geltenden Regelungen ersuche er um Anerkennung der erhöhten Kosten und Aufwendungen im Zusammenhang mit den Familienheimfahrten für 2008 und 2009 sowie rückwirkend für die Jahre 2006 und 2007, jeweils im Höchstbetrag von 2.412,00 €. Eine Aufstellung der Kosten (Reisekosten und Unterkunft in B) und Originalbelege seien beigeschlossen. (Anmerkung: Aus dieser Kostenaufstellung ergeben sich für das streitgegenständliche Jahr 2008 Aufwendungen von insgesamt 10.061,26 €. Die auf die Familienheimfahrten (hauptsächlich Flüge) entfallenden Ausgaben überschreiten den gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c iVm § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 für 2008 normierten Höchstbetrag von 3.151,50 € (die Originalbelege befinden sich auf S 3 ff/Abschnitt "Reisekosten/Belege" ANV-Akt); dieser Höchstbetrag wurde vom Bw. als Werbungskosten geltend gemacht).

c) Am 10. Mai 2010 erging der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008, mit dem das Finanzamt die geltend gemachten Werbungskosten nicht anerkannte. Begründend führte die Abgabenbehörde I. Instanz dazu aus:

"Die vom Arbeitgeber einbehaltenen Beträge für die freiwillige Mitgliedschaft bei Berufsverbänden und Interessenvertretungen (zB Gewerkschaftsbeiträge) werden bereits bei der laufenden Lohnverrechnung berücksichtigt (§ 62 Abs. 2 Z 1 EStG 1988). Ein nochmaliger Abzug im Rahmen des Veranlagungsverfahrens ist daher nicht möglich.

Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers von der Wohnung am Arbeitsort zum Familienwohnsitz sind nur Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen. Die Verlegung des Familienwohnsitzes an einen auswärtigen Ort bei Beibehaltung der bisherigen Wohnung am Beschäftigungsort ist nicht beruflich veranlasst.

Werbungskosten betreffend Arbeitsmittel, Fachliteratur, Fortbildungskosten und sonstige Werbungskosten wurden nicht nachgewiesen."

d) Gegen den angeführten Einkommensteuerbescheid erhob der Bw. am 11. Juni 2010 Berufung. Begründend führte er folgendes aus:

- Familienheimfahrten: Gemäß Information der Arbeiterkammer sei der Fall, dass der Arbeitsplatz so weit weg vom Familienwohnsitz sei, dass der Bw. nicht täglich heimfahren könne, Grund dafür, die Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten als Werbungskosten geltend zu machen. Als Familienwohnsitz gelte dabei jener Ort, an dem der Bw. mit seiner Ehepartnerin oder Lebensgefährtin und dem betreuungsbedürftigen Kind einen gemeinsamen Hausstand unterhalte, der den Mittelpunkt der gemeinsamen Lebensinteressen bilde. Das sei mit der Eheschließung zwingend verbunden.

Eine umgehende Übersiedlung nach Österreich sei aus wirtschaftlichen bzw. rechtlichen Gründen, insbesondere auf Grund der Visum- und Einreisegenehmigungen, nicht zumutbar und auch nicht möglich gewesen, somit sei die temporäre Unterhaltung eines Familienwohnsitzes in B für einen zeitlich absehbaren und limitierten Zeitraum notwendig gewesen. Auf Grund der vorgenannten Voraussetzungen müsse die Voraussetzung einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung nicht mehr gegeben sein. Darüber hinaus sei die Begründung des Finanzamtes, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes an einen auswärtigen Ort bei Beibehaltung der bisherigen Wohnung am Beschäftigungsort nicht beruflich veranlasst sei, als nicht relevant zurückzuweisen.

- Werbungskosten betreffend Arbeitsmittel, Fachliteratur, Fortbildungskosten und sonstige Werbungskosten: Der Nachweis dieser sollte in dem zuletzt eingereichten Paket an Rechnungen unter einem separaten Register enthalten sein. Der Bw. stelle hiermit "den Antrag, den Nachweis dieser gemäß separater Einreichung zu diesem Schreiben anzuerkennen."

Auf S 1/Abschnitt "Belege" ANV-Akt befindet sich eine "Zusammenstellung Sonderausgaben und Werbungskosten" des Bw.; diese Liste enthält an geltend gemachten Werbungskosten die Aufwandsposten "Arbeitsmittel (PC und laufende Kosten)", "Fachliteratur und Fortbildung" sowie "Ausbildungskosten (F)". Unter dem Posten "Arbeitsmittel (PC und laufende Kosten)" ist "Internet "KabSi" 238,80 €", unter "Fachliteratur und Fortbildung" ist "Spotlight 63,60 €" sowie "Business Spotlight 53,40 €" angeführt. Unter "Ausbildungskosten (F)" ist lediglich ein Verweis auf 2009 enthalten. Auf S 2 ff/Abschnitt "Belege" ANV-Akt befinden sich belegmäßige Nachweise betreffend die Zahlung der angeführten Beträge von 238,80 €, 63,60 € und 53,40 €.

e) Mit Berufungsvorentscheidung vom 3. August 2010 wies das Finanzamt die Berufung des Bw. als unbegründet ab:

Liege der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, dann könnten (Mehr-)Aufwendungen für Familienheimfahrten berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt sei. Eine doppelte Haushaltsführung sei dann beruflich bedingt, wenn die Gründung des zweiten Hausstandes einen objektiven Zusammenhang mit der Berufstätigkeit aufweise.

Im gegenständlichen Fall sei keine beruflich bedingte Gründung eines zweiten Wohnsitzes vorgelegen. Es habe immer einen bestehenden Wohnsitz am Beschäftigungsort gegeben. Die Ursache für die Reisen nach B sei ausschließlich in privat veranlassten Besuchsfahrten der (zukünftigen) Ehefrau gelegen gewesen. Da die Reisen nach B in keinem beruflichen Zusammenhang stünden, könnten die Reisekosten nicht anerkannt werden.

Werbungskosten seien dem Grund und der Höhe nach nachzuweisen. Das in der Berufung des Bw. angeführte "Paket" enthalte lediglich Nachweise über Reise- und Verpflegungskosten nach bzw. in B. Nachweise über Arbeitsmittel, Fachliteratur und Fortbildungskosten seien nicht erbracht worden und könnten daher vom Finanzamt nicht anerkannt werden.

f) In seinem Vorlageantrag vom 3. September 2010 führte der Bw. folgendes aus:

- Familienheimfahrten: Ergänzend zu seiner Berufungsbegründung wolle er feststellen, dass eine Verehelichung - insbesondere eine solche mit einer Ausländerin - sogar gesetzlich zu vollziehen sei, dies letztendlich auch, um einen eventuellen Missbrauchsverdacht auszuschließen, und dazu gehöre auch die Familienzusammenführung. Dies sei auf Grund länderübergreifender behördlicher Hürden nicht unmittelbar möglich gewesen. Eine Verlegung des Beschäftigungsortes des Bw. sei nicht möglich, eine Karenzierung oder Kündigung auf Grund der Erhaltung des Lebensunterhaltes nicht zumutbar gewesen. Somit sei für die vorübergehende doppelte Haushaltsführung der objektive Zusammenhang mit der Berufstätigkeit sehr wohl gegeben bzw. den Anwendungskriterien gleichzusetzen. Die Einbringung weiterer Begründungen nach Rücksprache mit den Steuerexperten der Arbeiterkammer bleibe vorbehalten.

- Werbungskosten betreffend Arbeitsmittel, Fachliteratur, Fortbildungskosten und sonstige Werbungskosten: Dazu führte der Bw. aus:

"63,60 € Spotlight, Kopie Kontoauszug anhängend";

53,40 € Business Spotlight, Kopie Kontoauszug anhängend;

19,90 € x 12 Monate = 238 € Internetanschluss Kabelsignal (Lastschriftauftrag, siehe anh. Kontoauszug)."

Auf S 19 ANV-Akt befindet sich ein Ausdruck der Internetseite www.spotlight-verlag.de/produkte/business-spotlight vom 13. Oktober 2010 mit folgendem Wortlaut:

"Business Spotlight

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g) Am 13. Oktober 2010 erging ein weiteres Ergänzungsersuchen des Finanzamtes an den Bw., in dem dieser aufgefordert wurde, "die berufliche Nutzung des Internetanschlusses darzulegen. Eine Aufteilung zwischen privater und beruflicher Nutzung ist vorzunehmen und bekannt zu geben. Weiters wird ersucht, die Belege über alle beantragten Werbungskosten nochmals vorzulegen." Als Fristende zur Beantwortung dieses Ergänzungsersuchens wurde vom Finanzamt der 22. November 2010 festgesetzt.

Mit Schreiben vom 22. November 2010 teilte der Bw. der Abgabenbehörde I. Instanz mit, die Beibringung der zusätzlichen und nochmaligen Unterlagen (teilweise sei deren Wiederbeschaffung notwendig) sei leider zeitaufwändiger als erwartet; zu dem kämen die Vorbereitungen zur unmittelbar bevorstehenden Geburt der Tochter. Aus den vorgenannten Gründen werde um Aufschub zur Einbringung der Ergänzung bis 22. Dezember 2010 ersucht.

Am 12. Jänner 2011 erging ein weiteres, inhaltlich mit dem Ersuchen vom 13. Oktober 2010 gleichlautendes Ergänzungsersuchen an den Bw.; als Fristende zur Beantwortung wurde der 11. Februar 2011 festgesetzt.

In seinem Antwortschreiben vom 11. Februar 2011 teilte der Bw. zur Darlegung der beruflichen Nutzung des Internetanschlusses mit, in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit bei der Firma A GmbH & Co KG im Vertrieb Export als pauschalierter Mitarbeiter sei es notwendig, über Secure ID Zugang zum Firmennetzwerk jederzeit auch von zu Hause zu haben; der Bw. verfüge über einen solchen Zugang. Dies sei nur praktikabel über eine schnelle Verbindung wie zB KabelNet. Für den Privatgebrauch wäre eine Telefon-/Modemverbindung ausreichend. Deshalb seien die KabelNet-Kosten zur Gänze zu berücksichtigen.

h) Am 16. Februar 2011 wurde das Rechtsmittel der Abgabenbehörde II. Instanz zur Entscheidung vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Rechtsgrundlagen:

- § 16 Abs. 1 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, lautet:

"Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. [...] Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. [...]"

- § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a EStG 1988 lauten:

"Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:

1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.

2. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen."

- Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 sind auch Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abzugsfähig, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen.

2. Festgestellter Sachverhalt:

Der in Österreich nichtselbständig tätige Bw. verfügt seit 1997 über einen Wohnsitz am Arbeitsort im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes G. Seinen Familienwohnsitz begründete er 2006 oder 2007 vorübergehend neu in B, Russland, wo er gemeinsam mit seiner späteren Ehefrau C und der betreuungsbedürftigen Tochter D einen gemeinsamen Hausstand unterhielt; die Eheschließung fand am 28. November 2008 in B statt.

Nach den glaubwürdigen Angaben des Bw. war eine umgehende Übersiedlung der Familie nach Österreich aus diversen Gründen, insbesondere auf Grund fremdenrechtlicher Vorschriften (Einreisegenehmigungen etc.), nicht möglich; ebenso glaubwürdig ist das Vorbringen des Bw., es sei nicht möglich gewesen, für die Zeit der Wohnsitzverlegung nach Russland seinen Beschäftigungsort dorthin zu verlagern oder bei seinem österreichischen Arbeitgeber zu kündigen bzw. sich karenzieren zu lassen. Seit Anfang Februar 2009 wohnen der Bw. und seine Ehefrau zusammen mit der Tochter D im gemeinsamen Haushalt in E (gemäß Abfrage aus dem Zentralen Melderegister vom 20. Juli 2010 (S 13 ANV-Akt) hat die Ehefrau des Bw. seit 5. Februar 2009 ihren Hauptwohnsitz an dieser Adresse). Die Begründung des Familienwohnsitzes in B war somit lediglich vorübergehend; auf Grund der Unmöglichkeit der umgehenden Übersiedlung der Familie nach Österreich ist nicht von einer freiwilligen Dauer des Aufenthaltes in B bis Anfang Februar 2009 auszugehen.

Für das Jahr 2008 hat der Bw. nachgewiesene Aufwendungen in Höhe von 3.151,50 € als Werbungskosten geltend gemacht. Dazu kommen weitere Ausgaben (Gewerkschaftsbeiträge, Arbeitsmittel, Fachliteratur, Aus-/Fortbildungskosten, sonstige Kosten), die der Bw. als Werbungskosten beantragt hat.

3. Rechtliche Würdigung:

3.1 Zu den Aufwendungen für Familienheimfahrten/doppelte Haushaltsführung:

Das Finanzamt hat die Anerkennung der diesbezüglich geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten im Wesentlichen mit der Begründung verweigert, die Verlegung des Familienwohnsitzes an einen auswärtigen Ort bei Beibehaltung der bisherigen Wohnung am Beschäftigungsort sei nicht beruflich veranlasst; es liege keine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung vor.

Im Schrifttum (Atzmüller/Lattner in Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke, MSA EStG [1.6.2007], § 16 Anm 25, Stichwort "Doppelte Haushaltsführung - Verlegung des Wohnsitzes") wird zwar ausgeführt, dass die Wegverlegung des Familienwohnsitzes an einen auswärtigen Ort grundsätzlich keine steuerlich anzuerkennende doppelte Haushaltsführung begründet; allerdings wird die Auffassung vertreten, dass, wenn erstmals ein gemeinsamer Familienwohnsitz am Beschäftigungsort des einen (Ehe-)Partners begründet wird und der andere (Ehe-)Partner, weil er seine bisherige Erwerbstätigkeit beibehält, auch seinen bisherigen Wohnsitz außerhalb der üblichen Entfernung vom neuen Familienwohnsitz beibehalten muss, seine durch die Beibehaltung erwachsenden Mehraufwendungen als Werbungskosten abzugsfähig sind. Nach UFS 21.2.2007, RV/2159-W/06, worauf im Schrifttum (Atzmüller/Lattner, siehe oben) verwiesen wird, stehen einem geschiedenen Steuerpflichtigen nach Begründung eines Familienwohnsitzes am Beschäftigungsort der Lebensgefährtin bei gleichzeitiger Beibehaltung des bisherigen Wohnsitzes am Beschäftigungsort die Kosten für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung zu.

Zur Frage der doppelten Haushaltsführung in sog. "Wegverlegungsfällen" hat der Bundesfinanzhof (BFH) in seinen Urteilen BFH 5.3.2009, VI R 23/07 (BFHE 224, 420, BStBl. II 2009, 1016), BFH 5.3.2009, VI R 58/06 (BFHE 224, 413, BStBl. II 2009, 1012), BFH 5.3.2009, VI R 31/08 (BFH/NV 2009, 1256) und BFH 6.5.2010, VI R 34/09, seine bisherige Rechtsprechung geändert und ausgeführt, dass eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung auch dann vorliegen kann, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Haupthausstand aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt und er darauf in einer Wohnung am Beschäftigungsort einen Zweithaushalt begründet (oder diesen Haushalt beibehält), um von dort seiner bisherigen Beschäftigung weiter nachgehen zu können.

So führt der Bundesfinanzhof etwa in BFH 5.3.2009, VI R 58/06, aus:

"[...]

2. Der Senat hält nach erneuter Prüfung nicht mehr an seiner Rechtsprechung fest, nach der in den sog. Wegverlegungsfällen ein Abzug von Kosten einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten ausscheidet.

Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn aus beruflicher Veranlassung in einer Wohnung am Beschäftigungsort ein zweiter (doppelter) Haushalt zum Hausstand des Steuerpflichtigen hinzutritt. Der Haushalt in der Wohnung am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn ihn der Steuerpflichtige nutzt, um seinen Arbeitsplatz von dort aus erreichen zu können. Der so beruflich veranlasste Zweithaushalt am Beschäftigungsort qualifiziert auch die doppelte Haushaltsführung selbst als eine aus beruflichem Anlass begründete [...]. Dies gilt selbst dann, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Haupthausstand aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt und eine bereits vorhandene oder neu eingerichtete Wohnung am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen als Zweithaushalt nutzt. Denn auch dann findet die nunmehr doppelte Haushaltsführung ihre berufliche Veranlassung darin, dass ein weiterer Haushalt in einer Wohnung am Beschäftigungsort aus beruflichen Motiven begründet wird. Nur die Kosten dieser Wohnung am Beschäftigungsort sind als Werbungskosten abziehbar; die Aufwendungen der wegverlegten Hauptwohnung gehören zu den nicht abziehbaren Lebenshaltungskosten.

[...]"

Dieser überzeugenden Argumentation des BFH schließt sich der Unabhängige Finanzsenat an:

Der Bw. hat seinen Familienwohnsitz aus privaten Gründen in B (vorübergehend) neu begründet. Seine Wohnung am Beschäftigungsort (der außerhalb der üblichen Entfernung vom neu gegründeten Familienwohnsitz lag) musste er beibehalten, um von dort seiner bisherigen Beschäftigung weiter nachgehen zu können; der Haushalt in der Wohnung am Beschäftigungsort ist somit beruflich veranlasst. Dazu kommt, dass auf Grund der Unmöglichkeit der umgehenden Übersiedlung der Familie nach Österreich nicht von einer freiwilligen Dauer des Aufenthaltes in B bis Anfang Februar 2009 auszugehen ist.

Die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung sind somit - im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Finanzamtes - im vorliegenden Fall gegeben, weshalb den geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten im für 2008 gesetzlich zustehenden Höchstausmaß von 3.151,50 € Werbungskostencharakter zukommt.

Anzumerken ist, dass bei solchen "Wegverlegungsfällen" die Aufwendungen der wegverlegten (neu begründeten) Hauptwohnung zu den nicht abziehbaren Lebenshaltungskosten gehören; nur die Kosten der Wohnung am Beschäftigungsort sind als Werbungskosten abziehbar (BFH 5.3.2009, VI R 58/06, siehe oben). Deshalb sind die Wohnungskosten des Bw. in B nicht abzugsfähig; Kosten der Wohnung am Beschäftigungsort hat der Bw. nicht geltend gemacht.

3.2 Zu den übrigen als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen:

- Gewerkschaftsbeiträge:

Bereits im angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 10. Mai 2010 hat das Finanzamt zu Recht ausgeführt, dass vom Arbeitgeber einbehaltene Beiträge für die freiwillige Mitgliedschaft bei Berufsverbänden und Interessenvertretungen (zu denen auch Gewerkschaftsbeiträge gehören) bereits bei der laufenden Lohnverrechnung zu berücksichtigen, dh. vor Anwendung des Lohnsteuertarifes vom Arbeitslohn abzuziehen sind (§ 62 Z 3 EStG 1988).

Dies ist im streitgegenständlichen Fall auch geschehen (auf dem Bezug habenden Lohnzettel des Bw. sind diese Beiträge unter "Beiträge zu Interessensvertretung: 302,88 €" ausgewiesen, S 9 ANV-Akt), weshalb ein nochmaliger Abzug im Rahmen des Veranlagungs- bzw. Berufungsverfahrens zu einer doppelten - und damit rechtswidrigen - Berücksichtigung jener Aufwendungen führen würde. Der Berufung kann somit in diesem Punkt nicht gefolgt werden.

- Arbeitsmittel (Internetanschluss):

Werbungskosten liegen im Falle einer beruflich veranlassten Verwendung eines Internetanschlusses vor. Internetkosten unterliegen nicht dem Aufteilungsverbot. Ist eine genaue Abgrenzung des beruflichen Teils der Kosten vom privaten Teil nicht möglich, hat eine Aufteilung im Schätzungswege zu erfolgen. Im Zweifel wird eine Schätzung der abzugsfähigen Aufwendungen analog zum beruflich veranlassten Anteil des Computers mit idR 60% vorzunehmen sein (vgl. Atzmüller/Lattner in Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke, MSA EStG [1.9.2008], § 16 Anm 28, Stichwort "Internet").

Im gegenständlichen Fall hat der Bw. zwar dem Grunde nach die berufliche Notwendigkeit eines gegenüber einer Telefon-/Modemverbindung höherpreisigeren Internet-Kabelanschlusses glaubhaft gemacht. Das Ausmaß der behaupteten beruflichen Nutzung von 100% hat er hingegen nicht nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht, sondern darauf verwiesen, dass für den Privatgebrauch eine Telefon-/Modemverbindung ausreichend wäre. Damit wird aber eine ausschließlich berufliche Nutzung des Internetanschlusses nicht dargelegt, da ein leistungsstarker Internetzugang im Hinblick auf die vielfältigen privaten Nutzungsmöglichkeiten (Internet-Banking, E-Mail-Verkehr etc.) auch im Privatbereich (etwa beim Herunterladen großer Datenmengen) durchaus von Vorteil sein kann (vgl. UFS 22.8.2011, RV/1496-W/11).

Aus diesen Gründen und unter Zugrundelegung der von Lehre (Atzmüller/Lattner, § 16 Anm 28, Stichwort "Internet") und Rechtsprechung (vgl. UFS 22.8.2011, RV/1496-W/11) herausgearbeiteten, oa. Grundsätze (va. Schätzung der abzugsfähigen Aufwendungen für das Internet im Zweifel mit idR 60%) erscheint dem Unabhängigen Finanzsenat die Annahme eines Privatanteiles von 40% als nicht unangemessen, sodass von den geltend gemachten Internetkosten von 238,80 € ein Betrag von 143,28 € als Werbungskosten anzuerkennen ist.

- Fachliteratur (Zeitschriften "Spotlight", "Business Spotlight"):

Aufwendungen für Literatur, die mit der beruflichen Sphäre im Zusammenhang steht, sind als Werbungskosten absetzbar. Es genügt für den Werbungskostencharakter, dass die Literatur an sich - auch ohne konkret erkennbare Auswirkung auf die Einkünfte - geeignet ist, die Berufschancen zu erhalten oder zu verbessern (Atzmüller/Lattner in Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke, MSA EStG [1.6.2007], § 16 Anm 26, Stichwort "Fachliteratur"). Dem Abzugsverbot des § 20 EStG 1988 (Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung) hingegen unterliegt grundsätzlich Literatur, die für einen nicht abgegrenzten Teil der Allgemeinheit bestimmt ist; dazu gehören etwa auch Sprachmagazine zur Auffrischung allgemeiner Sprachkenntnisse (Atzmüller/Krafft in Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke, MSA EStG [1.10.2006], § 20 Anm 13, Stichwort "Literatur").

Im gegenständlichen Fall handelt es sich beim Magazin "Business Spotlight" um ein Medium, das der Vermittlung von Kenntnissen im Bereich der englischen Wirtschaftssprache ("Business-Englisch") dient (siehe oben Punkt f) in der Darstellung des Verfahrensganges und S 27 f. UFS-Akt). Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass der Tätigkeitsbereich des Bw. bei der A GmbH & Co KG im Vertrieb Export liegt, was mit Dienstreisen ins Ausland (nach Russland) verbunden ist, erscheint die Vermittlung von Kenntnissen im Bereich der englischen Wirtschaftssprache durchaus geeignet, die Berufschancen des Bw. zu erhalten oder zu verbessern, weshalb den geltend gemachten Aufwendungen für das Magazin "Business Spotlight" in Höhe von 53,40 € Werbungskostencharakter zukommt.

Das Magazin "Spotlight" hingegen dient der Erweiterung von allgemeinen Englischkenntnissen ("Spotlight - Improve your English with easy reading", siehe Ausdruck der Internetseite https://aboshop.spotlight-verlag.de/de/spotlight , S 29 UFS-Akt) und stellt damit Literatur dar, die für einen nicht abgegrenzten Teil der Allgemeinheit bestimmt ist ("Sprachmagazine zur Auffrischung allgemeiner Sprachkenntnisse", siehe oben), weshalb die für dieses Medium geltend gemachten Ausgaben von 63,60 € als Aufwendungen der privaten Lebensführung vom Abzugsverbot des § 20 EStG 1988 umfasst sind und daher keine Werbungskosten darstellen.

- Aus-/Fortbildungskosten sowie sonstige Werbungskosten:

Diese Aufwendungen hat der Bw. - obwohl er vom Finanzamt mehrmals dazu aufgefordert wurde (auch durch die Berufungsvorentscheidung vom 3. August 2010, die wie ein Vorhalt wirkt (VwGH 29.6.2005, 2000/14/0194; VwGH 28.5.2008, 2006/15/0125)) - weder nachgewiesen noch zumindest glaubhaft gemacht, sodass sie nicht als Werbungskosten anerkannt werden können.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am 7. Dezember 2011

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. a und e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Verweise:

BFH 05.03.2009, VI R 23/07
BFH 05.03.2009, VI R 58/06
BFH 05.03.2009, VI R 31/08
BFH 06.05.2010, VI R 34/09
UFS 22.08.2011, RV/1496-W/11

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